[* ] 1) deutsches Bistum, wird ums Jahr 1000 zuerst genannt, indem bei Thietmar von Merseburg ein Bischof Johann von
Breslau erwähnt wird. Bischof Walther (1149-69) erbaute den Dom; Jaroslaw, Sohn des Breslauer Herzogs Boleslaw I. (1198-1201), brachte
das Gebiet von Neiße dem Bistum zu; Thomas II. (1270-92) erstritt von Herzog Heinrich IV. die Obergerichte,
den Blutbann und das Jus ducale. Preczislaw v. Pogarell (1341-1376) stellte sich nebst der ganzen schlesischen
Kirche unter den Schutz Böhmens, erwarb mehrere Herrschaften, darunter 1344 das Fürstentum Grottkau, und nannte sich Fürst von
Neiße und Herzog von Grottkau.
Das Bistum, seines Reichtums wegen »das goldene« genannt, gehörte
zunächst zum Erzstift Gnesen und trat erst 1354 unter die unmittelbare Oberhoheit des Papstes. Seit dem 17. Jahrh. war es eine
Versorgungsanstalt für kaiserliche Prinzen oder jüngere Sprößlinge andrer Fürstenhäuser, die zugleich die Oberlandeshauptmannschaft
führten. 1742 kam das Bistum an Preußen, nur ein kleiner Teil blieb österreichisch. Unter dem Bischof
Fürst Joseph Christian von Hohenlohe-Bartenstein wurde der in Preußen liegende Teil des bischöflichen Fürstentums Neiße säkularisiert,
den in Österreich liegenden (Johannesberg, Freiwaldau, Zuckmantel) behielt der Bischof und damit den fürstlichen Titel.
Von 1817 bis 1823 war der Bischofsstuhl unbesetzt; das Konkordat von 1821 sicherte sein Fortbestehen, unterwarf ihn
wieder unmittelbar dem Papst und gab das von Friedrich d. Gr. beanspruchte Wahlrecht dem Kapitel zurück, nur das Bestätigungsrecht
dem König belassend. Der erste Bischof nach dem Konkordat war Emanuel von Schimonski (1823-32). Der 1835 gewählte Fürstbischof,
Graf Leopold von Sedlnitzky, eine Zierde der Kirche, resignierte 1840, wurde evangelisch und zog sich mit
dem Titel eines Staatsrats nach Berlin zurück, wo er 1871 starb. 1841 folgte Joseph Knauer, auf diesen 1845 Melchior, Freiherr
v. Diepenbrock, der Kardinal wurde, 1853 starb und Heinrich Förster zum Nachfolger erhielt, welcher 1876 in Preußen entsetzt
wurde.
Als er 1881 starb, wurde Propst Robert Herzog sein Nachfolger. Der Sprengel des Bistums erstreckt
sich über das ganze preuß. Schlesien (mit Ausnahme von Glatz, das zum Erzbistum Prag, u. vom Kreis Leobschütz, der zum Erzbistum
Olmütz gehört), einen Teil von Österreich.-Schlesien u. seit 1821 und 1853 auch über die katholischen Gemeinden von Brandenburg
und Pommern.
Vgl. Stenzel, Urkunden zur Geschichte des Bistums Breslau im Mittelalter (Bresl. 1845);
Ritter, Geschichte
der Diözese V. (das. 1845);
Grünhagen und Korn, Regesta episcopatus Vratislaviensis (das. 1864, Teil 1).
2) Herzogtum, der mittlere Teil Schlesiens, stand seit 1163 unter der Herrschaft eines piastischen Hauses, das 1179 auch Niederschlesien
(Liegnitz) erwarb. Während in der Folge die mächtigste Linie der Herzöge von Niederschlesien immer in
Liegnitz Hof hielt, wurde Breslau bei den vielfachen Teilungen der Piasten mehrmals Sitz einer Seitenlinie, so 1241-90 und 1311-1327.
In letztem Jahr verkaufte Herzog Heinrich VI. von Breslau sein Land an König Johann von Böhmen. Mit Böhmen kam
es 1526 unter österreichische Herrschaft und 1742 im Frieden von an Preußen (s. Schlesien, Geschichte).
[* ] (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der
preuß. Provinz Schlesien und des gleichnamigen Regierungsbezirks (s.
unten), dritte königliche Residenz, liegt unter 51° 7' nördl. Br. und 17° 2' östl. L. v. Gr., 111 m (Höhe am
Unterpegel der Oder) über der Ostsee in einer weiten, fruchtbaren Ebene, zu beiden Seiten der Oder, welche hier die Ohle aufnimmt
und mehrere Inseln (Sandinsel, Bürgerwerder etc.) bildet. Breslau, das unter den Städten des Deutschen Reichs nach Berlin u. Hamburg
die dritte Stelle, unter denen der preußischen Monarchie somit die zweite einnimmt, besteht aus der innern
Stadt (früher Alt- und Neustadt) und fünf Vorstädten: der Ohlauer Vorstadt im SO., der Schweidnitzer im S., der Nikolaivorstadt
im W., der Oder- und der Sandvorstadt im N., welch letztere aus den ehemaligen Vorstädten Sand- und Dominsel zusammengesetzt
ist.
Der Bürgerwerder und andre Oderinseln sind der Odervorstadt in administrativer Beziehung zugeteilt.
Seit sind sieben Ortschaften mit zusammen 14,417 Einw. der Stadt einverleibt worden.
Die früher vorhandenen sechs Thore sind gegenwärtig, nachdem die Festungswerke seit 1813 in schattige Spaziergänge umgewandelt
worden, nur noch teilweise an den Brückenübergängen kenntlich, welche aus der Innenstadt in die Vorstädte
führen. Die Ufer der Oder und der Inseln sind durch 10 eiserne, 5 hölzerne und 3 steinerne Brücken verbunden. Außerdem bestehen 3 große
Eisenbahnbrücken, 5 Brücken über den Stadtgraben und 4 Brücken nur für den Personenverkehr.
[Plätze, Straßen.]
Die Zahl der öffentlichen Plätze, Straßen und Wege der Stadt beträgt 290. Von den
Plätzen verdient vor allen Erwähnung der ziemlich quadratische Hauptmarkt oder der »Ring«, zugleich Zentrum der Stadt, auf
welchem das alte, mit Erkern und bilderreichen Simsen gezierte Rathaus, das neue Stadthaus, einige Reihen von Privatgebäuden
und zahlreiche Verkaufsstellen (ständige »Bauden«) sich befinden. Vor dem Stadthaus steht die Reiterstatue
Friedrichs d. Gr. (von Kiß, seit 1842), an der Westseite desselben die Reiterstatue Friedrich Wilhelms III. (ebenfalls von Kiß,
seit 1861), an der Ostseite des Rathauses die sogen. Staupsäule (einst Pranger).
Andre Marktplätze sind: der Blücherplatz (früher Salzring) mit dem ehernen Standbild Blüchers (von Rauch, seit 1827), an der
südlichen Seite von dem alten Börsengebäude, welches jetzt Gesellschaftszwecken dient, begrenzt;
der
Neumarkt (zweitgrößter Marktplatz der Stadt) mit dem Standbild Neptuns (vom Volk Gabeljürge genannt) in einem Springbrunnen;
der in der Schweidnitzer Vorstadt belegene Tauenzienplatz mit dem Marmordenkmal des Generals Tauenzien (von Schadow), der die
Stadt 1760 gegen die Österreicher unter Laudon glücklich verteidigte;
der Museumsplatz mit dem schlesischen
Provinzialmuseum und dem kaiserlichen Telegraphenamt;
der Palais- oder Exerzierplatz, zwischen dem Neuen Theater, der Promenade,
dem Ständehaus, der Reichsbank und dem Südflügel des königlichen Schlosses;
der Kaiserin Augusta-Platz mit dem gotischen
Siegesdenkmal, dem Realgymnasium zum Heiligen Geist und der neuen königlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule;
der Berliner Platz mit großer Fontane, der Platz am Zentralbahnhof, der Königsplatz, Ritterplatz, der Lessingplatz mit dem
neuen Regierungsgebäude und großer Turnhalle, der Domplatz mit dem
Dom und Parkanlagen, der große Schießwerderplatz (zu Ausstellungszwecken),
der Platz »am Wäldchen«, der infolge weiterer
Zuschüttung des Ohlebettes gewonnene Platz »am Ohlau-Ufer«, der schöne Matthiasplatz mit Parkanlagen und großem Springbrunnen
u. a. Die Straßen der innern Stadt sind bis auf wenige regelmäßig, nur etwas schmal, die der Vorstädte dagegen breit und
schön. Unter ihnen sind besonders hervorzuheben: die Schweidnitzer, Ohlauer, Albrechts-, Reusche-, Nikolaistraße und Schmiedebrücke
in der innern Stadt sowie die Tauenzien-, Neue Taschen-, Garten-, Friedrich-Wilhelms-, Kaiser Wilhelm-, Palmstraße und die Straßen
am Stadtgraben entlang in den Vorstädten. Für Beleuchtung wird durch drei der Stadtgemeinde gehörige Gasanstalten gesorgt.
Durch die Abdämmung der Ohle, die jetzt oberhalb der Stadt in die Oder mündet, und die 1881 vollendete
Schwemmkanalisation ist der Gesundheitszustand Breslaus sehr verbessert. Außer dem ältern Wasserhebewerk (durch Wasserkraft
getrieben) versorgt seit 1871 ein Dampfwasserwerk die Stadt mit filtriertem Flußwasser.
[Gebäude.]
hat 11 evang. Kirchen (darunter 5 ohne Parochialrechte), 1 altlutherische, 1 reformierte, 16 katholische
(inkl. 3 Kloster- und 3 Anstaltskirchen), 1 altkath. Kirche, Versammlungslokale für Dissidenten, Herrnhuter etc. und 13 Synagogen.
Unter den katholischen Kirchen sind bemerkenswert: der Dom zu St. Johannes dem Täufer, der um 1148 in gotischem Stil begonnen,
gegen Ende des 15. Jahrh. vollendet, später im Renaissancestil des 17. und 18. Jahrh.
erweitert und 1873-75 im Innern renoviert wurde, mit zwei Türmen (seit dem Brand von 1759 ohne Spitze), vielen Kapellen (darunter
die prachtvolle Elisabethkapelle, 1680 erbaut), großen Reichtümern (z. B. einem Hochaltar aus gediegenem Silber) und prachtvollen
Werken der Malerei und Bildnerei;
die Kreuzkirche (aus dem 13. und 14. Jahrh.), ein trefflicher Backsteinhallenbau
in Kreuzform, mit Glasmalerei, historischen Denkmälern (Grabmal Herzog Heinrichs IV. von Schlesien) und einer Krypte zu St. Bartholomäus, 1288 gegründet;
die kleine gotische Martinikirche (einst herzogliche Schloßkapelle);
die Kirche zu Unsrer Lieben Frauen auf dem Sande (daher
gewöhnlich Sandkirche genannt) mit prächtigen Gewölben und Konsolen (1328 begonnen, 1369 vollendet,
bis 1810 Kirche der Augustiner-Chorherren, im Innern sehr schön);
die Dorotheen- oder Minoritenkirche mit sehr hohem Dach,
aber ohne Türme (1351 von Kaiser Karl IV. gegründet);
die Matthiaskirche (von den Jesuiten 1736 im prunkendsten Rokoko erbaut);
die Vinzenzkirche, in welcher Herzog Heinrich II. unter einer Tumba liegt;
die 1883 vollendete Nikolaikirche,
ein Neubau an Stelle der alten, während der Belagerung von 1806 niedergebrannten Kirche;
endlich die neue St. Michaeliskirche,
ein zierlicher gotischer Bau (1871 vollendet).
Von den evangelischen Kirchen ist die erste und größte die Hauptkirche zu
St. Elisabeth (1253 gegründet, im 14. und 15. Jahrh. neu erbaut und 1857 restauriert)
mit 91 m hohem Turm (vor 1529, als die Spitze desselben herabstürzte, noch bedeutend höher), der größten Glocke Schlesiens
(110 metr. Ztr. schwer), vielen ausgezeichneten Kunstdenkmälern,
berühmter Orgel, Glasmalereien und einem 16 m hohen steinernen Sakramentshäuschen (vom Jahr 1455); die zweite evangelische
Hauptkirche, von der die Reformation 1523 für und einen großen Teil Schlesiens ausging, ist die zu St.
Maria Magdalena, nach dem Muster des Doms im 14. Jahrh. gebaut, mit zwei durch eine hohe Brücke verbundenen
gotischen Türmen,
vielen Denkmälern und neuem, prachtvollem Glasgemälde.
Ferner sind zu nennen: die St. Barbarakirche (seit 1740 zugleich Garnisonkirche) mit Tafelmalereien aus
dem 14. und 15. Jahrh.;
die um 1400 gegründete, 1821 neuerbaute 11,000 Jungfrauen-Kirche, ein Zwölfeck mit Kuppel von 23 m
Spannung;
die Bernhardinkirche mit kunstvoll gemalter Hedwigstafel, 1453 gegründet, in ihrem jetzigen Bau 1502 vollendet.
Ganz neu ist die in gotischem Stil von der Stadt erbaute Salvatorkirche. Unter den Synagogen ist die neue
am Schweidnitzer Stadtgraben nächst der in Berlin die schönste und größte Deutschlands (1872 vollendet).
Von andern öffentlichen Gebäuden sind bemerkenswert: das großartige, neuerdings renovierte Rathaus im spätgotischen Stil,
dessen Bau sich von der Mitte des 14. bis zum 16. Jahrh. hingezogen, innen
und außen reich an Bildhauerarbeit, mit berühmtem Fürstensaal und mit dem nach einem ehemals dort ausgeschenkten Bier benannten
Schweidnitzer Keller;
das an der Nordwestseite des Rathauses liegende, 1862 vollendete Stadthaus enthält den Sitzungssaal,
die Konferenzzimmer und Büreaus der Stadtverordnetenversammlung, die städtische Sparkasse und die Stadtbibliothek;
das Elisabeth-,
das Magdalenen- und das Johannesgymnasium;
das Universitätsgebäude mit der prachtvollen Aula Leopoldina
(1728 von den Jesuiten gegründet, das Türmchen enthält die Sternwarte);
das alte Regierungsgebäude (früher Palais des Fürsten
Hatzfeld, nach dem Siebenjährigen Krieg erbaut);
das neue, im Bau begriffene Regierungsgebäude;
das königliche Oberlandesgericht
(im frühern Vinzenzstift);
das neue, gegenwärtig umgebaute Hauptpostamtsgebäude;
das zweitürmige
Amts- und Landgericht (frühere Stadtgericht) mit großem Strafanstaltsgebäude;
das Gebäude der königlichen Universitätsbibliothek
(früher Augustinerkloster);
das katholische Matthiasgymnasium;
die fürstbischöfliche Residenz an der Domstraße;
die Alte
Börse am Blücherplatz (erbaut 1822-24);
die Neue Börse, im gotischen Stil, an der Promenade (1867 eröffnet);
das Stadttheater
(1872 neu erbaut);
daneben das Generalkommando;
das Gebäude der Generallandschaft;
das königliche Palais;
das Landtagshaus (früher Ständehaus), 1846 vollendet;
die Reichsbank;
das Museum der bildenden Künste (1880 eröffnet) mit
dem Museum schlesischer Altertümer;
das neue Gymnasium (Sonnenstraße);
das königliche Staatsarchiv;
mehrere Kasernen (besonders
die große Infanteriekaserne neben dem Amtsgericht und die Kürassierkaserne vor dem Schweidnitzer Thor);
dann die Bahnhofsgebäude der Freiburger und der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn sowie im SO. der 1857 im gotisierenden
Burgstil erbaute Oberschlesische oder Zentralbahnhof;
das neuerbaute Trinitatishospital (mit eigner Kirche);
das städtische
Krankenhospital zu Allerheiligen;
das neuerdings erweiterte Arbeitshaus;
das Lobe-Theater;
die von der Stadt erbaute königliche
Gewerbe (Oberreal-) Schule.
Unter den Privatgebäuden zeichnet sich besonders das ganz mit Freskogemälden
bedeckte Haus zu den sieben Kurfürsten am Ring aus. Eine der schönsten Zierden Breslaus bildet die sogen. Liebichshöhe, ein
der Stadt von den Kaufleuten G. und A. Liebich geschenktes, aus der Taschenbastion errichtetes Belvedere, das eine weite Rundsicht
gestattet.
[Bevölkerung. Erwerbszweige etc.]
Die Entwickelung Breslaus wird durch die Zunahme der Bevölkerung charakterisiert.
Die Zahl der Zivileinwohner betrug im J. 1756: 54,774, zur Zeit des Siebenjährigen Kriegs (1763) nur 42,114, 1790
mehr
wieder 51,219, 1811: 62,504, 1840: 92,305, 1852: 116,235, 1867: 167,229 (und 4697 Militärpersonen), 1880: 268,310 (und 4592 Militärpersonen),
am Schluß des Jahrs 1884: 295,300 Gesamtbevölkerung. Der Konfession nach entfallen von der Einwohnerzahl etwa 58 Proz. auf
Protestanten, 36 Proz. auf Katholiken und 6 Proz. auf Juden.
Breslaus Gewerbthätigkeit ist bedeutend und macht Breslau zum Hauptsitz der schlesischen
Industrie. Die Zahl der Aktiengesellschaften beträgt 46, die der Kommanditgesellschaften und Einzelfirmen 3075, die der eingetragenen
Genossenschaften 15; außerdem gibt es über 3000 Handelsleute und über 17,000 Fabrikanten und selbständige Handwerker. In
großartigem Betrieb befinden sich der Maschinenbau, der Bau von Eisenbahnwagen, die fabrikmäßige Möbel-
und Bautischlerei, sodann die Fabrikation von Zigarren, Öl, Bier, Spiritus und Likören, Baumwoll- und Kammgarn, Kleidungsstücken,
Wäsche, Teppichen, Rauchwaren, Gold- und Silberwaren, Geldschränken, die Verfertigung von musikalischen Instrumenten, von Billards,
die Porzellan- und Glasmalerei; ferner bestehen Wasser- und Dampfmahlmühlen, Knochenmühlen, Ölraffinerien, eine Glockengießerei,
endlich viele Fabriken für Schokolade, Hüte, Strohgeflechte, Handschuhe, Schirme, Seife und Lichte, Zichorie,
Tapeten, Buntpapier etc. Daneben steht der Gartenbau auf hoher Stufe und wird durch zahlreiche Handelsgärtner sorgsam gepflegt.
Sehr bedeutend ist der Handel und Verkehr Breslaus, der durch die Lage der Stadt an einem schiffbaren Hauptstrom Deutschlands,
in der Mitte einer der volk-, produkten- und gewerbreichsten Provinzen und im Knotenpunkt großer Eisenbahnverbindungen
wesentlich begünstigt wird. Es münden hier die Niederschlesisch-Märkische Bahn, die Breslau-Schweidnitz-Freiburger Bahn mit einer
Linie nach Stettin, die Oberschlesische Bahn mit dem Netz von Verästelungen im oberschlesischen Bergwerksrevier, der Posen-Stargarder
Linie, der neuen Linie Breslau-Glatz sowie die Rechte Oderuferbahn.
Der Handel ist überwiegend teils Transit-, teils Exporthandel in Landesprodukten. Unter letztern sind
Hauptartikel: Wolle (jährlich 40-50,000 metr. Ztr.), Getreide, Ölfrüchte, Berg- und Hüttenprodukte (besonders Steinkohlen),
Kalk, Eisen, Zink, Gewebe, Spiritus, Zucker, Butter etc. und die Erzeugnisse der städtischen Industrie. Sehr umfangreich war bisher
auch das Fonds- und Effektengeschäft. Altberühmt ist der jährliche Wollmarkt. Außerdem bestehen noch
ein in neuerer Zeit zu großer Bedeutung gekommener Maschinenmarkt, 3 Jahrmärkte, 5 Roß- und Viehmärkte, ein Flachs-, Leder-,
Zuchtvieh-, Leinsaat-, Honigmarkt, tägliche Getreidemärkte etc. Die Oderschiffahrt leidet
an dem Mangel eines größern Oderhafens, doch sind neuerdings Schienengleisverbindungen mit dem Stromufer und Verladevorrichtungen
getroffen worden.
Infolge der zum großen Teil ausgeführten Oderregulierung hat sich der Schiffsverkehr in den letzten
Jahren sehr gehoben. An Geldinstituten bestehen in Breslau eine Reichsbankhauptstelle, eine städtische Bank, der Schlesische Bankverein,
eine Diskontobank, eine Wechslerbank, eine Handels- und Entrepotgesellschaft; ferner eine Provinzialhilfskasse, ein Konsumverein, 6 Sparkassen,
verschiedene Vorschußvereine, eine ständische Darlehnskasse und die Generallandschaft. Der Etat des Stadthaushalts
für 1884 schloß in Einnahme und Ausgabe mit über 8 Mill. Mk. ab.
Sehr reich ist an Wohlthätigkeits- und Versorgungsanstalten aller Art, und es beläuft sich das Kapitalvermögen aller
milden
Stiftungen auf weit über 20 Mill. Mk., das der jüdischen Stiftungen nicht eingerechnet. Besonders hervorzuheben
sind: das Waisenhaus »ad matrem dolorosam«, 3 evangelische Waisenhäuser, viele Hospitäler, teils Kranken-, teils Verpflegungsanstalten
für das dürftige Alter, darunter das allgemeine Krankenhospital zu Allerheiligen, das jährlich über 9000 Kranke verpflegt;
das Wenzel Hanckesche Krankenhaus, das Hospital zum Heiligen Geist u. a. Andre bedeutende derartige Anstalten sind: das Kloster
der Barmherzigen Brüder zur unentgeltlichen Aufnahme armer heilbarer Kranken männlichen Geschlechts;
zwei Krankenanstalten
der Elisabethinerinnen zur Aufnahme weiblicher Kranken;
die evangelisch-lutherische Diakonissenanstalt Bethanien für heilbare
Kranke;
das Augustahospital für kranke Kinder armer Eltern;
das Hausarmenmedizinalinstitut, das Fränkelsche Hospital und
die Fränkelschen sowie die Selenkeschen Stiftswohnungen, das kaiserliche Kinderheim, die Bürgerversorgungs-
und Bürgerrettungsanstalt.
Außerdem gibt es viele wohlthätige Privatstiftungen, das städtische Armen- und das Arbeitshaus,
sechs Sparkassen, eine städtische Leihanstalt; ebenso sind 160 Kranken-, Sterbekassen- und zahlreiche Versicherungsagenturen
am Ort.
[Bildungsanstalten, Behörden etc.]
Von den wissenschaftlichen Anstalten ist vor allen die Universität zu nennen, die 1702 auf
Betrieb der Jesuiten vom Kaiser Leopold I. für Philosophie und katholische Theologie gestiftet und Leopoldina
genannt ward. Mit ihr wurde 1811 die Frankfurter Viadrina vereinigt und eine vollständige Universität mit fünf Fakultäten
gegründet. Die Zahl der Studierenden beträgt (1884) 1481, die der Dozenten 131. Mit der Universität verbunden sind: drei
theologische Seminare, ein philologisches und ein Seminar für deutsche Philologie, desgleichen für romanische
und englische Philologie, ein historisches, ein mathematisch-physikalisches, ein juristisches und ein staatswissenschaftliches
Seminar.
Die Universität besitzt 12 verschiedene naturwissenschaftliche Institute, 6 klinische Anstalten, 3 Kunstsammlungen. Zur Universität
gehört seit 1881 ein landwirtschaftliches Institut (früher in Proskau) mit 10 Lehrern und 44 Hörern.
Dasselbe vereinigt an Zweiginstituten: ein tierchemisches, ein Veterinär- und ein technologisches Institut. Die Universitätsbibliothek
umfaßt gegen 400,000 Werke, darunter Inkunabeln (bis 1500) gegen 2400, Aldinen 250, Manuskripte 2840 Bände.
Sie entstand aus den Sammlungen der aufgehobenen Stifter und Klöster und den frühern Frankfurter und Breslauer Universitätsbibliotheken;
zu ihr gehören auch die an orientalischen gedruckten und handschriftlichen Werken reiche Bibliotheca
Habichtiana und das akademische Leseinstitut. Ferner sind zu nennen: die Sternwarte;
der botanische Garten (5 Hektar groß) mit
botanischem Museum und der 1862 von einer Aktiengesellschaft angelegte zoologische Garten;
das naturhistorische und das zoologische Museum;
die chemischen und physikalischen Sammlungen;
das chemische Laboratorium;
das pflanzenphysiologische und
das mineralogische Institut;
das anatomische Institut;
die klinischen Anstalten;
die Bildergalerie (meist aus den Kirchen, Klöstern
etc.), reich an altdeutschen Werken;
das Museum für schlesische Altertümer und das Staatsarchiv für Schlesien etc. hat 6 Gymnasien,
darunter 3 städtische, ferner ein kath. Schullehrerseminar, ein Konvikt für evangelische Theologen,
ein fürstbischöfliches Klerikalseminar, ein Seminar zur
mehr
Heranbildung von Rabbinern und israelitischen Lehrern, 1 königliche Oberrealschule mit Baugewerkschule, 2 städtische höhere
und 2 mittlere Töchterschulen, 2 Realgymnasien, 3 höhere Bürgerschulen für Knaben, 2 Seminare für Lehrerinnen, 1 städtische
Lehrerfortbildungsanstalt, 76 städtische Elementarschulen (sechsklassige) mit unentgeltlichem Unterricht etc. Für artistische,
gewerbliche und anderweitige Ausbildung sorgen: die königliche Kunst- und Kunstgewerbeschule mit gewerblicher
Zeichenschule;
eine private höhere Handelslehranstalt;
die Lehranstalten und Fortbildungsschulen des Frauenbildungsvereins;
eine Gewerbe- und Handelsschule für Frauen und Mädchen;
die Hebammen- und Entbindungsanstalt;
eine Anstalt zur Ausbildung von
Fröbelschen Kindergärtnerinnen und Kinderpflegerinnen;
eine Blinden- und eine Taubstummenanstalt.
Gelehrte Gesellschaften
und Vereine für Litteratur, Wissenschaft und Kunst bestehen zu Breslau gegen 50, darunter: die Schlesische Gesellschaft für
vaterländische Kultur, mit Bibliothek und wertvoller Naturaliensammlung;
1 Künstler- und 1 Kunstverein, die Vereine für Geschichte
und Altertum Schlesiens, für Geschichte der bildenden Künste;
1 physikalischer, 1 physiologischer, 1 genealogischer Verein, 1 Alpenverein, 2 Riesengebirgsvereine,
Breslauer Dichterschule, Schillerverein, mehrere Lehrervereine, 11 religiöse Vereine, verschiedene Gewerbe-,
Handwerker- und Ortsvereine;
48 Musik- und Gesang-, über 70 Wohlthätigkeitsvereine, gegen 60 Erziehungs- und Bildungs-, 8 politische, 11 Bezirksvereine
für kommunale Angelegenheiten etc. Von Bibliotheken sind außer der Universitätsbibliothek von Wichtigkeit: die Stadtbibliothek
(über 200,000 Bände und 2500 Handschriften nebst dem Stadtarchiv mit 30,000 Urkunden und vielen Handschriften)
im Stadthaus, 1864 entstanden aus der Rhedigerschen, der Magdalenenbibliothek und der Bibliothek der Bernhardinkirche;
3 städtische
Volksbibliotheken.
Der litterarische Verkehr ist verhältnismäßig lebhaft; es erscheinen zur Zeit in Breslau 7 tägliche Zeitungen
(deren älteste die »Schlesische Zeitung«),
20 Wochenschriften, 11 Monatsschriften und über 15 kleinere und periodische
Fachblätter; es bestehen 49 Buch-, 17 Musikalien-, 12 Kunsthandlungen sowie 19 Buch- (exkl. 16 Accidenzdruckereien) und 38 Steindruckereien.
Breslau ist Sitz zahlreicher Behörden, als: des Oberpräsidiums der Provinz Schlesien und der königlichen Regierung des Bezirks
Breslau, der königlichen Generalkommission, eines Landratsamts, eines Oberlandes- und Landgerichts (letzteres für die fünf Amtsgerichte
zu Breslau, Kanth, Neumarkt, Winzig und Wohlau), eines königlichen Polizeipräsidiums, des Magistrats, einer Provinzialsteuerdirektion,
eines Provinzialschulkollegiums, eines Konsistoriums, einer Oberpost- und Telegraphendirektion, einer königlichen Eisenbahndirektion
und von vier Eisenbahnbetriebsämtern, einer Handelskammer, einer königlichen Strombaudirektion, des Oberbergamts, des Generalkommandos
des 6. Armeekorps sowie des Kommandos und der zugehörigen Truppenteile der 11. Division, der 22. Infanteriebrigade,
der 6. Feldartilleriebrigade und Kavalleriebrigade, des Fürstbischofs mit Domkapitel etc. Das von Karl V. der Stadt verliehene
Wappen ist ein quadrierter Schild mit Mittelschild, in der Mitte Johannis des Täufers Kopf in einer silberfarbenen Schüssel,
im ersten Felde der böhmische Löwe, im zweiten der schlesische Adler, im dritten ein W (welches den Namen
des ersten Erbauers der Stadt, Wratislaw, bedeutet), im vierten das Haupt Johannis des Evangelisten.
Die beiden Johannes sind neben der heil. Hedwig besondere Patrone der schlesischen Kirche. Vergnügungsanstalten hat in überreichlichem
Maß. Die Stadt umgibt an Stelle des frühern Festungswalles ein Gürtel schöner Promenaden mit mancherlei
Zierden, wozu in neuester Zeit noch Gartenanlagen auf dem Tauenzienplatz, am Wäldchen, auf dem Königsplatz, auf dem Matthiasplatz,
Lessingplatz etc. gekommen sind. Die beiden Überreste der ehemaligen Basteien (die schon erwähnte Taschenbastion, jetzt
Liebichshöhe genannt, mit breiten Terrassenanlagen und hohem Aussichtsturm und die Ziegelbastion [mit dem
Holtei-Denkmal] an der Oder) gewähren lohnenden Überblick. Der großartige Scheitniger Park sowie der Schießwerdergarten
sind Eigentum der Stadt. Außerdem besitzt dieselbe mehrere Theater, Konzertsäle für ständige Musikaufführungen und größere
Musikfeste. Zu den zahlreichen Vergnügungsorten in der Umgegend Breslaus führen teils Dampfschiffe, teils Pferdebahnen und
Omnibusse.
Vgl. das Kärtchen der Umgebung von Breslau auf der Karte »Schlesien«.
Geschichte.
Breslau erscheint als Wratislaw (Wratislawia, Wraclaw) schon um 980 als Stadt, war seit dem 11. Jahrh. Sitz eines Bischofs und gehörte
zu Polen, bis 1163 ein eignes Herzogtum unter den Söhnen des polnischen Herzogs Wladislaw gebildet wurde. Nachdem die Stadt
schon 1039 von den Böhmen erobert und geplündert und 1241 beim Einfall der Mongolen zerstört worden war,
erhob sie sich bald zu neuer Blüte, nahm viele deutsche Kolonisten auf und erhielt 1242 deutsches Stadtrecht.
Schon 1247 wurde die Stadtschule zu Maria Magdalena errichtet. Herzog Heinrich VI., mit dem 1335 die Linie Breslau ausstarb,
verkaufte die Stadt 1327 an Johann von Böhmen. Unter der Herrschaft der Luxemburger gewann sie bedeutende Vorrechte. Ein unter
König Wenzel 1418 ausgebrochener Aufstand wurde von König Siegmund 1420 blutig bestraft. Der Hussiten wußte sich die Stadt
glücklich zu erwehren; um aber nicht den als Hussit gehaßten König Podiebrad als Herrn anerkennen zu
müssen, schloß sie sich an den König Matthias Corvinus von Ungarn an, der seit 1482 die Freiheiten Breslaus willkürlich unterdrückte.
Nach der Schlacht von Mohács (1526), in der Ludwig II. umkam, fiel es an Ferdinand von Österreich. Obgleich die protestantische
Lehre unter der Einwirkung des Johann Heß, eines Freundes Luthers, seit 1523 in Breslau die Oberhand gewann, wurden
doch Bischof, Domkapitel und Mönche im ruhigen Besitz ihrer bisherigen Stellung und Güter belassen. Den Dreißigjährigen Krieg
überdauerte Breslau fast ungeschwächt und bewahrte auch 1648 Stadtrechte und Religionsfreiheit. Die 200jährige österreichische
Herrschaft beschränkte indessen den Protestantismus und eröffnete dem Treiben der Jesuiten einen immer
größern Spielraum. Friedrich II. von Preußen besetzte Breslau erhob es zur dritten königlichen Haupt- und Residenzstadt
und behielt es auch in dem am zu Breslau geschlossenen Frieden. Nach dem Sieg Karls von Lothringen über den Herzog von
Braunschweig-Bevern wurde Breslau von den Österreichern eingenommen, doch schon im Dezember nach
der Schlacht von Leuthen wieder von Friedrich gewonnen, wobei 21,000 Mann Österreicher sich gefangen geben mußten. 1760 wurde
es von Laudon vergeblich belagert. Nach der Schlacht bei Jena ward Breslau von Vandamme 7. Dez. belagert und von
dem Gouverneur v. Thile, nachdem derselbe die Vorstädte hatte niederbrennen lassen, übergeben. 1811 wurde
die bisher in Frankfurt a. Q. bestehende
mehr
Universität nach Breslau verlegt. 1813 war Breslau kurze Zeit Sitz des Königs; von hier aus erging der Ausruf: »An Mein Volk!«, und
hier organisierten sich die Befreiungsheere. Nach der Schlacht bei Bautzen waren die Franzosen abermals (1.-12. Juni) Herren
der Stadt. Die vollständige Umwandlung der schon 1808 geschleiften Festungswerke in die jetzigen Anlagen
geschah nach dem Pariser Frieden. In neuer Zeit hat Breslau einen wahrhaft großartigen Aufschwung genommen.
Litteratur.
Vgl. Gomolke, Kurzgefaßte Inbegriffe der vornehmsten Denkwürdigkeiten der Stadt Breslau (Bresl. 1731-33);
Luchs, ein
Führer durch die Stadt (9. Aufl., das. 1884);
v. Ysselstein, Lokalstatistik der Stadt Breslau (das. 1866);
»Breslauer Statistik« (hrsg. vom städtischen statistischen Amt, das. 1876-85, Serie I-IX);
Markgraf und Frenzel, Breslauer Stadtbuch
(das. 1882);
P. Eschenloer, Geschichte der Stadt Breslau von 1440 bis 1479 (hrsg. von Kunisch,
das. 1827, 2 Bde.);
Pol (gest. 1632), Annalen von 965 bis 1623 (hrsg. von Büsching und Kunisch, das. 1813-24, 5 Bde.);
Klose, Dokumentierte Geschichte und Beschreibung der Stadt Breslau (das. 1780-83, 5 Bde.;
Fortsetzung in Stenzels »Scriptores rerum Silesiacarum«, das. 1847, Bd.
3);
Grünhagen, unter den Piasten (das. 1861);
Bürkner und Stein, Geschichte der Stadt Breslau (das. 1851-53);
Stein, Geschichte der
Stadt Breslau im 19. Jahrhundert (das. 1884);
»Breslauer Urkundenbuch« (hrsg. von G. Korn, das. 1870, Bd. 1);
Heyne, Dokumentierte Geschichte des Bistums Breslau (das. 1860-68, 3 Bde.).
Der Regierungsbezirk Breslau (s. Karte »Schlesien«),
den mittlern Teil der Provinz Schlesien bildend, umfaßt 13,477 qkm (244,7 QM.)
mit (1880) 1,544,292 Einw. und zerfällt in 24 Kreise: