Titel
Braunschweig
,
[* 2] ein zum
Deutschen
Reiche gehöriges Herzogtum, liegt zwischen 51° 33' 38" bis 53° 0' 48" nördl.
Br.
und 8° 55' 47" bis 11° 27' 50" östl. L. von Greenwich, grenzt an die preuß.
Provinzen Hannover,
[* 3] Westfalen
[* 4] und
Sachsen
[* 5] und außerdem auf kurzen
Strecken an das Fürstentum
Waldeck-Pyrmont und Herzogtum
Anhalt
[* 6] und umfaßt 3672,18 qkm. Es zerfällt in drei größere getrennte Landstücke,
Braunschweig
-Wolfenbüttel-Helmstedt (1807,36 qkm),
Gandersheim-Holzminden (1108,02 qkm) und
Blankenburg (474,70 qkm) und in
sechs kleinere Trennstücke, die Amtsgerichtsbezirke Harzburg (96,44 qkm),
Calvörde (112,17 qkm) und
Thedinghausen (56,49 qkm) sowie die Ortschaften Ölsburg (3 qm), Bodenburg mit Östrum (10 qkm) und Ostharingen (4 qkm),
wovon
Thedinghausen und Ölsburg zum
Kreise
[* 7] Braunschweig
, Harzburg zum
Kreise Wolfenbüttel,
[* 8]
Calvörde zum
Kreise
Helmstedt und Bodenburg
nebst Ostharingen zum
Kreise
Gandersheim gehören. Das früher mit
Preußen
[* 9] gemeinschaftliche Kommunionharzgebiet
ist durch
Vertrag vom zwischen und
Preußen geteilt, jedoch ist der gemeinschaftliche Betrieb der
Hüttenwerke, an
deren Ertrage ersteres mit drei Siebenteln, letzteres mit vier Siebenteln teilnimmt, bestehen geblieben.
Bodengestaltung. Der nördl. Hauptteil ist ein welliges Hügelland, welches sich nördlich in die Norddeutsche Tiefebene verläuft; die höchsten Erhebungen finden sich hier in der Asse (221 m) und im Elme. Der südöstl. Hauptteil (das ehemalige Fürstentum Blankenburg nebst Stift Walkenried) liegt im Bereiche des Harzes, dessen höchste Punkte hier der Wurmberg (968 m), die Achtermannshöhe (926 m), der Stöberhai (719 m) und der Ebersberg (687 m) sind. Die westl. Ländermasse wird von dem sog. Wesergebirge durchzogen, dem Ith, Hils und Sollingerwald (494 m). Mit Ausnahme des Kreises Blankenburg und des Amtes Calvörde, welcher erstere durch die Bode wie letzteres durch die Ohre zum Elbgebiete gehört, sowie der Gegenden, wo der große Bruchgraben Elb- und Wesergebiet auf merkwürdige Art verbindet, liegt das Herzogtum im Bereiche des Wesergebietes.
Die Weser selbst ist im Westen größtenteils nur Grenzfluß. Die Aller sowie die Leine berühren Braunschweig
nur
auf kurzen
Strecken, erstere im
Kreis
[* 10]
Helmstedt, letztere im
Kreis
Gandersheim, während die
Oker den
Amtsbezirk Harzburg sowie
den nördl. Hauptteil des
Landes von S. nach N. durchströmt. Mineralquellen finden sich in Schöningen,
Harzburg,
Gandersheim, Seesen u. s. w.
Das Klima ist für die Ebenen das gewöhnliche norddeutsche, für die höhern Harzgegenden
viel rauher; man erntet hier 4 Wochen später als im Flachlande. Die mittlere Jahrestemperatur ist in der Hauptstadt Braunschweig
+8,83
°C (S. Karte: Hannover,
Schleswig-Holstein,
[* 11] Braunschweig
und Oldenburg.)
[* 12]
Bevölkerung.
[* 13] Braunschweig
hatte 1885: 372 452 E., 1890: 403 773 (201 428 männl., 202 345 weibl.) E.,
d. i. 109 auf 1 qkm;
43 069 Wohnhäuser, [* 14] 90 136 Haushaltungen und Anstalten.
Hiervon entfallen auf die 13 Städte 170 906 (84 903 männl., 86 003 weibl.) E., 12 499 Wohnhäuser und 38 562 Haushaltungen, auf 444 Flecken und Landgemeinden 232 867 (116 525 männl., 116 342 weibl.) E., 30 570 Wohnhäuser und 51 574 Haushaltungen. Dem Religionsbekenntnis nach waren 379 592 Lutherische (= 94 Proz.), 4060 Reformierte, 16 419 Katholiken, 846 sonstige Christen, 1635 Israeliten und 1221 andere. Der Staatsangehörigkeit nach waren darunter 2016 Reichsausländer. - Die Bevölkerungsbewegung gestaltete sich im Mittel der 20jährigen Periode von 1873 bis 1892 wie folgt: Zahl der Eheschließungen 3213, der Lebendgeborenen 12 825 und der Gestorbenen 8668;
der jährliche Geburtsüberschuß betrug mithin 4157 Köpfe (letzterer erhebt sich für die 3 Jahre 1890-92 allein berechnet auf 5074 Köpfe jährlich).
Land-und Forstwirtschaft. Der Ackerbau ist hoch entwickelt. Infolge der schon frühzeitig gesetzlich ausgeführten Gemeinheitsteilungen und Ackerzusammenlegungen sowie der Ablösung der Zehnten und Dienste [* 15] und Aufhebung des Lehnsverbandes ist der Grund und Boden von den beengenden Fesseln befreit und einer rationellen und intensiven Kultur zugeführt. Das seit 1835 für Ablösungen seitens der Verpflichteten aufgewendete Kapital beläuft sich auf mehr als 34 Mill. M. Im J. 1883 wurden ermittelt in Hektar: Ackerland 178 832 (48,4 Proz.), Gärten 6302 (1,7 Proz.), Wiesen 35 350 (9,6 Proz.), Anger 14 619 (4 Proz.), Forsten 109 895 (29,8 Proz.) und übrige Fläche 24 043 (6,5 Proz.). Von dem Acker- und Gartenlande waren bestellt mit Getreide [* 16] und Hülsenfrüchten 65,9 Proz. (darunter Roggen 20,8 Proz.), Hackfrüchten und Gemüse 19,1 Proz. (davon Kartoffeln 9,7 Proz.) und Futterpflanzen 9,3 Proz. Der Besitzanteil des Staates an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche beträgt 10,5 Proz. Die Gesamternte der Hauptprodukte berechnete sich 1892 (in 100 kg) auf: Weizen 577000, Roggen 897 500, Gerste [* 17] 244 100, Hafer [* 18] 627 500, Kartoffeln 3 233 400 und Wiesenheu 1 139 400. Nach dem Ergebnisse der Berufszählung von 1882 waren insgesamt 53 611 landwirtschaftliche Betriebe vorhanden. Dieselben verteilen sich folgendermaßen: Betriebe von weniger als 1 ha = 34 129 (63,6 Proz.), von 1-10 ha = 14 149 (26,4 Proz.), 10-100 ha = 5168 (9,7 Proz.) und 100 ha und darüber = 165 (0,3 Proz.). Gartenbau findet ¶
mehr
namentlich bei den Städten und Wolfenbüttel in größerm Umfange statt, feldmäßiger Gemüsebau zu Konservezwecken bei Braunschweig.
Die
Obstbaumzucht hat sich besonders durch die thätige Mitwirkung der in der Stadt Braunschweig
auf Staatskosten
unterhaltenen Landesbaumschule sehr gehoben, auch sind die Staats- und Landstraßen großenteils mit wertvollen Obstsorten
besetzt. Die Viehzucht
[* 20] wird meist in Verbindung mit dem Ackerbau betrieben und tritt nur ausnahmsweise
auf dem Harze und im Amte Thedinghausen in den Vordergrund.
Pferde [* 21] werden vornehmlich noch in den Ämtern Thedinghausen, Vorsfelde und Calvörde gezüchtet. Von größerer Bedeutung ist die Rindviehzucht, welche vorzugsweise auf dem Harze betrieben wird. Auch in den mittlern und kleinern Bauernwirtschaften des Landes wird das Jungvieh meist aufgezogen. Zur Hebung [* 22] und Veredelung der Pferdezucht [* 23] ist ein herzogl. Landgestüt mit 35 auf 12 Beschälstationen des Landes verteilten Hengsten vorhanden. In Harzburg befindet sich ein Privatgestüt der herzogl. Hofhaltung, welches durch Züchtung hochedler Rasse- und Rennpferde in neuerer Zeit Hervorragendes geleistet und sich einen weitverbreiteten Ruf erworben hat. 1892 zählte man 31 682 Pferde, 113 798 Stück Rindvieh, 178 552 Schafe, [* 24] 141 215 Schweine, [* 25] 52 388 Ziegen und 7429 Bienenstöcke.
Der Verkaufswert aller Viehstücke ist zu 66⅔ Mill. M. berechnet, wovon etwa 24 102000 M. auf Pferde, 29 603000 M. auf Rindvieh, 3 673000 M. auf Schafe und 9 263000 M. auf Schweine entfallen. Das Lebendgewicht des gesamten Rindviehes wurde zu 45 Mill. kg, das des (über 1 J. alten) Schweineviehes auf 6,063 Mill. kg geschätzt. Seit 1883 hat eine Zunahme der Pferde um 18 Proz., des Rindviehes um 25,4 Proz., der Schweine um 40,8 Proz. und der Ziegen um 10,9 Proz. stattgefunden, wogegen das Schafvieh um 26,8 Proz. abgenommen hat.
Zur Förderung der Landwirtschaft ist ein Landwirtschaftlicher Centralverein zu Braunschweig mit 22 Zweigvereinen im Lande thätig, der eine agronomisch-chem. Versuchsstation in Braunschweig unterhält. Eine Landwirtschaftliche Lehranstalt befindet sich zu Helmstedt. Von der gesamten Waldfläche gehören dem Staate 72,4 Proz., Gemeinden und Genossenschaften 18 Proz. und Privaten 9,6 Proz.; im ganzen sind 64 Proz. Laubholz (darunter 48 Proz. Buchen-) und 36 Proz. Nadelholzwald. Die Staatsforsten befinden sich in vortrefflichem Kulturzustand; deren technische Verwaltung erfolgt (1892) in 7 Forstmeister- mit 46 Oberförsterbezirken. Im Betriebsjahre 1890/91 betrug die geerntete Holzmasse von 83 363 ha. Fläche 430 992 Festmeter; die Roheinnahme belief sich auf 45,30 M. und die Reineinnahme auf 21,54 M. durchschnittlich für den Hektar.
Industrie und Gewerbe. Der Bergbau [* 26] wird nebst der Hüttenindustrie (mit Ausnahme der Kommunionwerke am Harze, s. S. 460 a) nur von Privaten betrieben. Die Ausbeute betrug 1892 in Tonnen à 1000 kg: Braunkohlen 593 849, Asphalt 38 190, Steinsalz 5480, andere (Kali-)Salze 54 697, Eisenerze 120 910, Bleierze 842, Kochsalz 4858, Chlorkalium 8636, Roheisen 28 735, Blockblei 4264, elektrolytisches Kupfer [* 27] 1081, engl. Schwefelsäure [* 28] 18 057, Kupfer- und Zinkvitriol 4363, ferner 56,40 kg Gold [* 29] und 7054 kg Silber.
Der Gesamtwert aller Produkte betrug 11 925000 M. Die Zahl der Arbeiter belief sich auf 2988. Nächst etwas Torf findet sich vortreffliches Baumaterial, und zwar bei Rübeland (Marmor), im Okerthale (Granit), bei Hüttenrode (Porphyr), bei Mankenburg, Velpke und im Solling (Sandstein), bei Königslutter (Tuffstein) und bei Lutter am Barenberge (Syenit u. s. w.). Vorzügliches Material zu Straßenpflasterungen liefern die großen Gabbro-Steinbrüche bei Harzburg sowie die Diabas-Steinbrüche bei Neuwerk.
Sonstige Industriezweige: Rübenzuckerfabriken und -Raffinerien, Tabak-, Cigarren-, Cichorien-, Tapeten-, Seifen-, Cement-, Asphalt-, Kanalstein-, Stroh-, Filz- und Seidenhut-, Wagen-, Maschinen- und Schokoladefabriken, ferner Fabriken von Chemikalien (in und Schöningen), Vanillin (in Holzminden), von Holzwaren, Zündhölzern und zur Vereitung von Holzstoff [* 30] zur Papierfabrikation [* 31] (am Harze), Kalisalzwerk (in Thiede), Glashütten (am Harze und Solling), Steinschleifereien (am Solling), Ziegeleien, Schießpulverfabriken (in Rübeland), Flachs- und Jutespinnereien (in Wolfenbüttel, und Vechelde), Porzellanfabrik (in Fürstenberg), Fabriken von Pianoforten, Nähmaschinen, [* 32] feuerfesten Geldschränken, Glacéhandschuhen, Konserven (insbesondere Spargel), Würsten (in der Stadt Braunschweig). In der Rübenzuckerfabrikation verarbeiteten 32 Fabriken im Betriebsjahre 1891/92: 5 947 598 Doppelcentner Rüben mit einer Ausbeute von 677 097 Doppelcentner Rohzucker und 144 648 Doppelcentner Melasse. An Rübenzuckersteuer wurden 4 758 078 M. und Verbrauchsabgabe 3 828 560 M. erhoben. Branntweinbrennereien gab es 1891/92 36, wovon 30 im Betriebe; die Branntweinsteuer und Verbrauchsabgabe betrug 1112 363 M. Die Zahl der Brauereien betrug 1891/92: 77, wovon 72 im Betriebe mit einer Produktion von 483 779 hl Bier und einem Brausteuerertrage von 381 666 M.
Handel und Geldwesen. Der ansehnliche Handel wird namentlich sehr begünstigt durch die Lage des Landes, die es von alters herzu einem Vermittelungspunkte der Nord- und Ostseeküsten mit dem Adriatischen Meere (über Leipzig), [* 33] zwischen dem Osten und Westen (Preußen), wie zwischen Nord- und Süddeutschland (über Frankfurt [* 34] a. M.) erhob. In der Stadt Braunschweig finden alljährlich zwei Messen statt, deren Bedeutung in jüngerer Zeit sehr nachgelassen hat. Die wichtigern Ausfuhrartikel des Landes sind: Jutegespinste, Cichorien, Tapeten, Filz- und Seidenhüte, Zucker, [* 35] Bier, Konserven, Blei, [* 36] Eisen [* 37] und Eisenwaren, Verblendziegel und roter Thon (aus Helmstedt), Tafelglas, Braunkohlen, Dampfmaschinen [* 38] und Kessel, Nähmaschinen, Holz [* 39] und Holzwaren, Bausteine, Cement, Asphalt, Schwefelsäure und andere chem. Fabrikate, Würste, Honigkuchen u. s. w. In der Stadt Braunschweig bestehen eine Handelskammer für das gesamte Herzogtum, eine (1876 errichtete) Reichsbankstelle, welche letztere ihren Geschäftsbetrieb auch auf die in der preuß. Provinz Hannover belegene Stadt Goslar [* 40] mit erstreckt (Gesamtumsatz 1891: 654,843 Mill. M.), ferner die Braunschweigische Bank (Gesamtumsatz 1891: 939,43 Mill. M.), eine (Braunschweigisch-Hannoversche) Hypothekenbank (1891: 95,54 Mill. M. Hypothekforderungen und 89 Mill. M. begebene Pfandbriefe), eine Kreditanstalt (Gesamtumsatz 1891: 420 Mill. M.) und eine herzogl. Leihhausanstalt mit fünf Zweiganstalten in den Kreisstädten. Die Landeskreditanstalt (herzogl. Leihhaus) vermittelte seit 1842 (Gesetz vom die Kontrahierung der Staatsanleihen und ist vorzugsweise eine Hypothekenbank, macht daneben aber auch Lombardgeschäfte. Ein Zubehör derselben sind die über das Land verteilten 22 öffentlichen Sparkassen. Die Braunschweigische Bank (gegründet 1853), mit ¶
mehr
einem Grundkapital von 3½ Mill. Thlrn., kann bis 4½ Mill. Thlr. Banknoten ausgeben und muß behufs deren Einlösung stets für 3½ Mill. Thlr. umlaufende Noten den vierten Teil, darüber hinaus aber den dritten Teil des umlaufenden Mehrbetrags bar vorrätig halten. Nach dem Reichsbankgesetze vom beläuft sich die Summe der ungedeckten Noten der Bank, welche ohne Besteuerung in Umlauf gesetzt werden kann, auf 2 829000 M. Da sich die Bank dem Reichsbankgesetz nicht unterworfen hat, dürfen ihre Noten nur in Braunschweig cirkulieren. Seit 1862 besteht im Herzogtum als Hypothekenbank für ländlichen Grundbesitz ein Ritterschaftlicher Kreditverein mit der Befugnis der Aufnahme von Anlehen gegen Schuldverschreibungen.
Verkehrswesen. Das Land besitzt ein vorzügliches Straßennetz in einer Gesamtlänge von 3114 km (worunter 752 km Staatsstraßen). (Über Eisenbahnen s. Braunschweigische Eisenbahnen und Deutsche Eisenbahnen.) [* 42] Die Privateisenbahnen unterstehen der Oberaufsicht des herzogl. Eisenbahnkommissariats in Braunschweig. In postalischer Beziehung bildet das Herzogtum (mit Ausnahme des zu dem Oberpostdirektionsbezirk Bremen [* 43] gehörigen Amtsgerichtsbezirks Thedinghausen) einen Teil des Bezirks der Kaiserl.
Oberpostdirektion Braunschweig. Letzterer umfaßt einschließlich der damit verbundenen preuß. Gebietsteile eine Gesamtfläche von 7449 qkm mit 730000 E. Im Herzogtum waren Ende 1892: 125 Post- und Telegraphenanstalten und 341 Posthilfsstellen vorhanden;
befördert wurden 44 020 094 Briefe, 2 103 794 Pakete, 223 849 aufgegebene und 224 315 eingegangene Telegramme. An Porto- und Telegrammgebühren wurden 2 278 756 M. vereinnahmt;
die Summe der ein- und ausgezahlten Postanweisungen belief sich auf 98 346 963 M. An Stadt-Fernsprecheinrichtungen bestanden in Braunschweig 536, in Wolfenbüttel 37, in Schöningen 24, in Helmstedt 14 und in Blankenburg 17. Die Zahl der (1892) ausgeführten Verbindungen betrug in Braunschweig 2 740 161, Blankenburg 27 364, Heimstest 7250, Wolfenbüttel 48 114 und in Schöningen 20 639.
Verfassung und Verwaltung. Die Verfassung des Staates ist nach der Umwälzung des J. 1830 im konstitutionell-monarchischen Sinne gestaltet und durch das Landesgrundgesetz oder die «Neue Landschaftsordnung» vom welche später durch die Gesetze vom und vom mehrere Änderungen erfahren hat, näher bestimmt. Der Landesversammlung, welche die Gesamtheit der Landesbewohner vertritt, steht das Steuerbewilligungsrecht, die Mitaufsicht über das vom Privatgute des Herzogs geschiedene Kammergut, aus dessen Einkünften dem Landesfürsten eine bestimmte Jahressumme (1 125 322 M.) ausgesetzt ist, und das Recht der Beratung und Zustimmung zu allen Landesgesetzen zu. Sie muß von der Landesregierung regelmäßig alle 2 Jahre berufen werden, kann sich aber auch in gewissen Fällen ohne landesherrliche Anordnung versammeln und ist stets durch einen aus sieben Mitgliedern bestehenden Ausschuß vertreten.
Der Landtag besteht seit 1851 aus 46 Abgeordneten, von denen 10 die Stadt-, 12 die Landgemeinden, 21 die Höchstbesteuerten der Hausbesitzer und der Gewerbetreibenden und 3 die evang.-luth. Geistlichkeit entsendet. Die Wahlperioden haben eine Dauer von 4 Jahren. Die höchste Verwaltungsbehörde bildet das Staatsministerium, dem eine in 5 Sektionen gegliederte Ministerialkommission beratend zur Seite steht. Die obere Leitung des Landesfinanzwesens und die Führung der allgemeinen Finanzkontrolle wird durch das Finanzkollegium ausgeübt, während der Kammer mit den drei Direktionen der Domänen, der Forsten und der Bergwerke die Verwaltung des gesamten Kammer- und Klostergutes obliegt; das öffentliche Bauwesen untersteht der Baudirektion. Die Verwaltung der direkten Steuern führt das Steuer-Kollegium, die der indirekten Abgaben u.s.w. die Zoll- und Steuerdirektion. An direkten Steuern werden Grund-, Gewerbe- und Personalsteuern erhoben. - Das Herzogtum zerfällt (1891) in folgende 6 Kreise:
Kreise | qkm | Wohnhäuser | Haushaltungen | Einwohner | pro qkm |
---|---|---|---|---|---|
Braunschweig | 543,08 | 11535 | 31699 | 141632 | 260 |
Wolfenbüttel | 734,57 | 8859 | 16834 | 75168 | 102 |
Helmstedt | 797,81 | 7475 | 14680 | 65501 | 82 |
Gandersheim | 548,15 | 5699 | 10163 | 45021 | 82 |
Holzminden | 573,87 | 5719 | 9839 | 47095 | 82 |
Blankenburg | 474,70 | 3782 | 6921 | 29356 | 61 |
--------------------------------------------------------------
Herzogtum | 3672,18 | 43069 | 90136 | 403773 | 111,5 |
---|---|---|---|---|---|
An ihrer Spitze stehen Kreisdirektoren als Verwaltungs- und Polizeibehörden. Die Kreise zerfallen in Amtsgerichtsbezirke.
Ortspolizeibehörden sind in den Städten die Magistrate (in der Hauptstadt Braunschweig die Polizeidirektion), in den Landgemeinden die Gemeindevorsteher. Durch die Kreisordnung vom ist das Land zu Zwecken der Selbstverwaltung in acht mit Korporationsrechten versehene Kreiskommunalverbände eingeteilt, welchen insgesamt 15 Mill. M. Dotationsgelder durch den Staat überwiesen sind. Für das Herzogtum bestehen ein Oberlandesgericht in und, nachdem 1890 das zu Holzminden aufgehoben wurde, ein Landgericht in und 24 Amtsgerichte. Im Bundesrate führt Braunschweig zwei Stimmen. Braunschweig zerfällt in drei Reichstagswahlkreise: Braunschweig-Blankenburg (Abgeordneter Blos, Socialdemokrat), Helmstedt-Wolfenbüttel (Schwerdtfeger, Hospitant bei den Nationalliberalen) und Holzminden-Gandersheim (Krüger, nationalliberal).
Landeskirche ist die evangelisch-lutherische. Dieselbe enthält (1891) 228 Pfarrbezirke mit 331 Kirchen, 70 Kapellen und 26 Betsälen. Die Zahl der Geistlichen beträgt 256. Die Kirchengewalt steht dem Landesfürsten zu und wird unter Beirat und Mitwirkung des Konsistoriums zu Wolfenbüttel sowie der durch Gesetz vom errichteten Landessynode ausgeübt. Letztere besteht aus 14 geistlichen und 18 weltlichen Abgeordneten, von denen je 2 der Landesherr als Summus episcopus ernennt. Die Landessynode tritt jedes vierte Jahr zu ordentlicher Versammlung zusammen und ist ständig durch einen aus 5 Mitgliedern bestehenden Synodalausschuß vertreten. Neben der luth. Kirche ist nur eine reform. Gemeinde in Braunschweig. Die Katholiken gehören zum Sprengel des Bischofs von Hildesheim. [* 44] Für den israel. Kultus besteht ein Landesrabbinat zu Braunschweig.
An Orden [* 45] und Ehrenzeichen hat Braunschweig den Orden Heinrichs des Löwen [* 46] mit fünf Klassen und das Verdienstkreuz mit zwei Klassen, mehrere militär. Dienstauszeichnungen und eine Rettungsmedaille.
Das Wappen des Herzogs zeigt in vertikal geteiltem Schilde rechts übereinander zwei schreitende goldene Leoparden in rotem Felde, links einen blauen Löwen in goldenem mit roten Herzen besäten Felde. Als Landeswappen wird ein springendes weißes Pferd [* 47] in rotem Felde geführt. Auf dem um ¶