Titel
Braunkohle
,
eine dichte, erdige, holzige oder faserige Kohlenmasse mit braunem Strich, mit 30 bis etwa 75 Proz. Kohlenstoff und bedeutendem Bitumengehalt. Sie zeigt häufig die wohlerhaltene vegetabilische Struktur, besitzt muscheligen, erdigen oder holzartigen Bruch und braune bis pechschwarze Farbe, verbrennt leicht mit rußender Flamme [* 3] und unter Entwicklung eines unangenehmen, eigentümlich brenzligen Geruchs und giebt mit Kalilauge eine dunkelbraune Flüssigkeit.
Die Braunkohle
bilden Flöze, d. h. zusammenhängende Lager
[* 4] von größerer
Ausdehnung
[* 5] und oft bedeutender Mächtigkeit (so bei Köln
[* 6] von 25-30, bei Zittau
[* 7] von 33 m, im nördl.
Böhmen
[* 8] hier und da bis zu 50
m), in verschiedenen Unterabteilungen
der
Tertiärformation,
[* 9] z. B. in Norddeutschland,
Böhmen und am Nordrande der
Alpen.
[* 10] Das Material zur
Bildung der Braunkohle
haben die
Koniferen,
[* 11]
Palmen,
[* 12]
Laubhölzer und Torfmoore der genannten geolog.
Periode geliefert, deren abgestorbene Reste unter dem durch
eine
Bedeckung von Sand und
Thon bewirkten
Abschluß der Luft einem außerordentlich langsamen Vermoderungs-(Verkohlungs-)Prozesse
unterworfen wurden.
Die Braunkohle
befinden sich in sehr verschiedenen Stadien dieser Umwandlung. Durch weitern Fortschritt derselben
entstanden, indem sich das
Bitumen mehr und mehr verflüchtigte, nacheinander
Steinkohlen,
Anthracit und endlich Graphit, welch
letzterer aber nur noch im Sauerstoffgebläse brennbar ist. Daher kommt es, daß diese Reihenfolge der
Umwandlungszustände gewöhnlich zugleich dem geolog.
Alter der fossilen
Kohlen entspricht, d. h. die Braunkohle
pflegen zwischen jüngern
Ablagerungen aufzutreten als die
Steinkohlen, der
Anthracit ist gewöhnlich noch älter als die
Steinkohle, und der Graphit findet
sich in der Regel zwischen den ältesten Gesteinsbildungen.
Lokal finden aber Ausnahmen von dieser Altersreihe statt, weil der Umwandlungsprozeß nicht überall
gleichmäßig vorgeschritten ist. Eine scharfe Grenze zwischen und
Steinkohle besteht deshalb nicht immer, oft vermögen nur
die geolog. und paläontolog. Verhältnisse des Vorkommens Anhaltspunkte für die Bestimmung einer fossilen
Kohle zu liefern.
Es läßt sich in dieser Hinsicht sagen, daß jede fossile
Kohle, die jünger als Kreide
[* 13] ist und in Formationen
über derselben vorkommt, «Braunkohle»
zu nennen ist, dagegen jede
Kohle, die in Formationen sich findet, die älter sind
als Kreide, mit
«Steinkohle» zu bezeichnen ist.
Von der
Schwarz- oder
Steinkohle unterscheidet sich die Braunkohle
, wie schon ihr
Name erkennen läßt, durch ihre
braune Färbung, die aber allerdings bei den einzelnen Sorten von gelbbraun bis schwarzbraun schwankt. Es giebt sogar
Kohlen
von ganz schwarzem Ansehen, die man dennoch ihrer Natur nach zu den Braunkohle
rechnet, weil sie beim Zerreiben ein
braunes Pulver geben, während das Strichpulver der Schwarzkohle
(Steinkohle) und des
Anthracits stets schwarz
ist.
Ihrer chem. Zusammensetzung nach unterscheidet sich die Braunkohle
von der Schwarzkohle
und dem
Anthracit durch ihren geringern Gehalt an
Kohlenstoff und
Stickstoff und ihren viel größern Bitumengehalt. Dies ist
zugleich der
Grund, warum sie leichter, mit Flamme und stärkerm
Rauch und
Geruch verbrennt, und mit Kalilauge
gekocht, diese braun färbt, was bei jenen viel bitumenärmern
Kohlen nicht der Fall ist.
Von den verschiedenen Sorten von Braunkohle
sind die wichtigsten folgende:
1) gemeine dichte auch wohl Stückkohle genannt, mit mattem, erdigem Bruch und brauner Farbe;
2) erdige (auch wohl Streichkohle genannt, weil man sie für die Benutzung zur Feuerung in Formen streicht), braun und ¶
mehr
zerreiblich;
3) Pechbraunkohle
, sehr dicht, dunkelbraun bis schwarz, im Bruch glänzend wie Pech;
4) Lignit oder bituminöses Holz, [* 15] mit deutlich erhaltenem Holzgefüge, zuweilen noch als Holz verarbeitbar, häufig zusammenhängende Baumstämme bildend;
5) Blätterkohle, Papierkohle oder Dysodil, aus dünner, blattartiger Pflanzenmasse zusammengesetzt und danach leicht trennbar;
6) Moorkohle, torfähnlich, filzig, oft sehr unrein, auch wohl übergehend in sog.
Alaunerde, aus der man Alaun
[* 16] darstellt. - Sowohl der Gehalt an verbrennlichen Bestandteilen als der Aschengehalt (letzterer
zum Teil von erdigen Beimengungen herrührend) ist bei den einzelnen Braunkohle
nsorten sehr ungleich, und hauptsächlich
danach bestimmt sich ihr Brennwert. (Über genauere Zusammensetzung und die Brennwerte einzelner Braunkohle
nsorten
s. Heizmaterialien.)
Braunkohle
finden sich in bald größern, bald geringern Mengen in allen Ländern der Erde. In Deutschland,
[* 17] wo die Braunkohle
durchschnittlich
geringwertig ist, zieht sich, von Posen
[* 18] und Schlesien
[* 19] ausgehend, am Abhange des mitteldeutschen Gebirgszuges ein 2 bis 20 Meilen
breiter Braunkohle
führender Gürtel
[* 20] quer durch das Reich bis an den Rhein, und darüber hinaus bis in die Nähe
von Aachen
[* 21] und bis nach Trier.
[* 22] Durch bessere Braunkohle zeichnen sich aus die Bezirke von Zittau, von Halle
[* 23] und Weißenfels
[* 24] (den Hauptplätzen
der Mineralölindustrie), sodann Braunschweig,
[* 25] Cassel und einige Bezirke der Rheinprovinz.
[* 26] Von hervorragender Bedeutung, sowohl
durch die sehr bedeutende Mächtigkeit, wie durch ausgezeichnete Beschaffenheit der Kohle ist das große
Becken im nördl. Böhmen, das sich von Eger
[* 27] bis zur Elbe erstreckt und unter den bis jetzt bekannten Vorkommnissen noch heute
das berühmteste Braunkohlengebiet repräsentiert. Die Braunkohle lagert hier so wenig tief unter der Erdfläche,
daß vielfach Tagebau möglich ist.
Die Anwendbarkeit der Braunkohle als Brennstoff ist beschränkter als die der Steinkohle. Sie ist namentlich zu Rostfeuerungen sowie als Heizmaterial für Stubenöfen brauchbar. In neuerer Zeit stellt man aus der auch Leuchtgas [* 28] und Heizgas dar. Durch trockne Destillation verarbeitet man die Braunkohle, namentlich die in der Provinz Sachsen [* 29] und in Schlesien vorkommende «Schwelkohle», auf Paraffin, [* 30] Solaröl, Karbolsäure, Kreosot und ähnliche Produkte. Zur Farbenbereitung ist der Braunkohlenteer, zum Unterschiede von dem Steinkohlenteer, nicht geeignet.
Die Förderung von Braunkohle betrug im Deutschen Reich:
1870 | 7 605 234 t im Werte von | 22 053 117 M. | ||
---|---|---|---|---|
1875 | 10 36 7686 " " | " | " | 36 885 178 " |
1880 | 12 144 469 " " | " | " | 36 710 013 " |
1885 | 15 355 117 " " | " | " | 40 377 832 " |
1889 | 17 551 411 " " | " | " | 44 079000 " |
1890 | 19 012 481 " " | " | " | 49 507000 " |
1891 | 20 554 885 " " | " | " | 54 112000 " |
In Böhmen:
1850 | 360 255 t im Werte von | 2 161 536 M. | |||
---|---|---|---|---|---|
1860 | 1 548 306 " " | " | " | 7108910 | " |
1870 | 4 060 169 " " | " | " | 20504094 | " |
1880 | 5 882 790 " " | " | " | 38288000 | " |
1889 | 10 250 772 " " | " | " | 55352000 | " |
1890 | 10 875 306 " " | " | " | 57108000 | " |
Die übrigen Länder sondern in ihrer Montanstatistik meist nicht die Braunkohle von der Steinkohle, sodaß von ihnen die Höhe der Braunkohlenförderung nicht angegeben werden kann.
Vgl. Unger, Die Verwertung der Braunkohle als Feuerungsmaterial (Weim. 1863);
Zincken, Die Physiographie der Braunkohle (Hannov. 1867; Ergänzungen dazu, Halle 1871);
Neumann, Die Vergasung erdiger Braunkohle zum Betriebe der Schmelz- und Brennöfen (ebd. 1873);