Brant,
Sebastian (oft auch mit dem lateinischen Gelehrtennamen Titio genannt), berühmter Gelehrter und Dichter, geb. 1458 als Sohn eines Gastwirts
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zu Straßburg, studierte nach dem Besuch der (Schlettstädter?) Schule seit 1475 in Basel Humaniora und Jurisprudenz, erwarb daselbst die Grade des Bakkalaureats und der Lizenz, trat 1484 als akademischer Lehrer auf, promovierte 1489 zum Doktor beider Rechte und bekleidete öfters das Amt eines Dekans der juristischen Fakultät. Durch Vermittelung des ihm befreundeten Geiler von Kaisersberg erhielt er 1501 die Stelle eines städtischen Rechtskonsulenten in Straßburg, 1503 die des Stadtschreiber (Kanzlers) und machte sich in diesen Ämtern um das städtische Gemeinwesen vielfach verdient. Kaiser Maximilian, der sich seiner Hilfe öfters bediente, ernannte ihn zu seinem Rat und später auch zum Comes palatinus. Brant stand mit vielen hervorragenden Geistern seines Zeitalters in brieflichem und freundschaftlichem Verkehr und war auch thätiges Mitglied der von Jakob Wimpfeling und von Konrad Celtes gestifteten gelehrten Gesellschaften. Ferner ist aus seinem sonst stillen Leben noch als bemerkenswert zu erwähnen, daß er 1520 bei einer Gesandtschaft der Stadt Straßburg an Karl V. in Gent das Wort führte. Er starb in seiner Vaterstadt 10. Mai 1521. Brant war einer der thätigsten und einflußreichsten Schriftsteller seiner Zeit. Nicht nur ältere kanonische Rechtsbücher und eine Reihe kirchlicher Schriftsteller, sondern auch ältere deutsche Werke gab er heraus; ferner übersetzte er eine Anzahl lateinischer Bücher und lieferte auch eine Bearbeitung des »Freidank« (zuerst Straßb. 1508), wogegen die frühere Annahme, daß auch der 1549 erschienene »Renner« von Brant herrühre, irrig ist. Von seinen eignen teils in lateinischer, teils in deutscher Sprache abgefaßten Werken gelehrten und dichterischen Inhalts, die zum Teil auch den Ereignissen des Tags und der Politik gewidmet sind, war die einflußreichste und ist für uns heute noch die merkwürdigste und anziehendste die didaktisch-satirische Dichtung »Das Narrenschiff« (zuerst Basel 1494), worin in allegorischer Einkleidung, aber ohne strenge Durchführung des Bildes die Fehler und Gebrechen der Zeit geschildert und gegeißelt werden. Die Moral des Dichters, wenn auch oft nüchtern und griesgrämisch, wurzelt in einer tüchtigen und gesunden Lebensanschauung und zugleich in einem dem Väterglauben und der christlichen Liebe zugewandten Gemüt. Neben gelehrten Anspielungen findet sich eine Fülle volkstümlicher, insbesondere sprichwörtlicher, Wendungen im »Narrenschiff«. Der dem Didaktischen zugeneigte Zeitgeschmack wurde von diesem Buch im höchsten Maß befriedigt. Zahlreiche Ausgaben machten sich nötig; es wurde auch nachgedruckt, umgearbeitet, nachgeahmt und erweitert. Ferner wurde es ins Niederdeutsche umgeschrieben und in das Lateinische, Niederländische, Französische und Englische übersetzt; ja, Geiler von Kaisersberg nahm das »Narrenschiff« sogar zum Gegenstand mehrerer Predigten. Zur Verbreitung des Buches trugen auch die hineingedruckten zahlreichen Holzschnitte bei, die, wohl schwerlich von Brant selbst entworfen, vielleicht von Martin Schön in Kolmar herrühren. Neue Ausgaben des Werks mit Biographie und Bibliographie besorgten A. W. Strobel (Quedlinb. 1838), am besten mit ausführlichem Kommentar Friedrich Zarncke (Leipz. 1854), welche Ausgabe auch die andern deutschen sowie lateinischen Gedichte Brants und Auszüge aus dessen größern Werken enthält (vgl. Zarncke, Zur Vorgeschichte des Narrenschiffs, das. 1868-1871, 2 Hefte). Eine mehr populäre Ausgabe lieferte Goedeke (Leipz. 1872), und eine Übertragung in die moderne Sprache versuchte Simrock (mit den faksimilierten Holzschnitten der 1. Ausg., Berl. 1872). Eine übersichtliche Bibliographie der deutschen Gedichte Brants findet sich in Goedekes »Grundriß der Geschichte der deutschen Dichtung« (2. Aufl., Bd. 1, S. 383 ff.).