Bodenbeschaffenheit.
Klima.
[* 12] Brandenburg liegt innerhalb des norddeutschen Tieflandes, wird im
S. und N. von Landrücken durchzogen,
während in der Mitte eine mannigfaltige Abwechselung zwischen
Hügel- und Tiefland herrscht. Der nördliche Höhenzug, ein
Glied
[* 13] des norddeutschen Landrückens, wird von der Oder unterhalb der Einmündung der Alten Oder durchbrochen
und bildet eine breite, seenreiche
Platte, die südlich bis an das Rhinluch, Oder- und Warthebruch
reicht und am höchsten
längs der mecklenburgischen
Grenze zwischen
Rheinsberg und
Putlitz, zwischen
Lychen und
Strasburg ist.
Endlich dienen mehrere
Kanäle noch zur
Entwässerung der zahlreichen Sumpfgegenden, unter denen der große Hauptkanal (in einem
Teil auch schiffbar) im Havelländischen
Luch der bedeutendste ist. Mehrere große
Kanäle sind projektiert.
Die sehr zahlreichen
Seen liegen meist im N. und in der Mitte: auf dem nördlichen Landrücken oder zu seinen Seiten der
RuppinerSee, die Ukerseen, der Werbelliner, Grimnitz- und Paarsteiner
See, alle westlich, der
SoldinerSee östlich von der
Oder;
Die Hauptorte der Regierungs-Bezirke sind doppelt unterstrichen. Die Namen der Kreise,
[* 24] welche nicht nach den einfach unterstichenen
Hauptorten benannt
werden, sind eingeschrieben: z. B. Lebus.
Storkower Kanal am bedeutendsten; in der Nähe des Spreewaldes (bei Kottbus, Peitz etc.) liegen zahlreiche Teiche, der Karpfenzucht
gewidmet. Das Klima ist im ganzen gemäßigt und gesund, nur starken Veränderungen unterworfen (Durchschnittstemperatur in
Berlin 8,9, Potsdam 8,4, Frankfurt 8,5° C.). Die jährliche Regenmenge beträgt 50-60 cm.
Die Wiesen sind am umfangreichsten im Havelland. Nach der Viehzählung von 1883 gab es in ohne Berlin 207,956 Pferde,
[* 42] 691,636
StückRindvieh, 1,709,897 Schafe,
[* 43] 567,707 Schweine
[* 44] und 231,383 Ziegen. Die Pferde sind in den fruchtbaren
Teilen des Nordens am zahlreichsten; die Rindviehzucht wird allgemein, die Schafzucht auf den größern Gütern gepflegt, nimmt
aber sehr ab. Der Wildstand ist bedeutend und wird durch große Tiergärten geschützt; für die Fischzucht gibt es mehrere
vortreffliche Brutanstalten.
Die Industrie hat ihren Hauptsitz in Berlin (s. d.); sonst sind in der Provinz noch von Wichtigkeit die Wollspinnereien und
Tuchfabriken in den Städten der Niederlausitz mit Einschluß von Kottbus, ferner zu Luckenwalde,
[* 48] Schwiebus
[* 49] etc., die Leinweberei im KreiseSorau, die Zuckerfabriken im Oderbruch, die Maschinenfabriken, Glashütten (Baruth), Tabaksfabriken
(Schwedt), die optischen Fabriken (Rathenow),
[* 50] die Ziegeleien in der Havelgegend, am Finowkanal etc., Dampfsägemühlen (Oderberg),
die Bierbrauereien, die
Spiritusbrennereien des Großgrundbesitzes (dem etwa die Hälfte des ganzen Grundbesitzes in der
Provinz angehört).
MarkNordsachsen der Abhängigkeit vom Herzogtum Sachsen entriß und sich zuerst Markgraf von Brandenburg nannte. Er stellte die zerstörten
Bistümer wieder her, errichtete Klöster, zog zahlreiche Ritter heran, welche feste Burgen
[* 59] bauten, und besiedelte das flache
Land mit Bauern aus Westfalen
[* 60] und den Niederlanden; Kaufleute und Handwerker gründeten städtische Niederlassungen.
Durch diese Kolonisation, welche seine Nachfolger fortsetzten, wurde Brandenburg bald germanisiert.
Die Ansiedelung deutscher Einwanderer wurde befördert und mehrere wichtige Städte gegründet, so Landsberg a. W. in der Neumark,
Frankfurt a. O. im Land Lebus. 1232 erhielt das Dorf Köln,
[* 64] 1242 Berlin brandenburgisches Stadtrecht. Ansehnliche Klöster, wie
Chorin und Straußberg, wurden erbaut. So blühten die Marken gerade in einer Zeit aus, wo im übrigen
Reich das Faustrecht herrschte. Johann und Otto teilten ihr Gebiet erst 1258 und machten Stendal und Salzwedel
[* 65] zu ihren Regierungssitzen,
während die Hauptstadt Brandenburg und die Lehnshoheit über die Bistümer und Havelberg gemeinsam blieb. Nach ihrem Tod (Johann
I. starb 1266, Otto III. 1267) entstanden zwei Linien, die Johanneische oder Stendaler und die Ottonische
oder Salzwedeler. Doch herrschte unter ihnen stets gutes Einvernehmen. 1280 zählten die beiden Linien 19 Markgrafen; Haupt der
Familie war Otto IV. mit dem Pfeil (1281-1309). Durch Kauf von den Wettinern wurden die Besitzungen noch um die MarkLandsberg,
die Pfalzgrafschaft Sachsen und die Niederlausitz vermehrt. Erst unter Waldemar (1309-19) wurden die Länder beider Linien wieder
vereinigt und im Kampf gegen die neidischen Nachbarn behauptet.
Mit dem Tod seines minderjährigen Vetters, Heinrich vonLandsberg, erlosch aber 1320 die brandenburgische Dynastie der Askanier.
Nach heftigen Kämpfen um das herrenlose Land, in welchen ansehnliche Gebietsteile von demselben abgerissen
wurden, verlieh KaiserLudwig der Bayer dasselbe 1323 seinem unmündigen Sohn, Ludwig dem ältern. Doch lag den Wittelsbachern
das Wohl des Landes, welches wegen des Streits zwischen Kaiser und Papst mit dem Interdikt belegt und 1325 von Polen und Litauern
verwüstet wurde, sehr wenig am Herzen, um so weniger, als die von KaiserKarl IV. begünstigte Erhebung
des falschen Waldemar (s. d.) zum Aufstand fast des ganzen Landes führte.
Während dieser Wirren geriet das Land in den traurigsten Zustand. Gewerbe und Handel lagen danieder, der Landbau wurde vernachlässigt,
und bei der so häufig eintretenden Geldnot
der Fürsten wurden die meisten landesherrlichen Rechte, Güter
und Einkünfte an Private und Städte teils verpfändet, teils um geringen Preis verschleudert. Der Adel trotzte entweder in
frechem Übermut der Macht und den Befehlen des Markgrafen, oder er ergab sich der Wegelagerei, welche bald so überhandnahm,
daß sich die Städte zur Abschaffung dieses Unwesens durch besondere Bündnisse vereinigen mußten.
Für die Beschäftigung der niedern Stände sorgte er durch bedeutende Bauten, den Städten suchte er durch
Erneuerung ihres alten Verhältnisses zum Hansabund wieder aufzuhelfen, der Straßenraub wurde streng bestraft und der Adel
durch kaiserliche Verbote gehindert, neue Burgen und Schlösser ohne besondere Einwilligung des Landesherrn anzulegen. Die Fürsten
von Pommern und Mecklenburg mußten die Lehnshoheit Brandenburgs anerkennen. Der Tod des Kaisers (1378) führte jedoch
die meisten der alten Übel zurück. Siegmund (1378-1415), Karls IV. zweiter Sohn, dem die Marken zufielen, verweilte in denselben
nur zweimal und nur, um hier Mittel zur Befriedigung seiner Geldbedürfnisse zu gewinnen. Endlich 1388 verpfändete er an den
MarkgrafenJost von Mähren,
[* 68] unter welchem die alte Verwirrung wiederkehrte.
Sein energisches und staatskluges Auftreten begründete aber für die Mark den Beginn einer bessern Zukunft, und bald fanden
sich mit der wiederhergestellten Ordnung die frühere Regsamkeit und der frühere Verkehr wieder ein. Wie
Friedrich I. (gest. 14-40) den Adel, so beugte Friedrich II. (1440-70) die Städte, namentlich Berlin (s. d.), unter die landesfürstliche
Gewalt. Unter ihm wurden 1450 die Lehnsstreitigkeiten mit dem Erzstift Magdeburg beigelegt. Die Altmark ward von der Lehnshoheit
des Erzbistums gegen Abtretung einiger Ortschaften befreit, 1455 die Neumark, die Siegmund 1402 an den
DeutschenOrden
[* 72] verkauft hatte, wiedererworben und 1467 ein Teil der Niederlausitz von Böhmen abgetreten.
Ein Krieg, den er unternahm, um den Besitz der im Mannesstamm erloschenen Herzöge von Pommern-Stettin zu gewinnen, war dagegen
erfolglos. Auf Friedrich H. folgte AlbrechtAchilles (1470-86), der sich aber wenig um Brandenburg bekümmerte und
meist in den fränkischen Besitzungen Ansbach
[* 73] und Baireuth
[* 74] residierte. Nach der von ihm festgesetzten Hausordnung (dispositio
Achillea 1473) wurden indes die fränkischen Besitzungen von Brandenburg getrennt, so daß Albrechts ältester Sohn, Johann¶
[* 2] Die Bevölkerung in der Provinz Brandenburg betrug (ohne die Stadt Berlin mit 1,578,794 Einw.) nach der Volkszählung
vom 2,541,783 Seelen und hat seit 1885 um 199,372 Seelen oder 8,51 Proz. zugenommen. Davon entfallen
auf:
[* 2] (hierzu eine Karte: Provinz Brandenburg. ProvinzSachsen, nördlicher Teil), an Umfang die zweite und an Bevölkerung
die dritte Provinz des preuß. Staates, benannt nach der alten Stadt Brandenburg (s. d.), grenzt
im N. an Mecklenburg und Pommern, im O. an Westpreußen, Posen und Schlesien, im S. an Schlesien und die preuß. ProvinzSachsen, im W. an letztere, an Anhalt und Hannover. Bis März 1881 umfaßte die Provinz Brandenburg 39 893,15 qkm, seit der am erfolgten
Abtrennung Berlins, welches als sog. Stadtkreis außerhalb der Provinz steht, nur noch 39 836,51 qkm. Die Provinz, das Stammland
der preuß. Monarchie, begreift von der ehemaligen Mark Brandenburg die Mittelmark, die Ukermark und die Priegnitz
oder Vormark, die nebst der jetzt zur ProvinzSachsen gehörenden Altmark früher die Kurmark (s. d.) bildeten, und den größten
Teil der Neumark.
Außerdem enthält die Provinz von Schlesien den Schwiebuser Kreis, von Hinterpommern einige Ortschaften des Pyritzer Kreises,
vom Großherzogtum Posen die Orte Schermeißel und Grochow; ferner den 1815 wieder in Besitz genommenen
KreisCottbus,
[* 78] sowie einen Teil der vom Königreich Sachsen abgetretenen Länder, besonders die Markgrafschaft Niederlausitz und
einige Ortschaften der Oberlausitz westlich der Spree, die meißnischen Ämter Senftenberg und Fürstenwalde, die Herrschaften
Sonnenwalde, Baruth und Dobrilugk, die Querfurter Ämter Jüterbog
[* 79] und Dahme, vom Kurkreise das Amt Velzig
und einige andere Ortschaften.
Oberflächengestaltung. Zwei Höhenzüge und zwei Bodensenkungen treten besonders deutlich hervor, welche letztere größtenteils
von sumpfigen oder moorigen, aber zum Teil in Kulturboden verwandelten oder zu Torfstichen benutzten Flußniederungen, hier
Bruch oder Luch genannt, eingenommen werden. Der nördl. oder baltische
Höhenzug der pommerisch-mecklenb. Seenplatte sendet nur unbedeutende Zweige nach Brandenburg aus. Der etwa 225 km
lange südl. Höhenzug längs der Südgrenze der Provinz beginnt mit den LausitzerHöhen, und zwar mit den Sorauer Sandbergen,
unter denen der Rückenberg 228 m erreicht, zieht westwärts über Triebel und Spremberg, dann mehr nach
NW. über Calau und schließt sich an den kahlen, dürren und unfruchtbaren Fläming (s. d.).
Die südl. Bodensenkung, ziemlich am nördl. Fuße dieses Höhenzugs,
tritt am schärfsten hervor durch die Sumpfniederungen des Spreewaldes, von Baruth und der Plaue. Die nördliche, fast unmittelbar
am Südfuße der baltischen Landhöhe, wird bezeichnet durch die Niederungen des Netze- und Warthebruchs,
des Oderbruchs, die Linie des Finowkanals, das Havelländische Luch und die Stromfurche der Elbe.
Zwischen beiden Einsenkungen liegt eine breite Bodenerhebung (Platte), die sich vom Posenschen her westwärts in die Mark
erstreckt, das Sternberger Land, die Spreeplatte und die Mittelmark. Sie wird durchschnitten von SO.
gegen NW. durch die Niederung der Faulen Obra und der Oder bis zur Neissemündung, den Müllroser Kanal, das untere Spree- und
Havelthal und den Plauenschen Kanal; von S. gegen N. durch die Oder von der Neisse- bis zur Wartemündung, den Bober, die Neisse,
[* 80] die obere Spree, die Dahme, Nuthe und Plaue, sowie namentlich im S. der Spree von überaus zahlreichen
kleinern Flußläufen, Sumpfstrecken und tiefer gelegenen Seen.
Zwischen diesen Furchen erheben sich eine Menge einzelner Höhengruppen und Höhenzüge, wie der Semmelberg bei Freienwalde 157 m,
die Müggelberge bei Cöpenick
[* 81] 120 m, die Havelberge im Grunewald 97 m, die Rauenschen Berge im S. von
Fürstenwalde 112-152 m. Im ganzen ist auf dieser Platte, wie in der Niederlausitz und anderwärts,
der Sandboden vorherrschend und hat auf weiten, mit Kiefern und Heidekraut bestandenen Strecken ein dürres Ansehen. Aber selbst
auf den Höhen ist er lehmig, wechselnd mit mehr oder weniger humusreichem Thon- und Lehmboden, und durch
treffliche Kultur zum Anbau der meisten Feldfrüchte tauglich gemacht. Außerdem sind auch die besten Bodengattungen in ausgedehnten
Flächen vertreten, namentlich in den entwässerten Bruchgegenden der Flußniederungen, und die fleißige Bestellung des Bodens,
wobei das Fruchtwechselsystem vorherrscht, in Verbindung mit den großen Kapitalien, die zur Erlangung
gesicherter Erträge den Grundstücken zugeführt werden, hat die Provinz zu einem kornreichen Lande gemacht.
Gewässer. Der Hauptstrom ist die Oder, die hier rechts die Warte mit der Netze, links die GörlitzerNeisse, den schles. Bober,
die Finow und Welse aufnimmt. Sie bildet zwischen Wriezen und Oderberg einen großen Bogen,
[* 82] der durch den 22 km
langen Oderkanal 1755 abgeschnitten wurde. Im nordwestl. Teile ist die Elbe zum Teil Grenzfluß zwischen der Provinz und den
ProvinzenSachsen und Hannover. Dieselbe nimmt die schiffbare Havel (links mit der Spree, Nuthe und Plaue, rechts mit Rhin und
Dosse) und die Stepenitz auf. Die aus mecklenb. Seen kommende Havel bildet besonders nach Aufnahme der Spree
eine große Zahl Seen. Die wichtigsten
¶
mehr
unter den übrigen zahlreichen stehenden Gewässern sind der Schwieloch-, der Scharmützel-, Müggel-, Ucker- und Ruppinersee,
im ganzen etwa 600 Seen mit einer Wasserfläche von 580 qkm. Der Wasserreichtum begünstigte
und erforderte Kanalanlagen. Unter diesen sind die vorzüglichsten der Finowkanal (57,85 km) zwischen Havel und Oder, der Friedrich-Wilhelms-
oder Müllroser Kanal (22,75 km) zwischen Spree und Oder, der Ruppiner Kanal (15,4 km) zwischen Havel und
Ruppinersee, der Fehrbelliner oder Linumer Rhin (16,5 km), der große Hauptgraben oder Havelländische Hauptkanal, der Templiner
(13,2 km), der Wentow (9,4 km), der Werbelliner (10,47 km), der Storkower (23,35 km), der Nottekanal (21,84 km), die Rüdersdorfer
Schiffahrtsstraße (9 km) und der Neue Oderkanal, welcher letztere jetzt zum eigentlichen Bett
[* 84] der Oder geworden ist, sowie
verschiedene Kanäle durch und bei Berlin (s. d., Bd.
2, S. 794 b). Im ganzen beträgt die Länge der schiffbaren Wasserstraßen 1586 km, darunter 304 km Kanäle, ist also bedeutender
als in jeder andern preuß. Provinz.
Mineralreich. Der Boden liefert Torf, besonders bei Linum (von vorzüglicher Güte), bei Kremmen, Fehrbellin u. s. w.; Braunkohlen
(1890 3 724 720 t zu 1000 kg im Werte von 8 034 046 M.) bei Freienwalde, Buckow, Wriezen, Frankfurt, Rauen, Zielenzig und andern
Orten, Kalk vorzüglich bei Rüdersdorf, Gips ebenda und in Sperenberg bei Zossen, Steinsalz bei Sperenberg,
Lehm und Thon an vielen Orten, daher viele Ziegeleien (z. B. in Rathenow) und Töpfereien. Eisen- und stahlhaltige Heilquellen
von Ruf besitzt Freienwalde.
Bevölkerung. Die Provinz hat (1890) 2 541 783 (1 256 712 männl., 1 285 071 weibl.) E., 256 140 bewohnte, 3576 unbewohnte
Wohnhäuser,
[* 85] 4803 andere bewohnte Baulichkeiten, 567 274 Haushaltungen und 2151 Anstalten für gemeinsamen Aufenthalt
mit 68 825 Insassen; davon entfallen auf die 135 Städte 978 664 (485 236 männl., 493 428 weibl.) E., 71 067 bewohnte, 937 unbewohnte
Wohnhäuser, 2150 andere bewohnte Baulichkeiten, 230 522 Haushaltungen und 1150 Anstalten; auf die 3153 Landgemeinden 1 343 020 (662 432 männl., 680 588 weibl.)
E., 165 690 bewohnte, 2054 unbewohnte Wohnhäuser, 1896 andere bewohnte Baulichkeiten, 294 225 Haushaltungen und 804 Anstalten,
und auf die 2016 Gutsbezirke 220 099 (109 044 männl., 111 055 weibl.) E., 19 383 bewohnte, 585 unbewohnte
Wohnhäuser, 757 andere bewohnte Baulichkeiten, 42 527 Haushaltungen und 197 Anstalten. Der Konfession
nach waren 2 431 307 Evangelische, 89 910 Katholiken, 6572 sonstige Christen, 13 775 Israeliten und 219 andere. Der Staatsangehörigkeit
nach waren (1890) 2 536 527 Reichsangehörige, 5213 Reichsausländer und 43 andere. Der Nationalität nach sind die
Bewohner deutsch, mit Ausnahme von 38 245 Wenden in der Niederlausitz und 15 508 Polen.
Land- und Forstwirtschaft. Von der Gesamtfläche kommen (1883) auf Ackerland, Gartenland und
Weinberge 1 839 878, auf Wiesen 402 847, auf Weiden, Hutungen, Öd- und Unland 199 481, auf Haus- und Hofräume, Wege, Gewässer
u. s. w. 246 443 und auf Forsten und Holzungen 1 294 660 ha. Die Hauptprodukte
des Ackerbaues sind Gerste und Roggen; daneben zeichnen sich durch Weizenbau vorzüglich die Ukermark, der Oderbruch, die Gegenden
von Cüstrin,
[* 86] Landsberg a. d. Warthe, Sonnenburg u. s. w. aus.
Der schlechte
Sandboden, wie bei Beeskow, Storkow u. s. w., liefert Buchweizen und Teltower Rüben. Hafer,
Hirse,
[* 87] Hülsenfrüchte, namentlich Erbsen, werden zur Genüge, von Futterkräutern Luzerne und Lupine mehr als in den andern
Provinzen gewonnen. Kartoffeln baut man viel zur Nahrung und zur Branntweinbrennerei, desgleichen Runkelrüben, namentlich
im Oderbruch, zur Versorgung der Zuckersiedereien. Ferner wird erzeugt Hanf und Flachs, Krapp und Waid, sowie,
besonders auf den größern Gütern, Raps und Rübsaat. Hopfen wird produziert bei Buckow und anderwärts in der Mittelmark
sowie in der Priegnitz und Neumark; Tabak besonders in der Ukermark, die am meisten im ganzen Staate liefert, den besten bei
Vierraden. Obst wird namentlich in Werder und Guben gewonnen; die Gartenkultur steht sehr hoch. Der Ernteertrag
belief sich 1890/91 auf 476 767 t (zu 1000 kg) Roggen, 72 676 t Weizen, 80 638 t Gerste, 2 231 313 t Kartoffeln, 219 848 t
Hafer und 832 378 t Wiesenheu.
Der Viehstand ist nicht unbedeutend. Er umfaßte nach der Zählung vom 240 463 Pferde, 691 636 Stück
Rindvieh, 1 709 897 Schafe (darunter 642 114 feine Wollschafe [Merinos] und 197 648 veredelte Fleischschafe). Bemerkenswert
ist das Friedrich-Wilhelms-Gestüt zu Neustadt
[* 88] a. d. Dosse mit dem Landbeschälerdepot zu Lindenau. Schafwolle liefert Brandenburg unter
allen preuß. Provinzen am meisten zur Ausfuhr, und die feinere zählt zu den besten der Welt. Zur Hebung
[* 89] aller Zweige der Landwirtschaft und zur Bildung der Landwirte ist in Brandenburg außerordentlich viel geschehen.
Die von Thaer zu Mögelin gegründete Akademie des Landbaues ist nach 25jährigem Bestehen mit Rücksicht auf die
Errichtung einer landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin aufgegeben worden. Ackerbauschulen bestehen
auf Glichow bei Calau (seit 1845), zu Hansenfeld im KreiseLebus (seit 1847), eine königl. Gärtnerlehranstalt zu Potsdam, eine
landwirtschaftliche Schule zu Dahme. Erfolgreich wirken auch die landwirtschaftlichen Vereine. Landwirtschaftliche Centralvereine
sind der Provinzialverein für die Mark und die Niederlausitz zu Potsdam, die Märkische ökonomische Gesellschaft
daselbst und der Centralverein zu Frankfurta. O. Die Waldungen, in deren Ausdehnung
[* 90] Brandenburg keiner Provinz nachsteht und die vorherrschend
aus Kiefern, doch vielfach auch, wie in der Ukermark und Priegnitz, aus Laubholz bestehen, liefern reichlich Holz,
[* 91] auch als
Handelsartikel.
Von Jagdwild sind besonders Dam- und Rothirsche, Rehe, Hasen, Wildschweine, Rebhühner, Wald- und andere
Schnepfen, wilde Enten;
[* 92] von zahmem Geflügel Gänfe, Enten, Truthühner und Tauben
[* 93] zu nennen. Die Fischerei
[* 94] war in der Zeit der
Wenden und im Mittelalter eins der erheblichsten Gewerbe im Lande, und noch jetzt ist bei der großen Menge stehender und fließender
Gewässer der Fischreichtum und der Fischfang von Wichtigkeit für die Bevölkerung. Bienenstöcke gab es 105 243 Stück,
namentlich zeichnet sich durch deren Zucht die Stadt Sorau nebst Umgebung aus, deren Wachslichte einen weiten Absatz haben.
Die Seidenzucht, schon unter Friedrich d. Gr. durch Anlage von Maulbeerpflanzungen befördert, dann aber gänzlich verfallen,
hat besonders durch den 1845 gegründeten Verein zurBeförderung des Seidenbaues in der Mark und Niederlausitz
den ersten Anstoß zu einem
¶
mehr
umfangreichern Betrieb erhalten; 1872 wurden 3243 Pfd. Cocons erzeugt.
Fabrikation von Seiden- und Halbseidenzeugen, Posamentierwaren, Shawls,
Tabak und Cigarren;
sehr bedeutende Baumwollwebereien, Baumwolldruckereien und Lederindustrie, viele Dampfmühlen,
Maschinenbauanstalten, Bronzewarenfabriken;
Werke für Eisengußwaren und Roheisen, für Stabeisen, grobe Kupferwaren, für
Messing (darunter das größte Messingwerk des Staates zu Hegermühle bei Eberswalde);
Die
Branntweinbrennerei, besonders von Kartoffeln, ist sehr bedeutend. 1889/90 waren im Betrieb 604 Brennereien,
1890,91: 573 Bierbrauereien und 14 Rübenzuckerfabriken, welche 2 276 463 Doppelzentner Rüben verarbeiteten. Handelskammern
bestehen in Frankfurta. O., Cottbus und Sorau.
Außerdem bestehen 2 Provinzialgewerbeschulen zu Potsdam und Frankfurt, 9 evang. Schullehrerseminare zu Cöpenick, Kyritz, Oranienburg,
Neuruppin, Alt-Döbern, Drossen, Friedeberg i.d. Neumark, Königsberg i. d. Neumark und Neuzelle, die Kadettenanstalten in Lichterfelde
(Hauptkadettenanstalt des PreußischenStaates) und in Potsdam. Von Bedeutung ist die ständische Bibliothek des
Markgrafentums Niederlausitz in Lübben. Wissenschaftliche Gesellschaften sind: der Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg, der
sich 1838 zu Berlin bildete und durch die Herausgabe der «Märkischen Forschungen» (seit 1841, fortgesetzt seit 1888 u. d. T.
«Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte») eine bedeutende Wirksamkeit entfaltete;
Die höchste Gerichtsbehörde der Provinz ist das Kammergericht zu Berlin, unter dem die 9 Landgerichte Berlin I und II, Cottbus,
Frankfurta. O., Guben, Landsberg a. d. Warthe, Potsdam, Prenzlau und Neuruppin mit insgesamt 102 Amtsgerichten stehen.
Die evang. Provinzialkirche, zu welcher die Landeshauptstadt mitgehört,
wird von drei Generalsuperintendenten und dem Konsistorium zu Berlin geleitet und ist in 77 Kirchenkreise geteilt, während
die kath. Geistlichkeit unter dem Fürstbischof von Breslau
[* 100] durch den Delegaten in Berlin steht. In betreff desBerg- und Hüttenwesens
gehört Brandenburg nebst Pommern und Sachsen seit 1861 zum Oberbergamt zu Halle.
[* 101]
Von den 433 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses wählt die Provinz 36 in 18 Wahlkreisen, zum DeutschenReichstage 20 Abgeordnete.
Militärisch bildet die Provinz den Ersatz- und Garnisonsbezirk des 3. Armeekorps (Generalkommando in Berlin, Kommando der 5. Division
in Frankfurta. O., der 6. Division in Brandenburg a. d. H.) und wesentlich den Garnisonsbezirk des Gardekorps
(Generalkommando und Kommandos der 1. und 2. Infanterie- und der Kavallerie-Division sämtlich in Berlin).
Mediatisierte Reichsherrschaften enthält Brandenburg nicht, dagegen von früher nicht reichsunmittelbarem, aber befestigtem
Grundbesitze, der zu einem erblichen Sitze im Herrenhause berechtigt, sieben Standesherrschaften (Baruth, Sonnenwalde, Pforten,
Drehna, Staupitz, Lübbenau, Amtitz), eine Herrschaft (Neuhardenberg), zwei Majorate (Boitzenburg und Gorlsdorf)
und einen alten Besitz (Ratzin und Mansfeld). Die frühern kommunalständischen Verbände werden infolge der Provinzialordnung
vom durch den Provinziallandtag mit dem Sitz in Berlin ersetzt, zu welchem jeder Kreis zu 50-100000 E. je drei,
die übrigen Kreise je zwei Abgeordnete wählen. Das Wappen der Provinz ist ein roter Adler in silbernem Felde
(s. umstehende
[* 95]
Figur). Die Provinzialfarben sind Rot-Weiß.
¶