Titel
Bräune
(Angina), im weitesten
Sinn jede durch
Entzündung und Anschwellung der Rachengebilde hervorgerufene Behinderung
des
Schlingens, Atmens und Sprechens. Früher begriff man unter diesem
Namen eine große Anzahl von Krankheitszuständen,
welche in neuerer Zeit mehr gesondert und teilweise mit andern
Namen belegt wurden. Namentlich wurden die
Krankheiten des
Kehlkopfes
davon getrennt, obgleich die gefährlichste derselben, der sogen.
Krupp (s. d.), heute noch den
Namen der häutigen Bräune
(Angina
membranacea) führt. Abgesondert wurde ferner die sogen.
Angina pectoris, die
Brust- oder Engbräune
, welche
unter dem
Bild eines schweren asthmatischen Anfalles verläuft (s.
Brustbräune). Die
Angina im engern
Sinn ist eine
Entzündung
der Rachengebilde und ihrer nächsten Umgebung. Man unterscheidet folgende
Formen:
1) Die Angina catarrhalis oder der akute Rachenkatarrh ist eine Krankheit, von welcher manche Menschen auf die leichteste Veranlassung hin und oft zu wiederholten Malen befallen werden, während andre Menschen nur eine sehr geringe Neigung dazu haben. Bei Kindern und jugendlichen Individuen ist die Krankheit häufiger als bei ältern Leuten, und wiederholte Anfälle lassen eine erhöhte Disposition für die Krankheit zurück. In vielen Fällen liegt der Krankheit unverkennbar eine Erkältung zu Grunde, oder sie tritt zu einem Katarrh des Magens, des Kehlkopfes und namentlich der Mundhöhle [* 2] hinzu.
Auch zum Scharlachfieber, zu den Masern, zum Typhus gesellt sich die Angina catarrhalis gern hinzu. Sie äußert sich durch starke Rötung und Schwellung der Schleimhaut am Gaumen, an den Mandeln und der hintern Rachenwand. Das Zäpfchen wird dicker und länger, es berührt die Zungenwurzel, und man sagt dann, das Zäpfchen sei gefallen. Die Sprache [* 3] wird dadurch gestört, näselnd, das Schlucken erschwert; wenn die Schwellung auf die Mündung der Eustachischen Trompete übergreift, tritt Schwerhörigkeit ein.
Auch die Mandeln sind mehr oder weniger geschwollen. Anfänglich ist die Schleimhaut trocken, später ist sie mit trübem Schleim bedeckt. Gewöhnlich ist leichtes Fieber vorhanden, welches zuweilen den örtlichen Beschwerden im Hals vorausgeht. Nach wenig Tagen pflegt die Krankheit in Genesung überzugehen, indem Schmerzen und Schlingbeschwerden nachlassen und reichlicher Schleim durch Räuspern und Spucken aus der Mundhöhle entfernt wird. Die katarrhalische Angina erfordert, wenn sie innerhalb mäßiger Grenzen [* 4] bleibt, keine besondere Behandlung.
Die früher beliebten Brechmittel sind ganz überflüssig, selbst schädlich. In schweren Fällen schafft dem Kranken die halbstündig wiederholte Anwendung eines sogen. Prießnitzschen Umschlags um den Hals Erleichterung. Bei andern Kranken thun warme Breiumschläge dieselben Dienste. [* 5] Dabei lasse man den Mund fleißig mit kaltem Wasser oder mit einer Alaunlösung ausspülen. Dagegen ist es nicht rätlich, diese Flüssigkeiten zum Gurgeln zu benutzen.
2) Die Angina tonsillaris (Mandelentzündung, böser Hals, Mandelbräune) ist eigentlich nur eine schwere Form der katarrhalischen Angina, unterscheidet sich aber von ihr vorzugsweise dadurch, daß sie mit sehr bedeutender entzündlicher Schwellung beider oder nur einer Mandel einhergeht. Die Entzündung der Mandel geht entweder in Zerteilung oder in Eiterung über. Die Stelle, wo der Eiter sitzt, wölbt sich stärker hervor, ist weicher, und endlich bricht der Eiter durch die dünnste Stelle hervor und wird durch den Mund entleert.
Die Mandelbräune beginnt gewöhnlich mit heftigem Fieber, welches durch Frösteln oder selbst durch einen starken Schüttelfrost eingeleitet wird. Das Allgemeinbefinden der Kranken ist schwer gestört, die Haut [* 6] heiß, der Puls voll und sehr frequent. Gleichzeitig mit dem Eintritt des Fiebers oder erst am nächsten Tag klagen die Kranken über ein Gefühl von Spannung und Wundsein im Hals, über heftige, stechende Schmerzen, welche nach dem Ohr [* 7] ausstrahlen. Die Mandeln fühlen sich prall und hart an, sind außerordentlich empfindlich und bei jeder Schlingbewegung ausnehmend schmerzhaft, so daß die Kranken jedesmal das Gesicht [* 8] verziehen, wenn sie schlingen wollen. Wenn die Geschwulst auf die Umgebung der Kiefermuskeln sich ausbreitet, was gewöhnlich der Fall ist, so kann der Mund oft kaum fingerbreit geöffnet werden. Erlaubt es aber die Öffnung des Mundes, die Mandeln zu betrachten, so sieht man zuweilen in den Vertiefungen der sehr höckerigen Oberfläche kleine, gelbliche Auflagerungen und kruppöse Belegmassen, der Atem ist übelriechend. In sehr extremen Fällen kann durch die Schwellung der ¶
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Mandeln und Druck derselben auf den Kehlkopfeingang selbst Erstickungsgefahr eintreten. Die Dauer dieser Angina ist in der Regel 4-6 Tage. Es kann sich die Krankheit aber auch in die Länge ziehen, besonders durch allmähliches Überschreiten von einem Teil auf den andern. Bei leichtern Graden der Entzündung bedarf es keiner andern Behandlung als der oben bei der Schleimhautentzündung angegebenen. Nur bei sehr starker Schwellung der Mandeln und bei heftigen Schmerzen kann eine örtliche Blutentziehung (Blutegel [* 10] äußerlich am Hals, Einschneiden der Mandeln) von Vorteil sein.
Anfänglich läßt man den Kranken sich den Mund mit kaltem Wasser oder Alaunlösung fleißig ausspülen, ohne dabei zu gurgeln. Auch kleine Eisstückchen, in den Mund genommen, thun dem Kranken wohl. Die Eiterbildung in den Mandeln befördert man durch warme Breiumschläge um den Hals. Ist die Eiterbildung eingetreten, so thut man gut, den spontanen Ausbruch des Eiters nicht abzuwarten, sondern den Absceß frühzeitig mit dem Messer [* 11] oder dem Fingernagel zu eröffnen. Im Anfang der Krankheit ist es zuweilen gut, ein Brechmittel zu geben; in den spätern Stadien befördert die Brechbewegung den Ausbruch der Mandelabscesse, was ja erwünscht ist. Wenn durch Druck der Mandelgeschwulst auf die Halsvenen eine Blutüberfüllung des Gehirns zu entstehen droht, so sind leichte Abführmittel angezeigt. S. Tafel »Halskrankheiten«, [* 12] Fig. 6.
3) Rachenkrupp und Diphtheritis, faulige oder brandige Bräune
, Angina maligna, s. Diphtheritis.
4) Die Angina Ludwigii ist eigentlich keine Krankheit der Rachengebilde, sondern eine eiterige Entzündung des Bindegewebes, welches die Muskeln [* 13] der vordern Halsfläche umgibt. Die Gegend um den Kehlkopf fühlt sich derb an und ist schmerzhaft, die Kranken fiebern dabei (s. Phlegmone). Im Anfang der Krankheit setze man Blutegel an den Hals und bedecke diesen mit warmen Breiumschlägen. Sobald Eiterung eingetreten ist, soll man durch große Einschnitte in die Haut dem Eiter einen Ausweg bereiten. Wenn Erstickungsgefahr eintritt, so ist sofort die künstliche Eröffnung der Luftröhre vorzunehmen.
Die Bräune
der Haustiere. Die Bräune
kommt auch bei den Haustieren, namentlich bei Pferden und bei Schweinen, nicht selten
vor. Sie tritt bei Pferden entweder als eine selbständige Krankheit auf (einfache Bräune
, Angina simplex), oder sie ist ein Bestandteil
der Druse, bei welcher nicht selten die erste Affektion in der Schleimhaut des Schlundkopfes und des Kehlkopfes
einsetzt (symptomatische Bräune
, Angina symptomatica). Krankheitserscheinungen sind: Fieber, Beschleunigung und Erschwerung des
Atmens und Schlingbeschwerden.
Die großen Haustiere stehen, die kleinen (Schweine [* 14] und Hunde) [* 15] sitzen mit gestrecktem und etwas gesenktem Kopf; die Nasenflügel werden beim Atmen lebhaft bewegt; der anfangs rauhe Husten erfolgt öfters freiwillig, ist durch Druck auf den Kehlkopf leicht hervorzurufen und dann mehr oder minder lange anhaltend, zuweilen krampfhaft. Bei Schweinen und Hunden tritt beim Husten nicht selten Würgen und Erbrechen ein, wobei jedoch nur etwas Schleim entleert wird. Das Kauen erfolgt langsam; hartes Futter wird gewöhnlich verschmäht.
Beim Schlucken kommt bei Pferden ein Teil des Futters oder Getränks durch die Nase, [* 16] bei Schweinen und Hunden durch das Maul zurück. Die Schleimhaut in der Nase und im Maul, namentlich an den Zahnrändern, sowie die Bindehaut des Auges sind gerötet und geschwellt. In den höhern Graden des Leidens ist das Fieber stark, das Atmen auffallend beschleunigt und erschwert, beim Einatmen ein röchelnder oder giemender oder pfeifender, in den höchsten Graden des Leidens kreischender Ton hörbar;
der Blick ist stier;
die Tiere zeigen große Angst, namentlich bei den zeitweise eintretenden Hustenanfällen;
das Schlingen ist in hohem Grad behindert, so daß der zähe Speichel aus dem Maul abfließt und das aufgenommene Futter und Getränk fast vollständig durch Maul und Nase wieder zurückkommt.
Die Schleimhaut in der Nase und im Maul ist hochrot, das Maul sehr heiß; die Ohrdrüsengegend ist angeschwollen, vermehrt warm und für Druck empfindlich, bei Schweinen gerötet. In manchen Fällen schwillt, namentlich bei Pferden, der obere Teil des Halses und der Kopf in kurzer Zeit unförmlich an. Dann treten gewöhnlich auch an andern Körperteilen Anschwellungen auf, das Fieber erreicht einen sehr hohen Grad;
es zeigt sich eine große Schwache und starke Eingenommenheit des Kopfes;
die Schleimhaut in der Nase erscheint hochrot gefleckt, wie mit Blut unterlaufen, wird öfters bald geschwürig;
aus den Nasenlöchern fließt eine mißfarbige, selbst blutige, übelriechende und ätzende Flüssigkeit ab.
In den gelindern Fällen tritt nach drei- bis viertägiger Krankheitsdauer Besserung ein;
das Fieber läßt nach, das Atmen wird ruhiger, der Husten wird locker;
es stellt sich Ausfluß [* 17] von Schleim aus der Nase ein, und die Genesung ist 14 Tage bis 3 Wochen nach Beginn der Krankheit vollendet. In manchen Fällen bleibt jedoch ein trockner oder mit Auswurf verbundener Husten zurück und verliert sich zuweilen erst nach mehreren Monaten vollständig.
In den ungünstig verlaufenden Fällen nimmt die Atemnot immer mehr zu, die Tiere zeigen immer
größere Angst u. atmen durch das geöffnete Maul, die Schleimhäute, bei Schweinen auch die äußere Haut am Hals, nehmen eine
bläuliche Färbung an, die Extremitäten werden kalt, und der Tod erfolgt durch Erstickung. Einen sehr bösartigen Verlauf
hat regelmäßig die sogen. Milzbrandbräune
(s.
Milzbrand). Ähnliche Erscheinungen wie bei der Bräune
finden sich, wenn ein fremder Körper im Schlund stecken geblieben ist, oder
wenn eine Geschwulst am Halse sich entwickelt hat etc. Die Ursachen der Bräune
sind: Erkältung, Einatmen kalter Luft oder reizender
Stoffe, Genuß sehr kalten Wassers, mechanische oder chemische Reizung der Schleimhaut im Rachen durch fremde
Substanzen im Futter oder im Getränk, Infektion durch Miasmen oder Kontagien.
Bei der Kur ist das Wichtigste eine passende Diät. Die kranken Tiere müssen ruhig in einem mäßig warmen, zugfreien, aber gut zu lüftenden Raum gehalten und mäßig warm zugedeckt werden. Die Nahrung muß weich, leichtverdaulich und von guter Beschaffenheit sein und immer in kleinen Portionen gereicht werden; ebenso ist den Tieren oft wiederholt überschlagenes Getränk, reines Wasser oder dünner Kleientrank, zu bieten. Bei starken Schlingbeschwerden sind die großen Tiere mit Schrot- oder Kleientrank, Schweine und Hunde mit Mehl- oder Milchsuppen zu nähren.
Die Gefäße, in denen Futter und Getränk gereicht wird, sind täglich mehrere Male von anhängendem Speichel oder Schleim zu reinigen. Die Kehlkopfs- und Ohrdrüsenpartie wird in den gelindern Fällen täglich zweimal mit Fett eingerieben und mit einem dicken wollenen Lappen oder mit einem Schaffell u. dgl. umhüllt; in den heftigern Fällen wird die Ohrdrüsenpartie an beiden Seiten scharf eingerieben (am besten mit Spanischfliegenöl) und dann mit einem wollenen Lappen locker eingehüllt. Zur Beförderung der Schleimabsonderung läßt man schwache ¶
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Wasserdämpfe täglich drei- bis viermal, jedesmal ¼ Stunde lang, einatmen. Bei Darmverstopfung werden öfters Klystiere von lauwarmem Seifenwasser appliziert. Innerlich gibt man Pferden oder Rindern früh und abends jedesmal, je nach der Größe des Tiers, 2-3 g Brechweinstein in dem Getränk, in ½ Eimer Wasser als Kleientrank gelöst, bis Besserung eintritt. Schweinen und Hunden gibt man gleich bei Beginn der Krankheit ein Brechmittel und zwar Schweinen, je nach der Größe, 30-70 cg Brechweinstein in 3-5 Eßlöffeln voll destillierten Wassers, Hunden 12-18 cg Brechweinstein in 1-1½ Eßlöffel voll destillierten Wassers gelöst auf einmal.
Ist das Schlingen im hohen Grad erschwert, so beschränkt man sich auf die Anwendung der äußerlichen Mittel; gewaltsames Eingießen von Arzneien ist gefährlich. Bei Pferden wird in allen Fällen, in welchen die Atmung durch die Bräune erheblich erschwert ist und mit einem starken Giemen erfolgt, die Eröffnung der Luftröhre vorgenommen und in die letztere eine Metallröhre eingelegt, welche 8-14 Tage liegen bleibt. Nach der Genesung sind die Tiere vorsichtig zu behandeln und bis zur vollständigen Wiederherstellung vor den Einwirkungen einer rauhen atmosphärischen Luft zu schützen.