Titel
Boyer
(spr. bóajeh), 1) Alexis, Baron de, Mediziner, geb. zu Uzerches in Limousin, war zuerst Barbier, widmete sich seit 1779 unter Desault in Paris [* 2] der Chirurgie, ward 1787 Wundarzt an der Charitee, dann Professor der Chirurgie und später der Klinik an der neuerrichteten École de santé und 1804 erster Wundarzt des Kaisers, welcher ihn auch baronisierte. Unter den Bourbonen erhielt er eine Professur an der Universität zu Paris und ward erster Wundarzt an der Charitee. Er starb Er schrieb: »Traité complet d'anatomie« (Par. 1797-99, 4 Bde.; 4. Aufl. 1820);
»Traité des maladies chirurgicales« (das. 1814-25, 9 Bde.; 5. Aufl. 1843-53, 7 Bde.; deutsch von Textor, 3. Aufl., Würzb. 1834-41, 11 Bde.);
»Leçons sur les maladies des os« (Par. 1803, 2 Bde.; deutsch 1804).
2) Jean Pierre, Präsident der Republik Haïti, [* 3] geb. zu Port au Prince in der französischen Kolonie San Domingo, Mulatte, erwarb sich in Frankreich europäische Bildung und trat 1792 in das Militär ein. Sehr bald zum Bataillonschef befördert, nahm er bei der Invasion der Engländer auf San Domingo an den Unternehmungen des Generals Rigaud rühmlichen Anteil. Später focht er wieder unter Rigaud gegen die Schwarzen unter Toussaint l'Ouverture, mußte jedoch mit Rigaud die Insel verlassen und in Frankreich Zuflucht suchen, von wo er 1802 mit der Expedition des Generals Leclerc nach Haïti zurückkehrte.
Hier kämpfte er anfangs wieder gegen die
Schwarzen, trat dann aber in die
Verbindung der
Neger und
Mulatten
zur vollständigen
Befreiung der
Kolonie. Nach
Dessalines' Thronbesteigung stellte sich Boyer
mit Péthion an die
Spitze der
Farbigen.
Beide halfen dem Negergeneral
Christoph den blutigen
Despoten
Dessalines 1806 stürzen, verließen aber
Christoph, als dieser
selbst nach der Herrschaft strebte. Péthion stiftete im südwestlichen Teil der
Insel eine unabhängige
Republik, aber erhielt die Kommandantur der Hauptstadt
Port au Prince und die
Würde eines
Generalmajors.
Siegreich gegen die schwarzen Horden Christophs, des Oberhaupts der Negerrepublik im Norden, [* 4] wurde er vom sterbenden Péthion dem Volk als Nachfolger empfohlen und einmütig zum Präsidenten der Republik erwählt. Er ordnete das Finanzwesen, verbesserte die Verwaltung und begünstigte Künste und Wissenschaften. Nach Christophs Tod vereinigte er 1820 die Neger- mit der Mulattenrepublik, nahm 1821 das östliche, spanisch gebliebene Gebiet in Besitz und erwirkte 1825 die Unabhängigkeitserklärung des jungen Staats von seiten Frankreichs. Nachdem er unter fortwährenden Kämpfen mit dem Repräsentantenhaus über 15 Jahre an der Spitze der Republik gestanden, wurde er 1843 durch einen Aufstand mißvergnügter Parteihäupter gestürzt und mußte 13. März auf einem englischen Kriegsschiff Zuflucht suchen, das ihn nach Jamaica brachte, wo er förmlich abdankte. Nach längerm Aufenthalt auf dieser Insel begab er sich nach Paris, wo er starb.
3)
Louis, franz. Schriftsteller, geb. 1810 zu
Paris, war lange Zeit eifriger Mitarbeiter der
Zeitschrift
»Théâtres de
Paris«
und gründete 1848 mit
Villemessant und de
Montépin das
Journal »Le
[* 5]
Lampion, ou Éclaireur politique«. Von 1851 bis 1854 war
er im
Staatsministerium als Inspektor, dann als Theaterzensor angestellt, und 1854-56 führte er das
Direktorium
des Vaudevilletheaters mit seltenem
Glück. Boyer
verfaßte selbst eine
Reihe von
Vaudevilles; noch mehr
Stücke aber schrieb er
mit andern Mitarbeitern, die unter dem
Pseudonym
La Roque erschienen. Er starb in
Paris.
4) Boyer
, bekannt unter dem
Pseudonym F.
Partout, franz. Vaudevilledichter, stand als
Direktor an der
Spitze
verschiedener
Hospitäler und lieferte dem
Theater
[* 6]
Palais Royal in
Gemeinschaft mit andern Schriftstellern (Varin,
Paul de
Kock
u. a.) eine
Menge der lustigsten
Possen und
Vaudevilles, deren vortreffliche
Komik, gemischt mit einer starken
Dosis französischer
Leichtfertigkeit, allabendlich lebhaft beklatscht wurde. Boyer
starb im
Februar 1862. Die beliebtesten
Stücke
waren: »L'omelette fantastique« (1842);
»La rue de la lune« (1843);
»La gardemalade« (1846);
»Une femme à deux maris« (1847);
»Un lièvre en sevrage« (1849),
das einzige Stück, welches ohne Hilfe geschrieben hat;
»Habit, veste et culotte« (1849);
»Le poupard« (1853);
»Un vieux loup de mer« (1854) u. a.