2)
GustaveRodolphe, franz.
Maler, geb. zu
Paris,
[* 3]
Schüler von P.
Delaroche und Jollivet. 1856 von seinem Studienaufenthalt
inItalien
[* 4] zurückgekehrt, wo er sich durch einen
Cäsar am
Rubico bekannt gemacht hatte, glänzte er im
Salon 1857 mit
MaestroPalestrina, später mit dem Araber (1861), den
Kabylen (1863), den
Reitern der
Sahara (1864), besonders
aber mit seinen dem klassischen
Altertum entlehnten Werken, wie
Lucretia, Lesbia, der pompejanischen Kränzehändlerin etc.,
welche auch die Veranlassung wurden, daß
PrinzNapoleon ihm die Ausmalung des
Atriums seines ehemaligen
pompejanischen
Hauses in
Paris übertrug.
Sein Kunstcharakter ist dem
Gérômes verwandt, nur noch weichlicher und sinnlicher
und namentlich im Gebiet des klassischen häuslichen
Lebens anziehend, packender freilich in
Darstellungen orientalischen
Lebens.
Bei der Reorganisation der Armee ward ihm nur der Rang eines Oberstleutnants zuerkannt, erst 1874 erfolgte
seine wirkliche Beförderung zum Obersten. 1880 zum General und Kommandeur der 14. Kavalleriebrigade in Valence ernannt, vertrat
er 1881 Frankreich bei der 100jährigen Jubelfeier der Kapitulation von Yorktown in Nordamerika
[* 7] und erregte zum erstenmal die
Aufmerksamkeit größerer Kreise.
[* 8] Als Direktor des Infanteriewesens im Kriegsministerium (seit 1882) widmete er
sich mit Eifer der Verbesserung des Militärerziehungs- und Bildungswesens. 1884 zum Divisionsgeneral und Befehlshaber der
Truppen in Tunis
[* 9] ernannt, geriet er mit dem französischen MinisterresidentenCambon in Streit, so daß er abberufen wurde. Im
Januar 1886 wurde er durch den Einfluß der Radikalen, besonders Clémenceaus, dem er sich aus Ehrgeiz angeschlossen,
von Freycinet in das uon diesem neugebildete Kabinett als Kriegsminister berufen und begann seine Thätigkeit mit der Ausweisung
der Prinzen von Orleans, namentlich des Herzogs von Aumale, aus Paris, obwohl er sich früher (1880) um dessen Gunst in unterwürfigen,
schmeichlerischen Briefen beworben hatte. Boulanger gestand die Echtheit dieser Briefe, welche veröffentlicht
wurden, erst nach zweimaliger Ableugnung ein. Er beseitigte alle seine Nebenbuhler und Gegner aus den höhern Militärstellen
und bewarb sich durch seine Erscheinung bei der großen Revue in Longchamps, wo er einen besonders dressierten Rappen ritt, um
die Gunst des Publikums und durch Gründung des neuen Militärkasinos um die der Offiziere. Er ließ sich
als den General feiern, von dem Frankreich die Revanche an Deutschland
[* 10] hoffen dürfe, hielt bei jeder Gelegenheit politische
Reden, brachte einen neuen Heeresreformentwurf und ein Spionagegesetz in der Kammer ein und erhielt im Februar 1887 einen besondern
Kredit von 86 Mill. Frank bewilligt, wie er denn auch sein Portefeuille im neuen KabinettGoblet behauptete.
Doch wurde sein Plan, einen Krieg mit Deutschland zu beginnen, nicht gebilligt, und als Goblet seine Entlassung nahm, weigerte
sich der neue Konseilpräsident, Rouvier, ihm das Kriegsportefeuille zu lassen, da er sich, auf seine Popularität trotzend,
allzu eigenmächtig gezeigt hatte. Er wurde im Juni 1887 zum Kommandeur des 13. Armeekorps in Cler-
[Spaltenwechsel]
mont ernannt. Bei seiner Abreise von
Paris(8. Juli) wie in Clermont wurden ihm von den Radikalen stürmische Huldigungen dargebracht,
die er selbstgefällig entgegennahm. Erbittert gegen die herrschende republikanische Partei, die ihn hatte fallen lassen,
und berauscht durch die ihm dargebrachten Huldigungen, beschloß Boulanger, eine politische Rolle zu spielen.
Das Aufsehen und die Entrüstung, welche der Ordensschacher des Generals Caffarel und des DeputiertenWilson erregten, ermutigten
ihn, in Paris, das er wiederholt heimlich ohne Urlaub besuchte, Verbindungen mit einem Teil der Radikalen und der Patriotenliga
anzuknüpfen, nach der AbdankungGrévns gegen die WahlFerrys zum Präsidenten zu wählen und sich voll der
neuen Partei »des nationalen Protestes« gegen die Unfähigkeit der Regierung und Kammer als Kandidaten für alle Ersatzwahlen
aufstellen zu lassen. Die kühne That, welche manche Anhänger von ihm erwarteten, daß er sich nämlich durch einen
Gewaltstreich des Präsidentenstuhls bemächtige, wagte er jedoch nicht. Nachdem er schon im Oktober 1887 wegen eines subordinationswidrigen
Briefs in der Cassarelschen Sache mit 30tägigem Stubenarrest bestraft worden, ward er nun der politischen Umtriebe
wegen seines Kommandos entsetzt und 27. März aus dem Militärdienst durch Urteil des Disziplinargerichts entlassen.
Er trat nun ganz offen in die politische Agitation für Revision der Verfassung und Auflösung der gegenwärtigen Kammer ein und
sammelte eine beträchtliche Anzahl Anhänger um sich; die Führer der Boulangisten waren Deroulède, Laguerre, Raquet, Dillon
u. a. Die Menge in Paris begrüßte ihn, wo er erschien, mit Jubelrufen, und es flossen ihm so reichliche
Geldmittel zu, daß er nicht bloß die Kosten der Agitationen bestreiten, sondern auch einen glänzenden Haushalt führen konnte.
Die allgemeine Unzufriedenheit mit dem herrschenden System sah in Boulanger ihren Vertreter und ließ sich durch nichts an ihm irre
machen. Das Norddepartement wählte ihn mit großer Mehrheit zum Deputierten, und bei seinem
ersten Erscheinen in der Kammer(19. April) wurde er von der Menge auf den Straßen enthusiastisch begrüßt. Er beantragte 4. Juni die
Revision der Verfassung, und obwohl er kein Redner war und 13. Juli im Duell mit dem MinisterpräsidentenFloquet, den
er beleidigt hatte, sich verwunden ließ, verminderte sich sein Anhang nicht. Er wurde in mehreren Departements, sogar
in Paris mit großer Mehrheit zum Abgeordneten gewählt. Um ihn als Sturmbock gegen die verhaßte Republik zu gebrauchen, unterstützten
die meisten Monarchisten Boulanger, obwohl derselbe sich in seinen Manifesten immer für die Republik, aber die
wahre nationale Republik mit direkter Wahl des Präsidenten, erklärte. Boulanger wollte durch seine wiederholten Wahlen gewissermaßen
ein Plebiszit zu seinen gunsten herbeiführen, um sich als den Erwählten der Nation bezeichnen zu können. Jetzt erkannten
die Republikaner die ihnen drohende Gefahr, und das neue MinisteriumTirard-Constans, das im März 1889 die
Regierung übernahm, beschloß, und Genossen wegen Umtrieben gegen die Republik und Verführung von Soldaten beim Senat, der durch
besonderes Gesetz zum Gerichtshof eingesetzt wurde, anzuklagen. Vor der drohenden Verhaftung entfloh Boulanger8. April nach Brüssel
[* 11] und
begab sich auf Verlangen der belgischen Regierung Ende April nach London.
[* 12] Bei der Verhandlung der Anklage
gegen Boulanger vor dem Senat stellte sich namentlich heraus, daß er während seiner ministeriellen Verwaltung öffentliche Gelder
im Betrag von 242,000 Fr.
¶
mehr
veruntreut hatte. Er wurde hauptsächlich deswegen 14. Aug. mit 195 gegen 5 Stimmen zur Deportation nach einem befestigten Platz in
contumaciam verurteilt. Seine feige Flucht und diese Enthüllungen schadeten Boulanger so sehr, daß seine Partei bei den Generalratswahlen
und bei den Wahlen für die Deputiertenkammer (22. Sept.) schwere Niederlagen erlitt. Er selbst wurde zwar in
Montmartre gewählt, aber die Wahl war gesetzlich ungültig und wurde auch im Dezember von der Kammer dafür erklärt. Boulanger begab
sich im Herbst 1889 nach Jersey und von da nach Spanien.
[* 14] Der eine Zeitlang so mächtige Boulangismus (Boulange) schien tot zu
sein.
Georges Ernest JeanMarie, franz. General, gab seine Reise nach Spanien auf und blieb mit wenigen Getreuen in
Jersey. Nach der vernichtenden Wahlniederlage der Boulangisten im September 1889 nahm die Zahl seiner Anhänger
immer mehr ab; dies zeigte sich deutlich bei den Stadtratswahlen in Paris im Mai 1890, bei welchen die Boulangisten nur zwei
Sitze erlangten. Boulanger zeigte daher selbst die Auflösung des Boulangistenkomitees an und zog sich von jeder politischen Thätigkeit
zurück.
Seine eifrigsten Freunde sagten sich von ihm los und nannten ihn den »Alphonse
de la France«. In der bisher ihm ergebenen Presse
[* 16] erschienen Enthüllungen des boulangistischen Deputierten Mermeix über die
Geschichte des Boulangismus, die Boulanger nicht zur Ehre gereichten; danach empfing er durch Dillon von den Royalisten, namentlich
von der Herzogin von Uzès, die bedeutenden Summen (3 Mill.), über die er bei seiner Wahlagitation verfügte,
knüpfte auch mit den Bonapartisten Beziehungen an, wagte aber trotzdem den Staatsstreich nicht, zu dem ihm selbst Naquet riet,
und ließ sich von seiner Geliebten, Madame Bonnemain, bestimmen, aus Frankreich zu fliehen. Jedenfalls stand fest, daß Boulanger mit
allen Parteien sich eingelassen, dem Grafen von Paris, dem PrinzenNapoléon, Freycinet, Floquet u. a. seine
Hilfe versprochen hatte, wenn sie ihn wieder an die Spitze derArmee stellten, und diese grundsatzlose Selbstsucht, verbunden
mit erbärmlicher Feigheit, raubte ihm den letzten Rest von Ansehen.
Georges Ernest JeanMarie, franz. General, siedelte 1891 von Jersey nach Brüssel über wegen
des Gesundheitszustandes seiner Geliebten, Madame Bonnemain, die dennoch im Juli inBrüssel starb. Schon niedergedrückt durch
das völlige Scheitern seiner politischen Rolle wurde Boulanger von diesem neuen Schlage so schwer getroffen, daß er sich am
Grabe seiner Geliebten auf einem Kirchhof bei Brüssel erschoß. Er hinterließ ein vom 29. Sept. datiertes
sogen. politisches Testament, welches aber ganz nichtssagend war und bewies, daß Boulanger ebensowenig politische Ideen wie im entscheidenden
Augenblick den Mut der That besaß. Es enthielt nur außer der Mitteilung, daß er den Verlust seiner Geliebten nicht länger
ertragen könne, die Versicherung, daß er sein ganzes Leben lang seine Pflicht und nichts als seine Pflicht
gethan habe: »Die Geschichte wird nicht streng gegen mich sein, sie wird streng
sein gegen die, welche mich verbannten, welche Gewalt gebrauchten und mir die Aburteilung vor ordnungsmäßigen Richtern verweigerten,
weil sie wußten, daß meine Freisprechung sicher war. Indem ich aus dem Leben scheide, bedauere ich nur
das eine, daß ich nicht auf dem Schlachtfeld als Soldat für mein Vaterland sterbe.« Der Selbstmord des einst, besonders von
den Frauen, so vergötterten Generals machte in Frankreich wenig Eindruck, und der Boulangismus oder die Boulange wird bald zu
den halb vergessenen Episoden gehören, an denen die französische Geschichte so reich ist.
(spr. bulangschéh), Gustave Rodolphe Clarence, franz.
Historienmaler, geb. zu Paris, genoß den Unterricht in der Écoledes beaux-arts, wurde Schüler von Jollivet und Paul Delaroche und hielt sich, nachdem er 1849 für das Bild: Odysseus und
Eurykleia den großen Preis für Rom erhalten hatte, bis 1856 in Italien auf, von wo aus er sich zunächst
durch sein Bild: Cäsar am Rubico bekannt machte. Dann besuchte er Algerien und brachte mehrere recht lebendige, auch in
der Farbe trefflich wirkende Scenen aus dem Hirtenleben der Araber, z. B.: der Emir, Erinnerung
an Blidah, arabischer Märchenerzähler, Reiter in der Sahara, Kabylen auf der Flucht, wurde aber dem zuerst
gewählten
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Fach der sittenbildlichen Zustände und Schilderungen aus dem klassischen Altertum, in denen er wenigstens den äußern Charakter
gut zu treffen weiß, aber hinter dem ihm sonst ähnlichen Gérôme zurücksteht, nicht untreu. Hauptbilder der letztern Art
sind z. B.: eine Probe im Haus des tragischen Dichters (1857), die spinnende Lucretia, Lesbia
mit dem Sperling, eine Cella Frigidaria mit badenden Frauen, der etwas manierierte Herkules bei der Omphale
(1861), Cäsar auf dem Wintermarsch, und insbesondere aus den letzten Jahren: Sommerbad in Pompeji (1876),
Scene aus der Geschichte des heil. Sebastian (1877), römische Schauspieler
ihre Rollen einübend und die Via Appia zur Zeit des Augustus. Im Atrium des Hôtel Pompéien in Paris malte
er mehrere Bilder nach Hesiod und im Tanzsaal der Neuen Oper die verschiedenen Phasen des Tanzes mit 20 Porträten von Tänzern. 1865 erhielt
er das Kreuz der Ehrenlegion.
(spr. bulangscheh),Georges Ernest Jean Marie, franz. General, geb. zu Rennes trat 1855 in die
Militärschule zu St. Cyr und wurde 1856 Unterlieutenant in der Infanterie. Im ital. Feldzuge wurde er bei Turbigo
durch die Brust geschossen, empfing das Kreuz
[* 18] der Ehrenlegion, wurde 1860 Lieutenant und ging nach Cochinchina,
nahm 1861-64 am Feldzug in China teil und wurde Kapitän. 1867 ward Boulanger als Lehrer an die Militärschule zu St. Cyr
berufen, Bataillonscommandeur, 9. Nov. als Oberstlieutenant Commandeur des 114. Linienregiments, an dessen Spitze er30. Nov. in der
Schlacht bei Champigny verwundet wurde. Im Jan. 1871 zum Oberst befördert, wurde er in den Kämpfen gegen die Commune am 24. Mai abermals
verwundet und empfing das Commandeurkreuz der Ehrenlegion. Bei der Reorganisation der Armee erhielt Boulanger den Grad eines Oberstlieutenants;
er organisierte das 133. Linienregiment und wurde 1874 zum zweitenmal Oberst, 1880 Brigadegeneral und
erhielt bald darauf den Befehl über die 14. Kavalleriebrigade, vertrat die franz. Regierung bei der hundertjährigen
Jubelfeier der Unabhängigkeit der
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Vereinigten Staaten
[* 20] mit Geschick, lenkte hierdurch die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und übernahm 1882 im Kriegsministerium
die Leitung der Infanteriedirektion. In dieser Stellung wirkte er namentlich für die Hebung des Militärerziehungs- und Bildungswesens
und vereinfachte den Verwaltungsdienst bei Behörden und Truppen. Boulanger wurde 1884 Divisionsgeneral und übernahm den Befehl über
die franz. Besatzungstruppen in Tunesien, wo er die Würde des Heers und des Offizierkorps nachdrücklich gegen Ungehörigkeiten
der Verwaltungsbehörden in Schutz nahm und hierdurch im Heere rasch bedeutenden Anhang gewann. Im Kabinett Freycinet übernahm
er das Kriegsministerium.
Boulanger schloß sich politisch niemals an eine Partei ganz an. Als Minister veranlaßte er die
Ausweisung der erst kurz vorher aus dem Heere entfernten Prinzen aus Frankreich und scheute sich nicht, hierbei seinen ehemaligen
Gönner, den Herzog von Aumale, öffentlich anzugreifen, um seine republikanische Gesinnungstüchtigkeit zu erweisen. Jedes
Mittel war ihm recht, um Anhang zu gewinnen, und bei allen Gelegenheiten ließ er seine Person möglichst
auffallend hervortreten.
Die jüngern ehrgeizigen Offiziere gewann er für sich durch die emsig verbreitete Meinung, er sei der berufenste Vollstrecker
der Rache an Deutschland. Im übrigen machte er viele Fehler, sodaß General Miribel nach Paris berufen werden muhte, um den in der
Heeresverwaltung durch Boulanger angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Der von Boulanger im Dez. 1886 vorgelegte
Gesetzentwurf zur Reorganisation des Heers sollte die Mittel zu einem erfolgreichen Kriege gegen Deutschland bieten. In Ausführung
eines Gedankens Gambettas wollte Boulanger die Friedensstärke bedeutend erhöhen und für die Kriegsformation eine
große Zahl von Stämmen bereit stellen, die Ausgaben der Militärverwaltung aber durch Abkürzung der aktiven
Dienstzeit und zeitweilige Beurlaubung eines großen Teils der Mannschaft nicht erheblich über das bisherige Maß der Leistung
hinaus vermehren.
Die Kammer bewilligte seine Forderungen. Die namhafte Verstärkung
[* 21] der östl. Garnisonen und
der dort veranstaltete Barackenbau zur Aufnahme der vierten Bataillone wiesen nun auf den Entschluß eines
baldigen Revanchekrieges hin, und trotz der Angriffe, denen Boulanger wegen seiner Eigenmächtigkeit und kriegerischen Tendenzen in
Kabinett, Kammer und Presse ausgesetzt war, galt er doch als der am wenigsten zu ersetzende Minister. Er behielt auch nach
dem Sturz Freycinets unter Goblet sein Portefeuille, und erst als dieser zurücktrat, Rouvier
sich weigerte, ein Kabinett mit Boulanger zu bilden, und der Senat durch die drei Parteipräsidenten der Linken feierlich gegen das
Verbleiben B.s protestierte, verlor er seinen Posten. Er wurde darauf zum Commandeur des 13. Armeekorps in Clermont-Ferrand
ernannt, blieb aber fortwährend in Verbindung mit den Radikalen, namentlich mit der von Deroulède geleiteten
Patriotenliga, und kam wiederholt heimlich ohne Urlaub nach Paris.
Von der neuen Regierung unter Tirard ward er deshalb wegen schwerer Vergehen gegen die Disciplin in Nichtaktivität
versetzt und am 26. durch das Urteil eines aus angesehenen Generalen zusammengesetzten Untersuchungsrats
mit schlichtem Abschied aus dem Heer entlassen. Da die Absetzunq auch von den radikalen Republikanern, die B.s Ehrgeiz tadelten,
gebilligt wurde, traten Laguerre, Drugnot und Laisant aus dem Klub
der äußersten Linken aus und nannten sich hinfort Boulangisten
(s. d.), welcher Fraktion sich auch Deroulède, der Senator Naquet u. a. anschlossen.
Die vertrautesten Anhänger wurden «Graf» Dillon und Rochefort. Boulanger ließ sich in Paris nieder, trieb einen fürstl. Aufwand und
galt von nun an als der Anwalt aller mit dem herrschenden System des Kammerterrorismus und der Unsicherheit der Regierungsziele
Unzufriedenen. Reiche Geldmittel flossen ihm von einer Anzahl Bankiers und andern Ehrgeizigen, die seine
Zukunft eskomptierten, zu, namentlich auch auf Wunsch des Grafen von Paris seitens der Herzogin von Uzès. Seine Freunde konstituierten
sich als «Republikanisches Komitee des nationalen Protestes».
Die Monarchisten, mit denen er längst Fühlung hatte, unterstützten ihn, indem sie ihn als Sturmbock benutzen zu können
meinten. Am ward er im Norddepartement mit großer Mehrheit zum Abgeordneten gewählt. Seine
Geltung verminderte sich auch nicht, als er 4. Juni formloser Weise einen Antrag auf Revision der Verfassung stellte, und als er 12. Juli, die
Kammerauflösung fordernd, sich durch die Übergabe eines vorbereiteten Briefes, worin er sein Mandat niederlegte,
lächerlich machte. In dieser Sitzung kam es zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten Floquet zu einem heftigen Wortwechsel,
der ein Duell zur Folge hatte. Boulanger wurde 13. Juli von Floquet am Halse verwundet. Im August ward er in drei Departements zu gleicher
Zeit wiedergewählt und schlug sogar in Paris selbst bei einer Nachwahl einen radikalen Mitbewerber Dieser
Erfolg erhöhte die polit.
Bedeutung B.s derart, daß er in einer ganzen Reihe von Departements gewählt wurde und dieses Wahlergebnis als eine Art
von Plebiscit zur Geltung zu bringen suchte. Den Wunsch seiner Anhänger, er möge sich durch eine rasche
That an die Spitze des Staates schwingen, lehnte er unentschlossen ab. Es war aber doch so viel an Anstalten hierzu geschehen,
daß das Ministerium Tirard die Anklage zunächst gegen die Patriotenliga, dann gegen Boulanger selbst «wegen Verschwörung
und Attentaten auf die Sicherheit des Staates» erheben konnte.
Boulanger entzog sich einer möglichen Verhaftung, indem er mit seiner Geliebten, einer Frau Bonnemain,
nach Brüssel floh, womit er seine Sache bedeutend schädigte. Dies zeigte sich bei den allgemeinen Wahlen wo die
«Boulange» insbesondere in der ProvinzNiederlagen erlitt. Inzwischen war Boulanger 14. Aug. mit Rochefort und Dillon
durch den Senat als Staatsgerichtshof für schuldig erklärt und wegen Komplotts und Veruntreuung von Staatsgeldern in contumaciam
zur Deportation nach einem befestigten Platze verurteilt worden.
Die Enthüllungen, welche die Untersuchung zu Tage förderte, entfremdeten ihm fast alle Sympathien. Boulanger verließ Brüssel auf
den Wunsch der belg. Regierung und ging nach Jersey, von wo er mit seinen engern Parteigenossen ununterbrochenen
Verkehr unterhielt, bis endlich die Gemeinderatswahlen in Paris den völligen Zusammenbruch der Partei offenbarten:
es wurde nur ein einziger Boulangist gewählt, ein zweiter nachträglich durch eine Stichwahl. Seine Getreuen erblickten nur
noch ein Mittel, die Sache der «Boulange» zu retten: Boulanger sollte sich dem Staatsgerichtshof in Paris stellen.
Aber er ging auf dieses Ansinnen nicht ein, sondern legte Mitte Mai seine Stelle als Parteichef nieder. Da nach dem Tode¶
mehr
der Frau Bonnemain, die ihm bis dahin aus ihrem bedeutenden Vermögen große Summen zur Verfügung gestellt hatte, auch seine
finanzielle Lage sehr mißlich geworden war, sodaß er das gewohnte prunkvolle Leben nicht weiter fortzuführen im stande
war, erschoß er sich am Grabe seiner Geliebten auf dem Friedhof von Ixelles bei Brüssel. Zu
den Mitteln, mit denen Boulanger um die Gunst des franz. Volks gebuhlt hatte, gehört auch die von ihm beeinflußte, von manchen dem
berühmten Militärschriftsteller Hippolyte Barthélemy (geb. 1840) zugeschriebene phantastische Veröffentlichung über den
Krieg 1870-71: «L'Invasion allemande» (3 Bde.,
Par. 1888-90; deutsch und erläutert von Armand, Lpz. 1888; von Singer, u. d. T. «Deutschlands
[* 23] Feldzug gegen
Frankreich», und illustriert, Wien
[* 24] 1888-92; zu dieser Schrift vgl. auch Mahrenholtz, L'Invasion allemande [par le général
B.] in «Unsere Zeit», 1889, II). Seine Reden «Les discours du général Boulanger (août 1887 à
sept. 1887)» wurden Lyon
[* 25] 1888 veröffentlicht. -
(spr. bulangscheh), Gustave Rodolphe, franz.
Maler, geb. zu Paris, besuchte die dortige Kunstschule und war Schüler von Delaroche und Jollivet. 1849 gewann er
den ersten Preis (Odysseus wird von der Eurykleia wiedererkannt) und damit das fünfjährige Stipendium
für Rom.
[* 26] Von da zurückgekehrt, versuchte er sich in mytholog. und histor. Gegenständen, wie: Cäsars Ankunft am Rubicon,
Herakles
[* 27] bei der Omphale (1861), Katharina I. unterhandelt mit Mehemed Baltadji über den Frieden (1866). Seine im Auftrag des
Prinzen Napoleon im Atrium des Hotel Pompeïen und im Tanzsaal der NeuenOper ausgeführten Darstellungen
von Scenen oder Einzelfiguren des häuslichen oder gewerblichen altröm.
Lebens zeigen bei großer Genauigkeit des archäol. Beiwerks moderne Auffassung. Die Ausführung ist akademisch streng und
sorgsam, kalt und nüchtern. Bekannt sind: Lesbia, Horaz und Lydia, Die Juwelenhändlerin, Die Blumenverkäuferin, Das
Tepidarium, Das Mamillare, Das Gynäceum u. s. w. (1860-75). Die Früchte einer Reise nach Algerien waren mehrere treffliche
arab. Sittenbilder, wie: Arab. Hirten (1859), Versprengte Kabylen, Arab. Märchenerzähler, Reiter der Sahara 11864). Auch
das Gebiet der großen Historie betrat er, jedoch ohne Erfolg, mit seinem Heil. Sebastian (1877). Ferner malte er: Die
Quelle
[* 28] des Tiber (1883), Sklavenmarkt (1888) und eine Kopie von RaffaelsHochzeitAmors und Psyches, im PalastFarnese (Museum in
Rennes). Boulanger starb in Paris.
(spr. bulangscheh), Louis, franz. Historienmaler
und Lithograph, geb. in Vercelli (Piemont), war ein Schüler von Guillon-Lethière und Dévéria.
Sein Mazeppa (1827, Museum zu Rouen)
[* 29] stellte ihn sofort an die Spitze der damals noch jungen Romantischen Schule. Auch die
folgenden Arbeiten: Rinaldo und Armida, Hochzeit von Gamacho, Triumph Petrarcas (1836, Medaille erster Klasse), Tod der Messalina,
Schmerz der Hekuba (1833-46), fanden großen Beifall.
Namentlich wurde Victor Hugo, zu dessen Werken er zahlreiche Illustrationen lieferte, sein Gönner. Einige
seiner spätern Gemälde, wie: Sabbatsrunde (1864) und Brand von Sodom (1866), zeigen wieder die Vorzüge seiner ersten Leistungen,
namentlich eine reiche Phantasie. Nach dem Wiederaufkommen der klassicistischen Richtung verminderte
sich das Interesse fur
B.s Bilder. Seit 1860 leitete er die Kunstschule in Dijon, wo er starb. Als Lithograph folgte
Boulanger anfangs der Manier seines Lehrers A. Dévéria: Le
[* 30] feu du ciel (1831), Scène de la Saint-Barthélemy (1829), La dernière
heure (Allegorie auf die zerstörende Wirkung des Dampfes, 1845).