Titel
Botānik
(v. griech. botane, Futter, Kraut; Pflanzenkunde, Phytologie), derjenige Teil der Naturgeschichte, welcher die wissenschaftliche Kenntnis des Pflanzenreichs umfaßt. Sie zerfällt je nach den besondern Gegenständen, welche sie behandelt, in folgende Disziplinen.
1) Die Morphologie der Pflanzen oder Organologie ist die Lehre [* 2] von der Entwickelung, von der Gestalt und vom innern Bau der Glieder [* 3] des Pflanzenkörpers, ohne Rücksicht auf die Funktionen, welche diese im Lebensprozeß der Pflanze verrichten. Ist sie vorzugsweise auf die äußern Formen der Pflanzenglieder gerichtet, so heißt sie Morphologie der äußern Gliederung. Sie zeigt, daß das Pflanzenreich nur wenige Grundorgane, nämlich Wurzel, [* 4] Kaulom, Phyllom und Trichom (s. d.), besitzt, die, nur in der Art und Zahl ihrer Gruppierung, in der zeitlichen Folge ihrer Entwickelung und in untergeordneten Gestaltsverhältnissen variierend, die verschiedenartigen Formen der ganzen Pflanze bedingen; sie findet, daß ein und dasselbe Grundorgan je nach der Lebensweise der Pflanze und den daraus entspringenden Anpassungsbedürfnissen auch sehr verschiedenartige Organisation annehmen kann, die es geschickt macht, hier diesem, dort jenem Zweck im Leben der Pflanze zu dienen. So gelangt sie zu dem Resultat, daß es den morphologischen Charakter eines Pflanzengliedes durchaus nicht berührt, ob dasselbe zu diesem oder jenem physiologischen Organ eingerichtet ist.
Mit dieser der Idee der Pflanzenmetamorphose zu Grunde liegenden Erkenntnis ist erst das wahre botanisch-morphologische Prinzip gewonnen, welches uns nicht bloß eine befriedigende Erkenntnis der Pflanzengestalten ermöglicht, sondern zugleich eins der wichtigsten Hilfsmittel zur Auffindung der natürlichen Verwandtschaften der Pflanzen untereinander und somit zum Ausbau des wahren natürlichen Pflanzensystems abgibt. Richtet sich aber die Morphologie mehr auf die Erkenntnis des innern Baues der Pflanzenglieder, d. h. auf die Art ihrer Zusammensetzung aus Zellen und Geweben, so wird sie zur Pflanzenanatomie oder Phytotomie.
Eine thatsächliche Scheidung beider Gebiete wird gegenwärtig immer unthunlicher, indem zur morphologischen Begriffsbestimmung der Pflanzenteile oft ein Einblick in die anatomische Struktur derselben unerläßlich ist. Die Betrachtung des Entwickelungsganges, sowohl der äußern Formen als auch des innern Baues, pflegt man die Entwickelungsgeschichte [* 5] zu nennen. Aus dem Gesagten erhellt jedoch, daß letztere nur ein integrierender Teil der Morphologie der Pflanzen ist.
2) Die Pflanzenphysiologie (Phytophysiologie) beschäftigt sich mit den an den Pflanzen als solchen zu beobachtenden Naturerscheinungen, also sowohl mit den Lebensprozessen der Pflanze, die wir als Ernährung und Fortpflanzung bezeichnen, als auch mit dem Einfluß der physikalischen Naturkräfte, nämlich der Gravitation, des Lichts, der Wärme, [* 6] des Aggregatzustandes und des Chemismus der äußern Medien auf die Gestaltung, Ausbildung und die Lebensprozesse der Pflanze.
Auch mit der
Frage nach der Molekularstruktur der
Bestandteile der
Pflanzenzelle und nach den molekularen
Prozessen, die in denselben stattfinden, hat sich die
Pflanzenphysiologie, soweit es die Leistungsfähigkeit der in der neuern
Zeit vielfach vervollkommten physikalischen Untersuchungsmethoden gestattet, zu beschäftigen, um auch von dieser Seite her
Licht
[* 7] in die
Natur des Pflanzenlebens zu bringen.
Alle diese
Fragen pflegt man, insofern ihre Erforschung die
Anstellung von
Experimenten erheischt, unter der Bezeichnung Experimentalphysiologie zusammenzufassen, während die Schilderung der
Lebenserscheinungen als solcher in ihren allgemeinen und je nach den
Arten eigentümlichen
Formen und in ihrer periodischen
Aufeinanderfolge an der einzelnen
Pflanze, die auf bloßer, vielfach allerdings auch mikroskopischer
Beobachtung beruht, als
die
Biologie der
Pflanzen bezeichnet wird. - Die
Pflanzenchemie, welche von den
Grundstoffen der
Pflanzen
und deren verschiedenen
Verbindungen handelt, die in den einzelnen Teilen der
Pflanzen angetroffen werden, ist eher ein Teil
der
Chemie als der Botanik
, zumal da ihre wichtigsten
Thatsachen schon in der
Lehre von der
Ernährung der
Pflanzen, also in einem
Abschnitt der
Physiologie, zur
Sprache
[* 8] kommen.
Die durch abnorme
Ursachen herbeigeführten, von der gewöhnlichen Art abweichenden Lebenserscheinungen, die
Krankheiten der
Pflanzen, sind der Gegenstand einer eignen an die
Physiologie sich anschließenden
Disziplin, der
Pflanzenpathologie
(Phytopathologie),
welche nicht bloß eine
Beschreibung derselben zu geben, sondern auch ihre
Ursachen zu erörtern hat. Unter
Teratologie
der
Pflanzen versteht man die
Lehre von den
Bildungsabweichungen. Diese behandelt man am besten im Anschluß an die
Pathologie,
weil auch diese
Erscheinungen die
Folgen abnormer Einflüsse oder abnormer
Kombinationen
an sich normaler Einflüsse sind, obgleich
viele
Thatsachen der
Teratologie auch wichtige Beweismittel bei morphologischen
Fragen geworden sind und daher
auch dort schon eine gewisse Berücksichtigung finden. Die bisher erörterten
Disziplinen unterwerfen jede für ihre
Zwecke
das
Pflanzenreich im allgemeinen, ohne Berücksichtigung des Unterschiedes der einzelnen
Arten, ihrer Betrachtung und suchen
das allen
Arten oder einer Anzahl derselben Gemeinsame aus. Insofern machen sie zusammen die allgemeine Botanik
aus. Im
Gegensatz hierzu hat
3) die spezielle (beschreibende oder deskriptive, systematische) Botanik
, Pflanzenbeschreibung oder
Phytographie, die Aufzählung,
Unterscheidung und
Beschreibung der einzelnen Pflanzenarten zum Gegenstand. Sie hat es in erster
Linie mit den
Begriffen der
Gattung und Art überhaupt zu thun und daher auch die
Frage zu prüfen, ob die existierenden Pflanzenarten
von ebenso vielen ursprünglichen Stammeltern sich herleiten, oder ob nach
Darwins
Lehre die
Arten voneinander und in letzter
Linie von einer beschränkten Anzahl von Urtypen abstammen, welche im
Lauf zahlloser
Generationen und langer geologischer
Perioden
durch die beiden der
Pflanze
¶
mehr
innewohnenden Fähigkeiten der Vererbung und Anpassung in steter Konkurrenz mit den jedesmaligen innern und äußern Lebensbedingungen sich zu einer vielfach verzweigten Kette von näher oder entfernter verwandten und dem entsprechend untereinander zeugungsfähigen oder unfruchtbaren Individuen entwickelt haben. Die engern oder weitern Verwandtschafts- und Zeugungsgruppen werden durch die Begriffe Rasse, Varietät, Art, Gattung u. a. nur unvollkommen bezeichnet.
Innerhalb der einzelnen Arten hat die beschreibende auch die verschiedenen Grade der Varietätenbildung zu berücksichtigen,
auch die durch Bastardierung zwischen verschiedenen Arten entstehenden Formen, soweit sie wirklich in der Natur vorkommen, in
Betracht zu ziehen. Da die Unterscheidung der Pflanzenarten voneinander vor allem eine von allen Botanikern
anerkannte und verstandene Benennung derselben erheischt, so hat die spezielle auch allgemein gültige wissenschaftliche
Regeln, nach denen dies geschieht, aufzustellen, womit sich die botanische Terminologie beschäftigt.
Dagegen lehrt dann die botanische Charakteristik die Regeln, welche bei Ausstellung der Gattung und Art zu beobachten sind, d. h. sie gibt an, von welchen Pflanzenteilen diejenigen Merkmale, auf welche wir eine Gattung, und von welchen diejenigen Merkmale entlehnt werden müssen, auf welche wir eine Art basieren sollen. Daraus folgt dann, wie unter Anwendung der botanischen Terminologie der Charakter für Gattung und Art darzulegen ist. Darunter versteht man nämlich die Zusammenstellung aller der Merkmale, durch welche die betreffende Gattung oder Art hinreichend charakterisiert, d. h. so weit beschrieben wird, daß sie mit keiner andern Gattung oder Art verwechselt werden kann.
Handelt es sich nur um Unterscheidung der Gattung von ihren nächstverwandten Gattungen oder der einzelnen Arten einer und derselben Gattung, so genügt eine kürzere Zusammenstellung weniger Merkmale, die man Diagnose nennt. Da eine und dieselbe Pflanze oft verschiedene botanische Namen erhalten hat, so sind Verzeichnisse dieser sogen. Synonyme erforderlich, welche auf den jedesmaligen allgemeiner gangbaren Namen verweisen, bez. bei der Beschreibung der Arten diesem beigegeben sind; hiermit beschäftigt sich die botanische Synonymik.
Somit hat die spezielle Botanik
bei der Beschreibung der Arten zu geben: den botanischen Namen, die etwanigen Synonyme, den Charakter
oder die Diagnose der Art, woran sich noch Bemerkungen über die Heimat, den Standort und die Blütezeit anzuschließen haben.
Bei den ca. 8000 Gattungen, die man kennt, ist es unerläßlich, dieselben zur leichtern Übersicht wieder
in größere Gruppen zu vereinigen, wozu wir auch vielfach schon durch die Natur getrieben werden wegen der unverkennbar nahen
Verwandtschaft, die viele untereinander zeigen. Dies führt zur Aufstellung eines Pflanzensystems, und es ist der Gegenstand
der botanischen Systematik (Systemkunde oder Taxonomie), die Versuche, welche zur wissenschaftlichen Anordnung
des Pflanzenreichs gemacht worden sind, aufzuführen.
4) Die Paläontologie des Pflanzenreichs (Paläophytologie) ist die Lehre von den vorweltlichen oder fossilen Pflanzen; sie hat einerseits zu untersuchen, in welchen Teilen und in welchen Erhaltungszuständen die Reste der vorweltlichen Pflanzen gefunden werden, anderseits aber eine Aufzählung und naturhistorische Beschreibung der fossilen Pflanzenarten, soweit eine solche aus den erhaltenen Resten sich entnehmen läßt, zu liefern, dabei aber auch die Gebirgsformationen, in denen diese gefunden werden, zu berücksichtigen, um hieraus Schlüsse auf das allmähliche Erscheinen der Pflanzenarten auf der Erde ableiten zu können.
5) Die Pflanzengeographie handelt von der gegenwärtigen Verteilung der Pflanzenarten auf der Erdoberfläche und erörtert daher zunächst die geographische Verbreitung der einzelnen Arten sowohl in horizontaler Richtung als auch in vertikaler über dem Meeresspiegel und weist die Ursachen derselben nach. Sie gelangt so dahin, die Erdoberfläche in eine Anzahl Florengebiete, Pflanzenzonen und Pflanzenregionen zu zerlegen, die durch ihren Vegetationscharakter sich unterscheiden, und deren allmähliche Entstehung nicht bloß durch die Wirkung physikalischer Ursachen, sondern auch durch die Fortentwickelung der Pflanzenwelt in aufeinander folgenden geologischen Epochen erklärbar wird.
Alle bisher genannten botanischen Fächer
[* 10] können zusammen als die eigentliche oder reine Botanik
bezeichnet werden. Ihr gegenüber
steht die angewandte Botanik
, die nicht mehr die wissenschaftliche Betrachtung des Pflanzenreichs als solchen
zur Aufgabe hat, sondern lediglich diejenigen Pflanzen, welche in irgend einer Beziehung dem Menschen Nutzen oder Schaden bringen,
betrachtet und zwar nur insoweit, als an ihnen diese letztern Beziehungen in Betracht kommen. Sie gibt also eigentlich nur
eine Auslese derjenigen Kenntnisse aus der reinen Botanik
, welche einem bestimmten praktischen,
Zweck im menschlichen Leben dienen können.
Auf diese Weise ergeben sich folgende einzelne Fächer:
1) die medizinische oder pharmazeutische Botanik
, welche sich mit den offizinellen oder Arzneipflanzen,
[* 11] zu denen auch die Giftpflanzen
[* 12] gerechnet werden, beschäftigt;
2) die landwirtschaftliche oder ökonomische Botanik
, welche sowohl alle diejenigen Gewächse, die für die
Zwecke der Landwirtschaft und des Gartenbaues kultiviert werden, als auch die diesen Kulturen schädlichen Unkräuter betrachtet;
3) die Forstbotanik, welche von den in der Forstwirtschaft angewendeten Gewächsen sowie von den bei der Forstkultur auftretenden Unkräutern handelt;
4) die technische Botanik
, welche die Beschreibung aller derjenigen Pflanzen gibt, deren Teile oder abgeleitete
Produkte in den Gewerben und Künsten angewendet werden oder Gegenstände des Handels sind;
5) die Zierpflanzenkunde und Blumistik, welche die botanischen Kenntnisse in ihren Bereich ziehen, insoweit sie auf die Kultur der Zierpflanzen und auf den dekorativen Gartenbau Bezug haben.
Über botanische Gärten, botanische Sammlungen und Institute, Exkursionen vgl. die besondern Artikel (S. 262 u. 263).
Die Geschichte der Botanik
weist die allmähliche Entwickelung der wissenschaftlichen Kenntnisse vom Pflanzenreich nach. Die einzelnen botanischen Fächer
sind keineswegs zu gleicher Zeit begründet worden; vielmehr wurde vom Altertum an bis in verhältnismäßig späte Zeit der
beschreibenden Botanik
so gut wie allein die Aufmerksamkeit zugewendet, und die allgemeine Botanik
ward erst in den letzten Jahrhunderten
ausgebildet. Im Altertum ist Aristoteles der erste Schriftsteller, der sich auch mit Botanik
beschäftigte; doch sind seine botanischen
Schriften verloren gegangen. Diejenigen seines Schülers Theophrast (300 v. Chr.) dagegen sind uns erhalten
und scheinen eine weitere Ausführung der Aristotelischen Werke zu sein. In ihnen sind etwa 500 Arten von Pflanzen beschrieben;
außerdem geben sie in rein philosophischem Geist Betrachtungen über das Wesen und die Entstehung der Pflanzen. Im 1. Jahrh.
n. Chr. schrieb Dioskorides zu Rom
[* 13] seine »Materia
¶
mehr
medica«, in welcher etwa 600 Arzneipflanzen beschrieben sind. Die Naturgeschichte des Römers Plinius (23-79 n. Chr.) ist nur eine Zusammenstellung aus den Werken der Alten. Die lange Zeit der Ausbreitung und Befestigung des Christentums war der Naturforschung in hohem Grad ungünstig. In den auf das Altertum folgenden Jahrhunderten bis zur Reformation begegnen wir nur wenigen Schriftstellern, die aus selbständiger Naturbeobachtung ihre Kenntnisse schöpften; dies waren vorzugsweise die Araber, welche sich die griechische Bildung angeeignet hatten, und unter den Deutschen Albertus Magnus (1193-1280), der ein Werk: »Sieben Bücher von den Gewächsen«, schrieb.
Die vorherrschende Richtung dieser Zeit ging vielmehr auf das Studium der Werke der Alten, zumal des Dioskorides, der als ausschließliche Autorität galt, und zu dessen Werken Kommentare geschrieben wurden. Erst die mit Ende des 15. Jahrh. anbrechende Zeit des allgemeinen Wiederauflebens der Wissenschaften brachte auch hier einen Umschwung hervor. Deutsche [* 15] waren es zunächst, welche die botanische Wissenschaft von den Fesseln der alten Schule befreiten. Die Unzulänglichkeit der Lehren [* 16] des Dioskorides brachte Otto Brunfels (»Contrafeyt Kräuterbuch«, 1537), Hieronymus von Braunschweig, [* 17] Leonhard Fuchs, [* 18] Hieronymus Tragus und Konrad Geßner zu dem Entschluß, unabhängig von Dioskorides die Gewächse Deutschlands [* 19] zu untersuchen und eine mit Abbildungen begleitete Beschreibung derselben zu geben.
Geßner kam zuerst auf den Gedanken, daß die Fruchtteile die wesentlichen seien, und daß man danach die Pflanzen ordnen müsse. Jenen Männern folgten gegen den Anfang des 17. Jahrh. die Italiener Peter Matthiolus, Andreas Cäsalpinus, Prosp. Alpino und Fab. Columna, die Niederländer Dodonäus, Clusius und Lobelius, der Franzose Dalechamp, der Engländer Gerard, die Deutschen Joach. Camerarius, Tabernämontanus und die Gebrüder Johann und Kaspar Bauhin. Durch die Anstrengungen dieser Forscher war der Vorrat benannter Pflanzen zu Anfang des 17. Jahrh. schon bis auf 5500 angewachsen; mit dieser Vermehrung wuchs aber das Bedürfnis der Anordnung.
Den ersten Versuch einer natürlichen Anordnung der Pflanzen in der Beschreibung ihrer Eigenschaften und Formen machte Lobelius (1570), indem er gewisse Familien, z. B. Bäume, Gräser, [* 20] Farnkräuter, Lilien [* 21] u. a., ausstellte. Andreas Cäsalpinus (1583), von Linné der erste orthodoxe Systematiker genannt, führte nach Geßners Vorschlag die Frucht und die wesentlichen Teile des Samens als Basis der Klassenbildung auf, was bei vielen seiner Nachfolger, die man Fruktisten nannte, die herrschende Regel geblieben ist.
Noch verdienter aber um die Botanik
machten sich etwas später die Gebrüder Bauhin. Während Johann Bauhin in seinem Werk »Historia
plantarum universalis« (erst nach seinem Tod, 1650, von Chabrée herausgegeben) sich mehr den Ansichten des Lobelius anschloß
und mithin eine natürliche Anordnung der Pflanzen anstrebte, vermehrte Kaspar Bauhin nicht allein die Zahl
der bekannten Pflanzen durch seine Entdeckungen, sondern suchte auch die durch die Willkür in den Benennungen ungemein verwirrte
Synonymik zu berichtigen. Er wagte zuerst in seinem »Phytopinax« (1596)
die Idee einer Synopsis aller bekannten Pflanzen aufzustellen und führte in seinem »Pinax theatri
botanici« (1623) die Namen von 6000 Pflanzen mit ihren Synonymen aus. Die schon ein Jahrhundert früher gemachten Entdeckungen
neuer Länder und Meeresstraßen vermehrten die Zahl der bekannten Pflanzen außerordentlich.
Es wurden botanische Reisen und
Expeditionen unternommen; so wurde z. B. fast ganz Europa
[* 22] von Clusius, das Morgenland von P. Albini mit großem
Erfolg durchforscht.
Ein wichtiges Moment für die Weiterentwickelung der Botanik trat in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. hinzu: die Erfindung des Mikroskops. Sie führte zu genauern Untersuchungen des Baues der Pflanzen und somit zur Begründung der Pflanzenanatomie. Als die eigentlichen Begründer der letztern haben wir anzuerkennen: Nehem. Grew, Marcell Malpighi, Professor zu Bologna, und Leeuwenhoek, welche zu gleicher Zeit mikroskopische Beobachtungen über das Gewebe der Pflanzen [* 23] anstellten; der erste machte sie 1670, der zweite 1671, der dritte 1675 durch den Druck bekannt. In diese Zeit fallen auch weitere Versuche zur Ausstellung von Pflanzensystemen in größern beschreibenden Werken, so die von Morison, Ray, P. Hermann, H. Boerhaave, G. A. Rivinus, besonders aber von J. P. (Anmerkung des Editors: Joseph Pitton) Tournefort.
Morison (1715) und Ray (1703) bauten auf dem von Cäsalpin gelegten Grund weiter fort; der letztere nahm bei seiner Methode schon auf die Bildung der Blumenkrone und deren Teile Rücksicht. Rivinus (1690) ließ bei seiner Anordnung der Gewächse ganz allein die regelmäßige oder unregelmäßige Gestalt der Blumenkrone als Norm gelten. Ein wichtiger Fortschritt in der beschreibenden Botanik geschah aber durch Tournefort (1719), indem derselbe nicht nur ein seiner Zeit sehr anerkanntes System ausstellte, welches er auf die Form der Blumenkrone gründete, sondern vorzüglich, indem er zuerst bestimmte Gattungen schuf und die in dieselben gehörigen Arten bezeichnete.
Die Zusammenstellung der Pflanzen in wirkliche Familien unternahm und führte zuerst Magnol (1689) durch; sein System umfaßte 76 Familien, welche er nach allen Teilen der Pflanze begrenzte, besonders aber nach der Entwickelung der Blüte [* 24] und Frucht. Aber diese Systeme wurden immer wieder überholt und unzureichend durch die Fülle neuer Pflanzen, welche fortwährend bekannt wurden. Ferne Weltgegenden, zumal die Tropenländer, wurden der botanischen Kenntnis erschlossen durch die Reisenden und Pflanzensammler Rheede, Kämpfer und Rumph, welche die asiatische, Sloane und Plumier, welche die amerikanische Flora behandelten.
Die Kultur dieser ausländischen Gewächse in den jetzt allgemeiner angelegten botanischen Gärten (s. d.) trug nicht weniger zur Vermehrung der Pflanzenkenntnis bei. Ohne ein genügendes, allgemein gültiges System und ohne eine bestimmte, allgemein befolgte Methode der Pflanzenbenennung und Pflanzencharakteristik wäre aber die Verwirrung in der Beschreibung der Pflanzen nicht zu vermeiden gewesen, und es war daher das Verdienst Karl Linnés (1707 bis 1778), diesem Bedürfnis durch sein berühmt gewordenes System abgeholfen zu haben. Es ist dies zwar, als lediglich auf die Befruchtungsorgane der Blüte gegründet, ein künstliches, hat aber wegen der Untrüglichkeit und leichten Anwendbarkeit seiner Merkmale rasch weitverbreitete Anerkennung gefunden. Linnés größeres Verdienst aber, wegen dessen er mit Recht als Reformator der Naturgeschichte bezeichnet wird, besteht darin, daß er feste Regeln für die wissenschaftliche Charakteristik der Gattungen und Arten und die eigentliche naturgeschichtliche Terminologie zur Bezeichnung dieser letztern geschaffen hat, die bis heute in der Naturgeschichte Geltung haben. Unter den Gegnern des Linnéschen Systems waren ¶