Bosporus
(türk. Istambul Boghasi) oder
Straße von Konstantinopel, die
Meerenge, welche aus dem
Schwarzen
Meere
(Pontus) in die
Propontis oder das
Marmarameer führt. Sie soll ihren
Namen, der soviel als Kuh- oder Rinderfurt bedeutet,
daher erhalten haben, daß hier nach der Sage die in eine Kuh verwandelte
Io hinüberschwamm. Als nachher andere
Meerengen
mit gleichem
Namen belegt wurden, nannte man jene den Thracischen Bosporus
.
[* 2] Die
Straße ist 30 km lang, in der
Mitte nur 550
m, an der breitesten
Stelle 21/2 km breit und gleicht einem vielfach gewundenen
Strome mit 30–60, im Maximum 120 m
Tiefe, der überall den größten Schiffen die Durchfahrt ermöglicht.
Auf welche
Weise der
Durchbruch des Bosporus
entstand, ist noch nicht festgestellt, doch ging er sicher erst
in der Diluvialzeit vor sich. An der Oberfläche der
Meerenge herrscht die Strömung aus dem
Schwarzen zum
Marmarameer vor und
pflegt im
Frühjahr oder nach längerm, die Wasser stauenden Südwinde sich bis zu einer
Geschwindigkeit von 9,5 km in der
Stunde zu steigern. Dagegen bewegt sich in der
Tiefe eine Gegenströmung in umgekehrter
Richtung. Dieser
Wasseraustausch bewirkt, daß der Salzgehalt des
Schwarzen
Meers ungeachtet der in dieses geschlossene Seebecken sich ergießenden
mächtigen
Ströme, wie Donau,
Dnjepr,
Don u.s.w., sich nicht vermindert.
Die nördl. Einfahrt des Bosporus
bringt den Schiffen im Spätherbst und Winter,
bei dichtem Nebel und stürmischem Wetter
[* 3] Gefahr, trotz der beiden
Leuchttürme Rumeli- und
Anadoli-Fener. Seit 1870 sind Rettungsstationen
für Schiffbrüchige errichtet und zwar auf dem europ. Ufer bei
Kilia, auf dem asiatischen bei Schile. Dagegen bietet die
Meerenge selbst die Sicherheit eines
Hafens dar. Sie ist, außer durch die große Schiffahrt zwischen beiden
Meeren, durch den starken Verkehr zu Wasser zwischen
Konstantinopel
[* 4] und den Vorstädten an den Ufern belebt.
Eine große Anzahl kleinerer
Dampfer und zahlreiche
Boote, insbesondere die schlank gebauten, pfeilschnell dahinschießenden
türk. Kaiks, vermitteln diese
Verbindung.
Der von schwarzen Basaltfelsen umgebene Eingang zum Bosporus
vom
Schwarzen
Meer her
ist weit und trichterförmig und enthält die
Symplegaden (s. d.) oder Cyanëischen Felsen. Darauf folgt der eigentliche
Bosporus
, von durchschnittlich 250 m hohen
Bergen
[* 5] aus devonischen
Schiefern umgeben. Die Ufer sind hier nur spärlich bewohnt, gewinnen
aber von Emirgon ab an Reiz und Belebtheit.
Die Höhen erbeben sich oft mit schroffen Felswänden zu beiden Seiten, Buchten und malerische Thalöffnungen folgen in stetem Wechsel, von Cypressen, Lorbeerbäumen und hundertjährigen Platanen beschattet. Dörfer, Villen und Gärten, Sommerpaläste und Kioske, überragt von Burgen, [* 6] Schlössern und Ruinen aus der byzant. und genues. Zeit, bekränzen beide Ufer, besonders das europäische oder rumelische. Zum Schutze Konstantinopels vor einem Angriff von Norden [* 7] her sind auf beiden Seiten der Meerenge zahlreiche Verteidigungswerke, viele Schlösser (Hissar) und Batterien angelegt.
Die berühmtesten Punkte sind von Süden, von Top-Hane (Topchane) am Eingange des Hafens von Konstantinopel, nach Norden links: das kaiserl. Lustschloß Dolmabagtsche, ein Steinbau im gemischten griech.-arab. Stil, und das Dorf Beschiktasch, in dessen Nähe der Palast Jildis-Kiosk, die gewöhnliche Residenz des Sultans;
das Dorf Ortaköi gegenüber dem 1863 vollendeten Palaste Beglerbegköi oder Beglerbei auf asiat. Ufer;
weiterhin der prachtvolle 1873 neu gebaute Palast Tschiraghan;
dann an der engsten
Stelle des Bosporus
(wo
Darius seine Schiffbrücke schlug)
die jetzt verfallenen Schlösser Rumeli-Hissar links und
Anadoli-Hissar rechts, beide von Mohammed II.
erbaut, ersteres unter dem
Namen
Boghas-Kessen (Kanaldurchschneider), letzteres unter dem
Namen Güsel-Hissar (Schönes Schloß),
später berüchtigt als Kerker für
Kriegs- und
Staatsgefangene.
Dann die Bucht Balta-Liman, links Therapia (richtiger Tharapia), wo die Botschafter Deutschlands, [* 8] Englands, Frankreichs und Italiens [* 9] im Sommer wohnen und die «Sieben Brüder» stehen, d. h. sieben riesige, aus Einer Wurzel [* 10] gewachsene Platanen, unter denen Gottfried von Bouillon gelagert haben soll. Ferner Böjükdere (s. d.) an der breitesten Stelle; weiterhin, und zwar auf dem asiat. Ufer, die beiden großen, im Stile neuester Küstenbatterien [* 11] angelegten und mit schweren Kruppschen gezogenen Kanonen bewaffneten Forts von Madjiar und Anadoli-Kawak, die Hauptverteidigungsmittel der Meerenge; sodann die ältern, im 18. Jahrh. durch General Tott angelegten Werke von Böjük-Liman und Gharibdsche auf der rumel., von Fil Burun und Poiras auf der anatol.
Seite. Am asiat. Ufer, nicht weit vom Ausgang der Meerenge, liegt auch die Riesenburg oder Juscha-Dagh mit dem angeblichen Grabe des Hercules oder Josua. –
Vgl. Tchihatchef, Le [* 12] Bosphore et Constantinople (2. Aufl., Par. 1865);
von Hochstetter im «Jahrbuch der k. k. Geologischen Reichsanstalt» (Wien [* 13] 1870);
Dethier, Der Bosphor und Konstantinopel (ebd. 1873);
Boïatzis, Grundlinien des Bosporus
(Königsb. 1887).
(Hierzu das Doppelkärtchen: Bosporus
und
Dardanellen.)
Cimmerischer Bosporus
hieß bei den Alten die
Straße von
Kertsch (s. d.), auch
Straße von
Kaffa oder Feodosia
(s. d.) genannt. Das Land zu beiden Seiten des Cimmerischen Bosporus
mit
den
Städten Panticapäum und
Phanagoria bildete im
Altertume das
Bosporanische Reich, welches 480
v. Chr. die Archäanaktiden
gründeten, die bis 438 regierten. Eine neue Dynastie begann 438
v. Chr. mit dem Könige Spartokus I.
Unter Satyrus I. (gest. 393) ward das
Reich auf die
Küste von
Asien
[* 14] ausgedehnt, und unter
Leukon I., nach dem sich dessen Nachkommen
die Leukoniden nannten, 360
Theodosia damit vereinigt.
Der König Leukanor wurde 290 den Scythen zinsbar, sodaß Pärisades, der letzte der Leukoniden, es vorzog,
sich dem Könige von
Pontus,
Mithridates VI., zu unterwerfen, der auch die Scythen unter Skilurus 115
v. Chr. ganz aus der Krim
[* 15] vertrieb und seinen Sohn Machares zum Könige von Bosporus
einsetzte. Nachdem sich dieser getötet und
Mithridates ihm im
Tode gefolgt
war, gaben die
Römer
[* 16] das Land 63
v. Chr. dem zweiten
Sohne des
Mithridates,
Pharnaces, und nach dessen Ermordung
seinem Schwiegersohne Asander, der eine röm.
Besatzung aufnahm. Als 259 n. Chr. das Königsgeschlecht gänzlich erlosch,
bemächtigten sich die Sarmaten des
Reichs, denen es 344 die Bewohner von Chersonesus entrissen. Mit dem
Taurischen Chersones
gehörte es dann zum Oströmischen
¶
mehr
Reiche, bis die Chazaren und später die Tataren unter mongol. Fürsten sich seiner bemächtigten. -
Vgl. Sallet, Beiträge
zur Geschichte und Numismatik der Könige des Cimmerischen Bosporus
(Berl. 1866).