Das durchaus gebirgige Land wird von zahlreichen von
NW. nach SO. streichenden parallelen
Gebirgsketten der
Dinarischen Alpen durchfurcht, die, im N. aus der Saveniederung gegen das 1000 m hohe dalmatische Grenzgebirge allmählich
aufsteigend, im SO. ihren höchsten Gipfel erreichen. Die bedeutendsten
Gebirge (Planinen) sind im
NW. bei
Bihac das Germec-
und Crljevicagebirge (1460 und 1971
m) und die Cerna
Gora (1800 m) mit dem Vitoroggebirge. Die nächste
Parallelkette jenseit der Sanna beginnt im N. mit dem Kozaragebirge und endet in der 2000 m hohen Radusa.
Von dem oberhalb dieser sich erhebenden Gebirgsknoten Zec (2200 m) erstreckt sich nordwärts das Scit- und Vlasicgebirge
(1923 m), gegen O. die Bitovnja (2160
m) und das Ivangebirge, südöstlich die Jahorina mit dem Korjen-
(1872
m) und Ranjengebirge. Im W. laufen parallel mit ihr die Bjelasnica (2115
m) und Treskovica (2428 m); im S. hingegen beginnt
das
Konglomerat der herzegowinischen
Gebirge (Vucija 2070 m, Dumos 1700
m und Lebrsnik). Südlich von der Neretva erheben sich
die riesigen, schneebedeckten Gipfel des Prenjgebirges mit der
Velez- und Cabuljakette im
S. und W. In
Novibazar, nördlich vom
Dormitor, dem Bergriesen
Montenegros, erstrecken sich die langen, waldigen
Rücken der Ljubicnja, am
rechten Bosnaufer endlich das 1500 m hohe
Plateau des Romanjagebirges und die Vranagruppe, welche in dem riesigen Konjugebirge
abschließt.
Ebenen hat Bosnien nur längs der
Save und an der untern
Unna
[* 6] und
Bosna aufzuweisen, die größte auf dem linken
Wrbasufer (von
Banjaluka bis an die
Save). An fließenden Gewässern ist Bosnien, da die noch gut bewaldeten
Berge die
Quellen hinreichend
nähren, sehr reich. Viele derselben fließen nördlich zur
Save, so die
Unna mit der Sanna, der
Wrbas mit
der Pliva, Wrbanja und Ugar, die
Bosna, der Hauptfluß Bosniens; ferner die Ukrina und die
Drina mit dem Lim und Uwaz. Der
Hauptfluß im
SW. ist die ins
Adriatische Meer mündende
Narenta.
Seen gibt es wenige und nur unbedeutende,
so den bei Jesero, welchen die Pliva durchfließt, und einen
westlich bei
Mostar; desto reicher ist an
Sümpfen, darunter die großen Sevarovo Blato und Mostarsko Blato; beide werden mit
Moorhirse besäet. Das
Klima
[* 7] ist nur in der
Herzegowina zum Teil südlich-heiß, im eigentlichen Bosnien jedoch, wo die höchsten
Bergspitzen das ganze Jahr hindurch mitSchnee
[* 8] bedeckt sind, ist die Sommertemperatur eine milde, und
in den höhern Waldgebirgen herrscht zumeist eine feuchte, sehr gemäßigte
Luft; dagegen ist aber auch die
Kälte im
Winter
sehr bedeutend. An einigen
Orten, wie
auf der
Hochebene von Kupresch, der
Wasserscheide zwischen der
Donau und dem Adriatischen
Meer, bei Duvno und Liwno, wütet die
Bora wie auf dem Karstgebirge und wird nicht selten den Schafherden
und Wanderern gefährlich. Die
Kraina und die
Save-Ebene sind milder als das benachbarte
Kroatien.
Die
Bevölkerung besteht nach der in und der
Herzegowina durchgeführten Zählung aus 1,158,453 Einw.
(607,797 männlichen, 550,656 weiblichen), welche in 43
Städten, 31
Märkten und 5054 Dörfern wohnen
und mit Berücksichtigung der bis 1881 erfolgten administrativen Veränderungen sich auf die 6
Kreise
[* 9] und 49
Bezirke verteilen
wie folgt:
Hierzu kommen noch die Besatzungstruppen (etwa 27,000 Mann) und die
Fremden, ferner die auf 168,000
Köpfe geschätzte
Bevölkerung
[* 10] von
Novibazar. Die Einwohner sind
Slawen und gehören dem serbischen
Stamm an. Zum Unterschied von den eigentlichen
Serben werden
sie
Bosniaken genannt, wogegen man die Bewohner
RasciensRaizen, jene der
HerzegowinaHerzegowinaer nennt.
Der Rest besteht aus
Juden, seßhaften
Zigeunern (Mohammedanern, welche das Schmiedehandwerk betreiben) und nicht ansässigen
Fremden. Zu letztern gehören zahlreiche
Arbeiter, Beczari (»Junggesellen«) genannt, die aus
Albanien und
Bulgarien jeden
Sommer
hierher kommen,
Arbeit suchen und im
Winter in ihre
Heimat zurückkehren, ferner viele Flüchtlinge und
die sogen. Zeltbewohner (Czergassi), bestehend teils aus
Walachen (die herumwandernd
Holzwaren schnitzen oder als
Hirten auf
den
Gebirgen umherziehen), teils aus nomadisierenden, bettelnden und kesselflickenden
Zigeunern (Cigani).
Eigentliche
Osmanen gibt es nur vereinzelt, höchstens in den größern
Städten; ebenso sind die
Albanesen nur
zerstreut in
Novibazar zu finden. Die
Sprache
[* 11] ist in ganz Bosnien die serbische und hat sich namentlich auf dem Land ganz rein,
voll und schön erhalten. Das
Türkische hat sich trotz der langen Herrschaft der
Osmanen in Bosnien nirgends eingebürgert. Die
Religion scheidet die Bewohner Bosniens in
Christen, Mohammedaner und
Juden. 1879 zählte man 496,761 Griechisch-Katholische,
448,613 Mohammedaner, 209,391
Römisch-Katholische, 3439 Israeliten und 249 Andersgläubige.
Die Mohammedaner sind meist Bosnier, die einst, um ihre
Güter zu behaupten, zum
Islam übertraten, seitdem die ärgsten Feinde
des
Christentums sind und meist in den
Städten wohnen, wo sie
Handwerk und
Handel treiben. Die
Christen leben
in den Dörfern als
Landbauer, namentlich im N. von
Novi bis
Bjelina, dann längs der
GrenzeDalmatiens und der
Herzegowina. Die
griechischen Katholiken stehen unter dem
Patriarchen von
Konstantinopel
[* 12] und haben einen
Metropoliten in Sarajewo und zwei
Bischöfe
(Vladike) in
Mostar und Izvornik. Die römischen Katholiken bilden drei apostolische Vikariate, das bosnische,
das
Herzegowinaer und das Trebinjer Vikariat, von denen das letztere von
Jesuiten versehen wird und unter dem
Bischof von
Ragusa
[* 13] steht; die beiden erstern dagegen werden von
Franziskanern geleitet, welche, sämtlich aus Bosnien gebürtig, die Klöster
Foinitza,
¶
Die Frauen kleiden sich gleichfalls türkisch und genießen in Bosnien eine größere Freiheit als in der Türkei. Deshalb hüllen
auch die vornehmern mosleminischen Frauen ihr Gesicht
[* 20] bis auf die Augen in ein durchsichtiges Gewebe,
[* 21] so
daß man ihre Züge deutlich sehen kann. Im Narentathal findet man sie auch ganz unverschleiert. Jene der niedern Stände tragen
außer dem Gesichtsschleier auch noch einen den ganzen Oberkörper einhüllenden groben Überwurf. Die christlichen Bewohner,
deren soziale Stellung bis in die letzte Zeit eine vielfach bedrückte war, mußten sich in dunkle Stoffe
kleiden; ihr Fes ist braunrot oder noch dunkler, ihr ebenfalls nur bis zum Knie reichendes faltenreiches Beinkleid blau.
Nebst Gamaschen und Bundschuhen tragen sie einen Tuchgürtel und über diesem einen ledernen Fächergurt. Die christlichen
Frauen, deren Haar,
[* 22] in langen Zöpfen geflochten, über den Rücken herabhängt, sind serbisch-morlakisch
oder türkisch gekleidet. Meist tragen sie ein Fes, eine gelbe, rote oder braune, weitärmelige, vorn offene Jacke, darunter
ein niederes Mieder. Das Hemd ist auf der Brust bis zum Gürtel
[* 23] gleichfalls offen. Das dunkle, unschöne Beinkleid reicht von
den Hüften bis zu den Knöcheln, und die nackten Füße stecken in Pantoffeln oder weit ausgeschnittenen Schuhen.
Das Kinn ist bei den Christen und Mohammedanern glatt geschoren. Ganz abweichend ist die Tracht in der Kraina. Die Wohnungen in
den Dörfern sind ganz so wie diejenigen der Morlaken in Dalmatien gebaut; in den Städten bestehen die
Häuser größtenteils nur aus Gebälk mit schwachen Wänden aus Lehm und Kalk, haben keine Kamine und nur kleine Öffnungen für
die Fenster, die in den seltensten Fällen durch Glastafeln verwahrt und im Frauengemach durch ein Holzgitterwerk geschlossen
sind.
Vom Souterrain, wo sich der Stall und die Räume für die Diener befinden, führt eine steile Trevve in den
Wohnstock, der aus einem geräumigen Vorplatz, mehreren kleinen, niedern Gemächern und einer luftigen, achteckigen Veranda
(Divanhan) besteht. Den einzigen Möbelschmuck der Zimmer bildet ein Fußteppich und hier und da ein geschnitzter Wandschrank.
Als Sitz- und Lagerstatt dienen die sogen. »Minder«, d. h. längs der Wände angebrachte niedrige Pritschen,
die man mit Matratzen, Teppichen oder Rohrmatten bedeckt. Noch viel einfacher sind die Steinbauten der Herzegowinaer, die mit
ihrem platten Dach,
[* 24] der niedern Thoröffnung und den kleinen Fensterluken steinernen Höhlen gleichen. Eine Eigentümlichkeit
des Landes ist das in jedem Ort befindliche Einkehrhaus, Han genannt, das gleichfalls in jeder Beziehung
primitiv, mitunter kaum besser ist als eine schmutzige Viehstallung.
Die Städte, welche entweder aus dem Grad oder der Festung, oder der Varosch, der eigentlichen Stadt, die gewöhnlich von einem
Wallgraben und einer mit Zinnen versehenen Mauer umgeben ist, und der Mahala oder Vorstadt bestehen, oft
aber auch nicht geschlossen sind, haben mitunter, wenn sie von üppigen Gärten umrahmt werden, und wenn zwischen ihren Vierteln
zahlreiche Baum- und Vegetationsinseln liegen, von der Ferne aus betrachtet, ein pittoreskes, romantisch-heiteres Aussehen,
bieten aber in der Nähe zumeist ein trostloses Bild allgemeiner Verwahrlosung, weil selbst die Begüterten,
der orientalischen Unsitte gemäß, nur ihre individuellen Bedürfnisse befriedigen, das Gemeinwohl aber ganz außer acht
lassen und sich nicht daran kehren, daß ihre Gebäude oft aus förmlichen Kloaken oder aus sumpfartigen Straßen und Gassen
sich erheben.
Bei den christlichen Bewohnern finden sich ohne Unterschied noch alle ursprünglichen Sitten und moralischen
Eigenschaften vor: große Gastfreundschaft, patriarchalisches Familienleben, Tapferkeit und Kampfeslust, strenge Religiosität,
Rechtlichkeit untereinander und Unverbrüchlichkeit der Freundschaft, aber auch Unversöhnlichkeit in der Feindschaft, blutige
Rachsucht, Indolenz und Fatalismus. Die Nahrung ist sehr einfach; Milch, Schafkäse, Maiskuchen, Reis und Hammelfleisch, Zwiebeln,
Knoblauch und Schnaps sind die Hauptbestandteile derselben bei den christlichen Bosniern.
In der Herzegowina, wo die letztern (Rajahs) viel selbstbewußter sind, haben sich die serbischen Volkslieder, Gesänge und Erzählungen
noch erhalten, wogegen diese in Bosnien mehr und mehr verstummen. Der Grund und Boden gehört fast ganz den Mohammedanern; die Dorfbewohner
sind größtenteils Kmets, d. h. Bauern ohne eignes Land und eigne Wohnung, die Grundbesitzer entweder Begs,
d. h. Nachkommen des slawischen, zum mohammedanischen Glauben übergetretenen Adels, oder Agas, d. h. türkische Grundbesitzer,
mit denen der Kmet seinen Pachtkontrakt abschließen mußte. Übrigens unterscheidet sich die ganze besitzende türkische
Klasse, welche ursprünglich allein Waffen
[* 25] tragen durfte, weder durch Bildung noch durch Kleidung von den
Bauern, wenn diese vermögend genug sind, es ihnen nachzuthun.
[Naturprodukte und Nahrungszweige.]
Bosnien ist infolge seines Wasserreichtums und seiner atmosphärischen Niederschläge, mit
Ausnahme der südlichen Herzegowina und Novibazars, zumeist ein an Naturschönheiten reiches Waldland, in dem die Eiche, Ulme,
Erle, Buche, Kiefer, Esche und der Pflaumenbaum vorherrschen. Es hat äußerst fruchtbare Thäler und Ebenen
und vorzügliche Weiden, allein bisher wurde der größte Teil des Bodens gar nicht ausgenutzt. Ackerbau wurde nur für den notwendigsten
Bedarf und sehr mangelhaft betrieben. Weizen und
¶
Die Industrie des Landes ist eine sehr beschränkte und erstreckt sich bloß auf roh gearbeitete Eisenwaren,
Hand- und Schußwaffen, grobe Wollstoffe, Kotzen, Teppiche, Decken, Leder- und Kupferschmiedewaren. Das Sattler-, Riemer-, Schuhmacher-,
Lohgerber- und Kupferschmiedehandwerk wurde bisher fast ausschließlich von Mohammedanern ausgeübt. Die ziemlich entwickelte
Hausindustrie liefert fast alles für den täglichen Bedarf. Die männliche und weibliche Kleidung wird
in Bosnien von Frauen gearbeitet.
In politischer Hinsicht zerfiel Bosnien bis November 1878 in 7 Kaimakamlyks: Sarajewo, Travnik, Bihac, Banjaluka, Swornik, Mostar
und Novibazar, und jedes Kaimakamlyk in Kreise (Nahie oder Kasa), die unter einem Mudir standen. An der Spitze
jedes Kaimakamlyks stand ein Kaimakam, welcher wieder von dem Wali der Provinz abhing. Sowohl die richterliche als die polizeiliche
Gewalt hatten die Mohammedaner inne, die Christen waren davon ganz ausgeschlossen. Seit der Okkupation durch Österreich-Ungarn
wird in die bereits oben genannten 6 Kreise eingeteilt.
Die Landesregierung, welche dem kaiserlichen und königlichen gemeinsamen Ministerium untersteht, hat ihren Sitz in Sarajewo
und war seit 1878 bestrebt, in allen Zweigen der Verwaltung die notwendigen und mit Rücksicht auf die eigentümlichen Verhältnisse
des Landes möglichen Reformen einzuführen. In Sarajewo und den größern Städten fungiert ein Stadtrat.
Die Justiz wird durch 6 neue Kreisgerichte und 42 Bezirksgerichte ausgeübt. Die finanziellen Angelegenheiten leitet die
Finanzlandesdirektion in Sarajewo, welche zur Verwaltung der direkten und indirekten Steuern, des Zollwesens und zur Ausübung
des Kontrolldienstes Steuerinspektorate, 46 Steuerämter, 6 Finanzinspektorate, 8 Zollämter und eine Zoll- und Finanzwache
aufgestellt hat. Der Sicherheitsdienst wird durch ein aus 3000 Mann bestehendes Gendarmeriekorps vollzogen.
[Geschichte.]
Bosnien war im Altertum ein Teil Illyriens, kam als römische Provinz zu Pannonien, unter Augustus aber zu Dalmatien.
In der Völkerwanderung wurde es durch verschiedene Völkerzüge heimgesucht. Sodann stand das von Slawen oder slawisierten
Illyriern bewohnte Land bald unter serbischer, bald unter kroatischer Oberhoheit und wurde nebst Kroatien
auch von den ungarischen Königen abhängig, bis 1376 der Ban Twartko sich zum König von Bosnien erklärte. Durch Thronstreitigkeiten
wurden die Türken herbeigezogen, welche Bosnien zuerst 1401 eroberten. Doch wurde ihre Herrschaft unterbrochen, indem die
serbischen Könige wieder von Bosnien Besitz nahmen, bis es von
¶
[* 2] Nach dem Ergebnis der neuesten Volkszählung vom hatte das gesamte Okkupationsgebiet Bosniens und
der Herzegowina ein Areal von 51,110 qkm (928 QM.) mit 1,336,091 Einw. (gegen
1,158,452 im J. 1879), wovon 705,025 auf das männliche und 631,066 auf das weibliche Geschlecht entfallen. Diese Bevölkerungszahl
verteilt sich folgendermaßen auf die sechs Kreise:
Die Hauptstädte der fünf letztgenannten Kreise hatten an Einwohnern: Banjaluka 11,367, Bihač 3506, Travnik
5933, Dolnja-Tuzla 7189, Mostar 12,655. Dem Religionsbekenntnis nach zählte man: 492,710 (36,9 Proz.)
Mohammedaner, 571,250 (42,7 Proz.) Orientalisch-Orthodoxe, 265,768
(19,9 Proz.) Katholiken, 5805 (0,4 Proz.)
Israeliten und 538 Andersgläubige. Die Orthodoxen wohnen meist im N. sowie an der serbischen und montenegrinischen Grenze,
wogegen die Mohammedaner in der Mitte des Landes und im (Grenzgebiet gegen Novipasar und Kroatien zu finden
sind. Die Katholiken überwiegen bloß in den an Dalmatien und Slawonien angrenzenden Orten. Von der Gesamtbevölkerung waren 2271 Geistliche, 1239 Staats-
und 347 Gemeindebeamte, 498 Lehrer, 88 Sanitätspersonen, 8162 Gutsbesitzer (Begs und Agas), 117,466 freie Bauern,
197,833 Kmeten (Pachter), 7610 Haus-
und Rentenbesitzer, 15,454 Fabrikanten, Handels- und Gewerbtreibende und 34,238 Hilfsarbeiter,
Tagelöhner und Diener.
Von den bestehenden 215,429 Gebäuden waren 309 Kasernen, 13 orthodoxe, 31 katholische und 16 mohammedanische Klöster (Tekkes),
ferner 285 orthodoxe und 144 katholische Kirchen, 929 Moscheen, 16 Synagogen, ferner 93 Sägemühlen, 87 Fabriken, 9 Bierbrauereien, 2900 Brennereien
und 10,490 Fruchtmühlen. Überdies zählte man 165 Kalköfen, 41 Ziegelbrennereien, 146 Steinbrüche, 61 Metallgruben, 34 Kohlenwerke, 3 Salz-, 17 warme
und 23 Heilquellen und 38 Säuerlinge. Die Weinkultur war in 28 Bezirken vertreten. Die Zahl der Volksschulen hat sich im Zeitraum 1879 bis 1885 von 684 auf 943 vermehrt;
ferner bestehen ein Obergymnasium, ein Hilfslehrerseminar, 4 Handelsschulen, ein katholisches Seminar und ein orientalisch-orthodoxes
Seminar.
Außer den schon 1882 bestehenden beiden Bahnen, der k. k. Militärbahn (Doberlin-Banjaluka) und der k. k.
Bosnabahn (BrodZenica-Sarajevo), wurden in letzter Zeit folgende Linien der bosnisch-herzegowinischen Staatsbahnen, und zwar:
1) die IndustriebahnDoboj-Siminhan (67 km) und 2) die LinienMetkovic-Mostar-Rama (109 km), dem öffentlichen
Verkehr übergeben. Erstere durchschneidet die fruchtbaren und industriellen Thäler der Sprecsa und Jata bis zu den Salinenwerken
von Siminhan, welches den Straßenknotenpunkt nach Zvornik und Brečka bildet, und soll für die Erzeugnisse dieses Landstrichs
wie auch für die Kohlenwerke an der Kreta und bei Dolnja-Tuzla und die mächtigen Forsten des Ozrengebirges
den Verkehr vermitteln. Die letztere Bahnlinie wird bis Sarajevo ausgebaut und ist sonach bestimmt, die Verbindung zwischen
dem Adriatischen Meer und der Bosnabahn herzustellen. Für 1889 waren die Einnahmen des Landes auf 9,160,500 Gulden, die Ausgaben
auf 9,017,502 Guld. veranschlagt.
¶
[* 2] Ein höchst erfreulicher volkswirtschaftlicher Fortschritt ist heute fast auf allen Gebieten wahrzunehmen.
Im Interesse der Hebung
[* 50] des Bergbaues besteht schon seit 1881 in Sarajevo eine Berghauptmannschaft, und die an Kohle, Eisen,
[* 51] Mangan,
Antimon, Chrom, Blei,
[* 52] Silber und Gold
[* 53] reichen Bergwerke (teils Staatseigentum, teils im Besitz der durch die Regierung
begründeten Gewerkschaft Bosnia, welche die an die Bosnabahn sich anschließende Montanbahn bis Cevljanovic gebaut hat) versprechen
einen baldigen Aufschwung.
Von den vielen Säuerlingen, Solen und Heilquellen erfreut sich die nur wenig eisenhaltige Arsenquelle in Srebenica (Guberquelle)
bereits eines großen Absatzes außerhalb des Landes. Die landwirtschaftliche Produktion wird durch Gründung von
Unterstützungsfonds in den einzelnen Bezirken gefördert, und 1881-83 wurden auch Kolonisationsversuche gemacht. Die Regelung
der in Bosnien besonders wichtigen Agrarfrage läßt sich erst nach Beendigung des Katasters anstreben; bei derselben sind zumeist
die Kmeten (Bauern), welche 50 Proz. der Bevölkerung ausmachen, interessiert, die Lösung dieser Frage wird aber dadurch erschwert,
daß die Begs und Agas (2 Proz. der Bevölkerung) außer den Pachtgütern der Kmeten keinen eignen Allodialbesitz haben, und
kann wohl nur allmählich durch gesetzliche Beschränkung der Pachthöhe und durch Erleichterung der freien Besitzerwerbung
seitens der Kmeten erzielt werden.
Bis Ende 1889 sind 9921 Kmetenfamilien Eigentümer ihrer Pachtgründe geworden. Um denLandbau zu heben,
wurden 3 landwirtschaftliche Stationen für Ackerbau und Viehzucht,
[* 54] 2 Obst- und Weinstationen und 2 Hengstedepots (letztere in
Sarajevo und Mostar) errichtet. Was insbesondere den Weinbau betrifft, so stand dessen gedeihlicher Entwickelung die von dem
Produkt zu entrichtende, verhältnismäßig hohe Abgabe hindernd im Wege. Mit Rücksicht darauf, daß die
sonnigen Gelände der Herzegowina und eines Teiles von Bosnien (s. unten) dem Rebenbau sehr günstig gelegen
sind, die Weine aus Mostar, Ljubuski, Stolac, Konjica und Trebinje sich schon längst eines guten Rufs erfreuen und dieser landwirtschaftliche
Zweig thatsächlich eine bedeutende Einnahmequelle der Bevölkerung bildet, hat die Regierung im Juli 1890 eine
teilweise Aufhebung des gesetzlichen Weinzehnts in der Art bewilligt, daß in bisher unproduktiven Gegenden neu angelegte
Weingärten zehn Jahr lang, von der Anlage an gerechnet, von der 10proz.
Weintraubensteuer befreit sein sollen. Die ohnedies sehr ausgedehnte Schafzucht wird eventuell durch Erlaß oder Ermäßigung
der Kleinviehsteuer unterstützt. Der große Holzreichtum des Landes hat durch langjährige Verwüstungen
viel gelitten, daher vor allem eine Regelung der komplizierten Verhältnisse der ein Gebiet von 2,6
Mill. Hektar Waldland umfassenden Landesforsten und der Waldservituten not thut. Diese ist bereits in 30 Bezirken beendet; überdies
wird die Ausbeute der Staatswälder seit 1887 rationeller betrieben.
Bis zur Okkupation besaß Bosnien nur eine gewerbliche Industrie, jetzt beginnt sich jedoch auch die Fabrikindustrie zu entwickeln.
Heute bestehen daselbst bereits mehrere Brauereien, eine Spiritusfabrik, eine Papierfabrik, mehrere Posamentier- und Filztuchfabriken
sowie kunstgewerbliche Ateliers für Teppichproduktion und drei große ärarische Tabaksfabriken (letztere beschäftigen 1300 Arbeiter
und 100 Fuhrleute). Daß der bosnische Handel, in dessen InteresseHandelsschulen errichtet wurden, heute
ein viel lebhafterer ist, verdankt er zum Teil der systematischen Verbesserung
der Straßen und den neuen Eisenbahnlinien.
Erstere haben eine Länge von 3465 km, jene der Bahnen hingegen beträgt 561 km. Infolge der Erweiterung des Bahnnetzes stieg
die Zahl der Zivilreisenden in zehn Jahren von 5489 auf 156,459, die Tonnenzahl der Zivilfrachtgüter
von 3402 auf 83,411. Für das Post- und Telegraphenwesen, welches sich im Militärbetrieb befindet, besteht eine Direktion
mit 87 Post- und Telegraphenämtern. Daß nebenbei auch den Interessen einzelner Städte die erforderliche Sorgfalt zugewendet
wird, erhellt daraus, daß zum Behuf der gründlichen Beseitigung der bisherigen sanitätswidrigen Übelstände
und des bei den häufigen Bränden äußerst fühlbaren Wassermangels in Sarajevo 1890 mit bedeutenden Kosten eine in alle Stadtteile
reichende große Hochquellenwasserleitung errichtet wurde und zu diesem Zwecke das frische und gesunde Wasser der Moschtschanitza
aus dem Gebirge in die bosnische Hauptstadt geleitet wird.
Den Sicherheitsdienst besorgen die Gendarmerie, ein Streifkorps und 32 bosnische Truppenkompanien. Die finanzielle Lage gestaltet
sich günstig, denn der Staatsvoranschlag für 1890 ergibt einen Überschuß von 51,501 Gulden (1889 nur 49,509 Guld.). Die
wichtigsten Posten der auf 10,187,650 Guld. veranschlagten Einnahmen sind: Forstbetrieb 483,200 Guld., Zehentablösung 2,710,000,
Einkommen- und Hauszinssteuer 685,000, Kleinviehsteuer 360,000, Zoll 708,000, Tabaksmonopol 2,936,400, Salzmonopol
1,067,000, Verzehrungssteuern 310,000, Stempel und Gebühren 582,000 Guld. Die Ausgaben hingegen belaufen sich auf 10,136,149
Guld. Hiervon entfallen auf: Zentralleitung 727,690 Guld., innere Verwaltung 5,227,241 (darunter 1,148,000 für militärische
Zwecke), Finanzverwaltung 3,515,218 und Justizverwaltung 666,000 Guld. Der Okkupationskredit, d. h. das
Mehrerfordernis für die in Bosnien befindlichen österreichisch-ungarischen Truppen über den normalen Friedensbedarf, beträgt
4,365,000 Guld.-
[* 2] Die eröffnete Bahnstrecke Sarajevo-Konjica-Mostar ist für und die österreichisch-ungarische Monarchie
von besonderer Wichtigkeit. Seit fünf Jahren verbindet zwar ein
Schienenstrang Mostar mit dem Hafen von
Metkovic, allein derselbe war nur für die Herzegowina von Vorteil, weil das ganze Land durch das Ivangebirge von Bosnien abgeschnitten
war. Nun ist der Übergang über diesen Höhenzug hergestellt, und zwar mit Ersparung eines Kostenbetrags von vielen MillionenGulden, denn mit Benutzung des Abtschen Systems (unmittelbare Verbindung des Rad- und Zahnradsystems) und mittels eines ganz
neuen Verfahrens gelang es, den Ivan auf fast geradem Anstieg, mit nur wenigen Tunnels zu übersetzen.
Abgesehen davon, daß nunmehr für das übrige Land auch das industrie- und holzreiche Narentathal erschlossen erscheint,
hat jetzt nicht nur Bosnien, sondern auch Österreich-Ungarn und hiermit auch das bisher ganz abgeschlossene
Dalmatien einen Schienenweg nach einem Hafen der untern Adria gewonnen. Infolge der alljährlichen Erweiterung des Bahn- und
Straßennetzes hat sich auch die wirtschaftliche und geschäftliche LageBosniens verbessert. Die Einfuhr von Manufakturen,
Industrieartikeln etc., welche sich schon 1888 auf 10,650,000 Gulden belief, ist 1889 auf 12,135,000 und 1890 auf 13 ¼
Mill. Guld. gestiegen (hiervon kommen 4/5 auf Österreich-Ungarn).
Die Ausfuhr hingegen, die 1888 7,644,000 Guld. betrug, hat sich 1889 auf 8,125,000 und 1890 auf 10,8 Mill. Guld. gehoben. Gegenstand
der letztern waren hauptsächlich leb endeTiere, tierische Produkte, Getreide,
[* 56] Sämereien, Pflaumen, Tabak,
Holz, Erze, Kohlen und Mineralwasser. Den größten Aufschwung nimmt jedoch der Export von Holz und Pflaumen. Straßen und Eisenbahnen
kommen insbesondere auch den Staatswäldern im nördlichen Bosnien zu gute, die früher ganz brach liegen mußten
und jetzt auf Grund des neuen Forstgesetzes rationell verwaltet werden.
Infolgedessen ist hauptsächlich die Ausfuhr von eichenen Faßdauben, die gleich den slawonischen namentlich in Frankreich
sehr geschätzt werden, seit 1886 von 2 ½ Mill. auf 26 Mill. Stück gestiegen (hiervon kommen auf Frankreich allein 20 Mill.).
Der Export gedörrter Zwetschen betrug beiläufig 300,000 Meterzentner. Hauptgebiet der bosnischen Zwetschenkultur
ist die sogen. Posavina (die Nordostecke südlich von der Saue) von Dervent bis an die Drina, und Zentralpunkt des Pflaumenhandels
ist die Stadt Brcka. Im J. 1890 betrug die Produktion 1 Mill. Meterztr. An Weizen wurden 770,000, an Gerste ebensoviel, an Roggen
150,000, an Hafer 380,000 und an Heu 5 Mill. Meterztr. gewonnen.
Diese Linien haben um so sicherere Aussicht auf Realisierung, weil die bisherigen Straßen- und Bahnbauten aus den Einkünften
des Landes durchgeführt wurden und Bosnien sich unter der gegenwärtigen Verwaltung als ein vollkommen aktives
Land erweist, das jährliche Überschüsse zu erzielen vermag. Mit den neuen Kommunikationen und infolge derselben hat im
Laufe der letzten Jahre auch die Sicherheit des Verkehrs zugenommen. Dies ist zum großen Teil dem unermüdlichen und
¶
mehr
erfolgreichen Wirken jenes Streifkorps zu verdanken, das 1882 zur Ausrottung des Räuberwesens errichtet wurde. Das aus 600 Mann
und 12 Offizieren bestehende Korps vollzog in 6 Abteilungen den Streifdienst an der montenegrinischen Grenze, und zwar unter
Nachahmung der den Räubern eignen Taktik, bei der es hauptsächlich auf gegenseitiges Überlisten ankam.
Mit Rücksicht auf die erzielten Resultate ist 1888 die eine Hälfte des Korps und April 1891 auch die zweite Hälfte desselben
aufgelöst worden. Während seines Bestandes hat das allgemein gefürchtete Korps, das man in Bosnien »Strafuni« nannte, 46 Räuber
erschossen und 12 lebend gefangen. Was schließlich die finanzielle Lage des Landes anbelangt, so ist dieselbe
auch heute sehr günstig. Nach dem Staatsvoranschlag für 1892 betragen die
[* 2] (Bosna), mit der Herzegowina nominell das nordwestlichste Wilajet (Provinz) des OsmanischenReichs in Europa,
[* 61] in der
That aber auf Grund des Art. 25 des BerlinerVertrags vom seit Aug. 1878 von Österreich-Ungarn
militärisch besetzt und mit Ausnahme des Sandschaks Novipazar, in dem nur Priboj, Prjepolje und Plevlje österr.-ungar.
Garnisonen haben, verwaltet. Bosnien umfaßt außer dem eigentlichen Bosnien Türkisch-Kroatien oder die Krajina, die Landschaft Herzegowina
und das alte Rascien (Sandschak Novipazar) und grenzt im N. und NW. an Slawonien und Kroatien, im O. an
Serbien, im S. an das Wilajet Prizren (Albanien) und an Montenegro, im S. und SW. an Dalmatien. Der Flächeninhalt beträgt ohne
Novipazar (7350 qkm) 51 100,08 qkm, darunter etwa 28 900 qkm Wald. Hierzu Karte: Bosnien, Dalmatien, Istrien,
[* 62] Kroatien und
Slawonien.
Oberflächengestaltung. Mit Ausnahme des nördlichen, an der Save sich hinziehenden Strichs, der Posavina,
ist das Land durchaus gebirgig und von mehr oder weniger hohen Bergketten durchsetzt, deren höchste Gipfel in den Ausläufern
der Dinarischen Alpen
[* 63] die Treskavica (2128 m) und Bjelašnica (2067 m), beide südwestlich von Serajewo, ferner die Vranica
Planina, die Zec Planina (1983 m), die Lelja Planina (2070 m) und Volujak mit dem Maglić (2390 m) sind.
Die Hauptgebirgszüge in dem nördl. Teile streichen von SÖ. nach NW., haben langgestreckte waldbedeckte Rückenformen und
fruchtbare Thäler, die nur teilweise bebaut sind.
Hingegen haben die Gebirge im südl. Teile Karstcharakter, scharfe Profile, felsige Zacken und kraterförmige Kesselthäler,
deren meist langgestreckte Sohlen zur Regenzeit mit Wasser angefüllt sind, im Sommer austrocknen und sich
in tiefe Risse spalten. Die Randgebirge dieser Kessel (polje) erheben sich oft 7-900 m über dieselben und sind kahle, zerklüftete
Kalkfelsen. Wald kommt hier nicht vor, nur spärliches Gestrüpp. Die meist steinigen Thalkessel enthalten zumeist Weideland
und nur wenige angebaute Stellen.
Dagegen sind aber die Bergabhänge im nördl. Teil größtenteils dicht mit Waldungen bedeckt, die an manchen Stellen den Charakter
des Urwaldes tragen, durch Buchen, Fichten, Weißbirken, Erlen, Hainbuchen und Ahorn einen fast ganz mitteleurop. Grundton zeigen.
In den niedern Regionen verraten Zerreiche und Hopfenbuche neben der behaarten Steineiche einen östl. (pontischen)
Charakter. Häufig sind Gebüsche vom Perückenstrauche. In der Höhe über 1600 m hört der Baumwuchs in der Regel
auf und
wird durch eine üppige Vegetation alpiner Kräuter ersetzt, die in den schneefreien Monaten Juni bis September der Viehzucht
sehr zu statten kommt, sehr fruchtbar ist das untere Narentathal sowie im N. die Posavina (Land längs
der Save).
Gewässer. Der Hauptfluß des Landes ist die Save, welche die Nordgrenze gegen Slawonien bildet und die durch ihre Schiffbarkeit
für Kähne und Dampfer zugleich dem Handelsverkehr als Hauptstraße dient; ihr fließen die Una, der Vrbas, die Uirina,
Bosna und Drina zu, welche im untern Laufe mit Flößen und kleinen Schiffen befahren werden. Südbosnien und die Herzegowina
bewässert das Flußgebiet der Narenta.
Klima. Das Klima ist sehr ungleichmäßig, in der Herzegowina (Mostar) schwankt die Temperatur zwischen -7,4° °C. und 41,1°
C. Das Mittel beträgt 15,9° C. In Serajewo schwankt dieselbe zwischen -18,9° C. und 34,9° C., im Mittel
9,2° C., in Travnik 9,5, in Dolnja Tuzla 9,8° C. Die Winter sind kalt (-1,0° C.), die Sommer heiß (19° C.), doch ist im
allgemeinen die Luft gesund.
Mineralreich. Besonders reich sind die Gebirge an metallischen Schätzen. In den Distrikten Fojnica, Kresevo
und Vares sind Brauneisenstein, an andern Lagerstätten antimonhaltiges Fahlerz
[* 64] und Zinnober
[* 65] die nennenswertesten Objekte des
Bergbaues, der bereits zu Römerzeiten, jedoch erst seit der Occupation durch eine österr. Gewerkschaft «Bosnia»
planmäßig betrieben wird. Salz
[* 66] wird bei Dolnja Tuzla und Siminhan gewonnen, und mächtige Kohlenlager, teilweise zu Tage liegend,
kommen sehr häufig vor und werden bei Kreka und Zenica auch ausgebeutet. Warme und andere Heilquellen finden sich bei Ilidže
westlich von Serajewo, Kiseljak, Banjaluka, Vanja und Novipazar.
Land- und Forstwirtschaft. Der Ackerbau blüht nur in den Thälern und Niederungen, namentlich in der Posavina; da der Landmann
früher nur das Land seines Gutsherrn bebaute, so arbeitete er nur so viel, daß er sich dürftig ernähren
konnte. Von Cerealien bilden Mais und Weizen die überwiegende Nahrung; außerdem werden Gerste, Hafer, wenig Roggen, Hirse,
Buchweizen, Hanf, Gemüse gebaut, in der Herzegowina auch Reis, vorzüglicher Tabak, besonders im Becken von Trebinje und im
untern Narentathal.
Fischreich sind besonders Bosna und Narenta. Der Wildstand hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr vermindert und im Zusammenhange
damit der sonst berühmte Handel mit Fellen und Pelzen. Nicht selten, besonders in den nördl. Provinzen, sind Wölfe; Bären
finden sich hauptsächlich im Süden, vor allem im Bezirk Serajewo. Der Holzreichtum des Landes ist unerschöpflich;
eine planmäßige Bewirtschaftung der Waldungen wird erst jetzt angestrebt. Der wichtigste Erwerbszweig ist die Obstzucht,
namentlich werden Zwetschen erzeugt und gedörrt jährlich in großen Massen ausgeführt.
In den Niederungen kommen große Eichenwaldungen der Schweinemast zu statten. Sonst werden vornehmlich Schafe, Ziegen
und Federvieh gezüchtet, weniger Rindvieh und Pferde. Ersteres ist in der Rasse arg vernachlässigt und
durch die sehr häufig auftretende Viehseuche auch an regelmäßiger Vermehrung gehindert. Von letztern werden fast nur Tragtiere
kleinen unansehnlichen Schlags gezüchtet, die an Ausdauer, Findigkeit und Genügsamkeit Außerordentliches leisten. In der
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Bevölkerung. Bosnien hatte 1 158 440 E., nach der Zählung vom einschließlich
der Herzegowina (187 574 E.), jedoch ohne das Sandschak Novipazar (168000 E.), 1 336 091 (705 025 männl., 631 066 weibl.)
E., d. i. 26 auf 1 qkm, darunter 571 250 (42,75 Proz.) griech.-orient.
und 265 788 (19,89 Proz.) röm.-kath. Christen, 492 710 (36,88 Proz.) Mohammedaner und 5805 (0,44 Proz.)
Israeliten. Die Zahl der Häuser betrug 215 429 mit 226 699 Wohnungen. Das Land hat 47 Städte, 31 Märkte und 5261 Dörfer.
Sprachen und Volksstämme. Der Nationalität nach gehören die Bewohner B.s wie der Herzegowina zu den Südslawen, die
im 7. Jahrh. in diese Länder eindrangen und die ältere illyrische, wahrscheinlich mit den Albanesen identische Bevölkerung
verdrängten. Nur im südöstl. Teil dieses Landes findet sich noch, etwa 30000 Seelen stark, ein albanes. Element. Die slaw.
Bevölkerung gehört dem serb. Stamme an, der erst lange nach seiner Einwanderung sich in verschiedene
Zweige spaltete.
Die Bosniaken und Herzegowzen sind Glieder
[* 70] einer und derselben Familie. Mit Ausnahme geringer dialektischer Verschiedenheit
der Kroaten in der Krajina ist die gemeinsame Muttersprache der Bewohner und die allgemeine Verkehrssprache B.s das Serbische.
Das trennende Element unter dieser Nation ist die Religion. Die Mohammedaner, fast ausnahmslos Nachkommen
der seit der türk. Eroberung zum Islam übergetretenen städtischen und besitzenden Volksklasse, die sich selber «Turtschin»,
d. i. Türken, nennen, leben im NW. (BezirkeBihač und Cazin), im Centrum des Landes (Bezirke Bugojno, Zenica, Vareš, Kladanj,
Dolnja Tuzla und Gračanica und in der Stadt Serajewo) und im SO. (Konjica, Foča, Čajnica, Rogatica, Višegrad,
Srebrenica), außerdem zerstreut über das ganze Land, besonders jedoch in den Städten.
Ihre geistliche Behörde, der Medschlis el-Ulema, hat 5 Mitglieder; 7 Städte haben eigene Muftis; eine besondere Behörde verwaltet
die mohammed. Stiftungen (Vakuf). Die griech.-orient. Christen, vorzugsweise «Serben» genannt, wohnen in Überzahl im NO. und
O. des Landes, in der südl. und östl. Herzegowina und sind in drei bischöfl. Sprengel: Serajewo (Sitz
des Erzbischofs und Metropoliten),
Dolnja Tuzla und Mostar, verteilt. Die Katholiken oder «Lateiner» (Latini) wohnen am zahlreichsten
in Mittelbosnien (BezirkeZepče, Travnik, Fojnica), im NO. (BezirkeDervent und Brčka) und im W. (Bezirke Livno,
Zupanjac und Prozor) und in der südwestl. Herzegowina (BezirkeMostar, Ljubuški und Stolac), unter dem Erzbischof von Serajewo
und den Bischöfen von Banjaluka und Mostar. Ihrem Charakter nach ist die Bevölkerung im ganzen und großen roh und barsch,
trotzig und zurückstoßend gegen Fremde, tapfer, kühn, zu Falschheit und Grausamkeit geneigt;
in häuslichen
Verhältnissen sittenstreng, gastfreundlich, einfach, hart;
in religiösen Dingen bigott, fanatisch und abergläubisch;
in
politischen engherzig und beschränkt, im Handel untereinander rechtschaffen und friedliebend.
Körperlich
sind sie kräftig
und stark gebaut, groß und schön gewachsen, aber bei schlechter Nahrung rasch verfallend.
Industrie, Handel. Der einheimische Gewerbfleiß beschränkt sich auf die Fabrikation von groben Eisenwaren,
Gewehren, Hiebwaffen, Leder, Seilerwaren, Leinen und gewöhnlichen Wollzeugen, die meist im Lande selbst verbraucht werden.
Bedeutend ist die staatlich betriebene Tabakfabrikation mit großen Fabriken in Serajewo, Mostar und Banjaluka. Die Ausfuhr
umfaßt insbesondere Getreide, Holz (Faßdauben), Produkte der Obstzucht (gedörrte Pflaumen im Betrage von 12 Mill.
kg) und Waldwirtschaft, Schlachtvieh, Häute, Wolle, Wachs, Honig, einige Droguen und Metallwaren im Gesamtwerte von durchschnittlich
jährlich 9 Mill. Fl. Die Einfuhr, an Wert um 1 Mill. geringer, befriedigt die geringen Bedürfnisse an Kolonialwaren, Tuch,
Baumwollwaren, Metall- und Kurzwaren, vorzüglich von österr. Märkten aus. und Herzegowina sind seit
der Occupation zum allgemeinen österr.-ungar. Zollgebiet einbezogen, ihr Verkehr ist daher
in den Ein- und Ausfuhrmengen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (s. d.)
enthalten.
Verkehrswesen. Ein Netz von Landstraßen, die aber nur zum Teil fahrbar sind, verbindet alle größern Orte des Landes untereinander
und mit den österr. Grenzpunkten. Namentlich auf dem Gebiete des Straßen- und Eisenbahnbaues erwies
sich die Occupation für das Land als besonders wohlthätig; denn während es vor der Occupation nur wenige fahrbare Straßen
gab, waren bis 1891 bereits 3572 km sehr gut angelegte und erhaltene Fahrstraßen dem Verkehr eröffnet. Die Haupthandelsstraße
läuft von Brod an der Save im Bosnathal aufwärts nach Serajewo und von da über Konjica und Mostar nach
Metkovic in Dalmatien; eine zweite von Gradiska aus über Banjaluka und Travnik nach Serajewo und von dort nach Višegrad. Über die
Eisenbahnen (726 km) s. Bosnische Eisenbahnen. Die Zahl der Militärpostanstalten betrug (1890) 82, der versendeten Briefe
6,79 Mill., der Zeitungen 0,87 Mill., der Telegraphenbureaus 107. Die Länge der Telegraphenlinien betrug
2789,7 km, der Drähte 5568 km, die Zahl der Depeschen 295 766.
Angelegenheiten untersteht. Die oberste Behörde im Lande selbst, mit dem Sitz in Serajewo, ist die Landesregierung
(für die innere Verwaltung und Kultus, Finanzen und Justiz). Ihr ist als begutachtendes Organ ein Landesverwaltungsrat beigegeben,
der aus den geistlichen Würdenträgern Serajewos und 12 Repräsentanten der Bevölkerung besteht. Ähnliche Verwaltungsräte
sind auch bei den Kreisbehörden und Bezirksämtern eingerichtet. Am trat für und die Herzegowina
eine neue Strafprozeßordnung in Wirksamkeit, deren wichtigste Institution die Heranziehung des
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mehr
Laienelements zur Rechtsprechung ist. In administrativer Beziehung zerfällt und die Herzegowina, seit das Land von Österreich-Ungarn
militärisch besetzt ist, in folgende 6 Kreise:
Dazu kommt noch der später teilweise besetzte Kreis
[* 72] Novipazar, dessen Administration in den Händen türk. Behörden ist. Die
Hauptstadt des Landes ist Serajewo (s. d., Bosna-Serai) mit 26 268 E., an der Miljačka. Die nächstgrößten
Städte sind: Mostar (12 665 E.), Banjaluka (11 357 E.), Bjelina (7807 E.), Dolnja Tuzla (7189 E.), Travnik (5933 E.), Tešanj (5807
E.). Im Delegationsbericht 1890 wird das finanzielle Erfordernis des Landes mit 10 136 149 Fl., die Bedeckung mit 10 187 650 Fl.
bezeichnet. (S. Österreichisch-Ungarische Monarchie.) Militärisch wichtige Punkte sind: Foča, Goražda,
Visegrad und Zvornik an der Drina, Bjelina in der Posavina, Bihač und Livno im Westen, Mostar, Stolac und Trebinje im Süden
und Bilek und Avtovac an der montenegr.
Grenze. Die Militärverwaltung besorgen die österr.-ungar. Occupationstruppen (das 15. Armeekorps) in Serajewo, dem
auch die Militär-, Post- und Telegraphenanstalten unterstehen; sie sind 28 648 Mann stark, davon 2833 Mann im Sandschak Novipazar,
wozu noch ein Gendarmeriekorps von 2337 Mann kommt. Seit 1882 wurden aus den Einheimischen 12 Bataillone bosn. Infanterie
aufgestellt. Die wehrfähige Bevölkerung ist nach dem Gesetz vom vom vollendeten 20. Lebensjahre
an zu dreijährigem Dienste
[* 73] in der Linie und neunjährigem in der Reserve verpflichtet. Das Wappen B.s stellt einen Arm in
roter Panzerung (auch bloß rot bekleidet) dar mit gezogenem silbernem Säbel in goldenem Felde; auf dem Schilde ruht eine
Lilienkrone (s. Tafel: Wappen
[* 74] der Österreichisch-Ungarischen Kronländer,
[* 71]
Fig. 21, beim
ArtikelÖsterreichisch-Ungarische Monarchie).
Geistige Kultur. Die geistige Bildung des Volks ist äußerst gering, macht jedoch seit der durch die österr. Verwaltung erfolgten
Einrichtung von Volksschulen Fortschritte. Unter den Katholiken, die noch am weitesten vorgeschritten sind, finden sich kaum
mehr als 4 Proz. des Lesens und Schreibens kundig; 1892 bestanden 234 Volksschulen (149 allgemeine, 85 konfessionelle),
ein Staatsobergymnasium, eine technische Mittelschule, eine Lehrerbildungsanstalt, 4 Handelsschulen, ein orient.-orthodoxes
Priester-Seminar in Serajewo, ein katholisches in Travnik, eine Lehranstalt für mohammed. Lehrer in Serajewo und 41 höhere
mohammed. Bildungsanstalten.
Die Geschichte B.s beginnt in der Römerzeit, wo es in der ProvinzDalmatien mit begriffen wurde und von
zwei Militärstraßen durchschnitten war, deren eine von Salona aus dem Vrbasthal entlang nach Pannonien lief, während die
andere von Ragusa aus über Plevlje (wo jetzt noch
viele röm. Inschriften) in Novipazar den Anschluß nach Mösien hergestellt
zu haben scheint. Berühmt waren die Bergwerke des Landes, deren Spuren man jetzt an den Vrbasquellen (Gold)
und bei Srebrenica (Silber) gefunden hat.
Von der Provinzialhauptstadt Salona aus breitete sich das Christentum über das ganze Land aus. Die einheimischen Illyrer
wurden größtenteils romanisiert. Den Einbrüchen der Goten folgte seit 600 die Invasion der Südslawen, welche das oström.
Gebiet auf die Küste beschränkte. Die binnenländischen Gaue derselben standen unter kleinen Fürsten
und Zupanen: Bosna, ursprünglich bloß das obere Thal
[* 75] des Bosnaflusses, Usora und Rama an den gleichnamigen Flüssen, Chelm
im Narentathale u. s. w. Das Christentum drang zu den neuen Bewohnern meist von der Küste vor; der Bischof von Bosna stand unter
dem Erzbischof von Spalato, später von Ragusa.
Seit dem 12. Jahrh. wurden aber die Anhänger einer dualistischen orient. Sekte herrschend, von den Nachbarn Patarener genannt,
verwandt mit den byzant. Paulicianern und den bulgar. Bogomilen. Die polit. Geschichte des abgelegenen Berglandes bleibt lange
dunkel. Im 12. Jahrh. erscheinen zuerst einheimische Fürsten unter dem
TitelBan, seit der Vereinigung des benachbarten Kroatiens mit Ungarn stets unter ungar. Hoheit. Die ersten bekannten Persönlichkeiten
unter denselben sind die BaneKulin (urkundlich 1180-1204) und Ninoslaw (um 1232-50). Die ungar. Religionskriege gegen
die bosn.
Patarener im 13. Jahrh. waren vergeblich. Seit dem Ende desselben herrschte im
Lande die Dynastie der Kotromanitschi, die bald nach dem Besitz des bisher serb. Küstenlandes im Südwesten strebte. BanStephan
II. (1322-53) wurde durch glückliche Eroberungen Nachbar Ragusas. Sein Neffe Stephan Twertko I. (1353-91) benutzte die gleichzeitigen
Wirren in Ungarn und Serbien zur Besetzung des ganzen Küstenlandes, des obern Dalmatiens samt Spalato und
der serb. Gebiete bis Cattaro, Nikšić und Prepolje; er nahm 1377 den Titel eines Königs von Serbien an, worauf den Herrschern
B.s die Königswürde verblieb.
Unter seinen Nachfolgern geriet das Reich in Verfall. Die Könige waren machtlos in der Hand
[* 76] übermächtiger Vasallen, wie des
Herwoja, Herzogs von Spalato (gest. 1416), und des Wojwoden Sandalj und dessen Nachfolgers, die sich in der
Herzegowina ein eigenes Fürstentum gründeten. Vergeblich waren die Versuche des Kaisers Sigismund als König von Ungarn um
die Wiederherstellung der ungar. Oberhoheit, da der Einfluß der Türken wuchs und seit 1436 fest begründet war.
Der ungeordnete Adelsstaat mit kriegerischer Bergbevölkerung hatte keinen ständigen Mittelpunkt; die
Königskrone wurde auf der Burg Bobovac verwahrt, die Residenz wechselte zwischen Sutiska, Visoko, Fojnica, Kreševo und Jaice.
Der Handel, meist in der Hand der Dalmatiner (besonders Ragusaner) und Italiener, konzentrierte sich bei den Bergwerken (Silber,
Blei, Eisen) in Srebrenica, Olovo und Fojnica. Reihenfolge der Könige: Stephan Dabischa 1391-95, der die
Eroberungen seines Vorgängers nicht aufrecht zu erhalten vermochte und unter dem der Zerfall B.s in Territorien halb unabhängiger
Edelleute begann, Königin Helena 1395-98, Stephan Ostoja 1398-1418 und dessen Sohn Stephan Ostojitsch 1418-21, deren Gegner
Stephan Twertko II. 1404-43, StephanThomas 1443-61 und Stephan¶