(Buonaparte),
Name der corsischen
Familie, welcher der
KaiserNapoleon I. und die
Napoleoniden
entstammten. Der
Name findet sich schon seit dem 13. Jahrh. in
Italien,
[* 2] namentlich zu
Florenz,
[* 3]
Treviso,
San Miniato, Sarzano und
Genua.
[* 4] Ein Jacopo Bonaparte, toscanischer
Edelmann aus der ersten Hälfte des 16. Jahrh., wird als der Verfasser des Werks »Ragguaglio
storico di tutto l'accorso giorno per giorno nel sacco di
Roma
[* 5] dell' anno 1527« (angeblich
Köln
[* 6] 1750; franz., Par. 1809; von
LudwigBonaparte hrsg.,
Flor. 1830) genannt; ein
NiccolòBonaparte,
Edelmann und
Professor zu
San Miniato aus derselben Zeit, soll die
Komödie
»La vedova« (das. 1592, Par.
1803) verfaßt haben.
Ein Zusammenhang der verschiedenen
FamilienBonaparte ist nicht erwiesen.
Gewiß ist nur, daß ein
Zweig der toscanischen Bonaparte im Anfang
des 16. Jahrh. nach
Ajaccio auf
Corsica
[* 7] übersiedelte, wo die Bonaparte bereits gegen die Mitte des 16. Jahrh.
als Padri del commune oder als Cittadini, d. h. als
Patrizier der Stadt, bezeichnet werden. Im 18. Jahrh.
repräsentierten drei männliche
Glieder
[* 8] die
Familie in
Ajaccio: der
ArchidiakonusLucianBonaparte, dessen
BruderNapoleon und beider
Neffe Carlo Bonaparte, der
VaterNapoleons I. Litteratur über die
FamilieBonaparte: »La storia genealogica della famiglia Bonaparte«
(Flor. 1847);
Stefani und Baretta, Le
[* 9] antichità dei Bonaparte (Vened. 1857);
Stefani, Origine des Bonaparte
(Turin
[* 10] 1859);
Wouters,
Les Bonaparte depuis 1815 (Par. 1847);
Ambrosini und Huard, La famille impériale, etc. (das. 1860);
Leynadier,
Histoire de la famille
Bonaparte (das. 1866);
Seine
Gattin, die
MutterNapoleons I.,MariaLätitiaRamolino, war zu
Ajaccio aus einem Patriziergeschlecht
geboren und zeichnete sich durch seltene
Schönheit, gepaart mit großer
Würde und
Hoheit, natürlichen
Verstand und Charakterfestigkeit
aus.
Ihre ganze Gestalt erinnerte an eine Römerin aus der Zeit der
Republik. Die ersten Jahre ihrer
Ehe widmete
sie derErziehung
ihrer
Kinder. Als sich die
Engländer 1793
Corsicas bemächtigten, flüchtete sie nach
Marseille,
[* 15] lebte dort in ärmlichen Verhältnissen
von einer französischen
Pension, kam nach dem 18.
Brumaire nach
Paris, führte nach der Thronbesteigung
NapoleonsI. den
Titel
»Madame mère«, erhielt, obgleich persönlich allem
Glanz abgeneigt, einen Hofstaat und wurde zur obersten
Beschützerin aller Wohlthätigkeitsanstalten des
Reichs ernannt.
Mit patriarchalischer
Würde lebte sie als Oberhaupt der
Familie und ließ sich namentlich die
Erhaltung eines guten Einvernehmens
zwischen dem
Kaiser und seinen
Brüdern angelegen sein. Im J. 1814 teilte sie mit ihrer Tochter
PaulineNapoleonsExil auf
Elba,
und nach dem unglücklichen
Ausgang der
Hundert Tage zog sie nach
Rom, wo sie bei ihrem Stiefbruder, dem
KardinalFesch, nur von einigen ihrer
Kinder oder Enkel umgeben, von den Kirchenhäuptern hoch in
Ehren gehalten, einfach und
zurückgezogen lebte.
Aus ihrer
Ehe mit Carlo Bonaparte waren acht
Kinder, fünf
Söhne und drei Töchter, hervorgegangen. Successionsrechte auf den französischen
Thron
[* 16] erhielten durch den Senatsbeschluß vom (5.
Frimaire XII) außer
Napoleon I. nur dessen beide
BrüderJoseph und
Ludwig mit ihren Nachkommen;
Lucian und
Hieronymus hatte der
Kaiser ausgeschlossen, weil diese damals
nicht standesmäßig verheiratet waren.
1)
Joseph Bonaparte, der älteste Sohn des vorigen, geb. zu
Corte auf
Corsica, erhielt seine
Bildung im
Seminar zu
Autun und
wollte in die
Armee treten, als ihn der
Tod des
Vaters 1785 nach
Corsica zurückrief. Im J. 1793 ging er
mit seiner
Familie nach
Marseille und bereitete sich für den Advokatenberuf vor. Im J. 1796 ward er in
Corsica in
¶
Mit Masséna und Saint-Cyr eroberte er Neapel nach kurzem Kampf, hielt seinen Einzug in die Hauptstadt
und trat 30. März daselbst die Regierung an. Er führte sofort zahlreiche Reformen ein, hob die Lehnsverfassung und die Fideikommisse
auf, trennte die Justiz von der Verwaltung, zog Klöster ein, gründete Schulen, verbesserte mit Hilfe des MinistersRöderer das
Finanzwesen durch Einführung eines neuen und allgemeinen Steuersystems etc., überließ
aber die eigentliche Regierung dem gewandten Salicetti, welcher ein willkürliches Polizeiregiment einführte.
2) Lucian Bonaparte, Fürst von Canino, der dritte Sohn von Carlo Bonaparte, geb. zu
Ajaccio, besuchte das Collège zu Autun, dann die Militärschule zu Brienne, endlich das Seminar zu Aix, flüchtete gleichfalls
mit den Seinigen 1793 nach Marseille, erhielt eine Anstellung beim Verpflegungswesen des Heers und ward Magazinaufseher in St.-Maximin,
wo er sich mit ChristineBoyer, einer Gastwirtstochter, verheiratete. Als Präsident des dortigen Klubs des
Terrorismus verdächtigt, ward er 1794 verhaftet, aber auf Verwendung des Abgeordneten Chiappe wieder in Freiheit gesetzt.
Ende 1795 zum Kriegskommissar in Italien ernannt, legte er denGrund zu den Reichtümern, die er seitdem emsig sammelte. Im März 1798 wurde
er Mitglied des Rats der Fünfhundert, in dem er durch seine Rednergabe Einfluß gewann. Kurz vor dem 18. Brumaire
zum Präsidenten desselben ernannt, half er denStaatsstreich seines Bruders vorbereiten und ausführen, indem er am Abend des 18. durch
eine Anzahl Deputierter die
¶
mehr
Einsetzung des Konsulats beschließen ließ, wurde darauf Mitglied der Gesetzgebungskommission und, als er die Grundzüge
der sogen. Konstitution von VIII entworfen, Minister des Innern, in welcher Stellung er mit rühmlichem EiferKünste, Wissenschaften
und öffentlichen Unterricht zu fördern suchte. Als Napoleon sein System der Militärgewalt durchsetzte, wurde Lucian, welcher
immer noch an republikanischen Ideen festhielt, im Oktober 1800 als Gesandter nach Madrid geschickt, wo
er den überwiegenden englischen Einfluß zu beseitigen und den König Karl IV., seine Gemahlin und deren Günstling für Frankreich
zu gewinnen wußte.
Napoleon, der das diplomatische Talent seines Bruders anerkennen mußte, rief ihn nach Frankreich zurück
und bemühte sich, durch glänzende Beweise seiner Zufriedenheit den begabtesten seiner Brüder von neuem an sich zu fesseln.
Lucian trat ins Tribunat, wurde Mitglied des Instituts für die Klasse der politischen und moralischen Wissenschaften
und erhielt bald darauf die Senatorie Trier.
[* 37] Doch die Entfremdung zwischen den Brüdern wuchs, als Bonaparte sich 1802 zum
zweitenmal mit der Witwe eines Wechselagenten Jouberthon verheiratete.
Der Kaiser wurde dadurch so erbittert, daß Lucian sich bewogen fand, mit seiner Familie nach Nordamerika
[* 39] überzusiedeln. Wirklich
segelte er von Civitavecchia ab, wurde jedoch von englischen Kreuzern aufgefangen und nach Malta und im Dezember nach
England gebracht, wo er bis 1814 als Kriegsgefangener lebte, aber mit Auszeichnung behandelt wurde.
Nach NapoleonsSturz 1814 freigelassen, ging er nach Italien und wurde vom Papst zum Fürsten von Canino, einem kleinen, von ihm
angekauften Besitztum bei Viterbo, erhoben.
Als nichts mehr zu retten war, kehrte er nach Italien zurück. In Turin auf Befehl des österreichischen GeneralsBubna verhaftet
und auf die Citadelle gebracht, konnte er nur durch die dringende Fürsprache des Papstes und unter der
Bedingung, daß er denKirchenstaat nicht verlasse, im September 1815 seine Freiheit wiedererlangen. Mit seiner Rückkehr nach
Rom endete seine politische Laufbahn. Er lebte von jetzt an bald in Rom, bald auf seinen Gütern. Erst nach der Julirevolution
von 1830 ward er des Zwanges ledig und verweilte nun geraume Zeit in England, von wo er 1838 auch Deutschland
[* 42] besuchte, später
aber nach Italien zurückkehrte.
Fürstliche Pracht umgab ihn, und Beschäftigung mit Wissenschaft und Kunst füllte seine Tage aus. Er starb in Viterbo.
Von seinen Schriften sind zu erwähnen: der Roman »La tribu indienne, ou Édouard et Stellina«
(Par. 1799, 2 Bde.);
das von ihm während seines Aufenthalts in London verfaßte und dem Papst zugeeignete Epos »Charlemagne,
ou l'Église délivrée« in 24 Gesängen (1814, 2 Bde.),
worin er gegen seinen Bruder eiferte und die Bourbonen feierte;
ein
andres, »La Cyrnéide, ou la Corse sauvée« (1819),
worin er die Vertreibung der Sarazenen aus Corsica besang, und »Mémoires«, von denen nur der erste Band
[* 43] (deutsch, Darmst. 1836)
erschienen ist.
Die nicht ganz zuverlässigen »Mémoires secrets sur la vie privée, politique et littéraire de Lucien Bonaparte« (Lond.
1819, 2 Bde.) sollen von Alphonse de Beauchamp verfaßt sein.
Vgl. Jung, »Lucien et ses mémoires« (Par.
1882-83, 3 Bde.).
a) Charlotte, geb. nach dem 1841 erfolgten Tod ihres ersten Gemahls, des FürstenMario Gabrielli, seit 1842 Gattin
des römischen Arztes Centamori, wohnte seitdem mit ihrem Gatten in Rom, starb daselbst und
b) Christine Egypte, geb. seit 1818 Gemahlin des schwedischen Grafen Arved Posse, seit 1824 des LordsDudley, starb in
Rom. - Aus Lucians zweiter Ehe mit der Witwe Jouberthon, Alexandrine Laurence de Bleschamp (geb. 1778, gest. in
Sinigaglia; Verfasserin einer Dichtung: »Batilde, reine des Francs«, 1820, neue Aufl. 1846, sowie eines gegen Thiers' »Geschichte
des Konsulats« gerichteten »Appelà la justice des contemporains de feu Lucien Bonaparte«, 1845), stammten fünf Söhne und vier
Töchter, von denen sich folgende einen Namen gemacht haben:
c) Charles Lucien Jules Laurent, Prinz Bonaparte, Fürst von Canino und Musignano, geb. zu Paris, besuchte verschiedene italienische
Universitäten und widmete sich dann in Amerika naturhistorischen Studien. Eine Frucht derselben war die »American ornithology«
(Philad. 1825, 3 Bde.; neue
Ausg. 1876) als Fortsetzung zu Wilsons gleichnamigem Werk. Hierauf nach Italien zurückgekehrt, wo er in Rom seinen Aufenthalt
nahm, erwarb er sich durch das berühmt gewordene Prachtwerk »Iconografia della
fauna italica«
(Rom 1833-1841, 3. Bde.) unter den Naturforschern
eine ehrenvolle Stellung. Schon vorher hatte er eine Schrift: »Sulla seconda edizione del regno animale di
Cuvier« (Bologna 1830),
sowie einen »Saggio di una distribuzione degli animali« (Rom 1831) herausgegeben, wozu später noch
der »Catalogo metodico dei mammiferi europei« (Mail. 1845) und der »Catalogo metodico dei pesci europei« (Neap.
1846) kamen. Auf den meisten wissenschaftlichen KongressenItaliens
[* 44] 1830-42 wurde er zum Präsidenten erwählt.
Als Liberaler war er im Anfang der römischen Bewegung ein Verehrer PapstPius' IX., wandte sich aber später dem Radikalismus
zu und trat mit Sterbini, Cernuschi u. a. an die Spitze der republikanischen Partei. Seit Januar 1848 Oberst der akademischen
Legion, wurde er zum Deputierten in die römische Konstituante gewählt und fungierte mehrmals als deren
Vizepräsident. Nach dem Einzug der Franzosen in Rom flüchtete er nach Paris, wo er wieder naturwissenschaftlichen
¶
Vgl. 1.6 »Le prince Lucien et sa famille« (Par.
1888).
4 d) Jerôme Bonaparte, PrinzNapoleon, begab sich nach Annahnie des Gesetzes, welches die Prinzen der ehemals in Frankreich regierenden
Familien auswies, im Juni 1886 nach Genf,
[* 45] sein Sohn Viktor, der immer noch in Zwiespalt mit seinem Vater lebte,
nach Brüssel; sein zweiter Sohn, PrinzLouisNapoleon, schied 1889 aus der italienischen Armee aus und wurde zum Oberstleutnant
im russischen Nishegorodskischen Dragonerregiment im Kaukasus ernannt; seine Tochter MarieLätitia vermählte sich mit
ihrem Oheim, dem Herzog von Aosta. Die Partei der Bonapartisten schloß sich, um nur etwas zu bedeuten, 1888 zum
großen Teil den Boulangisten an, vermehrte aber dadurch weder ihr Ansehen noch ihre Macht. Bonaparte schrieb »Napolèon et ses détracteurs«
(1887).
RolandNapoléon, Prinz, geb. 19, Mai 1858, Sohn des PrinzenPierreNapoléon (gest. 1881),
besuchte die Schule von St.-Cyr, trat als Unterleutnant in ein Infanterieregiment und heiratete 1880 eine Tochter des Spielpachters
von Monaco,
[* 49] Blanc, welche ihm ein großes Vermögen zubrachte, aber nach der Geburt einer Tochter 1882 starb. 1883 nahm Bonaparte seinen
Abschied und wurde zu den Offizieren von der Reserve versetzt, 1886 aber auf Grund des Prätendentengesetzes aus den Listen der
Armee gestrichen. Er unternahm darauf große
¶
mehr
Reisen und widmete sich geographischen und anthropologischen Studien. Er schrieb: »Les habitants de Surinam« (für die Kolonialausstellung
zu Amsterdam,
[* 51] 1884);
»Les premiers voyages des Néerlandais dans l'Insulinde« (1884);
Leichenbegängnis beizuwohnen.
Zum alleinigen Erben seines Vermögens und seiner politischen Ansprüche und Ideen ernannte er
seinen zweiten Sohn Louis. PrinzLouis erklärte indes, daß er diese Bestimmungen nicht einhalten, seinen
BruderVictor als rechtmäßigen Erben ansehen und in russischen Diensten bleiben werde, bis er nach Frankreich zurückkehren
könne. Ebensowenig wurde der Wunsch des Verstorbenen, im Invalidendom in Paris oder in Ajaccio beigesetzt zu werden, von der
französischen Regierung beachtet. Er wurde im Mausoleum des savoyischen Hauses auf der Superga bei Turin
beigesetzt.
oder Buonaparte ist der Name der cors. Familie, aus der die franz. Kaiserdynastie hervorging. Daß sie röm.
oder griech. Ursprungs sei, von der gens Ulpia abstamme oder mit dem Kaiserhause der Komnenen verwandt sei, ist unbegründet.
In Italien (Florenz, Treviso, San Miniato, Sarzana, auch in Bologna und der Lombardei) finden sich seit dem 12. Jahrh.
verschiedene Familien mit diesem Geschlechtsnamen, die besonders in der florentin. Geschichte
auftreten.
Einen Niccolo Bonaparte, Edelmann und Professor zu San Miniato im 16. Jahrh., bezeichnet man als den Verfasser der Komödie «La
vedova» (Flor. 1568; Par. 1803),
und dem Toscaner Giacomo oder Jacopo Bonaparte wird das «Ragguaglio
storico di tutto l'occorso giorno per giorno nel sacco di Roma dell' anno 1527» (angeblich Köln 1756; französisch, Par.
1809; auch von Ludwig Bonaparte,
Exkönig von Holland, Flor. 1830, herausgegeben) zugeschrieben. Die florentin.
Linie Bonaparte erlosch mit dem Tode des Kanonikus Filippo Bonaparte. Seit Gabriel Bonaparte, aus Sarzana kommend,
sich 1569 zu Ajaccio niederließ und an den Seezügen gegen die Barbaresken teilnahm, galten die Bonaparte als ein Patriciergeschlecht
jener Stadt.
Der Zusammenang zwischen den verschiedenen Bonaparte steht zwar keineswegs fest, doch wurde 1771 von den toscanischen
Bonaparte die Verwandtschaft mit ihren cors. Namensvettern gerichtlich anerkannt. Mitte des 18. Jahrh.
waren noch drei männliche Glieder der Familie Bonaparte zu Ajaccio übrig: der Archidiakon Luciano Bonaparte, dessen Bruder Napoleone (die
Urenkel jenes Gabriel und beider Neffe Carlo, der Sohn des frühverstorbenen Giuseppe. Dieser hatte sich 1757 vom Großherzog
von Toscana seinen Adel bestätigen lassen, den später auch das franz. Heroldsamt anerkannte.
-
Vgl. La storia genealogica della famiglia Bonaparte, scritta da un Samnitiatese (Flor.
1847);
Stefani und Baretta, La antichità dei Bonaparte (Vened. 1857);
Rapetti, Quelques mots sur les origines des Bonaparte (Par. 1858);
Reumont, Beiträge zur ital. Geschichte, Bd. 4 (Berl.
1855);
Leynadier, Histoire de la famille de Bonaparte (Par. 1866);
Kleinschmidt, Die Eltern und Geschwister Napoleons
I. (Berl. 1878);
In zweiter Ehe vermählt mit Katharine von Württemberg. Kinder: a. Jérôme, bonaparte Mathilde, c. Napoleon.
In dritter Ehe vermählt mit Giustina Marquise Baldelli.
Carlo Bonaparte, geb. zu Ajaccio, der Vater desKaisers Napoleon I., erhielt eine sorgfältige Erziehung,
studierte dann zu Pisa die Rechte, verheiratete sich bald nach seiner Rückkehr, im März 1767, mit Lätitia Ramolino und
begab sich 1768 mit seiner Familie, darunter sein Oheim Napoleone, nach Corte, um hier den General Paoli (s. d.) im Kampfe
gegen die Franzosen zu unterstützen. (S. Corsica.) Nach der Niederlage der Corsen zu Ponte-Nuovo 1769 begleitete
Bonaparte den Clemente Paoli, Bruder des Generals, nach Niolo, von da nach Vico, um eine neue Erhebung zu beginnen. Als aber die Paoli
Corsica verließen, erklärte sich Bonaparte für Frankreich. Nachdem die neue Regierung eingerichtet war, verweigerten
die Corsen die Steuern, weil sie sämtlich Edelleute zu sein behaupteten. Ludwig XV. ließ 400 cors. Familien als adlige
¶
mehr
auswählen (1771), worunter sich die Familie Bonaparte befand. Durch den Einfluß des franz.
Gouverneurs Marboeuf wurde Carlo Bonaparte 1773 zum königl. Rat und Assessor der Stadt und ProvinzAjaccio ernannt. 1777 ward er Mitglied
der cors. Adelsdeputation, die an den franz. Hof ging. Bonaparte nahm seine zwei ältesten Söhne, Joseph und Napoleon,
für die er Freiplätze im Seminar zu Autun und in der Militärschule zu Brienne zugestanden erhalten hatte, mit nach Frankreich.
Ein Erbschaftsprozeß führte ihn 1784 nochmals dahin.
Jetzt nahm er seine Kinder, Lucian und Elisa, mit; die letztere hatte eine Freistelle im Erziehungsinstitut St. Cyr erhalten.
Carlo Bonaparte starb in Montpellier. Aus seiner Ehe mit Lätitia hinterließ er 8 Kinder (s. oben
die Übersicht), die man mit ihren Nachkommen in Rücksicht auf Napoleon I. im allgemeinen als Napoleoniden zu bezeichnen
pflegt. Successionsrechte auf den franz. Thron erhielten durch die Volksabstimmung und den Senatsbeschluß vom
außer Napoleon, nur dessen BrüderJoseph und Ludwig mit ihren Nachkommen, während Lucian und Hieronymus ausgeschlossen wurden,
weil sie sich gegen den Willen des Kaisers verheiratet hatten.
Indes wurde Hieronymus, der sich auf Befehl des Kaisers von seiner Gattin trennte, durch ein Senatskonsult vom als
franz. Prinz und etwaiger Thronerbe anerkannt. Bei der Proklamation der
Zusatzakte vom soll zwar Napoleon I. die Absicht gehabt haben, auch seinem Bruder Lucian das Successionsrecht in
aller Form zu verleihen, doch wurde dieser Akt nicht vollzogen. Die Nachkommen Ludwig B.s behielten demnach, da der älteste
Bruder Napoleons I., Joseph, keine Söhne hatte, ihr Vorrecht, und auch durch das Dekret vom wurde
die eventuelle Thronfolge nur der Linie des Hieronymus, nicht der des Lucian zugesprochen.
Die Gattin Carlo B.s, Maria Lätitia Ramolino, aus einem Patriciergeschlecht von Ajaccio, geb. zeichnete sich
durch seltene Schönheit wie durch Verstand und Willenskraft aus. Als 1793 Corsica durch die Paoli unter
brit. Botmäßigkeit geriet, während die Familie Bonaparte die Partei des revolutionären
Frankreich ergriffen hatte, flüchtete sie mit ihren Kindern nach Marseille, wo sie in großer Dürftigkeit von der Pension
lebte, die der Konvent den cors. Flüchtlingen gewährte.
Erst nachdem Napoleon seine Feldzüge begonnen hatte, kam sie in bessere Verhältnisse. Nach dem 18. Brumaire (1799) zog sie
nach Paris; 1804, mit Napoleons Thronbesteigung, erhielt sie den Titel «Madame Mère» und einen glänzenden Hofstaat. Bescheiden,
ihres frühern Mißgeschicks eingedenk, sparte sie für künftige schlimmere Tage. Sie blieb durchaus
Corsin und sprach auch französisch schlecht und mit cors. Accent. Der Kaiserin Marie Luise war sie abgeneigt. Nach dem Sturze
Napoleons lebte sie mit ihrem Stiefbruder, dem Kardinal Fesch (s. d.), im Winter zu Rom, im Sommer zu Albano. Sie starb -
1) Joseph Bonaparte, geb. zu Corte auf Corsica, erhielt seine Bildung im Seminar zu Autun. Den Plan, in die Armee zu treten,
gab er 1785 beim Tode seines Vaters auf, studierte in Pisa und ließ sich 1788 in Ajaccio als Advokat nieder.
Er schloß sich, wie seine Brüder, an Paoli (s. d.) an, mußte aber 1793 nach dem Bruch mit diesem Corsica verlassen und mit
den Seinen in der Provence eine Zuflucht suchen. Nach der erfolgreichen Belagerung von Toulon,
[* 55] die seinem
Bruder Napoleon zur Geltung verhalf, zum Kriegskommissar in Marseille ernannt, heiratete Bonaparte eine Kaufmannstochter,
Julie Clary (s. unten), und lebte zumeist in Genua. 1796 begleitete er Napoleon im ital.
Feldzuge, der ihm den Auftrag verschaffte, die Verwaltung Corsicas nach Abzug der Engländer zu reorganisieren.
Im März 1797 wurde er Gesandter beim Herzog von Parma, Anfang Mai in Rom, das er nach des Generals Duphot Ermordung Ende Dezember
verließ. Von einem cors. Departement in den Rat der Fünfhundert gewählt, bewahrte er eine gemessene Haltung, trat auch
aus, kurz bevor sein Bruder (Okt. 1799) aus Ägypten
[* 56] zurückkehrte, half aber heimlich sehr wesentlich
mit, durch Verbindung mit Sieyès u. a. eine Änderung der Verfassung herbeizuführen.
Nach dem 18. Brumaire ernannte ihn sein Bruder zum Staatsrat und Tribun. Er ward 1800 Bevollmächtigter für den Abschluß eines
Freundschafts- und Handelsvertrags mit den Vereinigten Staaten von Amerika, sodann bevollmächtigter Minister
beim Friedenskongreß zu Lunéville. Als solcher unterzeichnete er den Frieden und 1802 den mit England zu Amiens.
Zugleich leitete er nebst Cretet und Bernier die Unterhandlungen mit Kardinal Consalvi, Erzbischof Spina und Pater Caselli über
das Konkordat vom Als Napoleon Kaiser geworden war, ward Joseph zum Inhaber der Senatorie Brüssel,
zum Großoffizier der Ehrenlegion, endlich zum franz. Prinzen und Großwahlherrn von Frankreich erhoben.Die Krone des «Königreichs
Italien», die ihm Napoleon antrug, schlug er aus, da er sein Anrecht auf den franz.
Thron nicht opfern wollte.
Vor seiner Abreise von Neapel, 23. Mai, machte er, noch ehe Murat an seine Stelle trat, die eiligst entworfene Konstitution des
Reichs bekannt. Am 7. Juni kam Joseph nach Bayonne, am 20. Juli zog er, während die Revolution in allen Provinzen aufflammte, in Madrid
ein, am 31. Juli mußte er wieder bis hinter den Ebro zurückweichen. Napoleon gewann dann im Winterfeldzuge
von 1808 Madrid und seinem Bruder den Thron wieder. Doch genoß Joseph als Monarch sehr wenig Ansehen. Die Generale, die von
Napoleon unmittelbar ihre Befehle erhielten, waren die Herren, er selbst ein Schattenkönig, von jenen
mit Geringschätzung, von Napoleon mit Zorn und Drohbriefen überhäuft, da der Kaiser 1810 daran dachte, seine unmittelbare
Herrschaft auch über Spanien¶
mehr
auszudehnen. Die Revolution gegen das fremde Regime zeigte sich unbesieglich, und die Engländer unter Wellington gewannen
von Portugal aus immer mehr Boden. Nach der Niederlage bei Vittoria, verließ JosephSpanien auf immer und zog sich
auf sein Landgut Morfontaine zurück. Als der Kaiser im Dez. 1813 im Traktat von Valencay Ferdinand VII.
als König von Spanien anerkannte, weigerte sich Joseph, seine Abdankung zu unterzeichnen, mußte jedoch bald nachgeben.
Obwohl Napoleon JosephsMangel an Thatkraft kannte, ernannte er ihn vor seiner Abreise von Paris im Jan. 1814 zum Generallieutenant
des Reichs und Oberkommandanten der Nationalgarden. Bei Annäherung der Verbündeten erließ Joseph zwar 29. März eine
energische Proklamation, ermächtigte aber 30. März die Marschälle, den Alliierten Kapitulationsanträge zu machen, und flüchtete
nach Blois, wohin ihm Kaiserin Marie Luise 29. März vorangegangen war. Mit einem ihm zugesicherten Einkommen von 500000 Frs. zog
sich Joseph nach Napoleons Absetzung in das Waadtland zurück, wo er das Landgut Prangin kaufte, erschien
aber 1815 in Paris als franz. Prinz und Präsident des Conseils.
Nach der Schlacht von Waterloo folgte er seinem Bruder nach Rochefort, von wo aus beide sich nach Amerika begeben wollten. Erst
als er den Entschluß seines Bruders, sich den Engländern zu ergeben, erfuhr, verließ er Frankreich und
begab sich nach den Vereinigten Staaten. Im Besitz eines bedeutenden Vermögens, lebte er als Graf von Survilliers auf dem früher
von Moreau bewohnten Landgute Point-Breeze am Delaware. In einer an die franz. Deputiertenkammer
gerichteten Adresse vom erhob er gegen die Thronbesteigung eines Bourbonen Einspruch zu Gunsten
seines Neffen, des Herzogs von Reichstadt, dessen Rechte nach Napoleons I. Abdankung die Repräsentantenkammer anerkannt habe.
Als dieser starb, reiste Joseph, der sich nun als nächsten Erben erklärte, 1832 nach London und hielt sich zur großen Besorgnis
Ludwig Philipps in England auf. 1837 nach Amerika zurückgekehrt, erschien er 1839 wieder in England, bis
er 1841 die Erlaubnis erhielt, nach Italien überzusiedeln, wo seine Gemahlin lebte. Joseph starb zu Florenz. Im
Juni 1862 wurde sein Leichnam im Dom der Invaliden zu Paris beigesetzt. Es wird ihm ein Roman «Moina» (Par. 1799 u. 1814)
zugeschrieben. Seine «Mémoires es correspondance politique et militaire»
gab Du Casse heraus (10 Bde., Par. 1853-55: 2. Aufl.
1856-58); sie enthalten manches wertvolle histor. Material.
Du Casse, Les Rois frères de Napoléon I (Par. 1883). -
Seine Gemahlin, Julie Marie Clary, geb. Tochter des reichen Seidenhändlers Clary
zu Marseille, Schwägerin Bernadottes (s. Karl XIV., König von Schweden),
[* 60] war eine einfache, anspruchslose, aber begabte Frau
und wußte sich in ihren spätern Verhältnissen mit Würde zu benehmen. Sie ging nie nach Spanien, auch hielt
sie sich als Königin nur wenige Wochen zu Neapel auf. Ihrer Gesundheit wegen vermochte sie nicht, ihrem Gemahl 1815 nach
Amerika zu folgen.
Sie wohnte einige Zeit zu Frankfurt, durfte sich dann zu Brüssel niederlassen, ging aber 1823 nach Florenz, wo sie starb.
Sie hatte zwei Töchter: a. Zenaide Charlotte Julie, geb. die, an Lucian
B.s ältesten Sohn, den Fürsten von Canino (s.
unter 3), verheiratet, die Mutter einer zahlreichen Familie wurde und zu
Neapel starb;
bonaparte Charlotte Napoléone, geb. die sich mit Napoleon Louis, dem zweiten
Sohne des ExkönigsLudwig Bonaparte (s. unter 5) vermählte und zu Sarzana starb.
2) Napoleon Bonaparte, s. Napoleon I.
3) Lucian Bonaparte, wegen seiner nicht standesmäßigen Ehe vom Kaiser nicht als franz. Prinz anerkannt, geb. zu
Ajaccio, besuchte das Collège zu Autun, dann die Militärschule zu Brienne, endlich das Seminar zu Aix. 1792 kehrte
er nach Corsica zurück, schloß sich Paoli (s.d.) an, brach aber mit diesem gleich seiner Familie und ging ihr voraus nach
Marseille. Napoleons Glücksstern brachte ihm 1795 die Stellung eines Kriegskommissars, in der er in die Niederlande,
[* 61] dann nach
Corsica (1798) ging, wo er in der Wahl der Mittel, sich zu bereichern, nicht ängstlich war. Im März 1798 in
den Rat der Fünfhundert gewählt, gewann er bald bedeutenden Einfluß und bildete mit Joseph Bonaparte eine Parteigruppierung, die
dem Direktorium entgegen und den ehrgeizigen Absichten seines Bruders vorarbeitete.
Kurz vor dem 18. Brumaire (1799) zum Präsidenten des Rats der Fünfhundert gewählt, ward er der eigentliche
Held dieses Tages. Als er die durch Napoleons Eintritt entstandene Gärung nicht zu dämpfen vermochte, verließ er seinen Sitz,
setzte sich zu Pferde,
[* 62] sprengte an die Fronte der versammelten Truppen und forderte sie auf, ihren General, den
man ermorden wolle, zu retten. Nach dem Staatsstreiche zum Minister des Innern ernannt, überwarf er sich bald mit Fouché,
der selbst nach diesem Portefeuille strebte, und seinem Bruder.
Ein völliger Bruch ward verhütet, indem Lucian das Ministerium niederlegte und als Gesandter im Nov. 1800 nach Madrid ging,
wo er den engl. Einfluß beseitigte und zum Kriege mit Portugal trieb. Der für Frankreich ungünstige Friede
zu Badajoz zu dem er vorschnell die Hand
[* 63] bot, konnte das Verhältnis beider Brüder nicht bessern. Lucian gab
daher seine Stellungauf und ging nach Paris. Hier ins Tribunat berufen, vertrat er den Plan zur
Errichtung der Ehrenlegion, deren Großoffizier er wurde, und erwarb sich die Gunst des Papstes Pius VII. durch Befürwortung
des Konkordats.
Als Lucian nach dem Tode seiner ersten Gattin (s. unten) die ihm vom Kaiser zugedachte verwitwete Königin von Etrurien ausschlug
und gegen dessen Willen eine bürgerliche Ehe einging, führte dies zum völligen Bruch mit Napoleon. Lucian
zog sich auf eine Villa bei Rom zurück, um den Künsten und Wissenschaften zu leben (April 1804). Vergebens bot ihm 1807 der
Kaiser den Thron von Spanien an, indem er Trennung von seiner Gattin verlangte. Ebenso verweigerte Lucian seine
Zustimmung zu der Verheiratung seiner Tochter mit dem Prinzen von Asturien.
Napoleon wurde dadurch so erbittert, daß jener den Plan faßte, sich nach Nordamerika in Sicherheit zu bringen. Er schiffte
sich zu Civita-Vecchia ein, wurde jedoch durch einen Sturm genötigt, in Cagliari einzulaufen. Hier von brit. Kreuzern
angehalten, ward er nach England gebracht und zum Kriegsgefangenen erklärt. Napoleons Sturz gab ihm seine Freiheit; er ging
wieder nach Rom, wo ihn der Papst 1814 mit dem von ihm erkauften kleinen Fürstentum Canino belehnte. Nach Napoleons Rückkehr
von Elba 1815 begab sich Lucian nach Paris und trat
¶