Bolus
(Bol,
lemnische Erde,
Sphragid), früherer
Name von
Thonen, die zu medizinischen
Zwecken und als braune
und rote
Farben
benutzt wurden.
Ihre Anwendung bei verschiedenen
Krankheiten reicht bis ins
Altertum hinauf. Besonders stand
die
lemnische Erde als
Heilmittel in hohem
Ruf, während die von
Sinope mehr als
Malerfarbe im
Gebrauch war. Erstere kam schon
im
Altertum wie noch gegenwärtig mit aufgedrücktem
Siegel in den
Handel
(Siegelerde,
Sphragid,
Terra sigillata).
Seit 1508 war die lichtbraune
Siegelerde von
Striegau,
[* 2] später die bläulichgraue sächsische
Siegel- oder
Wundererde von
Stolpen wie schon vorher eine weiße von
Malta im
Gebrauch. Hiernach werden
unter dem
Namen Bolus
Thone von wesentlich
verschiedener
Beschaffenheit und
Zusammensetzung begriffen. Die
Mineralogie beschränkt den
Namen auf die mehr oder weniger fettig
anzufühlenden, schwach fettglänzenden, auf dem
Strich glänzendern, in muschelige, scharfkantige
Stücke
brechenden
Thone, welche, ins
Wasser geworfen, unter Zerknistern in eckige
Stücke und endlich in eine feinerdige, plastische
Masse zerfallen.
Ihre
Farbe ist isabellgelb bis kastanienbraun und wird zumeist durch
Brennen rot, bei Mangangehalt braun (cyprische
Umbra).
Ihre
Härte ist 1-2, ihr spez. Gew. 2,2-2,5.
Ihrer chemischen
Zusammensetzung nach bestehen sie aus 41-42 Proz.
Kieselerde, 20-25 Proz.
Thonerde, 24-25
Proz.
Wasser, 0-12 Proz.
Eisenoxyd, auch
Manganoxyd (cyprischer Bolus
) nebst kleinen
Mengen von
Kali,
Magnesia und Kalkerde.
Am häufigsten
finden sie sich in
Klüften und eingesprengt im
Basalt, in basaltischer
Wacke, basaltischem
Tuff und im
Phonolith; so zu
Striegau,
Steinhau und
Goldberg in
Schlesien,
[* 3] bei
Göttingen,
[* 4] im
Habichtswald in
Kurhessen, bei
Seidenberg im
Königreich
Sachsen,
[* 5] in der
Rhön, in
Böhmen,
[* 6] am
Kaiserstuhl,
[* 7] besonders auch bei
Siena
(Terra di Siena, kastanienbraun) in
Toscana, ebenso
in ältern Trappgesteinen zu
Sinope und auf
Cypern.
[* 8] Weit seltener
¶
mehr
ist das Vorkommen im Serpentin (Frankenstein in Schlesien), im Glimmerschiefer (Schweden,
[* 10] Cykladen), in Klüften des Kalksteins (Waltershausen),
im Keupermergel (Württemberg),
[* 11] auf Eisenlagerstätten (Neuenburg
[* 12] in Württemberg) und in andern Erzgängen (Freiberg).
[* 13] Der weiße Bolus
(Bolus alba)
ist gräulichweiß, oft weiter nichts als feinerer oder gröberer Thon, diente früher als austrocknendes und
blutstillendes Mittel, jetzt noch als Kitt bei Destillation
[* 14] von Säuren.
Der braune
Bolus
(braune Erde von Siena) wird namentlich in der Freskomalerei und für braune
Kupferstiche benutzt. Der rote Bolus
von
Sinope und aus Nordafrika (Sinopis) wurde von den Alten viel zum Bemalen der Täfelchen, womit die Wände belegt wurden,
benutzt und zeigt sich noch in Pompeji
[* 15] in seiner vollen Farbenpracht. Der rote Bolus
(Bolus rubra) dient als Anstrichfarbe und wird
besonders aus Nürnberg
[* 16] bezogen. Der armenische oder morgenländische Bolus
, die feinste Sorte des vorigen, ist höchst feinerdig
und fettig.
Oft hat seine rote Farbe einen Stich ins Gelbe. In Frankreich reinigt man ihn oft schon in den Gruben, formt
ihn in kleine, runde Scheiben und drückt ein Zeichen darauf. Schon die Alten wendeten das Leukophoron als Bindemittel für das
Gold,
[* 17] wenn es auf Holz
[* 18] aufgetragen wurde, an, und so tragen ihn noch jetzt die Vergolder als Untergrund auf das
Holz. Ebenso wird er zur Grundierung des Gold- und Silberpapiers gebraucht. Aus Armenien selbst kommt dieser Bolus
nicht mehr, wie
in ältern Zeiten, nach Europa;
[* 19] wohl aber geht er von da stark nach Indien, wo er noch medizinische Anwendung findet. Der gelbe
Bolus
(Bolus lutea) wird von den Vergoldern dem armenischen Bolus
vorgezogen. Die
Holländer holen ihn aus Berry, brennen ihn, wodurch er schön rot wird, und verkaufen ihn als Englisch- oder Berliner Rot.
[* 20] Außerdem
dient er als Kitt, zur Anfertigung von Formen für Metallguß, zu Gefäßen und Pfeifenköpfen und geschlämmt als Poliermittel
für Glas,
[* 21] Metalle u. Steine sowie früher in der Medizin als absorbierendes Mittel.