Titel
Bolivia
[* 2] (s. Karte »Argentinische [* 3] Republik [* 2] etc.«),
eine der aus den spanischen
Provinzen
Südamerikas
hervorgegangenen
Republiken, die das Gebiet der frühern spanischen
Audiencia
Charcas einnimmt und lange Zeit mit dem freilich
nicht geeigneten
Namen Hochperu bezeichnet wurde, liegt zwischen 10° 15' bis 26° 30' südl.
Br. und 58° bis 68° westl.
L. v. Gr. Nach Art. 2 des zwischen
Chile und Bolivia
zu
Santiago auf unbestimmte Dauer abgeschlossenen
Waffenstillstandsvertrags ist indessen für die Zeit der Gültigkeit des
Vertrags das gesamte westlich der Küstenkordillere
gelegene und im N. vom
Loa begrenzte Gebiet der bisherigen Provincia
Litoral Bolivias
der chilenischen
Regierung unterstellt
worden.
Die
Grenze zwischen dem neuerworbenen Nordteil
Chiles und Bolivia
wird nach jenem
Vertrag durch eine
Linie gebildet,
welche, im S. von Sapalega ausgehend, dem
Kamm der
Andes folgend, zum
Vulkan Lincancaur, von da zum Gipfel des erloschenen
Vulkans
Cavana und weiter zu dem
See Azcotan führt und sich, diesen der
Länge nach durchschneidend, zum Gipfel des
Vulkans Allagua
fortsetzt, um sich hier an die alte Grenzlinie zwischen dem gegenwärtig auch von
Chile besetzten Südperu
und Bolivia
anzuschließen. Durch die auf
Grund dieses
Vertrags erfolgte Abtretung der Litoralprovinz
Atacama an
Chile vom
Meer abgeschlossen
und hinter die Küstenkordillere zurückgedrängt, wird Bolivia
jetzt im N. und O. von
Brasilien,
[* 4] im S. von
Paraguay und
Argentinien, im W. von
Chile und
Peru
[* 5] umschlossen und hat innerhalb dieser
Grenzen
[* 6] ein
Areal von 1,247,040 qkm (22,647,3 QM.).
[Physische Beschaffenheit.]
Bolivia
ist das höchste und gebirgsreichste Land
Amerikas, es umfaßt der Hauptsache nach die gewaltige Verbreiterung des Andessystems,
das sich durch das Auftreten zweier Hauptkettensysteme mit zwischengelagerten, langgestreckten
Hochebenen
charakterisiert. Die westliche dieser beiden Hauptketten ist die sogen. Küstenkordillere, welche
von 17° südl.
Br. an zuerst die
Grenze des
Landes entlang
zieht, so daß nur der östliche Teil derselben Bolivia
angehört, von
21° an die Gestalt einer mächtigen Doppelgebirgskette annimmt (die
Kordillere von Sililica im O. und von
Huatacondo im W.) und südlich von 22° sich zu einem öden Plateaurücken von 4250 bis 4500 m
Höhe verbreitert, über den
sich einzelne vulkanische
Berge zerstreut erheben.
Einige von diesen sind noch thätig; die höchsten bilden unter 18-19° südl. Br. eine Gruppe (Sahama 6415 m, Gualasieri, Pomarape, Parinacota). Die mittlere Höhe der Küstenkordillere beträgt gegen 4500 m; von den Pässen ist der von Azcotan der niedrigste. Ganz anders ist die östliche Kordillere gebildet. Ihr fehlen die in der Küstenkordillere so vorherrschenden jungvulkanischen Gesteinsmassen; altsedimentäre Formationen setzen sie namentlich zusammen.
Sie wird in ihrem höchsten, nördlichen Teil die Königskordillere (Cordillera Real) genannt. Eine Reihe zackiger, mit Eis [* 7] und Schnee [* 8] bedeckter Gipfel überragen die mächtige Gebirgskette, darunter die Vulkane [* 9] Nevado de Sorata oder Illampu (6550 m) und Illimani südöstlich von La Paz (6400 m). Weiter im S. ist das Hochgebirge niedriger, die höchsten Spitzen erheben sich nur noch bis zur Höhe von 4620-4800 m und tragen nicht mehr ewigen Schnee, da die Schneegrenze hier erst in 5200 m liegt.
Das Land, das von diesen beiden Gebirgsmassen eingeschlossen wird, ist eine große, hoch gelegene Ebene, die Hochebene von oder von Oruro, die sich bei einer Breite [* 10] von 110-220 km von 15-22° südl. Br. hinzieht und 82,500 qkm (gegen 1500 QM.) Flächeninhalt und eine durchschnittliche Höhe von 4000 m hat. Sie zerfällt in zwei Teile. Der nördliche enthält an seinem Nordende den Titicacasee (3824 m) sowie viele nicht unfruchtbare und gut bewässerte Thäler und ist der am meisten bewohnte.
Der Teil im S. der die
Scheide bildenden, von
NW. gegen SO. verlaufenden
Kordillere von Llicatahua ist bis
auf einzelne isolierte
Berge und
Ketten völlig eben und im ganzen eine wasserlose, unfruchtbare
Wüste (los desertos de Lipes).
Das
Wasser ist in dem mit
Salz
[* 11] geschwängerten
Boden dieser
Wüsten salzig; die von den
Bergen
[* 12] fließenden
Ströme versiegen bald im
Sand oder enden in großen
Becken, die nur zur
Regenzeit mit
Salzwasser gefüllt sind. Während im N.
die Königskordillere sich steil und unvermittelt zu der Tiefebene des Amazonasbeckens hinabsenkt, schließt sich weiter
nach
S. an den östlichen
Rand der östlichen
Kordillere ein Stufenland, das den
Abfall zu den Tiefebenen
des Innern bildet. Es beginnt im N. mit der
Kordillere von
Cochabamba, die von dem Südende der Königskordillere gegen O.
zieht und sich später in die Tiefebene verliert. An ihren Südabhang schließt sich jenes Stufenland, das südlicher am
rechten
Ufer des
Rio
[* 13] Vermejo mit dem ganz ähnlichen der
Argentinischen
Konföderation zusammenhängt und
aus einer
Reihe von großenteils in der
Richtung der östlichen
Kordillere ziehenden
Ketten besteht
(Kordilleren von Liqui, Tacsara,
Padilla etc.), die nach O. an
Höhe abnehmen und schöne, fruchtbare und wohlbewässerte
Thäler umschließen, welche zu den
reichsten Gegenden von Bolivia
gehören. Daran endlich schließen sich Tiefebenen an, die im N.
am Abhang der
Kordillere von
Cochabamba (die
Ebenen von
Mojos und
Chiquitos) den
Charakter des Tieflandes des
Amazonenstroms, im
SO. (die
Ebenen der
Provinz Cordillera und des
Gran Chaco
[* 14] oriental)
den der
Pampas des La
Plata-Gebiets besitzen.
Die
Flüsse
[* 15] von Bolivia
sind nur in den östlichen Teilen besser und günstiger entwickelt. In der
Hochebene
¶
mehr
von Bolivia
ist der bedeutendste Fluß der Desaguadero, der aus dem Titicacasee nach SO. fließt und in den See von Pampa Aullagas (3700
m) fällt. Weiter im W. liegt das Becken des Coipasasees (Laguna de Salinas), bedeckt in der trocknen Jahreszeit von einer dicken
Schicht von Kochsalz. Ähnliche zwischen Salzebenen und Salzseen schwankende Becken finden sich noch mehrere.
Günstiger gebildet sind die nach N. und S. strömenden Flüsse. Die erstern wenden sich sämtlich zum Amazonenstrom,
[* 17] die zweiten
zum Pará.
Der äußerste Norden [* 18] ist durchzogen vom Oberlauf des Jurua und Purus, welche mit zahlreichen Nebenflüssen dem Amazonenstrom zueilen. Am Ostabhang der Königskordillere entspringt der Rio Beni (Uchapara), der kurz vor seiner Vereinigung mit dem Mamore den Rio Manu (Madre de Dios, Amarumayu) aufnimmt; am Südwestabhang der Rio Grande, der, durch eine große Anzahl von Zuflüssen verstärkt, als Mamore den die Grenze gegen Brasilien bildenden Guapore von rechts empfängt und durch seine Vereinigung mit dem Rio Beni den Rio Madeira, [* 19] den Hauptzufluß des Amazonenstroms, bildet. An den Abhängen der südlichen Teile der östlichen Kordillere endlich entspringt der Pilcomayo, der den Pilaya aufnimmt und durch den Gran Chaco dem Paraguayfluß zuströmt.
Das Klima
[* 20] von Bolivia
ist trotz der Lage des Landes in der Tropenzone, der Höhenlage entsprechend, ein sehr
wechselndes. Man unterscheidet demnach drei Zonen: die Puna, die Valles und die Yungas. Puna heißen die Gegenden, welche höher
als 3500 m liegen (die über 3900 m erhabenen heißen Puna brava), und sie umfassen die ganze Hochebene von und die höhern
Gebirge. Das Klima ist hier kalt, rauh und unwirtlich, die Luft auffallend trocken, aber rein und überaus
gesund, trotz der großen Wechsel zwischen einzelnen heißen und den gewöhnlich rauhen Tagen und des häufigen schneidenden
Windes.
Die Vegetation dieser Ebenen ist dürftig, ein Anbau des Bodens findet in der Puna brava fast gar nicht statt; in der tiefern Puna zieht man Kartoffeln, Quinoa und verschiedene Gemüse der kältern Zone. An Tieren ist großer Reichtum (Vicunna und Alpako, kleine Nagetiere, [* 21] Kondors und andre Raubvögel, [* 22] selbst Kolibris). [* 23] In der Puna (wie im obern Teil der Valles) unterscheidet man eine Trocken- und eine Regenzeit, von denen die letztere im Durchschnitt vom November bis März dauert.
Die Valles sind die unter 3500 m hoch liegenden Thäler in dem östlichen Stufenland von Bolivia
bis 1600 m herab. Hier wird das
Klima mit der größern Tiefe immer wärmer und feuchter, der Regen häufiger, der ohnedies fruchtbare Boden immer ergiebiger.
Man teilt die Valles in die obern (Cabezeras de Valles) zwischen 3500 und 2900 m, in denen schon Weizen und selbst Mais gebaut
wird, und in die untern (Medio yungas), in denen alle Feld- und Gartenfrüchte, selbst tropische, üppig gedeihen.
Alle Teile des Landes, die tiefer als 1600 m liegen, werden, gleichviel ob Bergland oder Ebene, Yungas genannt; es sind die Gegenden, in denen die tropischen Früchte (Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Tabak, [* 24] Ananas, Bananen etc.) gedeihen, und die bei der fast unerschöpflichen Fruchtbarkeit des Bodens für eine höhere Kultur überaus geeignet wären, wenn nicht das Klima so ungesund, die Überschwemmungen der Flüsse und an einigen Stellen die Dichtigkeit der Wälder so hinderlich wären. - An edlen Metallen ist das Land erstaunlich reich.
Die bedeutendsten Silbergruben liegen in den mittlern und südlichen Teilen der östlichen Kordillere; es sind die Minen von Sicasica, Oruro, Poopó, Potosi, Porco und südlicher die um die Bergwerkstadt Portugalete. Gold [* 25] findet sich, außer im Schuttboden des Hochlandes wie des Ostabfalles der Binnenkordillere, in den Quarzgängen der altsedimentären Gesteine [* 26] allgemein verbreitet, Kupfer [* 27] bei Corocoro, Chacarilla und besonders in den südlichsten Teilen des Landes nach den Grenzen von Chile hin, ergiebige Zinnerze bei Oruro und Poopó. Salz kommt im Hochland in unerschöpflicher Menge vor. Steinkohlen wurden 1864 in der Nähe des Titicacasees, gute Braunkohlen in der Provinz Tarija gefunden, wo auch Petroleum vorhanden ist. Auch an Eisen, [* 28] Blei, [* 29] Antimon, Quecksilber etc. fehlt es nicht.
Erdbeben [* 30] scheinen vorzugsweise auf den Westteil des Landes beschränkt zu sein; heiße Mineralquellen sind häufig (bei Potosi, Paria, Cochabamba etc.).
[Bevölkerung.]
Die Bevölkerung von Bolivia
besteht aus Indianern und den Mischlingen von Indianern und Weißen; unvermischte Nachkommen der Spanier
sowie eingewanderte Europäer finden sich verhältnismäßig nur wenige, auch Neger nur selten. Die Zahl der Bewohner betrug
1858: 1,987,352, von denen 245,000 noch wilde Indianer waren. Gegenwärtig kann die Bevölkerung
[* 31] abzüglich
der Bewohner des von Chile beanspruchten Gebiets von Antofagasta auf 2,311,000 Einw. (1,8 auf 1 qkm) geschätzt werden.
Fast die Hälfte der Einwohner gilt für weiß, da man alle Mischlinge zu ihnen zu rechnen pflegt; die größere Hälfte sind reine Indianer, die zum Teil unter den Spaniern, von ihnen zum Christentum bekehrt, leben, zum Teil noch in den nördlichen und östlichen Ebenen frei und unabhängig in der ursprünglichen Roheit umherziehen. Der größte Teil der Indianer, namentlich fast alle Bewohner der Gebirge und Hochebenen, gehört zur großen Gruppe der Quichuavölker, so benannt nach dem Hauptvolk, den Quichua, welche sich von ihrer ursprünglichen Heimat um Cuzco nach N. und S. verbreiteten, und der ihnen nahe verwandten Aymara, die vom Inka [* 32] Capac-Yupanqui aus dem obern Thal [* 33] des Abancay in die Gegenden nördlich vom Titicacasee verpflanzt wurden, wo die Colla wohnten, auf welche ihr Name durch die Jesuiten übertragen wurde.
Die Quichuasprache, die Stammsprache der Inka, wird gegenwärtig in der Provinz Cochabamba, die rauhere Aymarasprache auf dem übrigen Andeshochplateau gesprochen. Außerdem wohnen im W. der Andeskette die zu den Andesvölkern gehörigen Antisaner im Quellgebiet des Beni und seiner Zuflüsse, die Moxos in den großen Llanos des Nordostens und südlich von ihnen die Chiquitos, dann die zu den Tupi-Guarani zählenden Guarayos, Chiriguanos, Sirianos, sämtlich noch in ursprünglicher Roheit lebend, während die Quichua und Aymara vollständig unter spanischen Einflüssen stehen und längst zum Christentum bekehrt sind.
Vgl. Tafel »Amerikanische Völker«. [* 34]
Die hauptsächlichsten Erwerbszweige der Bewohner von Bolivia
sind Landbau, Viehzucht und
[* 35] Bergbau.
[* 36] Der erstere
liegt infolge der Trägheit, Roheit und Unwissenheit der weißen nicht weniger als der indianischen Bevölkerung und des Mangels
an Straßen sehr danieder. Man baut die notwendigen Nahrungsmittel
[* 37] und etwas Luzerne (Alfalfa) als Viehfutter; der Ertrag des
Kaffees, der Baumwolle,
[* 38] des Zuckers, Kakaos und Tabaks ist ganz unwesentlich; nur der Bau der Koka (Erythroxylon
Coca), die in am besten gedeiht, und deren Verkauf Regierungsmonopol ist, hat größere Bedeutung. Nicht besser steht
es um die Viehzucht, die, so geeignet der Boden sur sie ist, so vernachlässigt wird, daß nicht einmal
¶
mehr
der Bedarf des Landes befriedigt wird. Der Bergbau, bei dem großen Reichtum der Minen noch immer von Wichtigkeit, ist jetzt doch nur der Schatten [* 40] von dem, was er in der spanischen Zeit war. Vor allem war die Silberproduktion gesunken, die einst die Gruben von Potosi sprichwörtlich gemacht hatte, und zwar infolge der unverständigen Art des Betriebes und ebensosehr infolge der Unsicherheit und der häufigen bürgerlichen Unruhen, die das Zuströmen fremder Kapitalien hinderten.
Erst in der letzten Zeit hat die Silberproduktion wieder einen enormen Aufschwung genommen, wogegen die Goldproduktion nur unbedeutend ist. Man veranschlagt die jährliche Produktion von Silber jetzt auf 11 Mill. Bolivianos (256,666 kg), die von Gold auf 72,345 Bol. (109 kg). In der Periode 1545-1875 sollen 37,717,600 kg Silber und 204,000 kg Gold im Gesamtwert von 7609 Mill. Mk. gewonnen worden sein. Auch die Kupfergruben (in Corocoro) haben neuerdings durch die Thätigkeit von Ausländern größere Bedeutung gewonnen. Endlich sind noch zahlreiche Bergwerke auf Zinn in Betrieb, wovon die jährliche Ausbeute etwa 30,000 Ztr. beträgt; das beste kommt von Machas und Huanuni. Exportiert wurde an Silber 1881 für 6,897,130 Bol., an andern Metallen für 1,136,787 Bol.
Alle übrigen Zweige der Industrie (von denen das Weben
[* 41] von wollenen und baumwollenen Stoffen, die Fabrikation
von Hüten aus Vicunnawolle, Zinnwaren, guten Schießwaffen noch die bedeutendsten sind) haben abgenommen; einzig die Branntweinbrennereien
sind im Steigen begriffen. Sonst ist noch die Gewinnung von Chinarinde und Kautschuk aus den großen Wäldern des Landes von
Wichtigkeit. Der Handel von Bolivia
ist sehr unbedeutend und zwar ebensosehr wegen der geringen Gewerbthätigkeit
der Einwohner als wegen der ungünstigen Lage des Landes, namentlich nachdem Bolivia durch den Vertrag von 1884 auch den ihm bisher
zugehörigen, an Salpeter, Kupfer und Silber reichen Küstenstreifen der Provincia Litoral an Chile verloren hat.
Nach O. hin beginnt man erst neuerdings die großen Zuflüsse des Amazonenstroms und des Parana in Handelsstraßen
zum Atlantischen Ozean zu verwandeln.
Deshalb geht der größte Teil der bolivianischen Ausfuhr, deren Wert sich 1881 auf
9,381,917 Bol. belief, durch Peru über Arica zum Ozean, und auf demselben Weg kommt die Einfuhr (ca. 6,150,000 Bol.) in das Land.
Von Eisenbahnen ist die 80 km lange Linie La Paz-Aygacha (Titicacasee) vollendet und vermittelst des Sees
die Verbindung mit der peruanischen Linie Puno-Islay hergestellt. Eine Telegraphenlinie verbindet Chililaya (Titicacasee) mit
La Paz und Oruro (290 km), sie soll nach Cochabamba und Sucre weitergeführt werden. Die bedeutendsten Ausfuhrartikel sind Chinarinde,
Kautschuk, Koka, Wolle, Guano, Kupfer, Zinn, Silber, Gold; die Einfuhr besteht besonders aus europäischen Manufakturwaren
und Quecksilber. - Die Religion der Bewohner ist die römisch-katholische, die öffentliche Ausübung jedes andern Kultus ist
untersagt.
Kirchlich zerfällt der Staat in vier Diözesen: die des Erzbistums von La Plata (Charcas) und der drei Bischöfe von La Paz, Cochabamba und Santa Cruz. Der öffentliche Unterricht ist kläglich bestellt. Die sogen. Universitäten (in La Paz, Sucre und Cochabamba) liefern bloß Advokaten; die Schulen sind von wenigen Kindern besucht, der größte Teil der Bevölkerung wächst ohne allen Unterricht auf. Von Litteratur ist hier deshalb keine Rede, die politische Presse [* 42] die elendeste unter allen in Südamerika. [* 43]
[Verfassung.]
Die Unabhängigkeitserklärung Bolivias erfolgte Am 11. Aug. d. J. wurde der Name »Bolivia« angenommen. Der Verfassung zufolge soll Bolivia eine demokratische Republik sein, in der alle Macht vom Volk ausgeht und durch drei getrennte Gewalten geübt wird; allein diese Verfassung ist bis jetzt noch immer auf dem Papier stehen geblieben, und das Land beständig die Beute der Bürgerkriege und innern Unruhen gewesen (s. unten). Die exekutive Gewalt übt ein auf vier Jahre gewählter Präsident aus, neben dem zwei Vizepräsidenten und vier Minister (für das Innere und Äußere, die Finanzen, Krieg und Kultus) stehen.
Die gesetzgebende Gewalt beruht auf dem Kongreß (Nationalversammlung), der in drei Kammern (Tribunen, Senatoren, Zensoren) zerfällt. Die richterlichen Institutionen sind ein oberster Gerichtshof in Sucre, Distriktsgerichtshöfe in den einzelnen Departements, Richter erster Instanz in den Distrikten, endlich Friedensrichter; die Rechtspflege ist dem französischen Verfahren nachgebildet, allein ohne das Institut der Geschwornen. Die Finanzen sind im jämmerlichsten Zustand.
Nach dem Budget für 1880-81 beträgt die Einnahme 3,465,790, die Ausgabe 4,799,225 Bol., was ein Defizit von 1,333,435 Bol. ergibt. Hauptquelle der Einnahmen sind die Erträgnisse der Bergwerke sowie der Ausfuhrsteuer (605,160 Bol.) und Zölle (360,049). Die sehr bedeutende Staatsschuld betrug Mitte 1881: 2,125,448 Bol. Das Militär bestand vor dem Krieg aus dem stehenden Heer von etwa 3000 Mann (mit 8 Generalen und 359 Stabs- und 654 Subalternoffizieren). In administrativer Hinsicht zerfällt Bolivia jetzt in acht Departements unter von dem Präsidenten ernannten Präfekten, diese wieder in Distrikte (Partidos) und diese in Kantone.
Die Departements sind: La Paz, Cochabamba, Potosi, Chuquisaca (Sucre), Oruro, Santa Cruz, Tarija und Beni. Die Hauptstadt wechselt je nach der herrschenden Partei; zur Zeit ist es Sucre (12,000 Einw.). Über die Flagge Bolivias s. Tafel »Flaggen [* 44] II«. [* 45]
Vgl. Grandidier, Voyage dans l'Amérique du Sud, Pérou et Bolivie (Par. 1861);
d'Orbigny, Voyage dans l'Amérique méridionale (Straßb. 1835-49, 7 Bde.);
Weddel
, Voyage dans le Nord de la Bolivie, etc. (Par. 1853);
Reck, Geographie und Statistik der Republik (in »Petermanns Mitteilungen« 1865-67);
Bolivia Mendez, Manual de geografia y estadistica del
Alto Perue Bolivia (Par. 1860);
Moßbach, Bolivia Kulturbilder (Leipz. 1875);
Gormaz, Geografia nautica de Bolivia (2. Aufl., Santiago 1879);
Wiener, Pérou et Bolivie (Par. 1879).
Geschichte.
Bolivia ist das alte Oberperu (s. Peru) und umfaßt die Gebirgsprovinzen des ehemaligen spanischen Vizekönigreichs Rio de la Plata. Der Westen Bolivias gehörte zu dem ursprünglichen Reich der Inkas von Cuzco, die sich von da aus das Reich von Peru unterwarfen. Die Spanier eroberten das jetzige Bolivia trotz kräftigen Widerstandes 1538, worauf das Land zu dem Vizekönigreich Peru geschlagen wurde. Seit der Bildung des Vizekönigreichs La Plata 1776 war es ein Teil desselben und wurde nach der Hauptstadt Charcas (jetzt Chuquisaca) benannt. Nach dem Ausbruch der südamerikanischen Revolution bildete sich schon im Juli 1809 in La Paz eine revolutionäre Regierungsjunta; dieselbe wurde zwar von den königlichen Truppen bald gesprengt, doch eroberte General Balcarce 1810 Oberperu an der Spitze der Truppen der Junta von Buenos Ayres. [* 46] Schon 1811 besetzte der spanische Gouverneur Goyeneche das Land von neuem und wütete grausam gegen die Rebellen. General ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Bolivia
[* 2] soll bei einem Areal von 1,334,200 qkm eine Bevölkerung von 2,300,000 Seelen haben. Die bedeutendsten Städte sind La Paz (60,000), Cochabamba (14,705), Sucre, die Hauptstadt (15,404), und Potosi (11,944). An zuverlässigen statistischen Angaben fehlte es fast in jeder Beziehung. So schätzte der amerikanische Konsul 1884/85 die Ausfuhr auf 8 Mill., die Einfuhr auf 7 Mill Bolivianos oder Dollar, während sich nach andrer Quelle [* 47] die Einfuhr 1887 auf 7 Mill. Bolivianos belief.
Eine Eisenbahn von La Paz aus nach der bereits bestehenden Antofagasta Bahn ist im Bau, aber die Bahn nach dem Puerto Pachuco am Parana ist immer nur Projekt. Die Möglichkeit ihres Baues (durch die Gran Chaco) scheint durch neuere Forschungen nachgewiesen zu sein. Die Staatseinnahmen beliefen sich 1887/88 auf 3,665,790 Bol., die Ausgaben dagegen auf 4,599,225 Bol., also auch hier ein chronisches Defizit. Die Nationalschuld soll 1888: 15,133,107 Bol. betragen haben, wovon 6,397,032 Bol. auf auswärtige Kreditoren kommen.