Bojardo
,
Matteo Maria, Graf von Scandiano, ital. Dichter, geb. gegen 1434 zu Scandiano, lebte in Ferrara [* 2] am Hofe Borsos von Este, den er 1471 nach Rom [* 3] begleitete, und Ercoles I. 1478 wurde ihm das Gouvernement von Reggio, 1481 das von Modena übergeben, 1487 wieder die Stadt- und Burghauptmannschaft von Reggio, welches Amt er bis zum Tode bekleidete. Sein Hauptwerk bildet das der Karlssage (s. d.) zugehörige romantische Rittergedicht «Orlando innamorato», das er in drei Büchern oder 69 Gesängen unvollendet hinterließ (Fortsetzung u. a. von Niccolò degli Agostini, 33 Gesänge, in mehrern alten Ausgaben).
Während die frühern
Dichtungen über Roland ihren
Helden nur als Vorkämpfer der Christenheit auffaßten,
suchte Bojardo
, vertraut mit den Gedichten des Arthurkreises, der Sage durch Einführung der Frauenminne, der
Zaubereien, durch
das ungläubige Lächeln, mit dem er dem Zeitgeiste gemäß hier und da den
Stoff behandelt, einen neuen Charakter zu verleihen.
Seine
Phantasie ist äußerst reich; doch fehlt den Erfindungen inneres Gemütsleben. Immerhin hat er
die Gattung des romantischen Rittergedichts geschaffen und seinen Nachfolgern, selbst Ariost, alle Charaktere und die Fäden,
die sie leicht fortzuspinnen vermochten, geliefert. Sein Werk wurde bis 1544 (zuerst vollständig zu Scandiano 1495) 16mal
gedruckt, schon im 16. Jahrh. ins
Französische (von Vincent,
Lyon
[* 4] 1544, Par. 1549 u. ö.; de Rosset, ebd.
1619; frei von
Lesage, 2 Bde., ebd. 1717 u. ö.;
Tressan, ebd. 1780 und 1822), neuerdings fast in alle lebende
Sprachen (deutsch zuerst in Prosa von
Benedicte Naubert, hg.
von Schmidt, 3 Bde., Berl. 1819-20;
am besten von
Gries, 3 Bde., Stuttg. 1835-37,
und
Regis, Berl. 1840) übersetzt. Da in dem zu Ferrara gesprochenen
Italienisch schrieb, erregte er bei
den
Florentinern Anstoß.
Daher erschienen mehrere Umarbeitungen in reinem Toscanisch, von
Berni (s. d.) 1541, Lodovico Domenichi 1545 (mit Agostinis
Fortsetzung des Bojardo
), die jahrhundertelang das Original verdrängten. B.s eigene Fassung gab erst Panizzi wieder
heraus
(Orlando innomorato di Bojardo:
Orlando furioso di
Ariosto, with an essay on the romantic narrative poetry
of the
Italians, memoirs and notes, 9 Bde., Lond.
1830-34). Unter B.s übrigen ital. und lat. Werken sind hervorzuheben:
„Sonetti e canzoni" (Reggio 1499),
in drei Büchern, meist an seine Geliebte Antonia Caprara gerichtet (neu hg. Mail. 1845),
«Il Timone», ein fünfaktiges Lustspiel nach Lucian (Scandiano 1500; Ferrara 1809),
ein lat. «Carmen bucolicum“ (Reggio 1500), »Asino d'oro" nach Apulejus (Vened. 1523). Auch übertrug er Herodot (ebd. 1533 u. ö.) sowie Riccobaldis «Chronicon Romanorum imperatorum» ins Italienische. Eine Auswahl von B.s «Poesie» gab Venturi mit Erläuterungen (Modena 1820) heraus. ¶