s. v. w.
Krieger; dann freier Grundbesitzer, Adliger; in Rußland ursprünglich Bezeichnung der den vornehmsten Adelsgeschlechtern
angehörigen Mitglieder des ersten
Standes. Die Bojaren bildeten die nächste Umgebung der regierenden
Fürsten, neben welchen
sie eine gewisse Unabhängigkeit behaupteten. Sie waren im ausschließlichen
Besitz der höchsten
Ämter im
Zivil- und Militärdienst
und standen bei dem
Volk in so großem Ansehen, daß die
Großfürsten, selbst ein
Iwan der Schreckliche,
ihren
Ukasen stets beifügten: »Der
Zar hat es befohlen, die Bojaren haben es gutgeheißen«.
Unter den Bojaren selbst wurde die Rangordnung nach dem
Alter imDienste
[* 2] des
Staats bemessen und streng festgehalten. Die Zügellosigkeit
der
Großfürsten ward nicht selten durch die Macht und das Ansehen der Bojaren im
Zaum gehalten, weshalb
erstere erbitterte Feinde der Bojarengewalt wurden und nicht selten dieselbe zu brechen sich bemühten. Erst
Peter d. Gr.
gelang es, die Bojarenwürde gänzlich aufzuheben und an ihre
StelleRang und
Titel, aber ohne Vorrechte und
Macht, zu setzen. Der letzte Bojar, Knjas
Iwan Jurjewitsch Trubeckoi, starb In der
Moldau bilden die Bojaren gegenwärtig
den hohen
Adel, in der
Walachei heißen sie
Boiladen.
russ. bojárin, in der ältesten Zeit in Rußland Mitglied des Standes der Großen, Vornehmen, die zugleich Krieger
waren. Man unterschied Landesbojaren und fürstliche Bojar. Die erstern waren es kraft ihrer Stellung unter ihren Landgenossen
als Großgrundbesitzer, die letztern als die vornehmsten Mannen der Fürsten. Die erstern haben sich nur in Galizien und in
Nowgorod (s. Nowgorod-Weliki) längere Zeit erhalten und es zu größerer Bedeutung gebracht. In
Nowgorod hören sie mit der Vernichtung der Selbständigkeit auf (1478). Im übrigen Rußland gab es vom 13. Jahrh.
an nur noch fürstliche Bojar In der ältesten Zeit standen die Bojar noch den fürstlichen, d. h.
von Rurik abstammenden Geschlechtern im Range nach, später verschmolzen sich die angesehensten fürstl. Familien mit dem
Bojarentum. Der Rang unter den
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Bojar ward nach dem Alter der Familien im Dienste des Staates bemessen. (S. Mestnitschestwo.) Die Stellung der Bojar war nie erblich,
wenn auch gewöhnlich nur Söhne von Bojar diese Stellung erlangten. In der Gefolgschaft (s. Drushina) der Fürsten im 10. bis 12. Jahrh.
spielen die Bojar eine sehr bedeutende Rolle. Als die Fürsten ansässig und Grundeigentümer
wurden, wurden ihre es auch. Ihre Besitzungen bilden die ausgeprägteste Form des Eigentums an Grund und Boden. Daher heißt
noch in späterer Zeit alles in Privatbesitz befindliche Land bojárskaja zemljá., selbst wenn es nicht Bojar, sondern
niedern Dienstleuten gehörte, und die Sklaven hießen bojárzkije ljúdi, auch wenn sie nicht Bojar gehörten.
In den einzelnen russ. Fürstentümern bildete die Gesamtheit der Bojar den Landesverwaltungsrat
des Fürsten. (S. Duma.) In Moskau
[* 4] leiteten unter den ersten Fürsten die erfahrenen Bojar die moskauische Politik. Da die moskauischen
Großfürsten als Oberstatthalter der Mongolenchane die führende Macht unter den russ.
Fürsten waren, so zogen sich die vornehmsten Bojarenfamilien aus den übrigen Fürstentümern nach Moskau und trugen dadurch
wesentlich zur Stärkung Moskaus bei.
Erst Iwan III. suchte sich vom Einfluß der Bojar unabhängig zu machen, ebenso sein Sohn Wassilij III. Während der Unmündigkeit
von dessen Sohn, IwanIV. dem Schrecklichen, wo die Regierung ganz in den Händen der Bojar war, überboten
sich diese gegenseitig in Kabale und Willkürwirtschaft und pflanzten in die Seele des jungen Zaren jene blutdürstigen Triebe,
die sich später so entsetzlich gegen sie kehrten, als er ihre Macht vernichtete und die reine Despotie durchführte.
Übrigens hatten die Bojar nie irgend ein festes bestimmtes Recht beansprucht, sondern stets die absolute
Macht des Großfürsten und Zaren in den Vordergrund gestellt, freilich sollte der absolute Zar nach ihrem Rat regieren. Nach
dem Sturze des ersten falschen Demetrius wurde der Bojar Fürst Wassilij Schuijskij von den und ihrem Anhange zum
Zaren ausgerufen. In seinem Manifest verpflichtete er sich eidlich, die Regierung nach gemeinsamem Rate zu führen. Nach seinem
Sturze übernahmen sieben Bojar die Regierung, ließen sich huldigen und boten Wladislaw, dem Sohne Sigismunds III. von Polen,
die Zarenwürde an. Die Wahlkapitulation kam zu stande, und Moskau erhielt eine poln. Besatzung.
Mit der Verjagung der Polen hatte auch das Bojarenregiment ein Ende; die Heerführer beriefen einen Landestag. Der von diesem
erwählte ZarMichaelRomanow soll den Bojar gegenüber die Verpflichtung übernommen haben, niemand ohne Urteil und Recht zum Tode
zu verurteilen oder seiner Güter zu berauben, die Regierung durch den Bojarenrat führen und nichts ohne
Wissen desselben vornehmen zu wollen. Seinem Sohne Alexei ist eine solche Verpflichtung bei seiner Thronbesteigung von niemand
abverlangt worden; er war eben geborener Zar. Unter ihm kam es auf, daß der Zar oft nur einzelne Bojar zu Beratungen berief und
die wichtigsten Sachen allein entschied, sodaß die Bojaren-Duma an Bedeutung verlor. Peter d. Gr. hob
mit den alten Dienstklassen (s. Dienstleute) die Bojarenwürde dadurch auf, daß er keine Bojar mehr
ernannte. Am starb der letzte russische Bojar, Fürst Iwan Jurjewitsch Trubezkoi.
Bei den Rumänen der Donaufürstentümer führte die Benennung Bojar im frühern Mittelalter eine
Art meist militär. Dienstadels, doch schon zu Anfang des
15. Jahrh. bedeutet dieser Titel ein bestimmtes Staatsamt. Eine Anzahl
von 14 bis 16 Bojar bildete den Rat der Regierung. Diese mußten den Fürsten überall begleiten und Stellvertreter auf ihren
Posten hinterlassen. Im Kriege waren die Bojar Anführer des Heers. Zur Zeit des militär. Verfalls der Fürstentümer
(17. und 18. Jahrh.) wurden die Civilbeamten ebenfalls Bojar genannt. Diese waren aber
Bojarensöhne, die als Großgrundbesitzer unentgeltlich Staatsdienste übernehmen mußten und dadurch auch den Adel in der
Familie erhielten; erblich war der Bojarentitel indessen nie.