Börsensteuer
,
nach der üblichsten Erhebungsform auch als
Stempelsteuer bezeichnet, gehört zu
den Verkehrssteuern (s. d.) und bezweckt, den
Umsatz in börsengängigen Wertgegenständen zu besteuern. Die Börsensteuer
findet ihre
Berechtigung in der
Notwendigkeit, die ihren Zweck nur unvollkommen erreichenden Ertragssteuern (s. d.)
zu ergänzen, diejenigen Erträge zu besteuern, die nicht durch den berufsmäßigen Erwerb, sondern nur
durch vereinzelte Erwerbsakte erzielt werden, und endlich den Erwerb durch
Anfall und Wertzuwachs (Erbschaften, Konjunkturengewinne)
zu treffen. Im besondern rechtfertigt sich die Börsensteuer
dadurch, daß der Verkehr in Wertpapieren nicht günstiger
gestellt sein soll als die sonstigen durch
Stempel u. s. w. belasteten Erwerbsakte.
Das Objekt der Börsensteuer
ist das einzelne
Geschäft, oder richtiger sein Ertrag. Da dieser aber schwierig zu
ermitteln ist, so muß man sich damit begnügen, die
Größe des umgesetzten Wertes zum
Steuerobjekt zu machen und einen mit
der
Größe dieses Wertes wechselnden Betrag zu erheben (prozentuale Börsensteuer
). Diese
Steuer darf mit Rücksicht auf den häufigen
Umsatz der Wertpapiere und die wirtschaftlich notwendige Bereitstellung eines großen Wertpapiermarkts
nicht so hoch sein wie die beim Besitzwechsel von Grundstücken erhobene.
Die Börsensteuer
kann sich an den
Abschluß des
Geschäfts anknüpfen, wobei zur bessern
Kontrolle ein Schlußnotenzwang oder die Einregistrierung
der Geschäftsabschlüsse in ein von der Steuerbehörde oder von dem einzelnen Geschäftsmann zu führendes
Register nötig wird. Sie kann sich aber auch an die
Übergabe der Wertobjekte heften; hierbei ist die
Vereinigung der zu regulierenden
Geschäfte in bestimmten Liquidationskassen (s. d.) oder (bei
Cassageschäften) in Abrechnungsstellen für die
Kontrolle von
erheblicher Bedeutung. Zur Börsensteuer
wird meist auch die Emissionssteuer (bei der ersten
Ausgabe von
Aktien und
Obligationen) gerechnet.
In Deutschland [* 2] waren bis 1881 die Börsengeschäfte nicht besteuert. Das Gesetz vom führte, außer einem Stempel auf Lotterielose (5 Proz.), einen Emissionsstempel von 5 vom Tausend für in- und ausländische Aktien, 2 vom Tausend für in- und ausländische Renten- und Schuldverschreibungen und 1 vom Tausend für die mit staatlicher Genehmigung von Kommunalverbänden u. s. w. ausgegebenen inländischen Renten und Schuldverschreibungen ein. Die eigentlichen Börsengeschäfte (in Waren und Wertpapieren) wurden, sofern Schlußnoten und Rechnungen darüber ausgestellt wurden, mit einem Fixstempel belegt, nämlich 20 Pfg. für Schlußnoten über den Abschluß von Cassageschäften, für Rechnungen, Kontokorrente u. s. w. und 1 M. für Schlußnoten über Zeitgeschäfte.
Die eigentliche Besteuerung der Börsengeschäfte wurde durch das Gesetz vom wesentlich umgestaltet, indem an die Stelle des Fixstempels ein Wertstempel (1/10 vom Tausend bei Effektengeschäften, 2/10 vom Tausend bei Warenumsätzen) gesetzt wurde. Das Gesetz vom das in Kraft [* 3] trat, setzt den Emissionsstempel für inländische Aktien auf 1 Proz., für ausländische Aktien auf 1½ Proz., für inländische Obligationen auf 0,4 Proz., für ausländische auf 0,6 Proz. des Nennwertes fest.
Für Kommunal- und Grundkreditobligationen beträgt der Emissionsstempel nur 0,1, bez. 0,2 Proz. Obligationen des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten sowie Aktien von inländischen gemeinnützigen Unternehmungen sind stempelfrei. Der Kaufstempel auf Schlußnoten ist verdoppelt, d. h. er beträgt bei Effektengeschäften 2/10, bei Warengeschäften 4/10 vom Tausend für jede volle oder angefangene 1000 M. des Kaufpreises. Geschäfte über nicht mehr als 600 M. bleiben steuerfrei.
Für Arbitragegeschäfte wird unter bestimmten
Voraussetzungen eine Ermäßigung des
Stempels zugestanden.
Bei Lotterielosen ist der
Stempel von 5 aus 10 Proz. erhöht. Die zur Anschreibung gelangten Einnahmen aus der Börsensteuer
im
Deutschen
Reich betrugen 1893/94 21 667 028 M. (395 727 M. weniger als 1892/93) auf Wertpapiere 4 166 208 M. (+515 290 M.),
auf
Kauf- und sonstige
Anschaffungsgeschäfte 8 164 790 (-1 155 477 M.), auf Lose zu Privatlotterien 1 479 417 M. (-296 090 M.)
und auf Staatslotterien 7 856 613 M. (+540 550 M.).
In Österreich [* 4] unterliegen die Schlußzettel der Sensale einem festen Stempel von 5 Kr., Auszüge aus den Tagebüchern der Sensale einem festen Stempel von 50 Kr., Urkunden über Lombarddarlehen einem solchen von 10 Kr. (Gesetz vom Durch Gesetz vom ist noch eine besondere Effektenumsatzsteuer für alle ursprünglichen und Prolongationsgeschäfte über Effekten eingeführt worden. Sie beträgt in der Regel 10 Kr. für jeden «einfachen Schluß»; als solcher gilt ein Nominalbetrag bis zu 5000 Fl. Werden solche Geschäfte durch Sensale abgeschlossen, so fällt der feste Stempel von 5 Kr. für jeden Schlußzettel nicht fort.
England belastet die Schlußzettel mit einem festen Stempel von 1 Penny. Für Kapitalsübertragungen, über welche förmliche Urkunden ausgestellt werden, ist ein Wertstempel von 2½ Sh. für je 100 Pfd. St. zu zahlen. Der Bruttoertrag der Quittungssteuer war 1892: 1 142 762 Pfd. St., der des Urkundenstempels 2,4 Mill. Pfd. St.
Frankreich erhebt zunächst eine Emissionssteuer, die für inländische Wertpapiere (einschließlich Zuschlagskautionen) 1,20 Frs. vom Hundert, für ausländische bis zu 500 Frs. Nennbetrag 0,75 Frs. und über 500 Frs. für jedes weitere Tausend oder Bruchteile davon 1,50 Frs. beträgt. Außerdem besteht eine Steuer für die Besitzübertragung (droit de transmission), von der Staatspapiere ausgenommen sind. Endlich ist für die Schlußnoten der Börsenmakler ein Stempel zu entrichten, der für Geschäfte bis zu 10000 Frs. 0,50 Frs. und für die übrigen 1,50 Frs. beträgt.
Der Gesamtertrag dieser drei Steuern war 1891: 65,43 Mill. Frs., wovon auf die Emissionssteuer 22,77, auf die Umsatzsteuer 41,93 und auf den Schlußnotenstempel 0,73 Mill. Frs. entfallen. Seit ist jede Börsenoperation, die den An- oder Verkauf von Werten jeder Art zum Gegenstand hat, einem Stempel von 5 Cent. für je 1000 Frs. des Betrags unterworfen. Die gewerbsmäßigen Vermittler solcher Geschäfte müssen jede Operation in ein vom Präsidenten oder einem Richter des Handelsgerichts zu visierendes Verzeichnis eintragen und dies auf Verlangen vorlegen.
Italien [* 5] hat eine Umsatzsteuer ähnlich dem franz. Abonnement, die 1,20 Lire für je 1000 Lire des ¶
mehr
emit-329 tierten, nach dem durchschnittlichen Kurswert des vorangegangenen Jahres zu berechnenden Kapitals ausmacht. Bei ausländischen Gesellschaften wird nur der für Geschäfte in Italien bestimmte Teil des Kapitals in Ansatz gebracht. Ferner wird von den Vorschußgeschäften der Sparkassen und ähnlicher Anstalten eine halbjährige Steuer von 1,20 Lire vom Tausend erhoben. Die Schlußzettel über Effekten- und über die an der Börse abgeschlossenen Warenumsätze haben einen festen Stempel zu zahlen, der bei Cassageschäften 50 Cent., bei Zeitgeschäften 2 Lire beträgt. Der Gesamtertrag dieser Steuer war durchschnittlich 1877-85 3,5, 1888-89 7,1 Mill. Lire.