Böhmische
Bäder, s. Böhmen, S. 135.
160 Wörter, 1'245 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Bäder, s. Böhmen, S. 135.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Bäder. Böhmen ist reich an kohlensäurehaltigen, durch Auslaugung der Gesteine mehr oder weniger reichlich mit Salzlösungen geschwängerten Quellen von warmer oder kalter Temperatur. Man zählt deren mehrere Hunderte, von denen aber nur ein Teil als Heilquellen benutzt wird. Unter letztern befinden sich mehrere der berühmtesten Kurorte «Europas. Die wichtigsten der sog. Böhmische sind: 1) Karlsbad, heiße alkalische Glaubersalzquelle; 2) Marienbad, kalte desgleichen; 3) Franzensbad, desgleichen kalt und eisenreich; 4) Teplitz, warme und laue alkalische (Natron-)Quelle; 5) Wartenberg, ein Kaltwasserbad von steigendem Rufe; 6) Johannisbad, am Südfuße der Schneekoppe. Ferner: die Stahlquellen von Stecknitz, Sternberg, Tetschen, Mariaschein u. s. w., der zum Sudetengebirge gehörige alkalisch-salinische Eisensäuerling von Liebwerda, der dem Selterser Wasser ähnliche alkalische Säuerling von Gießhübel bei Karlsbad, der natronreiche Säuerling von Bilin bei Teplitz, die mehr künstlich durch Auslaugen der verwitterten Basalte erzeugten Bitterwässer von Seidschütz, Sedlitz und Püllna. - Vgl. Kisch, Die Heilquellen und Kurorte Böhmens (Wien 1879) und die einzelnen Artikel.
(tschech. Cechy, zeme ceská; hierzu Karte »Böhmen, Mähren etc.«), Königreich und Kronland des österreich. Kaiserstaats, liegt zwischen 48° 33' bis 51° 4' nördl. Br. und 12° 20' bis 16° 46' östl. L. v. Gr., grenzt südwestlich an Bayern, nordwestlich an das Königreich Sachsen, nordöstlich an Preußen (Schlesien), südöstlich an Mähren und Niederösterreich, südlich an Oberösterreich und umfaßt ein Areal von 51,948,2 qkm (943,43 QM.), also 17,3 Proz. des österreichischen Staats.
Das Land hat eine eigentümliche, bestimmt abgeschlossene Lage durch die Gebirge, von denen es rings umgeben wird, und die ziemlich genau mit den politischen Grenzen zusammenfallen. Auf der Südwestgrenze steht das Böhmerwaldgebirge, von dessen höchsten Spitzen der Kubani (1357 m), der Plöckelstein (1383 m), der Mittagsberg (1341 m) und der Große Osser (1295 m) Böhmen angehören, und damit gleichlaufend auf der Nordostseite die Glieder des sudetischen Systems: das Adlergebirge oder die Böhmischen Kämme als südlichster Teil dieses Zugs mit der Deschnaer Kuppe (1111 m), das Riesengebirge mit Schneekoppe (1601 m), Brunnberg, Sturmhaube, Krkonosch und das Isergebirge mit der Tafelfichte (1124 m), dem sich nördlich das Lausitzer Bergland mit dem Jeschkenberg (1013 m) und der Hohen Lausche (797 m) anschließt. Beide Gebirgszüge werden durch Querzüge verbunden, an der Nordwestgrenze durch das steil abfallende Erzgebirge, dessen Hauptrücken größtenteils Böhmen angehört, mit dem Keilberg (1275 m) und dem Spitzberg (1107 m), und den südwestlich daran stoßenden Teil des Fichtelgebirges; im SO. durch das Mährische Hügelland, das sich ohne Gebirgsrücken auf der Grenze gegen Mähren hinzieht, nach beiden Seiten sanft abfallend und die Wasserscheide zwischen March und Elbe bildend. Das Innere dieses so eigentümlich geschlossenen Landes bildet ein im ganzen einförmiges Hoch- und Gebirgsland, dessen Gestalt durch drei weithin vom Böhmerwald nordöstlich bis zur Elbe gedehnte und allmählich sich senkende Bergplatten bestimmt wird, und das man daher am geeignetsten als ein Terrassenland auffaßt. Die erste dieser böhmischen Terrassen, die der Länge nach durch vielfach gewundene Flußthäler voneinander getrennt sind, der Quere nach aber alle drei von der Moldau in tiefer Thalfurche durchschnitten werden, ist die nördliche, die südlich vom Egerthal mit steilem Rand aufsteigt, hier im Engelhäuser Berg bei Karlsbad 662 m Höhe erreicht und sich dann zwischen Eger und Elbe einerseits und der Mies, Beraun und Sazawa anderseits südöstlich bis an die mährischen Hügel erstreckt. Westlich von der Moldau ist diese Terrasse ein hügeliges Plateau, dessen Flächen am Böhmerwald zu 450-600 m aufsteigen, während sie sich zur Moldau auf 260-200 m senken. Die darauf stehenden isolierten Kuppen erheben sich im W. bis 650, im O. bis 400 m über die Moldau. Östlich von der letztern hat das Hügelland kaum eine mittlere Höhe von 320 m. Südlich von der Mies, der Beraun und Sazawa steigt dann die mittlere Terrasse an, die sich bis zum Thal der Wotawa und zur mittlern Luschnitz erstreckt und mehr als die erste den Charakter einer Gebirgsgegend trägt. Die Höhen sind rauher, die Gipfel ansehnlicher, die Thäler tiefer eingeschnitten. Die bedeutendste Erhebung ist der Trzemschinberg (836 m), von dem nordöstlich der 500-600 m hohe Rücken des Brdywaldes mit dem Komorsko (677 m), sich allmählich senkend, zum Moldauthal zieht. Die Hügellandschaften um die Luschnitz haben Höhen von ca. 700 m. Zwischen der obern Wotawa und der obern Luschnitz und dem Böhmerwald mit dem Greinerwald zieht sich endlich die dritte, die südliche böhmische Terrasse hin, innerhalb deren sich der Schöninger Berg (1080 m) im Blansker Wald erhebt. Außerdem sind in orographischer Beziehung noch das Sandsteinplateau von Dauba, zwischen Iser und Elbe, das Gitschiner Plateau, östlich von jenem, und das Mittelgebirge zu erwähnen, das, als selbständige Gebirgsgruppe zwischen der Elbe, Biela und der untern Eger parallel mit dem Erzgebirge westlich bis Brüx sich erstreckend, im Phonolithkegel des Milleschauer oder Donnersbergs 836 m Höhe erreicht und auch noch auf der rechten Elbseite als sogen. Kegelgebirge bis gegen Sandau und Graber fortsetzt. Breite Thäler hat Böhmen wenige; die Wasserläufe durchziehen meist enge Schluchten. Auch die Ebenen sind nicht von großer Ausdehnung. Erwähnung verdienen: die kleine Launer und Theresienstädter Ebene an der Eger und die Georgenthaler Ebene im ehemaligen Saazer Kreis, mit 130-160 m Meereshöhe; der Elbkessel zwischen der Adler- und der Isermündung, 190-230 m; das Becken von Pilsen, 290 m; die Budweiser und die von Teichen erfüllte Wittingauer Ebene mit 390 m mittlerer Höhe.
In geognostischer Hinsicht besteht das böhmische Gebirgssystem seiner Hauptmasse nach aus Urgebirge, namentlich in dem das Land umgebenden Gebirgskranz und in der südlichen Hälfte des Königreichs.
Der Böhmerwald besteht aus kristallinischen Schiefern, unter welchen der Gneis vorwiegt. Das Gleiche gilt vom Erzgebirge, während im Elbgebirge der Quadersandstein oder Grünsand mit dem dazu gehörigen Mergel und Kalkstein, im Lausitzer Gebirgsland der Granit die größte Rolle spielt. Das Mittelgebirge bilden ansehnliche Basalt- und Klingsteinmassen sowie isolierte Basaltkuppen, welche aus den kristallinischen Schiefern und dem Quadersandstein emporsteigen. In den Sudeten, welche wieder größtenteils aus kristallinischen Schiefern zusammengesetzt sind, haben ebenfalls einige Basalterhebungen stattgefunden. Auch das böhmisch-mährische Grenzgebirge samt den mit ihm verbundenen Bergzügen gehört derselben Gebirgsformation an und wird in der Richtung von Neuhaus nach Grein von einem mächtigen Granitzug und westwärts der Zwittawa von einem Syenitrücken durchzogen. Auch laufen mehrfach Streifen des roten Sandsteins durch dasselbe.
Häufig kommt in diesem Gebirgssystem die Kohlenformation vor. Bei Prag sind in einer räumlich nicht sehr ausgebreiteten beckenartigen Versenkung silurische Schichten abgelagert, die durch ihren Reichtum an Versteinerungen eins der instruktivsten geologischen Gebiete Europas bilden. Unter den zahlreichen Tertiärbecken im Innern des Landes treten besonders vier größere hervor: das Becken von Wittingau, das des obern Egerlandes, dem sich westlich das Falkenauer Becken anschließt, das Becken von Komotau und Teplitz, endlich im äußersten Norden das Becken von Zittau. Diluvial- und Alluvialbildungen bedecken die Thalgründe und selbst
Maßstab 1:1,700,000
Österreich-Schlesien.
Zum Artikel »Böhmen«.
die Berge bis zu beträchtlicher Höhe. Die Torfbildung tritt in ausgedehntem Maß besonders auf dem Böhmerwald auf. Unverkennbare Spuren vulkanischer Thätigkeit sind, außer dem häufigen Vorkommen von vulkanischem Gestein, besonders die mächtigen Ausströmungen von kohlensaurem Gas in vielen Gegenden (z. B. in Bilin, Eger, Marienbad, Franzensbad etc.), die Überreste früher thätiger Vulkane (wie des seltsam gestalteten Kammerbühls bei Eger) sowie endlich die unverkennbar vulkanische Bildung des Mittelgebirges und der Reichtum an Mineralquellen, die jenem Bereich angehören und dem Vulkanismus ihr Dasein verdanken dürften. Man zählt deren mehr als hundert, obschon nur ein Teil benutzt wird. Weltberühmt sind die heißen Quellen zu Karlsbad und Teplitz-Schönau, von den kalten die Eisenquellen zu Franzensbad, Königswart, Liebwerda, die alkalischen zu Bilin und Gießhübel, die Glauber- und Bittersalzquellen zu Marienbad, Püllna, Seidschütz, Sedlitz, die sämtlich nicht bloß stark besucht werden, sondern ihre Wasser auch nach allen Weltgegenden versenden. Andre Heilquellen sind noch zu Johannisbad, Sangerberg, Neudorf, Tetschen, Mariaschein, Mscheno, Sternberg, Dobritschau, Libnitz u. a. Bemerkenswert sind auch die reichen Moorlager von Franzensbad und Marienbad. Vgl. Kisch, Die Heilquellen und Kurorte Böhmens (Wien 1879), und die betreffenden Artikel.
Hinsichtlich seiner Gewässer gehört das Land fast ausschließlich dem Elbgebiet an (und zwar durch die Elbe selbst in ihrem Oberlauf bis zum Durchbruch durch das Elbsandsteingebirge und durch die bei Melnik in sie mündende Moldau, den zweiten Hauptstrom Böhmens), während die Donau und die Oder nur durch sehr unbedeutende Quellgebiete im SO. und NO. einigen Teil am böhmischen Boden haben. Die Elbe, die hier bereits schiffbar wird, nimmt in Böhmen unmittelbar aus: rechts die Cidlina, Iser und Pulsnitz (Polzen), links die Aupa, Mettau, Adler, Moldau, Eger und Biela. Der Moldau fließen zu: rechts die Maltsch, Luschnitz und Sazawa, links die Wotawa und Beraun. Unter den wenigen zur Oder fließenden Gewässern sind die Lausitzer Neiße bei Reichenberg (mit der Wittich) und die Steine bei Braunau nennenswert; zum Donaugebiet gehören die an der mährischen Grenze fließende Mährische Sazawa, die Zwittawa und Iglawa, die zur March gehen. Seen und zwar nur unbedeutende hat Böhmen im Böhmerwald (der Deschenitzer oder Schwarze See, der Teufelssee bei Eisenstein, der Lakasee, Plöckelsteiner See etc., alle in Höhen von 900-1200 m); zahlreicher sind Teiche, die, obschon neuerdings viele (z. B. die großen Teiche bei Pardubitz) abgelassen worden sind, doch noch etwa 400 qkm einnehmen, und deren größter der Rosenberger Teich (5,8 qkm) ist. Von Kanälen ist der Schwarzenbergsche Schwemmkanal zu bemerken, welcher die Zuflüsse der Moldau mit dem Mühlflüßchen in Oberösterreich verbindet, um das Holz des Böhmerwaldes zur Donau zu schaffen. Die klimatischen Verhältnisse Böhmens sind im allgemeinen denen Mitteldeutschlands gleich (mittlere Temperatur von 8° C.), doch greift die Bodengestaltung sehr gewichtig zur Hervorbringung eigentümlicher Erscheinungen ein. Der höhere Süden ist rauher als der tiefere Norden, die Gebirgsgegend kälter als die geschützte Ebene; im Erzgebirge gibt es einige Gegenden, wo das Getreide nicht mehr reift, ebenso im Böhmerwald, während in den tiefern Gegenden an der Moldau und Elbe der Wein gedeiht. Im ganzen ist aber Böhmen durch großen Produktenreichtum ausgezeichnet und muß zu den ergiebigsten Ländern Europas gerechnet werden.
Die Produkte des Mineralreichs, dessen Schätze schon seit Jahrhunderten ausgebeutet werden, sind sehr reich und mannigfaltig. Böhmen lieferte 1883 an Silber 32,511 kg (aus 127,327 metr. Ztr. Silbererz), hauptsächlich zu Pribram. Blei (1883: 5649 metr. Ztr. aus 24,142 metr. Ztr. Erzen) und Bleiglätte (39,434 metr. Ztr.) werden vorzüglich zu Mies und Přibram gewonnen, Zinn (359 metr. Ztr.) im Erzgebirge, Antimon (1313 metr. Ztr.) im südlichen Böhmen (Mileschan). In kleinern Quantitäten werden Wismut und Nickel gewonnen. An Frischroheisen wurden 1883: 754,436 metr. Ztr., an Gußroheisen 128,756, in Summa 883,192 metr. Ztr., erzeugt, gegen die in den letzten Jahren gesunkene Produktion wieder ein Fortschritt. Das hauptsächlichste Eisenerz in Böhmen ist ein dichter, linsenförmig-körniger Roteisenstein, thoniger und ockeriger Brauneisenstein, Thon- und Raseneisenstein. Hauptlager sind bei Kruschnahora und Nutschitz, dort mit 40, hier mit 50 Proz. haltigem Erz. Das Erz wurde in 13 Hochöfen (hauptsächlich zu Kladno und Königshof bei Beraun; 22 Hochöfen standen kalt) verhüttet, wobei 3623 Arbeiter beschäftigt waren. Ferner wurden 1883 gefördert: Uranpräparate (zu Joachimsthal, 20 metr. Ztr.), Mineralfarben (8737 metr. Ztr.), Schwefel (1767 metr. Ztr.), Schwefelsäure und Oleum (113,382 metr. Ztr.), Graphit (bei Oberplan, 74,221 metr. Ztr.), Alaun (in Altsattel, Münchdorf, Habersbirk etc., 17,324 metr. Ztr.), Vitriolstein (36,562 metr. Ztr.) und Eisenvitriol (in Altsattel, Lukawitz, Littmitz etc., 17,998 metr. Ztr.). Sehr reich ist an fossiler Kohle, und zwar findet sich Steinkohle hauptsächlich in den Becken von Kladno-Schlan-Rakonitz, von Pilsen und von Schatzlar-Schwadowitz, Braunkohle in dem ausgedehnten und ergiebigen Becken am südlichen Abhang des Erzgebirges. Die Ausbeute an Steinkohle beträgt 35 Mill., die an Braunkohle 72 Mill. metr. Ztr., namentlich letztere Produktion ist in fortwährender Steigerung begriffen (sie betrug 1862 kaum 8 Mill. metr. Ztr.). Auch die großen Torflager auf den sumpfigen Hochebenen werden jetzt ausgebeutet. Ferner gewinnt man Galmei, Zinnober, Porzellanerde, schöne Bau-, Mühl- und Schleifsteinarten, mehrere Arten Edel- und Halbedelsteine (in den nordöstlichen Gebirgen), insbesondere die berühmten böhmischen Granaten (Pyrope), Saphire, Topase, Chalcedone, Opale, Jaspis und Achate (bedeutende Schleiferei in Turnau). Dagegen fehlt es Böhmen gänzlich an Kochsalz. Der Gesamtwert der Berg- und Hüttenproduktion Böhmens nach Abzug des Werts der verhütteten Erze belief sich 1883 auf 29,38 Mill. Fl., d. h. 41,7 Proz. des Werts der gesamten Bergwerksproduktion Österreichs. Der Arbeiterstand betrug 1883 beim Bergbau 43,016 Menschen (davon 18,751 beim Steinkohlen-, 16,004 beim Braunkohlen-, 5554 beim Silberbergbau) und bei den Hüttenwerken 4530. Zur Administration des Bergbaues ist in neun der Berghauptmannschaft in Prag unterstehende Reviere geteilt. Die Waldungen, 15,060 qkm einnehmend und meist aus Fichten, seltener aus Buchen und Eichen bestehend, sind vom trefflichsten Bestand und meist Eigentum der Großgrundbesitzer (Fürst Schwarzenberg allein besitzt 740 qkm). Die größten zusammenhängenden Waldflächen finden sich im Böhmerwald.
Hier, wo zahlreiche Glashütten und Eisenwerke Unmassen von Holz verschlingen, blüht vor allem das
Köhlergeschäft. Aber auch das Riesen-, das Iser- und Erzgebirge sind sehr waldreich, und das Innere Böhmens besitzt im Brdywald, im Pürglitzer und Schwarzkosteletzer Wald nicht minder umfangreiche Waldungen. Der durchschnittliche jährliche Holzzuwachs beläuft sich aus mehr als 5 Mill. Festmeter, davon 57 Proz. Brennholz und 43 Proz. Bau- und Nutzholz. Der Gesamtwert des Realbesitzes und Kulturlandes in Böhmen wurde 1871 aus 2435 Mill. Fl., der landwirtschaftliche Ertrag des Bodens auf 459 Mill. Fl. berechnet.
Von wilden Tieren trifft man vereinzelt noch die wilde Katze an; überall ist der Dachs verbreitet, der Hamster wird, je weiter südöstlich, desto seltener. Obschon der Wildstand bedeutend gesunken, kann sich doch schwerlich die Jagd irgend eines andern deutschen Landes mit der böhmischen messen. Man hat 59 Tiergärten und 160 Fasanerien, in welchen Wild in großer Menge gehegt wird. Im J. 1881 wurden an Nutzwild 11,499 Stück großes und 418,344 Stück kleines Haarwild, dann 488,333 Stück Federwild, an Raubwild 11,925 Stück Haarwild und 33,414 Stück Federwild geschossen. Gleich bedeutend ist die Teichwirtschaft, obschon man zahlreiche Teiche in Äcker und Wiesen umgewandelt hat. Die Wittingauer Teiche, wo noch der Biber künstlich gehegt wird, bedecken allein über 50, die Frauenberger über 25 qkm. Den Ertrag der Teichfischerei schätzt man auf jährlich 15,000 metr. Ztr.
In Bezug auf die Zahl der Bevölkerung nimmt unter den österreichischen Ländern die zweite Stelle (nach Galizien), in Bezug auf die Dichtigkeit derselben die dritte (nach Niederösterreich und Schlesien) ein. Das Königreich war am Schluß des Dreißigjährigen Kriegs von kaum 800,000 Menschen bewohnt; 1772 zählte man 2,314,795, 1800 über 3 Mill., 1846: 4,417,025, 1857: 4,705,527 Einw. Ende 1869 betrug die Bevölkerung 5,140,544, Ende 1880 aber 5,560,819 Seelen. Die Vermehrung betrug in der Periode 1857-69 jährlich 0,74, 1869-80 jährlich 0,71 Proz. Die Ergebnisse der Bevölkerungsbewegung sind günstige zu nennen; 1883 kamen auf 1000 Bewohner 8 Trauungen, 38 Lebendgeborne und 29 Sterbefälle; auf 1000 Geburten kamen 125 Uneheliche und 29 Totgeborne. Die Dichtigkeit der Bevölkerung beträgt jetzt pro Quadratkilometer 107 Bewohner. Am dichtesten sind die nördlichen Bezirkshauptmannschaften Rumburg, Schluckenau, Gablonz und Reichenberg, am dünnsten die südwestlichen Gegenden (Kralowitz, Krumau, Wittingau, Kaplitz) bevölkert. Die Bevölkerung Böhmens verteilte sich 1880 in 7002 Gemeinden und 13,286 Ortschaften (darunter 380 Städte und 225 Marktflecken), wonach in Hinsicht auf die Zahl der Orte unter allen Ländern des österreichischen Staatenkomplexes den ersten Rang einnimmt. Der Nationalität nach sind 37 Proz. der Bevölkerung Deutsche, gegen 2 Proz. Israeliten (94,450 Seelen), 61 Proz. Slawen (Tschechen, s. d.), die etwa seit Ende des 5. Jahrh. hier seßhaft sind und ihre eigne slawische Sprache (s. Tschechische Sprache und Litteratur) bewahrt haben. Sie nehmen die ganze Mitte sowie den Osten und Südosten des Landes ein, wo sie sich an ihre Stammesgenossen in Mähren anschließen, während sie sonst ringsum von der deutschen Bevölkerung Böhmens (2 Mill.), welche die Grenzgebiete bewohnt, umgeben sind. Schon von Riedersdorf (bei Landskron) an bewohnen die Deutschen gegen N. in schmalem Streifen die Grenzen Böhmens gegen Mähren und die Grafschaft Glatz. Bei Nachod schieben sich Tschechen dazwischen, selbst bis auf preußisches Gebiet. Von Braunau im Königgrätzer Kreis zieht sich die deutsche Grenzbevölkerung in geschlossenen Massen und weitem Bogen nach W., von danach S. bis über Gratzen und nach einem kurzen Übertritt der Sprachscheide nach Niederösterreich (bei Schrems) über Neubistritz und Neuhaus hinab. Die größte Breite dieses 830 km langen deutschen Grenzgürtels beträgt im N. 80, im W. ca. 100 km; die schmälste Stelle befindet sich bei Klentsch im Böhmerwald, wo die Deutschen aus einen kaum 1 km ins Land gehenden Streifen beschränkt sind. Eine Sprachinsel der Tschechen im deutschen Gebiet findet sich bei Mies, wogegen die Deutschen viel zahlreichere und bedeutendere Sprachinseln im tschechischen Gebiet bilden, so die der Schönhengstler um Landskron, Abtsdorf, Brünnlitz, die von Stecken (im Anschluß an die Iglauer Sprachinsel in Mähren), von Budweis, Prag und Umgebung u. a. Im übrigen wohnen Deutsche zerstreut in allen Gegenden des Landes, namentlich in den größern Städten. Wenn man bedenkt, daß die Deutsch-Böhmen gegenüber den Tschechen, trotz der relativ hohen Bildungsfähigkeit der letztern unter den slawischen Völkerschaften, doch einen Vorsprung, ein Übergewicht in kultureller und intellektueller Beziehung haben, daß die industrielle Produktion, der Handel und das Verkehrswesen vorzugsweise in den Händen der Deutschen sind, und daß diese endlich an ihren Stammesgenossen in und außerhalb Österreichs einen festen Stützpunkt finden, so wird man trotz der größern Zahl der Tschechen Böhmen doch nicht als ein Land mit vorwaltend slawischen, tschechischem, Charakter ansehen können. Ebensowenig ist von einer Vermischung der beiden Nationen die Rede; dieselben stehen sich vielmehr in neuerer Zeit mehr denn je als national und politisch streng gesonderte Parteien gegenüber, ein Verhältnis, das allerdings der Förderung der Interessen des von der Natur so glücklich bedachten und noch einer reichen Entwickelung fähigen Landes nicht zuträglich ist.
Dem religiösen Bekenntnis nach gehören 96 Proz. der gesamten Bevölkerung (5,339,421) dem Katholizismus an, 2 Proz. (120,000) den evangelischen Konfessionen (der Helvetischen die größere Hälfte); die Bekenner der Augsburger Konfession sind am zahlreichsten im ehemaligen Egerer, die der Helvetischen im Chrudimer Kreis.
Das Unterrichtswesen hat sich in Böhmen, im Vergleich zu andern Kronländern Österreichs, ansehnlicher Resultate zu erfreuen. Im J. 1880 bestanden 4782 Volks- und Bürgerschulen (2244 deutsche, 2532 tschechische und 6 gemischte) mit zusammen 16,129 Lehrern, 846,903 schulpflichtigen und 845,585 schulbesuchenden Kindern. Gymnasien und Realgymnasien zählte das Land 1881: 51 (21 mit deutscher, 30 mit tschechische Unterrichtssprache), zusammen mit 938 Lehrern und 15,808 Schülern; Realschulen 17 (9 mit deutscher, 8 mit tschechische Unterrichtssprache), zusammen mit 337 Lehrern und 5048 Schülern. Ferner bestehen 12 Lehrer- und 3 Lehrerinnenbildungsanstalten in Böhmen Hochschulen sind die Universität zu Prag (1348 gestiftet), von welcher 1882 eine besondere tschechische Universität abgetrennt wurde, 1884 bis 1885 mit zusammen 184 Lehrern und 3218 Studenten (1450 an der deutschen Universität) und einer Bibliothek von 150,000 Bänden, die deutsche und die tschechische technische Hochschule zu Prag (zusammen 1884-85 mit 64 Lehrern und 857 Studierenden); Spezialschulen sind: 2 Handelsakademien (Prag), die Bergakademie zu Přibram, 4 theologische