Titel
Böhmer
,
1) Johann Friedrich, deutscher Geschichtsforscher, geb. zu Frankfurt [* 2] a. M., studierte in Heidelberg [* 3] und Göttingen [* 4] die Rechte, wandte sich aber bald geschichtlichen Studien zu. Nach längerm Aufenthalt in Italien [* 5] ward er 1822 Bibliothekargehilfe und Mitadministrator des Städelschen Kunstinstituts, 1823 Sekretär [* 6] der Gesellschaft für Deutschlands [* 7] ältere Geschichte, 1825 Archivbeamter und 1830 erster Bibliothekar in Frankfurt. In Italien für die Romantik gewonnen, schwärmte er für das Mittelalter, haßte Preußen [* 8] und den Protestantismus als Ursachen der deutschen Zerrissenheit und hatte eine lebhafte Vorliebe für Österreich [* 9] und die katholische Kirche, obwohl er nicht zu ihr übertrat.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Fremder freigebig unterstützend, widmete er sich selber vorzugsweise der Sammlung der Quellen der mittelalterlichen Geschichte Deutschlands und durchforschte zu diesem Behuf Bibliotheken und Archive Deutschlands, Italiens, [* 10] Frankreichs und der Niederlande. [* 11] Als Resultat dieser seiner Bemühungen erschienen zuerst: »Urkunden der römischen Könige und Kaiser von Konrad I. bis Heinrich VII., 911-1313, in kurzen Auszügen« (Frankf. 1831);
dann: »Die Reichsgesetze von 900 bis 1400« (das. 1832);
»Urkunden sämtlicher Karolinger« (das. 1833);
»Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt« (das. 1836, Bd. 1);
»Urkunden Ludwigs des Bayern, [* 12] König Friedrichs des Schönen und König Johanns von Böhmen« [* 13] (das. 1839; mit 3 Ergänzungsheften, das. 1841, Leipz. 1846 und Innsbr. 1865);
ferner: »Regesten des Kaiserreichs unter Heinrich Raspe, Wilhelm, Richard, Rudolf, Albrecht und Heinrich VII., 1246-1313« (Stuttg. 1844; nebst 2 Ergänzungsheften, das. 1849 u. 1857);
»Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., Heinrich VI. und Konrad IV., 1198-1254« (das. 1847-1849, 2 Bde.; neu hrsg. von Ficker, Innsbr. 1879 ff.);
»Wittelsbachische Regesten« (Stuttg. 1854).
Außerdem sammelte in den
»Fontes
rerum germanicarum« (Stuttg. 1843-68, Bd.
1-4) Geschichtsquellen des 12. und 13. Jahrh. Böhmer
starb Aus seinem
Nachlaß erschienen namentlich die wertvollen
»Acta imperii selecta« (Innsbr. 1866-1868, hrsg.
von J.
^[Julius]
Ficker);
»Die Regesten des Kaiserreichs unter Karl IV.« (hrsg. von Huber, das. 1874-1876);
»Die Regesten der Erzbischöfe von Mainz« [* 14] (hrsg. von Will, das. 1878 ff.);
»Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern« (neu bearbeitet von Mühlbacher, das. 1880 ff.).
Seine kleinern Schriften und Briefe, mit Biographie, wurden herausgegeben von Janssen (Freib. i. Br. 1868, 3 Bde.).
2) Georg Wilhelm Rudolf, protest. Theolog, geb. zu Burg bei Magdeburg, [* 15] studierte in Berlin, [* 16] habilitierte sich 1824 daselbst in der theologischen Fakultät, wurde 1825 außerordentlicher Professor zu Greifswald, [* 17] 1828 zu Halle, [* 18] 1830 ordentlicher Professor zu Greifswald, 1832 zu Breslau, [* 19] wo er starb. Seine Hauptschriften sind: »Die christlich-kirchliche Altertumswissenschaft« (Berl. 1836-39, 2 Bde.);
»Die christliche Dogmatik oder Glaubenswissenschaft« (Bresl. 1840-43, 2 Bde.);
»Theologische Ethik« (das. 1847, Bd. 1);
»System des christlichen Lebens« (das. 1853);
»Die Lehrunterschiede der katholischen und evangelischen Kirche« (das. 1857-63, 2 Bde.).
3)
Eduard,
Romanist und Theolog, geb. zu
Stettin,
[* 20] studierte seit 1846 in
Halle und
Berlin
Theologie und
Philologie, habilitierte
sich 1854 für
Theologie in
Halle, erhielt 1866 daselbst eine außerordentliche, 1868 die ordentliche Professur
für romanische
Philologie und ward 1872 in gleicher
Eigenschaft an die neubegründete
Universität zu
Straßburg
[* 21] berufen. Seit 1879 emeritiert,
lebt er gegenwärtig in
Wien.
[* 22] Die erste
Publikation Böhmers
war der noch ungedruckte »Tractatus de
Deo et
homine etc.« von
Spinoza
(Halle 1852),
den er in Holland aufgefunden hatte. Auf theologischem Gebiet veröffentlichte er außerdem: »Über die Apokalypse des Johannes« (Halle 1855);
»Das erste Buch der Thora« (das. 1862);
eine Ausgabe von »Sleidanus' Reden an Kaiser und Reich« (Stuttg. 1878, Litterarischer Verein) sowie verschiedenes über die reformatorischen Bewegungen in Spanien, [* 23] wie das aus Originalakten der spanischen Inquisition geschöpfte Werk über den Prozeß des Franziskaners Franc. Ortiz (Leipz. 1865) und die Schrift »Spanish reformers of two centuries from 1520« (Straßb. 1874-83, Bd. 1 u. 2).
Mit
Giesebrecht gab er 1864-65 die
Zeitschrift »Domaris« heraus. Als
Schriftführer der
Deutschen
Dante-Gesellschaft
gab Böhmer
ferner mit
Witte die drei ersten
Bände des »Jahrbuchs« derselben heraus (Leipz.
1867-70),
die auch Beiträge von ihm enthalten, neben welchen seine Schriften über Dantes »Monarchia« und »De vulgari eloquentia« (Halle 1868) zu erwähnen sind. Noch andre Publikationen sind: »Über die provençalische Poesie der Gegenwart« (Halle 1870); ¶
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eine Ausgabe des altfranzösischen »Rolandsliedes« (»Roncesval«, das. 1872) und die 1871 von ihm begründete Zeitschrift »Romanische Studien«, die wertvolle Aufsätze meist lautgeschichtlichen Inhalts von ihm enthält.