Franz Magnus, Musikhistoriker, geb. zu Willerstedt bei
Weimar,
[* 2] seit 1878
Lehrer
am Hochschen Konservatorium in
Frankfurt
[* 3] a. M., veröffentlichte ein wertvolles
«Altdeutsches Liederbuch» (Lpz. 1877): ferner
«Geschichte des Tanzes in
Deutschland»
[* 4] (ebd. 1886),
«Die Geschichte des Oratoriums» (2. Aufl., Gütersloh
1887).
Zur Zeit (1892) lebt in
Berlin,
[* 5] mit der Ordnung des Erkschen Nachlasses beauftragt.
oder
Böhm,
Jakob, Philosophus Teutonicus genannt, Theosoph und
Mystiker, geb. 1575 zu Altseidenberg bei
Görlitz,
[* 6] der Sohn eines armen
Bauern, blieb
bis in sein 10. Jahr ohne allen Unterricht.
Schon in dieser Zeit regte sich, in dem Anschauen
einer reichen Natur, eine lebendige
Einbildungskraft und ein tiefes frommes Gefühl in ihm, sodaß er
sich einer höhern Eingebung teilhaftig hielt. Seine Eltern ließen ihn darauf das Schuhmacherhandwerk erlernen. Auf seiner
Wanderschaft wurde er wohl zuerst mit
den im
Volke umlaufenden, gegen die herrschende
Orthodoxie vielfach polemischen
Gedanken
der deutschen
Mystik (s. d.) vertraut; die damals in
Sachsen
[* 7] herrschenden Streitigkeiten über den Kryptocalvinismus
beschäftigten ihn sehr.
Nach
Görlitz zurückgekehrt, ward er 1594
Meister daselbst. Mehrere Entzückungen und
Gesichte, welche sein religiöses Gemüt
einer unmittelbaren Einwirkung
Gottes und
Erleuchtung durch den
HeiligenGeist zuschrieb, bestimmten ihn, die Feder zu ergreifen.
Seine erste
Schrift:
«Aurora, oder die Morgenröte im
Aufgang» (1612 verfaßt, zuerst 1634 im
Auszuge gedruckt),
enthält seine Offenbarungen und
Anschauungen über Gott, Menschheit und Natur, und aus ihr, wie aus seinen übrigen
Schriften,
leuchtet eine vertraute Bekanntschaft mit der
Bibel
[* 8] hervor. Doch scheint er auch gelehrte
Schriften, z. B. einige Flugblätter
des Paracelsus und namentlich auch
Schriften von
ValentinWeigel (s. d.) gekannt zu haben. Die Geistlichkeit
in
Görlitz feindete ihn wegen des
Buches an, ließ ihn vor Gericht ziehen und verdammte das
Buch, während an Böhme selbst nichts
Sträfliches gefunden wurde. In die Zeit von 1619 bis zu seinem erfolgten
Tode fällt die Abfassung der übrigen
Werke.
Das Charakteristische der
Lehre
[* 9] B.s ist die vollständige Verschmelzung von
Mystik und Naturphilosophie:
die religiösen Grundgedanken, welche sich aus der gläubigen Betrachtung des Verhältnisses der individuellen, der
Sünde
anheimfallenden und durch die
Gnade erlösten Seele zu der allheiligen Gottheit entwickelt hatten, werden für B.s großartig
phantastische Weltanschauung die
Kategorien, durch welche er auch den gesamten Naturprozeß, das Hervorgehen
der natürlichen Welt aus dem göttlichen Wesen, ihren
Abfall von demselben, ihre dereinstige Verklärung zu begreifen hofft.
Das Wichtigste ist dabei, daß Böhme den ursprünglichen Gegensatz, aus dem alles abgeleitet werden soll, in die
Gottheit selbst verlegt. So verwandelt sich diese mystische
Metaphysik in ein religiöses Gedicht, welches
die Selbsterzeugung der Gottheit als die metaphysische
Vorgeschichte des Weltlebens behandelt, und das bewegende Princip derselben
besteht in der Grundvoraussetzung, daß das Positive der Negation, das
Heilige derSünde, die Gottheit der Welt, die Liebe
des Zorns ebenso wie das Licht
[* 10] der Finsternis bedürfe, um «offenbar» zu
werden.
Von seinen
Schriften sind hervorzuheben:
«Beschreibung der drei Principien göttlichen Wesens», «Von dem dreifachen
Leben des
Menschen», die Beantwortung der «Vierzig Fragen von der Seele»,
gestellt durch Balthasar
Bekker, «Von der
Menschwerdung Jesu Christi» und «Von der
Geburt und Bezeichnung aller Wesen oder
De
signatura rerum», ferner «Der Weg zu Christo»,
und besonders das «Mysterium magnum» (enthaltend eine
Auslegung des ersten
Buches Mosis).
Die erste Sammlung der
Schriften B.s
besorgte der holländ.
KaufmannHeinrichBeets seit 1660, eine vollständigere
Gichtel (10 Bde., Amsterd. 1682),
welcher auf ihrer Grundlage die Sekte der
Engelsbrüder stiftete. Seitdem erschienen mehrere Gesamtausgaben, die reichhaltigste 1730 zu
Amsterdam
[* 11] (5 Bde.); die neueste ist von Schiedler (7 Bde.,
Lpz. 1831-47); ein geordneter
«Auszug» von J. Claaßen (Bd. 1, Stuttg.
1885). B.s erste
Biographie lieferte
Abraham von
Frankenberg, gest. 1652. Auch in England, wo William
Law eine
Übersetzung seiner
Schriften (4 Bde., Lond. 1764
¶
mehr
-81) herausgab, fand er viele Verehrer. Es bildete sich hier eine Böhmistische Sekte, und schon 1697 stiftete Johann Leade
eine Gesellschaft unter dem Namen der «Philadelphisten» zur Erklärung seiner Schriften. Der engl. Arzt John Pordage hat sich
als Erläuterer B.s berühmt gemacht. Ferner nahm der württemb. Theolog Oetinger B.s Ideen auf, sowie
auch der geistvolle franz. Mystiker Louis Claude de Saint-Martin. Unter den Neuern machte besonders Friedr. Schlegel auf die
philos.
Tiefe seiner Gedanken aufmerksam; Schelling eignete sich in seinem spätern System vieles aus ihnen an; Hegel, der sich oft auf
in Beziehung auf verwandte Begriffe berief, datierte von ihm den Anfang der neuern Philosophie. Den größten
Fleiß auf seine Erklärung aber verwandte Franz vonBaader (s. d.). Eine Darstellung der Theosophie B.s von seiten ihrer metaphys.
Grundprincipien gabL.Feuerbach in seiner «Geschichte der neuern Philosophie» (Ansb. 1833),
von seiten ihres specifisch christl.
Charakters Hamberger, «Die Lehre des deutschen PhilosophenJakobBöhme» (Münch. 1844). Beide Gesichtspunkte
vereinigend, bezeichnete Carriere in seiner «Philos. Weltanschauung der Reformationszeit in ihren Beziehungen zur Gegenwart»
(Stuttg. 1847) Jakob und Giordano Bruno als die beiden Höhenpunkte des philos. Bewußtseins im Reformationszeitalter. -