Titel
Bodmerei
,
Verbodmung, Bömerei (frz. contrat à la grosse oder prêt à la grosse, engl. bottomry), ein dem Seehandelsrecht eigentümliches, durch ein Pfandrecht am Schiff, [* 2] Fracht und Ladung, oder an dem einen und dem andern, bez. an dem einen oder dem andern dieser Gegenstände gesichertes Darlehnsgeschäft, bei welchem die persönliche Haftung des Darlehnsnehmers ausgeschlossen ist, vielmehr die verpfändeten Gegenstände die einzigen Exekutionsobjekte für den Gläubiger bilden.
Der
Name Bodmerei
kommt her von Bome, Schiffskiel, oder von Bodem,
Boden, d. h. dem Schiffsboden als dem Hauptbestandteil des Schiffs.
Bei jeder Bodmerei
trägt der
Gläubiger (Bodmerei
geber, Bodmerist) insofern die Gefahr der verpfändeten Gegenstände, als er,
wenn dieselben untergehen, nichts, oder wenn dieselben sich verschlechtern oder vermindern, nicht mehr
als den Wertbetrag des Vorhandenen zurückerhält. Für das große Risiko läßt sich der
Gläubiger eine Prämie von oft
beträchtlicher Höhe versprechen.
Prämien von 20 bis 25 Proz. sind nicht ungewöhnlich. Es kommen Prämien von 40 Proz.
und mehr vor. Weil der
Gläubiger die Gefahr der Pfandobjekte in obigem
Sinne trägt, ist vielfach eine
unzulässige, für das
deutsche Recht jetzt überwundene Vermischung der Bodmerei
mit der Seeversicherung vorgekommen. Die Bodmerei steht
nicht völlig außer Zusammenhang mit dem foenus nauticum, dem Seedarlehn der
Römer;
[* 3] im wesentlichen aber ist sie auf dem
Boden des german.
Rechts erwachsen.
Die Bodmerei
kann
an sich vorgenommen werden von den zur Verpfändung der betreffenden Gegenstände befugten
Personen, also hinsichtlich
des Schiffs und der Fracht vom
Reeder, hinsichtlich der Ladung von dem
Befrachter. Außerdem wird auch dem Schiffer unter gewissen
Voraussetzungen die Befugnis zur Verpfändung von Schiff, Fracht und Ladung gewährt. – Die
Verbodmung
seitens des Schiffers nennt man die eigentliche Bodmerei
oder
Notbodmerei, welche allein im
Deutschen Handelsgesetzbuch geregelt
worden ist.
Nach der
Definition des letztern ist ein Darlehnsgeschäft, welches von dem Schiffer als solchem kraft seiner gesetzlich ihm
zustehenden Befugnisse unter Zusicherung einer Prämie und unter Verpfändung von Schiff, Fracht und
Ladung oder von einem oder mehrern dieser Gegenstände in der Art eingegangen wird, daß der
Gläubiger nur an die verpfändeten
Gegenstände nach Ankunft des Schiffs an dem Orte sich halten kann, wo die
Reise enden soll, für welche das
Geschäft eingegangen
ist (Bodmerei
reise). Der Schiffer ist zur Eingehung der Bodmerei
nur in folgenden Fällen befugt:
1) Während sich das Schiff außerhalb des Heimatshafens befindet und wenn und insoweit die Verbodmung behufs Beschaffung der Mittel zur Ausführung der Reise erforderlich ist. In diesem Falle kann der Schiffer Schiff, Fracht und Ladung verbodmen. Nur darf er nicht die Ladung allein verbodmen.
2) Während der Reise behufs Beschaffung der zur Erhaltung und ¶
mehr
Weiterbeförderung der Ladung erforderlichen Mittel. In diesem Falle kann der Schiffer nur die Ladung verbodmen. Da nur verbodmet
werden kann, was einer Seegefahr noch unterliegt, ist auch die Verbodmung der Fracht nur insoweit zulässig, als dieselbe
nicht bereits definitiv verdient, also der Seegefahr schon entzogen ist. Die Notwendigkeit der Eingehung
der Bodmerei
muß der Gläubiger beweisen. Wesentliches Erfordernis der Bodmerei
ist die Ausstellung eines Bodmereibriefes seitens des Schiffers.
Ohne einen solchen ist zwar das Geschäft nicht nichtig, aber es liegt nicht Bodmerei
, sondern ein gewöhnliches Kreditgeschäft
vor. Der Bodmereibrief muß auf Verlangen des Bodmerei
gebers in mehrern Exemplaren ausgestellt werden und
an Order lauten und ist in letzterm Falle gleich einem Wechsel durch Indossament übertragbar (ital. cambio marittimo). Mangels
anderer Bestimmung im Bodmereibriefe ist die Bodmerei
schuld im Bestimmungshafen der Bodmereireise am achten Tage nach Ankunft
des Schiffs in diesem Hafen zu bezahlen und zwar an den legitimierten Inhaber auch nur eines Exemplars
des Bodmereibriefs gegen Rückgabe des quittierten Exemplars.
Melden sich mehrere solcher Inhaber, so sind alle zurückzuweisen und die Gelder, wenn die verbodmeten Gegenstände befreit werden sollen, zu deponieren. Weder die große, noch die besondere Haverei fällt dem Bodmereigläubiger zur Last. Er hat bei Verbodmung des Schiffs die Rechte eines Schiffsgläubigers (s. d.). Wird die Bodmereischuld nicht bezahlt, so kann sich der Gläubiger zwar durch jeden der verbodmeten Gegenstände, aber auch nur durch diese bezahlt zu machen versuchen, indem er durch Klage den öffentlichen Verlauf der verbodmeten Gegenstände oder die Überweisung der verbodmeten Fracht beantragt.
Persönlich haftet niemand für seine Forderung. Aber infolge hinzutretenden Verschuldens kann trotzdem eine persönliche Haftung eintreten. So wird dem Bodmereigeber in gewissem Umfange der Schiffer persönlich verpflichtet, wenn er für die Bewahrung und Erhaltung der verbodmeten Gegenstände nicht sorgt, wenn er sie einer größeren Gefahr als erforderlich ist aussetzt, wenn er die Bodmereireise willkürlich verändert oder von dem richtigen Wege willkürlich abweicht (Deviation), oder die verbodmeten Gegenstände nach Beendigung der Reise einer neuen Seegefahr aussetzt, wenn er dieselben vor Befriedigung oder Sicherstellung des Gläubigers ganz oder teilweise ausliefert.
Hat der Reeder eine dieser Handlungen angeordnet, so wird neben dem Schiffer auch der Reeder persönlich haftbar. Der Empfänger der Güter wird bis zum Werte derselben dem Gläubiger persönlich verpflichtet, wenn er bei Empfangnahme derselben wußte, daß auf ihnen eine Bodmereischuld hafte. Dagegen kann der Gläubiger zum Nachteil eines dritten gutgläubigen Erwerbers der Ladung von seinen Rechten auf dieselbe keinen Gebrauch machen. Wird die Bodmereireise nicht angetreten, so darf der Gläubiger an dem Ort, wo die Bodmerei eingegangen, die sofortige Zahlung der Bodmereischuld fordern, muß sich jedoch eine verhältnismäßige Herabsetzung der Prämien gefallen lassen.
Endet die Bodmereireise in einem andern Ort als dem Bestimmungsort, so ist daselbst die Bodmereischuld ohne jeden Abzug zu bezahlen (Deutsches Handelsgesetzbuch Art. 680‒700). – Nach Art. 701 sind die Bestimmungen über die uneigentliche Bodmerei den Landesgesetzen vorbehalten. Unter uneigentlicher Bodmerei sind die Fälle zu verstehen, in welchen zwar der Schiffer, aber nicht als solcher in den Fällen des Art. 681, oder der Reeder oder der Befrachter Bodmerei eingeht. Von dem der Landesgesetzgebung gewährten Vorbehalt ist in keinem deutschen Seestaate Gebrauch gemacht.
Nur Bremen [* 5] hat in der Einführungsverordnung zum Handelsgesetzbuch §. 45 die eine Bestimmung getroffen, daß die uneigentliche Bodmerei nicht die Rechte eines Schiffsgläubigers gewährt. Der Reeder kann ein Bodmereigeschäft eingehen, um sich die erforderlichen Mittel zum Bau, zur Ausrüstung oder Reparatur des Schiffs zu verschaffen. Der in solchem Falle ausgestellte Bodmereibrief wird zuweilen Bielbrief (s. d.) genannt. Für die vom Befrachter behufs Gewinnung der erforderlichen Mittel zur Anschaffung der Ladung vorgenommene Verbodmung der Ladung findet sich die Bezeichnung Großaventurvertrag, Großaventurei (s. d.). Durch die scharfe Scheidung der eigentlichen Bodmerei des Schiffers von der uneigentlichen Bodmerei zeichnet sich das deutsche Seerecht vor fast allen andern Seerechten aus. Nur das belg., finländ., schwed. und norweg. Seerecht vermeiden ebenfalls die Vermischung der eigentlichen und uneigentlichen Bodmerei, welche letztere ihnen teilweise fremd ist. –
Vgl. Kaltenborn, Grundsätze des europ. Seerechts, Ⅲ, 223 fg. (Berl. 1851);
Matthias, Das foenus nauticum und die geschichtliche Entwicklung der Bodmerei (Würzb. 1881);
Lewis, Das deutsche Seerecht, Ⅱ, 1 fg. (2. Aufl., Lpz. 1884).