1)JohannJakob, schweizer. Dichter und Litterator, geb. zu
Greifensee bei Zürich
[* 2] als Sohn eines
Predigers, begann
Theologie zu studieren, widmete sich vorübergehend (zu
Bergamo) der
Kaufmannschaft,
kehrte 1719 nach Zürich
zurück, wo er nun einen Teil seiner Zeit der
Züricher Staatskanzlei, den übrigen seinen von
Jugend aus
mit Vorliebe gepflegten litterarischen und historischen
Studien widmete. Im J. 1725 erhielt Bodmer den Lehrstuhl
der helvetischen Geschichte in Zürich
und ward um dieselbe Zeit
Miteigentümer einer Buchhandlung und Buchdruckerei. 1735 ward er
Mitglied des
GroßenRats. In hohem
Alter legte er 1775 seine Lehrstelle nieder und zog sich auf sein
Gut
in der
Nähe von Zürich
zurück, wo er starb.
»Von dem Wunderbaren in der
Poesie« (Zürich
1740) und die
»Kritischen Betrachtungen
über die poetischen Gemälde der Dichter« (das. 1741) durften in jener Zeit für ästhetische
Fortschritte gelten. Bodmer verteidigte darin die
Rechte derPhantasie gegen die verständige Natürlichkeit
und die starre Kunstregel. Von dem
Satz ausgehend, daß ein poetisches Gemälde die höchste Aufgabe der
Dichtkunst sei und
in der künstlerischen
Nachahmung der
Natur bestehe, untersucht er die
Stoffe, die dazu angewendet werden können, und prüft
die Kunstmittel, deren sich die Dichter zu ihren
Darstellungen bedienen.
Einzelne
Punkte sind in den zahlreichen »Streitschriften« (Zürich
1741-44) ausführlicher
behandelt.
Gottsched, der
Leipziger Geschmacksdiktator, hatte anfangs das
Streben der
Schweizer mit
Interesse beobachtet und begünstigt;
als aber diese gegen seine eigne unfruchtbare Verstandestheorie zu
Felde zogen, trat
er an die
Spitze ihrer Gegner,
und es entspann sich ein erbitterter gelehrter
Krieg, der insofern von Bedeutung für die
Entwickelung der deutschen Litteratur
wurde, als die
Schweizer durch ihren Hinweis auf
Milton und die
Engländer, auf das klassische
Altertum, bei vielen Irrtümern
und
Einseitigkeiten, im ganzen kräftig anregend wirkten.
Für
Klopstock ergriff Bodmer entschieden und begeistert
Partei, ja er suchte sich in dessen
Sinn zum Dichter
aufzuschwingen und ward durch das persönliche Mißverhältnis, welches bei
Klopstocks Anwesenheit in Zürich
(Sommer 1750) eintrat,
in seinem
Enthusiasmus für die »heilige«
Dichtung des
Messias nicht irre gemacht. Seine epischen
Dichtungen: »Noah« (Frankf.
u. Leipz. 1750, später »Noachide«
genannt),
»Arnold von Brescia
in Zürich"
(1775) etc. erwiesen den Mangel aller dramatischen Begabung.
Noch in seinem 80. Jahr gab er eine Übersetzung der
»Ilias«
und der
¶
2) Georg, Mechaniker, geb. zu Zürich,
erfand in Hauptweil im Kanton Thurgau
[* 4] 1803 die Schrauben- oder Kreuzräder, vervollkommte 1805 die
zur Baumwollspinnerei dienenden Maschinen und legte bald darauf zu Küßnacht im Kanton Zürich
eine mechanische Werkstätte an,
in welcher 1808 eine einpfündige gegossene, von hinten zu ladende Kanone verfertigt wurde, deren Modell aber bei einem Brand
zu Grunde ging. Im J. 1806 siedelte er in den badischen Fabrikort St. Blasien über, ward 1816 Kapitän der Artillerie und mit
der technischen Leitung der großherzoglichen Eisenwerke beauftragt, während er zu gleicher Zeit der
Gewehrfabrik zu St. Blasien sowie einer Spinnerei und mechanischen Werkstätte vorstand. Im J. 1822 ging er in die Schweiz
[* 5] zurück
und entwarf den Plan zu dem Bad
[* 6] zu Schinznach im Kanton Aargau,
siedelte aber 1824 nach Manchester
[* 7] über und gründete hier eine Werkstätte
für Maschinenbau. Im Verlauf von weniger als 20 Jahren erwarb er sich Patente über mehr als 80 verschiedene
neue Maschinen und Werkzeuge,
[* 8] die auch zum größern Teil Anwendung fanden. Seit 1847 lebte er in Wien,
[* 9] um sich an den österreichischen
Eisenbahnbauten, namentlich an der über den Semmering, zu beteiligen. Er verwaltete seit 1850 mehrere
Jahre in Lanzendorf bei Wien eine Maschinenbauwerkstatt und starb in Zürich.
Karl, Landschaftsmaler, Lithograph und Radierer, geb. 1809 zu Zürich,
widmete sich bis 1830 dem
Studium der Landschaft, machte dann mehrere Reisen und begleitete 1833 den Prinzen Maximilian von Neuwied nach
Nordamerika, gab infolgedessen sein Reisewerk «Nordamerika in Bildern»
heraus, und führte mehrere der dort gemachten Skizzen in Ölbildern aus. Sehr zahlreich sind seine Lithographien nach eignen
Landschaften, seine Aquarelle, Radierungen und Zinkstiche für die bekannten Journale «Lemagasin pittoresque», «L'illustration» und «Lemonde illustré»; mit Théophile Gautier gab er heraus: «Lanature chez elle» (1870) und mit Veyrassat: «Hamertonschapters on animals» in trefflichen Radierungen. Er lebt meistens in
Barbizon bei Fontainebleau. 1876 erhielt er das Kreuz der Ehrenlegion.
Georg, Mechaniker, geb. zu Zürich,
kam im 16. Jahre zu einem Mechaniker zu Hauptweil im Kanton Thurgau
in die Lehre.
[* 10] Hier machte er bereits 1803 die Erfindung der Schraubenräder; 1805 erwarb er sich große Verdienste um die
Vervollkommnung der Baumwollspinnereimaschinen. Bald darauf legte er zu Küßnacht im Kanton Zürich
eine mechan. Werkstätte
an und verfertigte daselbst 1808 das erste einpfündige, gezogene Hinterladungsgeschütz für Granaten
[* 11] mit Perkussionszündern.
In der Folge beschäftigte er sich noch mit der Ausdehnung
[* 12] seines verbesserten Systems auf alle Arten von Schußwaffen, konnte
sich jedoch nicht entschließen, seine Erfindungen der franz. Regierung
zu überlassen. Seit 1806 zu St. Blasien in Baden
[* 13] ansässig, wurde er 1816 als Kapitän der Artillerie angestellt und mit der
technischen Leitung der großherzogl. Eisenwerke beauftragt, während er gleichzeitig,
wie schon früher, der Gewehrfabrik an dem genannten Orte sowie einer Spinnerei und mechan.
¶
mehr
Werkstätte vorstand. In dieser Zeit bis 1822 war er erfolgreich thätig für die Einführung von Ersparnissen und neuen
Erfindungen zur Verbesserung des Materials des bad. Militärs, sowie für die Vervollkommnung
der Spinnmaschinen.
[* 15] Doch 1822 verließ er den bad. Dienst und gründete 1824 zu Manchester eine
Werkstätte für den Bau von Maschinen und die Verbesserung der gebräuchlichen Werkzeuge. 1850 übernahm
er in Lanzendorf bei Wien eine Maschinenbauwerkstatt, die er mehrere Jahre verwaltete. Er starb in Zürich.
Joh. Jak., Gelehrter, Kritiker und Schriftsteller,
geb. zu Greifensee bei Zürich,
studierte anfangs Theologie ohne Neigung und Erfolg. Noch weniger glückte
ein Versuch als Kaufmann. Seine früh entwickelten und durch emsiges Studium aller ihm erreichbaren Dichter und Ästhetiker
älterer und neuerer Zeit geförderten litterar. Interessen drängten ihn auf schönwissenschaftlich litterar. Thätigkeit,
die 1725 durch die Ernennung zum Professor der helvet.
Geschichte in Zürich
(bis 1775) einen amtlichen Stempel erhielt. 1737 ward er Mitglied des GroßenRats. Ähnlich
wie Gottsched knüpfte er in den mit seinem Freunde Breitinger herausgegebenen «Discoursen der Mahlern» (4 Tle., 1721‒23;
Neudruck von Vetter, 2 Bde., Frauenf.
1891),
einer moralisch-ästhetischen Wochenschrift nach dem Muster des «Spectator», seine Reformbestrebungen an Opitz’Person
und Namen an und übte seine Kritik an dessen litterar. Antipoden, den Vertretern der sog. zweiten Schlesischen
Schule. Wie in dieser begegnete er sich anfangs auch in andern Neigungen mit Gottsched (s. d.).
Bald jedoch machte sie Verschiedenheit in Temperament und Methode zu erbitterten Gegnern. Die in die Tiefe gehende Gedankenarbeit
der Schweizer Ästhetiker, wie sie besonders in B.s Abhandlung «Vom Wunderbaren in der Poesie» und Breitingers
«Kritischer Dichtkunst» zu Tage trat, war Gottsched ebenso unsympathisch und unverständlich, wie jenen der seichte Schematismus
in Gottscheds systematischen und kritischen Arbeiten verächtlich erschien.
Mit freierm Blick als dieser, begeisterten sich und seine Freunde für Milton und Homer, verteidigten besonders
den erstern mit Nachdruck gegen die hämischen Angriffe Gottscheds. Bodmer vor allem, begünstigt durch seine umfassende Belesenheit,
erwarb sich das Verdienst, eine unbefangenere Würdigung der nichtfranz., insbesondere der engl.
Litteratur in Deutschland
[* 16] anzubahnen und dadurch Klopstock und Lessing den Weg zu bereiten. Seine erfolgreichste Thätigkeit
fällt in die J. 1740‒50. B.s eigene dichterische Versuche, auch in seinen besten Jahren künstlerisch
unbedeutend, arteten in seiner spätern Periode, wo er als Epiker («Syndflut», 1751; «Noah», 1752, umgearbeitet 1781) Klopstock
zu übertrumpfen suchte und auch mit zahllosen unbedeutenden Dramen (z. B. «Karl von Burgund, nach Äschylus»; Neudruck Heilbr.
1883) hervortrat, in schrullenhafte Manier, seine satir. Parodien Lessings, Klopstocks, Gerstenbergs u. s. w.
geradezu in Albernheit aus. Besondere Erwähnung verdienen seine litterarhistor. Bestrebungen (Opitz-Ausgabe), von denen auch
seine «Vier kritischen Gedichte» (Neudruck Heilbr.
1883) zeugen und die vor allem den Dichtungen des Mittelalters zugute kamen («Chrimhildens Rache», 1757; «Samlung von Minnesängern
aus dem schwäb. Zeitpunkte», 2 Bde.,
Zür. 1758‒59). Bodmer starb in Zürich.
–
Vgl. Danzel, Gottsched und
seine Zeit (Lpz. 1848): Mörikofer, Die schweiz. Litteratur
des 18. Jahrh. (ebd. 1861);
Servaes, Die Poetik Gottscheds und der Schweizer (Straßb. 1887);
Braitmaier, Geschichte der poet.
Theorie
und Kritik von den Discoursen der Mahler bis auf Lessing (2 Bde., Frauenf.
1888‒89); J. J. Bodmer als Geschichtschreiber (im «Neujahrsblatt, hg.
von der Stadtbibliothek auf das J. 1891», Zür. u. Lpz. 1891).