Titel
Bodenrente
,
Grund-, Landrente (engl. rent, frz. fermage), im wissenschaftlichen Sinne der Überschuß, den die wirtschaftliche Benutzung des Bodens ergiebt, nachdem von dem Rohertrage einer bestimmten Betriebsperiode abgezogen sind:
1) die eigentlichen Bewirtschaftungskosten;
2) die normale Verzinsung des benutzten stehenden und umlaufenden Kapitals, mit Einschluß des dem Boden einverleibten Meliorationskapitals. Die in diesem Sinne fällt also nicht völlig mit dem Pachtzins zusammen, den der Pächter eines Grundstücks an den Eigentümer bezahlen kann, während er zugleich selbst aus der Bebauung desselben noch die normale Vergütung für seine Thätigkeit und Kapitalverwendung erzielt. Vielmehr wird meistens ein, nach den Umständen allerdings sehr verschiedener Bruchteil dieses Pachtzinses als Verzinsung des in dem Boden steckenden Meliorationskapitals anzusehen sein.
Die wirkliche Bodenrente
beruht auf der
Thatsache, daß zur Befriedigung des Bedarfs an Bodenprodukten nicht bloß
Boden - mit Rücksicht auf
Fruchtbarkeit oder
Lage - bester, sondern auch minderer Beschaffenheit verwendet werden muß, dessen
Bebauer aber gleichwohl noch die Vergütung für
Kapital und
Arbeit nach dem üblichen
Satze erhält, da er andernfalls diese
Produktion nicht unternehmen würde;
Boden besserer Beschaffenheit trägt daher einen Überschuß ein,
der demjenigen zufällt, der die Verfügungsgewalt über ihn besitzt,
d. i. Der Eigentümer.
Die
Rente wird im allgemeinen steigen, wenn die namentlich mit der Zunahme der
Bevölkerung
[* 3] in Zusammenhang stehende
Vermehrung
des Bedarfs es notwendig macht, immer minder fruchtbare oder minder gut gelegene Grundstücke in Anbau
zu nehmen; sie wird fallen, wenn dieses Bestreben überwogen wird durch technische Fortschritte, namentlich auf dem Gebiete
des
Verkehrswesens, indem es dadurch möglich ist, auch fern gelegene, aber fruchtbare Grundstücke für die Versorgung des
Marktes dienstbar zu machen, eine Erscheinung, die sich insbesondere in jüngster Zeit für die europ.
Landwirtschaft durch die Konkurrenz von
Amerika
[* 4] und
Indien ergeben hat. - Die
Theorie der Bodenrente
wurde namentlich nach dem Vorgange
von
Anderson, Malthus und West durch
Ricardo (s. d.) in einer scharfen, aber zu abstrakten Formel entwickelt;
in
Deutschland
[* 5] machte sich von
Thünen („Der isolierte Staat“, 2
Teile, Rostock
[* 6] 1842-50) um dieselbe
verdient. Von
Carey (s. d.) und
Bastiat (s. d.) ging ein, allerdings sehr einseitiger
Rückschlag gegen die Ricardosche
Theorie
aus, ebenso kritisierte diese Rodbertus (s. d.) scharf; eine große Rolle spielt
diese
Theorie namentlich in den
Angriffen des
Socialisten Henry
George (s. d.) gegen die heutige Gesellschaftsordnung. -
Vgl. Berens, Versuch einer kritischen Dogmengeschichte der Grundrente (Lpz. 1868);
Leser, Untersuchungen zur Geschichte der Nationalökonomie (Jena [* 7] 1881);
Schullern-Schrattenhofen, Untersuchungen über Begriff und Wesen der Grundrente (Lpz. 1889).