Bodenbesit
zreform.
Auf Anregung von
Michael Flürscheim, Fabrikant zu Gaggenau
(Baden),
[* 2] wurde
Herbst 1888 in
Frankfurt
[* 3] a. M. der »Deutsche
[* 4]
Bund für Bodenbesit
zreform« gegründet, nachdem sich vorher 100
Personen schriftlich zum
Beitritt
bereit erklärt hatten.
Zweck des
Bundes ist nach den beschlossenen
Satzungen die
Aufklärung der öffentlichen Meinung
über die wirkliche Grundursache des wirtschaftlichen
Notstandes und die Beratung der
Mittel zu seiner Beseitigung.
Jene Grundursache erblickt der Bund in der im arbeitslosen Zins- und Grundrentengenuß wurzelnden Anhäufung von ungeheuern Reichtümern in Einzelhänden, deren Besitzer ihr Einkommen nicht aufbrauchten. Hierdurch trete infolge der jährlich zurückgelegten und neue Zinsen tragenden Ersparnisse ein ständig zunehmender Ausfall im nationalen und internationalen Güterverbrauch ein, den die verbrauchswilligen und bedürftigen Volksmassen nicht ergänzen könnten, weil sie für einen immer größern Teil der mit ihrer Arbeit erzeugten Tauschwerte die ständig zunehmenden Zins- und Grundrententributbeiträge aufbringen müßten.
Die Empfänger der letztern verwendeten solche immer weniger zum Verbrauch oder zur Erzeugung von Gütern, wodurch Arbeit in Verwendung kommen würde. Infolgedessen wären die Arbeitsgelegenheiten immer schwieriger zu erlangen, und der Kampf verschärfe sich darum immer mehr; das sonst unbegreifliche Bild der zunehmenden Not und Arbeitslosigkeit bei immer schneller steigender Gütererzeugungsfähigkeit und also Überflußmöglichkeit finde darin seine Erklärung. Der Kapitalzins sei das Kind der Grundrente. Nur dadurch, daß man für Kapital Landbesitz eintauschen konnte, mit welchem Rente zu erzielen war, habe für die Herleihung von Kapital eine der betreffenden Rente mindestens gleiche Vergütung als Zins verlangt und erlangt werden können. Alle Zinsverbote hätten machtlos bleiben müssen, solange der Kapitalist auf dem Wege des Landkaufs sich Zins verschaffen konnte. Mit der privaten
Grundrente werde auch der Zins verschwinden, und mit dem Zins würden auch dessen unheilvolle Wirkungen beseitigt. Mit der Verstaatlichung des Bodens werde man auch die Verstaatlichung oder wenigstens die Freigebung der Produktionsmittel erhalten. Der Verein faßt deshalb als Ziel ins Auge: [* 5] die Verstaatlichung oder Kommunalisierung des Grund und Bodens oder der Grundrente. Als zunächst zu verwirklichende Forderungen gelten ihm:
1) die Unveräußerlichkeit und thunlichste Vermehrung des jetzigen Staats- und Gemeindegrundbesitzes;
2) eine aneignete kommunale Besteuerung des vom Besitzer nicht erzeugten Wertzuwachses des Bodens;
3) die Beseitigung des privaten Pfandrechts an Grund und Boden. Der Sitz des Bundes ist Berlin, [* 6] Organ die Wochenschrift »Frei Land« (Düsseldorf [* 7] seit 1890, Fortsetzung von der von M. Flürscheim begründeten Zeitschrift »Deutsch Land«, 1887-90. Nicht zu verwechseln mit der in Wien [* 8] erscheinenden Halbmonatschrift »Freiland«, welche Organ der österreich. Freilandvereine ist), Vorsitzender Fabrikant Freese zu Berlin (Mitglied des Staatsrates). Der Bund zählt etwa 500-600 Mitglieder, welche den verschiedensten Parteien angehören.
Bei seiner
Gründung umfaßte der
Bund auch Mitglieder aus der
Schweiz
[* 9] und aus den
Niederlanden. Doch haben
sich in diesen
Ländern neue eigne
Vereine gebildet, in der
Schweiz »Freiland, schweizerische
Gesellschaft für Bodenbesit
zreform«, mit dem
Vorort Basel.
[* 10] Der holländische
Verein (Nederlandsche
Bond voor Landnationalisatie) gibt eine eigne, aller zwei
Monate erscheinende
Zeitschrift heraus: »Der Gron von
Allen«. Im wesentlichen auf gleichem
Boden, wenn auch mit etwas weiter
gesteckten
Zielen wie der
Verein für V., steht der
Allwohlsbund, welcher unter dem Vorsitz von A.
Th.
Stamm seinen Sitz und
Gerichtsstand
in
Wiesbaden
[* 11] hat und an
Stelle des jetzigen privaten
Grundeigentums die Einführung einer Grundzinsgemeinschaft, d. h. Zuwendung
der
Grundrente an die Gesamtheit, erstrebt.
Stamm hatte den ersten Verein mit den oben dargelegten Zielen unter dem Namen »Verein für Humanismus« 1874 in Berlin gegründet, aus dem 1886 die Land-Liga hervorging, welche sich als Allwohlsbund konstituierte.
Vgl. Stamm, Die Erlösung der darbenden Menschheit (Zürich [* 12] 1871);
die Schriften von Flürscheim: Der einzige Rettungsweg (Dresd. 1891), Auf friedlichem Wege (Baden-Baden [* 13] 1884), Deutschland [* 14] in 100 Jahren (das. 1891), Das Staatsmonopol des Grundpfandrechts (Minden [* 15] 1885);
H. George, Fortschritt und Armut (deutsch, Berl. 1887) und Soziale Probleme (deutsch, das. 1890);
v. Helldorf-Baumersrode, Verstaatlichung des Grund und Bodens (das. 1885) und Das Recht der Arbeit und die Landfrage (das. 1886);
Th. Hertzka, Freiland, ein soziales Zukunftsbild (1.-4. Aufl., Dresd. 1890);
Frankl, Verstaatlichung der Grundrente (Wien 1890);
K. J. Beck, Die soziale Frage (Mengen);
Wehberg, Der humanistische Sozialismus (Berl. 1891).