Blutharnen
(Blutnetzen, griech.
Hämaturie, lat. Mictus cruentus), im allgemeinen jede Entleerung von
Blut oder mit
Blut
gemischtem
Urin aus der
Harnröhre, mag das
Blut nun aus dieser selbst oder aus der
Blase, den
Harnleitern oder den
Nieren stammen.
Man unterscheidet wahres Blutharnen
, sofern
Blut mit seinen unter dem
Mikroskop
[* 3] erkennbaren
Bestandteilen, den roten
Blutkörperchen,
[* 4] dem
Urin beigemischt ist, und falsches Blutharnen
, sofern die rote oder braune
Farbe des
Harns nur durch gelösten
Blutfarbstoff hervorgerufen ist; im letztern
Fall ist der Nachweis von
Blut, anstatt mit dem
Mikroskop, durch die
Spektralanalyse
[* 5] zu erbringen, und man nennt den Zustand auch Hämatoglobinurie. Er wird bedingt durch Zerfall roter Blutkörper
im
Kreislauf
[* 6] selbst unter
Bedingungen, welche bis jetzt noch nicht aufgeklärt sind.
Nierenblutungen werden hervorgerufen durch Stoß, Schlag, überhaupt durch Verletzungen der Nierengegend, ferner durch akute Entzündung der Nierensubstanz, durch Steine und Parasiten (Strongylus gigas, selten) im Nierenbecken, durch Verstopfung der Nierenvenen und durch Krebsgeschwülste der Nieren. Die Menge des aus der Niere stammenden Bluts ist bald sehr beträchtlich (namentlich bei Krebs- und Steinbildung in der Niere), bald gehen nur geringe, in dem Harn gleichmäßig verteilte Blutmengen ab. In manchen Fällen ist ein eigentümliches Gefühl von Druck, Spannung oder Schmerz am untern Teil des Rückens zu beiden Seiten der Wirbelsäule beim Eintritt von Nierenblutungen vorhanden.
Die Blutungen aus der Blase beruhen, wenn man von den Verletzungen der Harnblase absieht, am häufigsten auf der Anwesenheit eines oder mehrerer Steine in der Blase. Auch der Krebs [* 7] der Blase, namentlich der Zottenkrebs, sowie die gutartigen Zottengeschwülste der Blase sind mit oft sehr reichlichen Blutergüsse verbunden. Entzündungen der Blase gehen zuweilen, auch wenn sie nicht durch Harnsteine veranlaßt sind, mit Blutungen einher. Endlich sind die Blasenhämorrhoiden hier zu erwähnen, d. h. Blutungen aus den übermäßig gefüllten kleinen Venen der Blasenschleimhaut, welche ohne anderweite Krankheit der Blase nur durch Blutstockung in den Unterleibsorganen, durch sitzende Lebensweise etc. entstehen.
Diese Blasenhämorrhoiden sind ganz schmerzlos, die
Blutung kann aber dabei eine sehr bedeutende werden. Die Bedeutung des
Blutharnens
für den
Organismus ist eine sehr verschiedene und richtet sich ganz nach den
Ursachen, welche der
Blutung zu
Grunde liegen. Nur in seltenen
Fällen wird der Blutverlust
an sich, d. h. durch die
Menge des verlornen
Bluts, dem
Körper gefährlich,
obschon durch lang anhaltendes und massenhaftes Blutharnen
, z. B. bei Nierenkrebs,
ein höchst bedrohlicher
Grad von
Blutarmut entstehen kann.
Bei
Nieren- und
Blasensteinen ist dem
Patienten die strengste
Ruhe des
Körpers zu empfehlen, während bei
Blasenhämorrhoiden das entgegengesetzte Verhalten sowie der
Gebrauch von Abführmitteln, Regulierung der
Diät und der gesamten
Lebensweise angezeigt erscheinen. Es gibt auch ein endemisches, in gewissen Gegenden, z. B.
in
Ägypten
[* 8] und am
Kap der
Guten Hoffnung, bei sehr vielen
Personen vorkommendes Blutharnen
, welches auf einen im
menschlichen
Körper schmarotzenden kleinen Saugwurm, das
Distomum haematobium, zurückzuführen ist. Dieser
Wurm
[* 9] legt seine
Eier
[* 10] in der Schleimhaut der menschlichen
Harnwege ab und versetzt dadurch die Schleimhaut in
Entzündung, welche mit
Blutungen
einhergeht. Die an solchem Blutharnen.
Leidenden,
vorzugsweise
Männer, tragen die Zeichen hochgradiger
Blutarmut
an sich.
Alle Haustiere können ebenfalls von der Ruptur eines Blutgefäßes in den Nieren oder in der Harnblase betroffen werden und infolgedessen Blut mit dem Harn entleeren. Man beobachtet dies namentlich bei Geschwülsten und bei Steinbildung in den Harnorganen, außerdem bei Verstopfungen der Blutgefäße durch Gerinnsel. Die Heilung von Geschwülsten und die Beseitigung von Blasensteinen können nur auf operativem Weg erreicht werden. In andern Fällen ist eine sorgfältige diätetische Pflege der Tiere angezeigt, der Gebrauch von Arzneimitteln dagegen nicht empfehlenswert.
Das Blutharnen
bei
Schafen ist fast immer ein
Symptom des
Milzbrandes und deshalb äußerst lebensgefährlich. Die
Rinder
[* 11] erkranken häufig
in größerer Zahl am Blutharnen
, wenn sie auf schattige
Weiden
(Wald- und Buschweiden) getrieben werden. Bei diesem
enzootischen Blutharnen
liegt die
Ursache in reizenden
Substanzen, welche sich in den
Gräsern, die im
Schatten
[* 12] wachsen, entwickeln.
Die
Tiere drängen häufig zum
Harnen und entleeren geringe
Mengen schwarzroten
Urins; das
Haar
[* 13] ist gesträubt, der
Puls klein
und frequent und die Kotentleerung verzögert.
Hier empfiehlt sich besonders die
Stallfütterung. Mindestens dürfen die erkrankten
Tiere die schädliche
Weide
[* 14] nicht mehr
besuchen. Trinkwasser ist den
Tieren zur beliebigen
Aufnahme zu reichen. Zum innerlichen
Gebrauch sind täglich dreimal je 5 g
Kampfer mit Leinsamenschleim oder 10 g
Terpentinöl mit
Schleim zu reichen. Die
Verstopfung wird mit großen
Gaben von
Glaubersalz bekämpft. Zur Verhütung des enzootischen Blutharnens
ist die
Drainage
[* 15] der
Weiden erfolgreich befunden.
Einigen Nutzen gewährt auch die eigne Zuzucht von
Rindern, denn die
Erfahrung lehrt, daß die aus fremden Gegenden in die
betreffenden
Wirtschaften eingeführten, noch nicht akklimatisierten
Rinder dem am meisten erliegen.