Blutbrüderschaft,
s. Blutrache.
6 Wörter, 74 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
s. Blutrache.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
s. Blutsbruderschaft.
eine alte Satzung, in welcher man den ersten Versuch zur Begründung eines Rechtsschutzes, die Urform der Rechtspflege, erblicken darf; sie ist die Wiederherstellung des durch die Tötung eines Familiengenossen zerstörten Rechtszustandes auf dem Weg des Selbstschutzes. Sie legt dem nächsten Blutsverwandten eines Getöteten die Pflicht auf, an dem Mörder oder dessen Verwandten mit eigner Hand Rache zu nehmen, wird oft jahrelang und durch eine Reihe von Geschlechtern ausgeübt und verwickelt nicht selten ganze Familien und Stämme in blutige Fehden. Das älteste Recht kennt keine Bestrafung des Totschlägers von Staats wegen. - Die Idee der Blutrache ist eine allen Völkern des Altertums ursprünglich eigentümliche (s. Ciceros »Pro Roscio Amerino« 24; Ovids »Metamorphoses« XII, 603). Wir finden sie bei ihnen in der frühsten Zeit ihrer Entwickelung, wo das Gemeinwesen noch nicht geordnet und stark genug ist, um dem Einzelnen Recht zu verschaffen; sie ist auch jetzt noch bei manchen Völkern, namentlich im Orient, üblich, z. B. bei den Arabern, Persern, kaukasischen Völkerschaften etc. Die alte Poesie der Beduinen ist durchdrungen von dieser Sitte. Bei den Hebräern wurde die Blutrache durch Anweisung von sechs Freistädten für unfreiwillige Totschläger und durch die Verordnung beschränkt, daß bloß der Totschläger selbst bestraft werden solle; in dieser Form aber bestand sie zweifellos bis zum Exil. - Bisweilen kann die Blutrache durch Geld abgelöst werden, wie z. B. bei den Persern.
Auch bei den alten Germanen hatte sie ihren Preis (s. Wergeld), blieb aber, selbst als das Christentum bei ihnen Eingang gefunden, trotz aller Verbote der Kirche und der Kaiser, trotz aller Umwälzungen in Sitte und Gesellschaft das ganze Mittelalter hindurch lebendig und erlosch erst mit der vollen Entfaltung der Territorialhoheit und dem Ersterben des Familienbewußtseins. Den Mohammedaner ist die Abfindung durch eine Lösungssumme nach dem Koran (Sur. 2, 179) gestattet.
Bei den Griechen lag in den ältesten Zeiten die Rächung eines Mordes der Familie des Getöteten ob, doch beschränkte sich die Blutrache später auf Verfolgung des Mörders bei den Gerichten. Bei den Römern wurde in den frühsten Zeiten die Blutrache nach strengem Wiedervergeltungsrecht (jus talionis) vollzogen. Allen Germanen eigen und besonders üblich in Island waren die Blutbrüderschaften, feierlich geschlossene Verbindungen auf Leben und Tod zwischen Männern, von denen der eine für den andern die Blutrache übernahm und, wenn er sie nicht ausüben konnte oder jener starb, sich selbst tötete.
Auch bei den Slawen sowie bei den Illyriern kamen solche Verbindungen vor, und die Dajak auf Borneo schließen sie noch jetzt unter Vermittelung eines Priesters, welcher sie von ihrem Blute trinken läßt. Noch bis auf die neueste Zeit herrschte die in Corsica (s. d.), wo alle Bemühungen der französischen Regierung um deren Beseitigung lange Zeit ziemlich erfolglos geblieben sind, während sich in Deutschland nur bis in die Mitte des 16. Jahrh. diese Totschlagsühne nachweisen läßt.
Vgl. Eichhoff, Die Blutrache bei den Griechen (Duisb. 1873);
P. Frauenstädt, und Totschlagsühne (Leipz. 1881);
Post, Die Geschlechtsgenossenschaft der Urzeit (Oldenb. 1875).