Titel
Blutarmut
Blüse - Blut

* 2
Blutkörperchen. (griech.
Anämie), im weitesten
Sinn sowohl eine Verminderung der normalen Blutmenge als
Ganzes
(Oligämie)
als besonders eine Verminderung der roten Blutkörperchen
[* 2]
(Oligocythämie), welche z. B. nach großen Blutverlusten eintritt
wenn das Blutwasser ersetzt ist, bevor die normale Zahl roter Blutzellen gebildet worden. Im letzten
Fall kreist demnach ein
zu wässeriges
Blut in den
Gefäßen, und man nennt diese Art der Blutarmut
deshalb auch Hydrämie. Blutarmut entsteht
1) als Folgezustand von Blut- und Säfteverlusten,
2) als Folge mangelhafter Nahrungs- und schlechter Luftzufuhr,
3) auf Grund einer Erkrankung der blutbildenden Organe oder
4) aus einer abnormen
Anlage und unvollständigen Thätigkeit der Kreislaufsorgane, besonders des
Herzens.
Man nennt die Blutarmut
, welche aus einer der beiden ersten Entstehungsursachen beruht, sekundäre, die auf den beiden
letzten beruhende essentielle oder primäre Blutarmut.
Da sich aber in Wirklichkeit eine so strenge
Scheidung nur selten aufrecht
erhalten läßt, weil häufig mehr als eine
Ursache der Blutarmut
vorliegt, so behandeln wir die akute Blutarmut, bei
welcher
Blut als solches durch äußere oder innere
Ursachen aus den
Adern herausströmt, unter
Blutung (s. d.), die mehr abgeschlossene
vierte
Gruppe von
Störungen, welche vorwiegend Mädchen in der Entwickelungsperiode befällt, unter
Bleichsucht (s. d.), die
örtliche und die vorübergehenden Zustände dieser Art unter
Blässe (s. d.). Es bleibt demnach übrig
1) die Blutarmut
durch Säfteverlust, schlechthin auch chronische
Anämie genannt, welche dadurch entsteht, daß dem
Blut fortdauernd
so viel seines wichtigsten
Bestandteils, des
Eiweißes, entzogen wird, daß dasselbe auch bei guter
Ernährung nicht ersetzt
werden kann. Dies tritt ein bei
Personen, welche an lang andauernden
Eiterungen leiden, bei
Frauen nach
langem
Stillen des
Kindes, bei Nierenkranken, welche viel
Eiweiß mit dem
Harn verlieren, bei Schwindsüchtigen, bei übertriebenen
Ausschweifungen und bei allen schweren
Fiebern, bei welchen die Eiweißstoffe im
Körper schneller verbrannt werden als im normalen
Stoffwechsel. Bei langem Bestehen dieser
Krankheiten wird die anfangs einfache Blutarmut
schließlich zur
Kachexie
(s. d.). Die Behandlung richtet sich lediglich auf das Grundleiden. Ganz verschieden
hiervon ist
Blutauffrischung - Blu

* 3
Seite 3.59. 2) die Blutarmut
solcher
Personen, welche ohne anderweitige
Krankheiten schlechten hygieinischen Einflüssen ausgesetzt sind. Diese
Art der Blutarmut
befällt beide
Geschlechter ohne Unterschied des
Alters, und zwar wird der
Keim zu derselben
häufig schon im frühsten Kindesalter gelegt, wenn das
Kind, anstatt mit Muttermilch, mit allerhand künstlichen
Surrogaten
gefüttert wird, wenn es, anstatt in freier
Natur aufzuwachsen, in dumpfigen
Kellern und schmutzigen
Höfen verdorbene
Luft atmet,
oder wenn in bessern Verhältnissen jede
Stunde, welche die
Schule freiläßt, durch privaten Nachhilfeunterricht ausgefüllt
¶
mehr
wird. In letzterm Fall kann die körperliche Entwickelung mit der geistigen nicht Schritt halten, die Kinder werden schlaff,
abgespannt und müde, verlieren den Appetit und werden anämisch; besonders bei den ärmern Klassen entwickelt sich außerdem
sehr häufig noch die englische Krankheit, und bei beiden tritt sehr häufig das ganze Heer der auf skrofulöser
Basis beruhenden Krankheiten hinzu. Aber nicht allein das jugendliche Alter leidet an der Blutarmut
, sondern auch Erwachsene werden
durch unzureichende Bewegung in frischer Luft und Sonnenschein, wie die Strafgefangenen, durch mangelhafte Nahrung sowie durch
geistige und körperliche Überanstrengung anämisch.
Die Krankheit äußert sich in allgemeiner Blässe der Haut,
[* 4] Schlaffheit im Denken und Handeln, Daniederliegen
der Darmthätigkeit und deshalb Appetitlosigkeit, ebenso in allgemeiner nervöser Schwäche und Reizbarkeit, wozu auch Schwindel
und Herzklopfen treten können. Hieraus ergibt sich die Behandlung dieser Blutarmut
von selbst. Man wirke in den Arbeitervierteln
auf immer weiter greifende Verbesserungen der hygieinischen Verhältnisse, man schicke die Kinder in die
als höchst segensreich anerkannten Ferienkolonien auf das Land oder an die See.
Heizung (Lokalheizung:

* 5
Heizung.
Man beaufsichtige die Fabriken in Bezug auf Überanstrengung ihrer Arbeiter, auf Ventilation, Lichtzutritt, Heizung,
[* 5] sorge für
gute Kost und Erholung namentlich der jugendlichen Arbeiter. Man achte darauf, daß die Kinder weder in der Schule
noch im Haus frühzeitig überanstrengt werden, sondern beachte, daß eine gedeihliche geistige Entwickelung nur mit normaler
körperlicher Schritt halten darf; man empfehle den heranwachsenden Mädchen anstatt der Romanlektüre die Turnanstalten und
kräftige die Knaben durch Turnen, Schwimmen, Fechten und Retten. Bei bereits ausgebildeter Blutarmut
sind zunächst ebenfalls die schädlichen
äußern Umstände zu beseitigen, die Verdauung ist durch geeignete Mittel anzuregen, ein Luftwechsel durch
eine Badereise an die See oder in die Berge zu bewerkstelligen und auch innerliche Gaben von China
[* 6] und Eisen
[* 7] sowie Bäder, welche
Eisen enthalten, anzuraten. -
3) Die gewöhnlich als essentielle Anämie bezeichneten Zustände der Blutarmut
, welche auf mangelhafter Blutbildung
beruhen, lassen sich zuweilen aus voraufgegangene tiefgreifende Störungen des Stoffwechsels nach Typhus, nach langem Saugen
etc. zurückführen, zuweilen kennt man die Ursache nicht. Die blutbildenden Organe, Milz, Lymphdrüsen und Knochenmark, bilden
zwar Zellen; allein diese Wucherung ist mehr entzündlicher Natur, die Zellen werden zuweilen überhaupt nicht zu
roten Blutkörpern, sondern überschwemmen entweder das Blut mit farblosen Zellen (Leukämie), oder sind so wenig zahlreich,
daß eine völlige Verarmung des Bluts an roten und weißen Blutzellen eintritt. Im letzten Fall tritt der Tod unter den Erscheinungen
allgemeiner Verfettung des Herzens, der Nieren, der Leber ein, oft ist auch das Fettpolster der Haut sehr
dick, nicht selten erfolgen Blutungen in die Haut, in die Netzhaut des Auges, in den Herzbeutel etc. Wie der Name perniziöse Anämie
sagt, ist diese Blutarmut
nicht heilbar.