Bluntschli,
Joh. Kaspar, Staatsrechtslehrer und Politiker, geb. zu Zürich, studierte auf dem sog. Politischen Institut seiner Vaterstadt, in Berlin und Bonn. Nachdem er einen Winter in Paris verlebt hatte, fand er 1830 Anstellung beim Bezirksgericht in Zürich und hielt bald darauf auch als Privatdocent am Politischen Institut Vorlesungen über röm. Recht. 1833 wurde er zum außerord., 1836 zum ord. Professor an der Universität Zürich ernannt. Seit 1837 Mitglied des Großen Rats, stand an der Spitze der sog. konstitutionellen und städtischen Partei und trat 1839 mit in die Regierung des Staates und damaligen Vorortes Zürich ein. Seit 1845 zog er sich vom öffentlichen Leben der Schweiz zurück,nahm nach dem Unterliegen des Sonderbundes und seiner Partei in der anonymen Flugschrift «Stimme eines Schweizers für und über die Bundesreform» (Zür. 1847) von seinem Vaterlande Abschied und siedelte nach München über, wo er 1848 eine Professur des deutschen Privatrechts und allgemeinen Staatsrechts erhielt. 1861 ging er als Professor der Staatswissenschaften nach Heidelberg. Bluntschli wirkte mit zur Gründung des Deutschen Abgeordnetentags (1862) und an dem Sechsunddreißiger-Ausschuß zur gesetzlichen Agitation für die Rechte Schleswig-Holsteins. Er war einer der Stifter des Deutschen Protestantenvereins und regelmäßig Präsident auf den Protestantentagen und der bad. Generalsynode (seit 1867). Bluntschli war auch Mitglied der bad. Ersten Kammer und wurde 1867 ins Zollparlament gewählt. Er gehörte ferner zu den Begründern des Internationalen Instituts für Völkerrecht in Gent (1873), dessen Präsident er 1875‒77 war.
Auf der Europäischen Konferenz für Kriegsvölkerrecht in Brüssel war er Deputierter des Deutschen Kaisers. Er starb zu Karlsruhe. Bluntschli schrieb: «Entwicklung der Erbfolge gegen den letzten Willen» (Bonn 1829; Doktordissertation),
«Über die Verfassung des Staates Zürich" (Zür. 1830),
«Das Volk und der Souverän» (ebd. 1831),
worin er seiner Abneigung gegen den schweiz. Radikalismus Ausdruck gab, «Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft Zürich" (2 Bde., ebd.
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1838‒39; 2. Aufl. 1856),
«Psychol. Studien über Staat und Kirche» (ebd. 1844),
«Geschichte der Republik Zürich" (Bd. 1. u. 2, ebd. 1847‒48; fortgesetzt von Hottinger, Bd. 3, 1856),
«Geschichte des schweiz. Bundesrechts» (2 Bde., ebd. 1846‒52; Bd. 1 in 2. Aufl., Stuttg. 1875),
«Allgemeines Staatsrecht» (2 Bde., Münch. 1852; in der 5. Aufl. u. d. T. «Lehre vom modernen Staat», Stuttg. 1875‒76, ist als 3. Teil das neue, in mehrere Sprachen übersetzte Werk «Politik als Wissenschaft» hinzugekommen; die beiden ersten Teile erschienen in 6. Aufl. 1885‒86); «Deutsches Privatrecht» (2 Bde., Münch. 1853‒54; 3. Aufl., von Dahn, 1864),
«Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Zürich" (4 Bde. nebst Register, Zür. 1854‒56, mehrfach aufgelegt),
«Geschichte des allgemeinen Staatsrechts und der Politik» (Münch. 1864; 3. Aufl. 1881),
«Die neuern Rechtsschulen der deutschen Juristen» (2. Aufl., Zür. 1862),
«Deutsches Staatswörterbuch» (hg. im Verein mit Brater, 11 Bde., Stuttg. 1857‒70; abgekürzt in 3 Bdn. von Loening, Zür. 1869‒75),
«Altasiat. Gottes- und Weltideen» (Nördl. 1866),
«Das moderne Kriegsrecht» (ebd. 1866; 2. Aufl. 1874),
«Charakter und Geist der polit. Parteien» (ebd. 1869),
«Das moderne Völkerrecht» (ebd. 1868; 3. Aufl. 1878; französisch von Lardy, 4. Aufl., Par. 1886),
«Deutsche Staatslehre für Gebildete» (Nördl. 1874; 2. Aufl. u. d. T. «Deutsche Staatslehre und die heutige Staatenwelt», 1880),
«Das Beuterecht im Kriege» (ebd. 1878). Seine «Gesammelten kleinen Schriften» erschienen in 2 Bänden (ebd. 1879‒81). Nach seinem Tode erschien «Denkwürdiges aus meinem Leben» (3 Bde., ebd. 1884).
Vgl. von Holtzendorff, und seine Verdienste um die Staatswissenschaften (Berl. 1882).
Zu Ehren B.s wurde 1882 eine Bluntschli-Stiftung mit Sitz in München begründet, welche die Förderung des Völkerrechts und des allgemeinen Staatsrechts bezweckt.