Die Gewinnung des Quecksilbers ist verhältnismäßig einfach, weil das Erz, der Zinnober, leicht zerlegt und das Metall durch
Destillation
[* 17] ziemlich rein abgeschieden werden kann. Am einfachsten und billigsten wird das Erz bei Luftzutritt geröstet,
doch mischen sich hierbei die Metalldämpfe mit großen Mengen glühender Gase
[* 18] und lassen sich schwer kondensieren.
Zum Verdichten sind große gemauerte, trockne oder von außen durch Wasser gekühlte Kammern oder Kanäle, in welche Wasser einfließt,
den röhrenförmig zusammengefügten birnförmigen Vorlagen aus Thon (Aludeln) vorzuziehen.
Statt der Kammern wendet man auch gußeiserne oder hölzerne Röhren
[* 19] an, die von kaltem Wasser umströmt
werden. Arbeitet man mit Schachtöfen mit unterbrochenem Betrieb, so erleidet man, von andern Übelständen abgesehen, große
Verluste an Quecksilber. Bei kontinuierlichem Betrieb verwendet man für Erze in größern Bruchstücken Schachtöfen, für armes Erzklein
und Schliege dagegen Flammöfen. Häufig befeuchtet man Schliege auch mit Vitriollauge und formt sie zu
Ziegeln, welche bei der Verarbeitung in Schachtöfen mancherlei Vorteile gewähren.
Eine vollständigere Kondensation des Quecksilbers erhält man durch Vermengen der zerkleinerten Erze mit Kalk, Eisenhammerschlag
etc. und Zersetzung der Masse in thönernen oder gußeisernen festliegenden oder rotierenden Retorten, in liegenden oder stehenden
Röhren bei Luftabschluß. Auch bei diesem Verfahren hat man sich bemüht, einen kontinuierlichen Betrieb
einzuführen (UresOfen, Exelis Muffelofen). Patera zersetzt neuerdings in Idria das Zinnobererz in Muffeln bei Luftzutritt und
erhält dabei ein Ausbringen von 88-90 Proz. Quecksilber. Die Kondensation der Dämpfe findet in einem weiten, von Wasser umströmten
horizontalen Blechrohr mit Ausbauchung nach unten statt; aus dem Blechrohr führt ein Thonröhrenstrang
in die Esse. In Kalifornien, wo man besondern Wert auf Massenproduktion legte, wurde der Schachtofen
[* 20] in der verschiedensten
Weise (hinsichtlich der Gestalt, der Dimensionen, der Abführungsart der Dämpfe etc.) modifiziert; auch versuchte man, armen
Quecksilbererzen ihren Metallgehalt auf nassem Weg zu entziehen.
Das gewonnene Quecksilber wird durch feuchte Leinwand oder feines Leder gepreßt oder nochmals destilliert. An den Wänden der Kondensationskammern
oder der Retorten sammelt sich ein inniges Gemenge von fein zerteiltem Quecksilber, Schwefelquecksilber, Quecksilberoxyd, Chlorquecksilber,
flüchtigem Öl, Idrialin, Ruß etc. Diese Masse (Quecksilberschwarz, Quecksilberruß, Stupp) wird durch
Drücken mit einer Krücke von metallischem Quecksilber befreit und dann zur Beschickung gegeben oder in einem
eignen Ofen zu gute gemacht oder mit heißem Wasser und Holzasche oder einem Alkali tüchtig umgerührt, wobei sich reines Quecksilber ausscheidet.
Man verschickt das Quecksilber entweder in doppelten Beuteln, die aus einem zusammengeschlagenen, sämisch gegerbten
Hammelfell hergestellt und in Fäßchen verpackt werden, oder in schmiedeeisernen zugeschraubten Flaschen von 76½ Pfd. engl.
Inhalt. Von China aus ist das Quecksilber in mit Harz verschlossenen Bambusstäben von 30 cmLänge, 5 cm Weite und 14,5 kg Inhalt in den
Handel gekommen. Als Mittel gegen Quecksilberdämpfe, welche auf den
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mehr
tierischen Organismus höchst schädlich wirken, ist empfohlen, Schwefelblumen oder noch besser Chlorkalk
[* 22] in den betreffenden
Räumen aufzustellen, Waschen der Arbeiter mit schwach chlorhaltigem Wasser, öfteres Räuchern der Kleidung mit Chlor und innerlich
Jodkalium. Das Quecksilber des Handels enthält Blei,
[* 23] Zinn, Wismut, Kupfer
[* 24] um so mehr, je weniger sich die Tropfen des
Metalls runden, und je träger sie fließen; unreines Quecksilber bildet beim Schütteln mit Luft eine an das Glas
[* 25] sich anhängende
Haut.
[* 26] Man filtriert es durch ein Filter von starkem Papier, in dessen Spitze man ein feines Loch gestochen hat, destilliert es
zu weiterer Reinigung und erhält dann ganz reines Quecksilber durch wochenlange Einwirkung kalter konzentrierter
Schwefelsäure,
[* 27] durch Digerieren mit sehr verdünnter Salpetersäure, salpetersaurem Quecksilberoxydul oder Quecksilberchlorid
oder durch Zusammenreiben mit Eisenchlorid, Waschen, Spülen und Trocknen. - Reines Quecksilber ist fast zinnweiß, in sehr dünnen Schichten
violettblau durchscheinend, es hängt sich nicht an die Wandungen des Gefäßes, und seine Oberfläche
bleibt beim Fließen vollkommen abgerundet. Es erstarrt bei -39,5,° ist dann geschmeidig, weich
wie Blei, auch kristallisierbar, siedet bei 357°, verdampft aber schon bei gewöhnlicher Temperatur und sehr bemerkbar bei
40°, spez. Gew. 13,59, im starren Zustand 14,39,
Atomgewicht 199,8. Durch Verreiben mit Zucker,
[* 28] Schwefel, Fett und durch Schütteln mit Chlorcalciumlösung,
Salpeterlösung oder Essigsäure kann es äußerst fein verteilt werden. Es hält sich an der Luft unverändert, bildet aber
bei längerm Erhitzen an der Luft rotes Quecksilberoxyd; es verbindet sich leicht mit Chlor und Schwefel, löst sich in verdünnter
Salpetersäure und in heißer, konzentrierter Schwefelsäure und wird durch Kohle, Phosphor, Zink, Eisen,
[* 29] Zinn,
Blei, Kupfer aus seinen Lösungen gefällt. Quecksilber bildet zwei Reihen von Verbindungen; in den Quecksilberoxydverbindungen ist nur
ein zweiwertiges Atom Quecksilber enthalten, in den Quecksilberoxydulverbindungen enthält das Molekül die zweiwertige Atomgruppe Hg2
. Man kennt nur zwei Oxydationsstufen, das Oxydul Hg2O und das Oxyd HgO. Quecksilberdämpfe sind
sehr giftig, die im Magen
[* 30] löslichen Verbindungen gehören zu den heftigsten Giften.
Metallisches Quecksilber gibt man inDosen bis zu 500 g und darüber bei Darmverschlingungen, wo es rein durch die mechanische Wirkung
des schweren Körpers die dislozierten Gedärme wieder in die richtige Lage bringen soll. In seiner Verteilung
mit Kreide
[* 31] erscheint es in den von den Engländern als mildes Abführmittel gebrauchten blue pins. Mit Fett verrieben, als
graue Salbe, wird es zu Einreibungen in die Haut angewendet als Mittel gegen Parasiten (dieselben werden sehr schnell dadurch
getötet), ferner als entzündungswidriges Mittel bei Entzündungen der Haut und innerer Organe.
Die Wirkung auf erkrankte Gewebe
[* 32] dagegen ist eine umstimmende und bei Entzündungen, die zur Eiterung neigen, eine Entzündung
bekämpfende. Wird Quecksilber in einigermaßen erheblichen Gaben angewendet, so tritt mit der Aufnahme desselben
in die allgemeine Blutmasse die Allgemeinwirkung (Merkurialismus) hervor und zwar besonders ausgesprochen im Gebiet des Verdauungskanals.
Zu dem sogen. Speichelfluß, bedingt durch die intensive Reizung der Speicheldrüsen, gesellt sich eine Entzündung der Mundschleimhaut,
das Zahnfleisch schwillt an, an seinem Rand gegen die Zähne
[* 33] bildet sich ein gelblicher, später schmutzig
grauer Belag, die Zähne werden gelockert.
Erfolgt die Wirkung noch weiter, so bilden sich ausgedehnte Geschwüre und weiterhin eine von scheußlichem Gestank aus dem
Mund begleitete, wirklich brandige Entzündung der Mundschleimhaut. Gleichzeitig gesellt sich dazu ein Leiden
[* 34] des Magens und
Darms sowie Erscheinungen allgemeiner Schwäche (s. Quecksilbervergiftung). Auf welche Weise die spezifische
Wirkung des Quecksilbers bei Syphilis zu erklären ist, weiß man nicht. Das in die allgemeine Säftemasse aufgenommene Quecksilber wird
bald schneller, bald langsamer ausgeschieden und zwar durch die Leber, die Darmabsonderung, die Nieren, Speicheldrüsen und
durch die Haut. Unter Umständen kann es ein Jahr und darüber im Körper verharren.
Quecksilber wird zuerst von Theophrast erwähnt, welcher auch die Darstellung aus Zinnober mit Hilfe von Essig und Kupfer kannte; Dioskorides
nannte das Metall hydrargyros und spricht von der Zersetzung des Zinnobers durch Erhitzen mit Eisen. Die Alchimisten knüpften
an das Quecksilber viele Spekulationen, und auch die medizinischen Chemiker beschäftigten sich viel mit demselben,
so daß seine Verbindungen nächst denen des Antimons am frühsten bekannt wurden. Seit Lavoisier gilt es für einen einfachen
Körper.
Die Griechen bezogen schon 700 v. Chr. Zinnober aus Spanien, und die Quecksilberminen von Almaden wurden vielleicht schon
von den Phönikern betrieben. In der Römerzeit gewann man jährlich 5000 kg und verschloß dann die Minen. Nach der Entdeckung
der amerikanischen Silberminen steigerte sich die spanische Quecksilberproduktion sehr stark. Die peruanischen Zinnoberminen
von Huencavelica (im 18. Jahrh. geschlossen) gaben wenig Ausbeute, und was in Idria über den eignen Bedarf
in Österreich
[* 35] hinaus produziert wurde, kauften die Spanier von der Regierung und blieben mithin Monopolisten. 1525-1645 bereicherte
sich die FamilieFugger an diesem ihr überlassenen Monopol.