Blitzgefahr.
Der Blitz folgt beim Einschlagen derjenigen Richtung, in der er den geringsten Leitungswiderstand antrifft; Abweichungen finden daher um so leichter statt, je weniger zusammenhängend die seine Bahn beeinflussenden Leiter sind und je mehr diese zur Funkenbildung in den benachbarten Nichtleitern Anlaß geben. So kann es vorkommen, daß der Blitz von einem mit der Erde gut verbundenen Blitzableiter auf eine Leitung von noch kleinerm Widerstand mit Durchbrechung isolierender oder halbleitender Körper überspringt. Außer den unmittelbaren Entladungen zwischen Wolken und Erde sind als gefahrbringend, wenngleich in geringerm Grade, solche Störungen des elektrischen Gleichgewichts in Betracht zu ziehen, die bei diesen Entladungen in leitenden Massen durch elektrische Influenz verursacht werden können.
In
Deutschland
[* 2] ist die Blitzgefahr
(die man statistisch gewöhnlich durch die Anzahl der
Gebäude ausdrückt, welche jährlich pro 1 Mill.
Gebäude vom
Blitz beschädigt werden) seit Mitte des 19. Jahrh. in beständiger Zunahme begriffen,
sodaß von 1850 bis 1880 eine durchschnittliche
Vermehrung um etwa das Dreifache stattgefunden hat. Für
den Zeitraum von 1874 bis 1877 fand Holtz die Blitzgefahr
188. Für
Bayern
[* 3] findet von
Bezold für den Anfang der achtziger Jahre dieselbe
zu 97. Im Königreich
Sachsen
[* 4] berechnet Gutwasser für den Zeitraum 1864‒70 die Blitzgefahr
auf 152, und die von Freyberg fortgesetzten
Untersuchungen für 1879‒82 ergeben die bedeutend
¶
mehr
größere Blitzgefahr
von 271. Der durch Blitzschlag jährlich angerichtete Schaden wird für Deutschland auf 6‒8 Mill. M. veranschlagt.
In flachen Gegenden sind Gebäude dem Blitzschlag mehr ausgesetzt als in gebirgigen, was sich dadurch erklärt, daß in Gebirgsgegenden
die Ortschaften meist in den Thälern liegen, die höchsten Punkte daher in der Regel unbewohnt sind,
während in der Ebene die Gebäude sich als hervorragende Punkte darbieten. So ist nach Holtz für die Jahre 1874‒77 die
Blitzgefahr
97 für Süddeutschland, dagegen 227 für Norddeutschland.
Jede Erhöhung, auf der ein Gebäude liegt, sowie die Nähe von Flüssen und Seen bedingt eine Vermehrung der Blitzgefahr
, wogegen
die Nähe von Wald die Gefahr vermindern dürfte; doch können diese Verhältnisse durch die Grundwasserlagerung modifiziert
werden. Außerdem wächst die Blitzgefahr
mit der Höhe der Gebäude, was am augenscheinlichsten durch die große Gefährdung der Kirchen und
der Windmühlen bewiesen wird, obwohl bei letztern als mitwirkende Ursachen die meist vorhandene Bodenerhöhung
und die isolierte Lage in Betracht kommen.
Holtz findet für die Jahre 1870‒77 bei den Kirchen eine Blitzgefahr
von 3360 (Sachsen-Weimar) und von 8333 (Landdrostei Stade)
[* 6] und
für städtische Kirchen allein (Provinz Brandenburg)
[* 7] sogar die Zahl 10514; die Blitzgefahr
für Windmühlen ergab sich zu 1650 (Vorpommern)
bis 10800 (Landdrostei Aurich).
[* 8] Die schleswig-holstein. Statistik ergab pro 1879‒83 für Kirchen eine
jährliche Blitzgefahr
von 4520, für Windmühlen von 14420, während sich für andere Gebäude die Blitzgefahr
nur zu 230 (ländliche) und
zu 130 (städtische) ergab. (Bei allen angeführten statist. Angaben sind nur diejenigen Blitzschläge gezählt, die Schaden
anrichteten und bei den Feuerversicherungsanstalten angemeldet wurden.) Der Grund, daß bei gleicher Anzahl
ländlicher und städtischer Gebäude von jenen mehr durch den Blitz getroffen werden, scheint darin zu liegen, daß ländliche,
also einzeln stehende Gebäude nicht nur diejenigen Blitze auf sich ziehen, die bei gleichmäßig angenommener Verteilung der
Blitzschläge auf sie nach Maßgabe des bedeckten Areals entfallen würden, sondern auch diejenigen, die
nach dieser Berechnung auf ihre nächste Umgebung kommen.
Gebäude mit Metalldächern, eisernen Treppen,
[* 9] Ankern und Trägern, mit Gas- und Wasserleitungsrohren gelten unter übrigens gleichen
Umständen für der Blitzgefahr
mehr ausgesetzt, als Gebäude ohne Metallkonstruktion. Dies ist indes nur so zu verstehen, daß
ein an der betreffenden Stelle ohnehin vorkommender Blitzschlag seinen Weg eher nach dem mit Metall versehenen Gebäude, als
nach einem andern unmittelbar benachbarten nehmen wird; andererseits wirken die Metalle, z. B.
die außen verlaufenden Regenrinnen und Abfallrohre, häufig als Blitzableiter.
Bäume, die ein Gebäude überragen, gewähren zwar insofern Schutz, als sie zunächst den Blitz auf sich
ziehen, also vom Gebäude ablenken, und in der Regel einen Teil der Entladung durch ihre Wurzeln weiter leiten; andererseits
liegt aber auch die Gefahr nahe, daß die Entladung aus dem Baumstamm teilweise auf das Gebäude übergeht. Ebenfalls teils
schützend, teils gefährdend ist der Einfluß benachbarter Telegraphen- und Telephonleitungen, doch wird
hier im allgemeinen die
schützende Wirkung überwiegen, namentlich bei den städtischen Telephonleitungen, da dieselben
mit zahlreichen Blitzableitern versehen sind. Eine unzweifelhafte Gefährdung ist dagegen vorhanden, wenn sich in der Nähe
der Telephonleitung ein Gas- oder Wasserleitungsrohr befindet, das nicht in metallischer Verbindung mit einem Blitzableiter
steht. Über den Schutz gegen Blitzgefahr
durch Blitzableiter und dessen Einrichtung s. Blitzableiter und Blitzplatten. –
Vgl. F. Neesen,
Die Blitzgefahr
(Berl. 1891).
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