Blitzableiter
,
eine Vorrichtung, die dazu dient, die zerstörende Wirkung des
Blitzschlags (s.
Blitz und
Blitzgefahr) von
Gebäuden, Schiffen u. s. w. abzuwenden, indem ein
Teil der in den Gewitterwolken
enthaltenen Elektricität allmählich neutralisiert, und so entweder eine plötzliche Entladung verhindert, oder, falls eine
solche dennoch stattfindet, dieselbe aufgefangen, in die Erde geleitet und somit unschädlich gemacht wird. Der Blitzableiter
, 1752 von
Benjamin
Franklin (s. d.) erfunden und zuerst zum Schutz der
Gebäude angewendet, wirkt durch die mit einer
oder mehrern
Spitzen versehene Auffangstange, die durch die
Ableitung mit dem feuchten Erdreich verbunden ist.
Die Wirkungsweise der Vorrichtung besteht in Folgendem: Wenn eine mit Elektricität geladene
Wolke über dem Erdboden schwebt,
wirkt dieselbe durch
Influenz verteilend auf die beiden Elektrizitäten der in ihrer Nähe befindlichen Gegenstände, d. h.
sie zieht die ihr ungleichnamige Elektricität an und stößt die gleichnamige ab. Die auf diese
Weise frei gewordene gleichnamige
Elektricität wird durch die metallische Leitung des Blitzableiter
nach unten geführt und verbreitet sich im Erdboden,
während die ungleichnamige sich in der
Spitze der Auffangstange, als dem der
Wolke am nächsten liegenden
Punkt, in solcher Menge ansammelt, daß ein Ausströmen von der
Spitze gegen die
Wolke hin stattfindet, wodurch ein entsprechender
Teil der in letzterer enthaltenen Elektricität aufgehoben wird.
Man findet diesen Vorgang häufig fälschlich so dargestellt, als ob die Elektricität der
Wolke von den
Spitzen des Blitzableiter
aufgesaugt
würde, und spricht demgemäß von saugender Wirkung der
Spitzen, während in Wirklichkeit an der
Spitze
des Blitzableiter
, ähnlich wie an den hervorragenden
Spitzen hoher
Bäume, der
Berge,
Türme, Schornsteine, Schiffsmasten u. s. w., ein
Ausströmen der Elektricität, die jener der
Wolke ungleichnamig ist, stattfindet. Die allmähliche Entladung der
Wolke durch
den Blitzableiter
findet nun wohl in den wenigsten Fällen so schnell und vollständig statt,
daß sie nicht bei zunehmender
Annäherung der
Wolke an die Fangspitze in Form eines Blitzschlags eintritt. In diesem Fall
wirkt der in seiner zweiten Eigenschaft als Ableiter, indem er den überspringenden
Blitz auffängt und in die Erde führt.
Soll die Vorrichtung diesen ihren Hauptzweck vollkommen erfüllen, so muß die Auffangstange in solcher Höhe über dem Gebäude hervorragen und die Spitze derselben so beschaffen sein, daß der Blitz sicher auf dieselbe und nicht auf andere Teile des Gebäudes überspringt; zweitens muß die Ableitung zur Erde ohne Unterbrechung und so stark sein, daß sie durch den Blitz nicht geschmolzen werden kann; ferner ist es unbedingt notwendig, daß diese Ableitung im feuchten Erdreich endigt und an diesem Punkte in einen hinreichend großen Querschnitt übergeht. Alle bedeutendern
[* 1] ^[Abb. Linienblitz, nach einer Photograpie von P. Liebig.] ¶
mehr
Metallmassen eines Gebäudes, wie Metalldächer, Dachrinnen, eiserne Treppen,
[* 3] die Röhren
[* 4] der Gas- und Wasserleitung
[* 5] u. s. w.,
sind mit dem Blitzableiter
metallisch zu verbinden, damit einesteils der Blitz nicht auf diese Gegenstände überspringt, andernteils
die in denselben durch Influenz erzeugte Elektricität, die bei plötzlicher Entladung der influenzierenden Wolke frei wird,
einen bequemen Weg zur Erde findet.
Dem Vorstehenden zufolge hat man bei einer Blitzableiter
anlage drei Hauptteile zu unterscheiden: die Auffangstange, die Ableitung
und die Erd- oder Bodenleitung. Zunächst hängt die Wirksamkeit des Blitzableiter
von der Höhe und Stellung der Auffangstange ab; der
Umkreis, innerhalb dessen dieselbe Schutz gewährt, wird der Schutzkreis genannt. Im allgemeinen kann
man die Größe des Schutzkreises nach der sog. Charlesschen Regel bestimmen, nach der der Radius
dieses Kreises gleich der doppelten Länge der Auffangstange ist.
Diese Regel beruht lediglich auf Erfahrungssätzen und hat sich bis jetzt mit Ausnahme abnormer Fälle als völlig ausreichend erwiesen. Da hiernach, namentlich für ausgedehnte Gebäude, die Auffangstange eine bedeutende Länge erhalten muß und man mit dieser nicht gern über 5 m hinausgeht, bringt man auf einem Dach [* 6] an passend gewählten Punkten mehrere Auffangstangen an und verbindet dieselben untereinander. Die Auffangstange ist eine Eisenstange, die in der sog. Fangspitze endigt, die, um gegen Rosten geschützt zu sein, entweder ganz aus edlem Metall (Platin, noch besser reines Silber) oder nur vergoldet ist.
Die Ableitung, die den Zweck hat, die Auffangstangen untereinander und mit der Erdleitung zu verbinden, besteht aus Eisen- oder Kupferstangen von entweder rundem oder rechteckigem Querschnitt. Vor allem ist hier das Augenmerk darauf zu richten, daß der Querschnitt hinreichend groß ist und die ganze Leitung eine ununterbrochene metallische Verbindung darstellt. Für dieselbe werden auch häufig Drahtseile aus Kupfer [* 7] oder verzinktem Eisen [* 8] angewendet, die ihrer Biegsamkeit wegen bequemer gehandhabt und in solchen Längen fertig bezogen werden können, daß ein Zusammenstücken ganz vermieden oder doch möglichst beschränkt wird.
Die Ableitung geht in der Erde in die Bodenleitung über. Als zweckmäßigste Anordnung für letztere gilt eine genügend große
Metallplatte, die am besten in das Grundwasser
[* 9] versenkt wird. Wo letzteres schwer zu erreichen ist, hilft man sich dadurch,
daß man mit dem Erdbohrer
[* 10] ein etwa 3‒5 m tiefes Loch bohrt, in das man die Leitung mit einigen Verzweigungen
auslaufen läßt, und das dann mit Kohlen ausgefüllt wird. – Eine häufige Revision der Blitzableiter
ist nicht genug zu empfehlen.
Bei derselben ist nicht nur das Äußere der Auffangstange und der Leitung zu prüfen und mittels eines Galvanometers nachzuweisen,
daß sich in der Anlage keine Unterbrechungsstelle befindet, sondern es sind auch etwaige bauliche Veränderungen, wie die
Anlage einer Gas- oder Wasserleitung, einer Pumpe
[* 11] u. s. w., zu berücksichtigen und dementsprechende
Änderungen an den Blitzableiter
vorzunehmen. Nach den während eines ganzen Jahrhunderts gesammelten Erfahrungen
werden Gebäude mit rationell angelegten (auch solche, die vor deren Anbringung fast regelmäßig vom
Blitz getroffen wurden) nur sehr selten durch Blitzschlag beschädigt.
Völlige Sicherheit würde nach dem belg. Physiker Melsens nur ein Blitzableiter
gewähren,
der das ganze Gebäude metallisch einschlösse und zugleich in
möglichst widerstandsloser Verbindung mit den leitenden Massen
der Erde, sowie mit den in das Innere führenden Metallmassen stände. Melsens umgiebt daher bei seinen
Anlagen (Hôtel de la Ville in Brüssel)
[* 12] das ganze Gebäude mit einem Netz in der Mauerverkleidung liegender zur Erde abgeleiteter
Drähte. Damit eine Blitzableiter
anlage sich nicht unnötig umfangreich und kostspielig gestalte, dabei aber ausreichenden
Schutz biete, ist in allen Fällen, namentlich bei weniger einfachen Verhältnissen, eine sachverständige
Beurteilung der lokalen Verhältnisse notwendig.
Vor allem sind für die Anordnung der Gesamtanlage diejenigen Stellen im Erdreich zu ermitteln, nach denen hin vermutlich eine Entladung erfolgen wird. Als solche gelten in erster Linie: Grundwasser, stehende und fließende Gewässer, Gas- und Wasserleitungsrohre, eiserne Pumpen, [* 13] soweit sie nicht in cementierte oder ausgemauerte Bassins reichen, Terrain mit reichlichem Jauchenabfluß, unterirdische Wasserläufe;
in zweiter Linie: Abflußstellen von Regenrinnen, Gossen, Küchengußsteinen sowie die mit Gras, Blumen, Gemüse oder Buschwerk bestandenen Flächen.
Der Preis einer Blitzableiter
anlage stellt sich für
2‒3stöckige Häuser zu etwa 1‒1,5 M. pro Quadratmeter bebaute Fläche. – Über Blitzableiter
für Telegraphenanlagen
s. Elektrische Telegraphen
[* 14] und Blitzplatten. –
Vgl. Eisenlohr, Anleitung zur Ausführung und Visitation der Blitzableiter
(Karlsr. 1848);
Kühn, Handbuch der angewandten Elektricitätslehre (Lpz. 1866);
Buchner, Die Konstruktion und Anlegung der Blitzableiter
(Weim. 1867);
Klein, Das Gewitter (Graz [* 15] 1871);
Stricker, Der Blitz und seine Wirkungen (Berl. 1873);
Holtz, Über die Theorie,
die Anlage und Prüfung der Blitzableiter
(Greifsw. 1878);
Melsens, Sur les paratonnerres (Brüss. 1881);
A. von Waltenhofen, Über Blitzableiter (Braunschw. 1890);
F. Neesen, Die Blitzgefahr (Berl. 1891);
Lindner, Anleitung zur Herstellung und Prüfung von Blitzableiteranlagen (Weim. 1892).
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