Titel
Blitzableiter
,
Vorrichtungen, welche die Verheerungen des Blitzschlags von gewissen Orten abwenden sollen. Die Ansicht, daß bereits die Priester der alten Kulturvölker (Ägypter) die Gesetze der Blitzleitung gekannt hätten, hat in neuerer Zeit mehrfache Bestätigungen erhalten. So fand Dümichen an der Fassade des Tempels von Edfu zwei Inschriften, welche sich darauf beziehen, daß die vier das Gebäude überragenden Flaggenmasten das Unwetter des Himmels abwehren und das Gebäude schützen sollen.
Auch an dem Tempel [* 2] von Dendrah findet sich eine ähnliche Inschrift, welche von den danebenstehenden mit Kupfer [* 3] beschlagenen und oben zugespitzten Holzstangen von 30-40 m Höhe aussagt, daß sie dazu bestimmt seien, »das Ungewitter zu brechen aus der Höhe«. Ebenso fand auch Brugsch eine ähnliche vierte Inschrift zu Medinet Abu, welche noch angibt, daß die Spitzen vergoldet und die Masten von Ramses III. (1300 v. Chr.) errichtet seien. Durch die Auffindung dieser Inschriften erhalten die bisher nicht besonders gewürdigten Nachrichten, daß die griechischen und römischen Priester es verstanden hätten, den Blitz vom Himmel [* 4] herabzulocken, und daß mehrere Priester und Könige dabei vom Blitz erschlagen seien, neues Interesse.
Auch aus dem
Mittelalter lassen sich
Spuren dunkler
Kunde der Blitzleitung nachweisen. In neuerer Zeit ist
das Herabfahren des
Blitzes an
Drähten und Eisenwerk schon lange bekannt gewesen, bevor
Franklin durch direkte
Versuche 1752 die
elektrische
Natur des
Blitzes nachwies.
Reimann beobachtete
zu
Eperies in
Ungarn
[* 5] 1717, daß der
Blitz an verschiedenen
Drähten
herab dem
Eisen
[* 6] nachgefahren sei und nur beim Übergang aus einem
Draht
[* 7] in den andern die dazwischenliegenden
Steine zerschmettert habe. Er vermutet eine besondere
Sympathie des
Blitzes mit dem
Eisen, weil der
Blitz 1673 an demselben eisernen
Draht bis in den
Boden heruntergefahren sei. Die ersten
Vorschläge
Franklins, die
Gefahr des Blitzschlags durch
Errichtung eines Blitzableiter
zu beseitigen, reichen bis 1749 zurück, wo er sich in einem
Brief (s. seine
Briefe über
Elektrizität,
[* 8] übersetzt von
Winkler, S. 87) darüber ausspricht.
Später 1753 behandelte er das
Thema noch bestimmter, doch datiert der erste
Blitzableiter
, den
Franklin errichtete, und der zum
Schutz des
Wohnhauses eines
Kaufmanns
West zu
Philadelphia
[* 9] bestimmt
war, erst aus dem Jahr 1760. In
Deutschland
[* 10] hat
Winkler
(Programm
»De avertendi fulminis artificio«, Leipz. 1753) die ersten
Vorschläge dieser Art gemacht, während die erste Ableitungsmaschine für den
Blitz wohl von Prokopius
Divisch 1754 zu Prendiz
bei
Znaim in
Mähren
[* 11] errichtet wurde.
Die Einrichtung dieser Vorrichtung ist nicht genau bekannt, auch wurde sie bald von den benachbarten
Bauern zerstört, die sie für die Trockenheit des folgenden
Sommers verantwortlich machten (vgl. »Gartenlaube«
1878, Nr. 38). Der leitende
Gedanke, welcher der Errichtung eines Blitzableiter
zu
Grunde liegt, ist immer der, dem
Blitz künstlich
eine so starke Leitung in den Erdboden hinein zu verschaffen, daß er nur dieser folgt und nicht etwa
seinen Weg durch das
Dach
[* 12] oder die
Wände etc. eines
Hauses nimmt. Die Möglichkeit, diese Aufgabe zu lösen, ist dadurch gegeben,
daß der
Blitz vorzugsweise gern seinen Weg über Metallmassen nimmt, daß er von hohen Gegenständen
angezogen wird und zuletzt das Ende seiner
Bahn in den unterirdischen
Wassern des
Bodens findet.
[Bestandteile.]
Jeder Blitzableiter
besteht im wesentlichen aus drei Teilen: aus der Auffangstange mit der
Spitze, aus der oberirdischen
Leitung und aus der Bodenleitung.
Alle diese Teile müssen aus
Metall verfertigt sein und in ununterbrochener
metallischer
Verbindung miteinander stehen. Die Auffangstange besteht am besten aus
Eisen und endigt
oben in eine
Spitze die,
um ihre Oxydierung zu verhindern, vergoldet ist. Man thut wohl daran, die
Spitze nicht zu fein auslaufen zu lassen, damit
sie nicht leicht von einem Blitzschlag abgeschmolzen werde. Ob die
Spitze aus einem andern
Metall besteht
als die Auffangstange, ist bezüglich des
Blitzes ziemlich unwesentlich, sobald die Auffangstange überhaupt eine genügende
Stärke
[* 13] hat; indes ist der Einfluß der
Atmosphäre in Betracht zu ziehen und daher die
Spitze aus einem atmosphärischen Einwirkungen
gegenüber möglichst unveränderlichen
Metall anzufertigen.
Arago empfahl dazu das
Platin, welchem aber
Silber entschieden vorzuziehen ist. Eine solche Silberspitze
würde, wenn ihre
Basis einen
Durchmesser von 19 bis 20
mm erhält, viel länger gemacht werden können als eine Platinspitze,
ohne daß die
Kosten sich dabei höher stellen würden. Dazu ist das elektrische Leitungsvermögen des
Silbers 9,6mal so groß
als dasjenige des
Platins, und sein
Schmelzpunkt liegt bei 1000°, d. h. hoch genug. Das Vorhandensein
einer
Spitze an der Auffangstange ist aus dem
Grund erforderlich, damit, wenn eine Gewitterwolke über dem Blitzableiter
schwebt, die
von ihr angezogene
Elektrizität des Erdbodens mit Leichtigkeit ausströmen kann.
Beim Mangel einer
Spitze würde sich
¶
mehr
diese Elektrizität in der Auffangstange zum größten Teil anhäufen, und man würde dann aus ihr ebenso wie aus einem geladenen Konduktor bald schwächere, bald stärkere Funken ziehen können. Die Auffangstange hat am besten einen kreisförmigen Querschnitt, eine Höhe zwischen 5 und 8 m und läuft nach oben konisch zu. Bei schmiedeeisernen Stangen, die dieses Maß nicht überschreiten, ist der Durchmesser der Basis am besten 60 mm, derjenige der obern Endfläche 25-30 mm. Die oberirdische Leitung hat den Zweck, den Blitz von der Auffangstange zum Boden zu führen, ohne daß er von ihr abspringt.
Sie muß daher vor allen Dingen eine ununterbrochene sein und einen hinreichend großen Querschnitt besitzen,
um dem Blitz eine möglichst ungehinderte Fortbewegung zu gestatten. Dieser letztere Punkt ist wohl zu beachten, denn in vielen
Fällen, wie z. B. bei dem Blitzschlag, der 1809 das Schloß des Grafen Seefeld am Ammersee verheerte, verließ der elektrische
Strahl die Leitungsstange des Blitzableiters
nur infolge davon, daß deren Dicke zu gering war und sie ihm
keinen genügend schnellen Abfluß in den Boden zu gewähren vermochte.
Nach dem Ausspruch der französischen Kommission für Blitzableiter
, welche 1866 ihre Beratungen hielt, soll eine quadratische Eisenstange
von 15 mm Seite genügen; man kann dieser Stärke beipflichten, wenn man die Stange rund wählt; besteht
die oberirdische Leitung aus Kupfer, so genügt ein Draht von 6 mm Durchmesser. Eine stärkere Leitung ist nur da erforderlich,
wo ein besonders hervorragendes Gebäude vermöge seiner ganzen Lage einen sehr wesentlichen Anteil an der Ausgleichung der
entgegengesetzten Wolken- und Bodenelektrizität nimmt. Um das Oxydieren und damit einen teilweisen Verlust
des elektrischen Leitungsvermögens möglichst zu verhüten, wird die ganze Leitstange mit einem Ölfarbenanstrich versehen
oder noch besser mit Lackfirnis überzogen. In neuerer Zeit sind Drahtseile, besonders aus Kupfer, vielfach empfohlen worden.
Von Zeit zu Zeit muß eine Prüfung angestellt werden, ob die metallische Leitung von der Spitze bis zum
Boden noch ununterbrochen vorhanden ist; denn wenn eine Lücke in derselben eingetreten ist, wird die Gefahr durch den Blitzableiter
vermehrt,
statt daß sie vermindert wird. Eine derartige Prüfung erfolgt am besten dadurch, daß man den in die Bahn eines galvanischen
Stroms einschaltet, der auch durch ein Galvanometer
[* 15] hindurchgeht, und nachsieht, ob die Magnetnadel desselben
abgelenkt wird, wenn der Strom geschlossen wird.
Zeigt sich auf diese Weise, daß die Leitung unterbrochen ist, so wird successive immer ein kürzeres Stück der oberirdischen
Leitung des Blitzableiters
in die Stromleitung eingeschaltet, bis die Strecke gefunden ist, auf welcher
sich die Unterbrechung befindet. Die Bodenleitung ist derjenige Teil des Blitzableiters
, gegen dessen richtige Konstruktion
gewöhnlich am meisten gefehlt wird. Und doch hängt von der guten Beschaffenheit der Bodenleitung die Wirksamkeit des Blitzableiters
zum guten Teil ab; ein Blitzableiter
mit mangelhafter Bodenleitung ist ebenso gefährlich wie ein Blitzableiter, bei
welchem die oberirdische Leitung unterbrochen ist.
Die Bodenleitung muß nämlich unter allen Umständen zu unterirdischen Wassermassen von hinreichender Quantität führen, der stets feuchte Erdboden ist nur ein zweifelhafter Ersatz. Man kann hier nur nach der Erfahrung urteilen, und diese spricht dafür, daß die Wassermassen, in welche die unterirdische Leitung endigt, nie beträchtlich genug sein können. Die vielfach befolgte Methode, die Bodenleitung in einen rings ausgemauerten Brunnen [* 16] endigen zu lassen, ist zu verwerfen.
Man muß vielmehr unter allen Umständen möglichst große unterirdische Wassermengen zu erreichen suchen. Der Teil der Leitung,
der in den Boden hinabreicht, muß 2 cm Seite haben. Von Zeit zu Zeit ist es nötig, den Wasserstand zu
untersuchen, vorsichtigerweise selbst dann, wenn man den Stand des Wassers in benachbarten Brunnen kennen sollte. Auch muß
man von Zeit zu Zeit nachsehen, in welchem Zustand sich das ins Wasser gebrachte Eisen befindet. Zu diesem Ende hat man darauf
zu achten, daß gleich anfangs geeignete Maßregeln getroffen werden, um den untersten Teil des Blitzableiters
jederzeit leicht herausheben zu können.
Wenn unterirdische Wassermassen sich nur in bedeutendem Abstand vorfinden und man gezwungen ist, um zu ihnen zu gelangen, mehrere Hundert und selbst tausend Meter zu durchlaufen, so ist es doch unumgänglich notwendig, die Bodenleitung bis zu ihnen zu führen. In den bei weitem meisten Fällen hat man allerdings Grundwasser [* 17] in der Nähe; sollte sich dies aber in genügender Menge überhaupt nicht vorfinden, so bleibt nichts übrig, als die Leitung so tief wie möglich in das feuchte Erdreich zu führen, aber dabei für mehrfache Abzugsquellen zu sorgen.
Man erreicht dies dadurch, daß man die unterirdische Leitung mehrfach verzweigt und an jedem Endpunkt einen Metallcylinder anbringt, der bei großer Oberfläche möglichst tief ins feuchte Erdreich versenkt wird. Man muß aber dann noch einen Zweig an der Leitung anbringen, der nur mit der Oberfläche des Bodens in Verbindung gesetzt wird. Nach großer Dürre ist nämlich der Einfluß der Gewitterwolke auf trockne Erdschichten ein geringer, während des mit dem Gewitter auftretenden Regens wird aber die oberste Erdschicht infolge der aufgenommenen Feuchtigkeit sehr gut leitend und dadurch eine hier angebrachte Oberflächenleitung in manchen Fällen weit wirksamer als die unterirdische Leitung.
[Einzelne Arten.]
Die Frage, in wie großem Umkreis ein Blitzableiter
unbedingten Schutz gewähre, ist im allgemeinen nicht zu beantworten,
denn hier richtet sich alles nach speziellen Verhältnissen. Nach alten Annahmen galt noch in der ersten Hälfte des gegenwärtigen
Jahrhunderts die sogen. Charlessche Regel, daß durch einen Blitzableiter
eine kreisförmige Fläche geschützt werde,
deren Halbmesser der doppelten Höhe des Ableiters gleich sei. Seitdem sind aber so viele Fälle konstatiert worden, in welchen
der Blitz in größerer Nähe einschlug, daß die Unhaltbarkeit dieser Regel nicht zu bezweifeln ist.
Für gewöhnliche Gebäude kann man annehmen, daß der Radius des geschützten Kreises einfach gleich der
Höhe der Spitze der Auffangstange über dem Dachfirst ist; doch richtet sich, wie bereits gesagt, alles nach speziellen Verhältnissen.
Gebäude, in welchen große Metallmassen aufgehäuft sind, bedürfen z. B. mehrerer zweckmäßig
angebrachter Blitzableiter
, während ebenso große Gebäude ohne besondere Metallmassen vielleicht schon durch Einen
Blitzableiter hinreichend geschützt sind.
Bei Kirchen pflegt man zwei Auffangstangen, eine auf der Turmspitze und die andre über dem Chor, anzubringen; doch richtet sich auch hier alles nach der Größe des Baues. Die Blitzableiter der Pulvermagazine bringt man nicht an diesen selbst, sondern in einiger Entfernung davon an, da selbst die Entstehung eines Funkens bei Blitzschlägen hier sehr verderblich wirken könnte. Aus gleichem Grund pflegt man auch hier die Zahl der Ableiter mehr zu vervielfältigen, als man dies unter andern ¶
mehr
Umständen thun würde. Blitzableiter für Seeschiffe sind von größter Wichtigkeit in einer Zeit, in welcher das Eisen mehr und mehr beim Schiffbau verwandt wird. Der Engländer Sir William Snow Harris hat einen Blitzableiter für Seeschiffe konstruiert, der Außerordentliches leistet und der englischen Marine Millionen erspart. Blitzableiter für Telegraphenleitungen, welch letztere vorzugsweise den Blitzschlägen ausgesetzt sind, wurden zuerst von Steinheil konstruiert. Sie gründen sich auf die Beobachtung, daß die Luftelektrizität lieber (sehr) kleine Zwischenräume überspringt, als einen Umweg durch dünne Drahtwindungen macht, während der zum Telegraphieren benutzte schwache galvanische Strom nicht den kleinsten Zwischenraum überspringen kann. Es wurde nun der Leitungsdraht über das Stationsgebäude geführt, durchschnitten und an jedem der beiden Enden eine isolierte Kupferplatte von einem halben Fuß Durchmesser über dem Dach des Stationshauses angebracht.
Beide Platten wurden soviel wie möglich einander genähert, aber durch eine Schicht Seidenzeug noch immer eine elektrische Trennung bewirkt. Von diesen Platten führen sehr dünne Drähte zu den Telegraphenapparaten; während nun der arbeitende Strom nur diesen folgen kann und so zur Station gelangt, geht die atmosphärische Elektrizität von einer Platte zur andern über, ohne die Telegraphenapparate zu gefährden. Später ist der Steinheilsche Telegraphen-Blitzableiter von Meißner, Siemens u. Halske sowie von Nottebohm wesentlich verbessert worden.
Letzterer hat ihn zu dem sogen. Spitzenableiter umgeändert. Derselbe besteht hauptsächlich aus zwei Messingkegeln oder -Zapfen, zwischen denen bis zu größtmöglicher Annäherung in metallener Doppelkegel angebracht ist, der mit der Erde in gut leitender Verbindung steht. Die beiden Messingkegel stehen einerseits mit den Hauptleitungsdrähten, anderseits durch schwächere Drähte mit den Apparaten der Telegraphenstation in Verbindung. Der schwache Strom, mit welchem letzterer arbeitet, kann den Zwischenraum zwischen den Zapfen [* 19] und den mit der Erde in Verbindung stehenden Doppelkegel nicht überspringen, während die atmosphärische Elektrizität ihren Weg gerade über diesen Zwischenraum nimmt.
Vgl. Eisenlohr, Anleitung zur Ausführung und Visitation der Blitzableiter (Karlsr. 1848);
Buchner, Die Konstruktion und Anlegung der Blitzableiter (2. Aufl., Weim. 1876);
Klein, Das Gewitter (Graz [* 20] 1871);
Stricker, Der und seine Wirkungen (Berl. 1872);
Karsten, Über Blitzableiter (Kiel [* 21] 1877);
Mittelstraß, Die Blitzableiter (3. Aufl., Magdeb. 1877);
Holtz, Theorie, Anlage und Prüfung der Blitzableiter (Berl. 1878);
Derselbe, Über die Zunahme der Blitzgefahr (Greifsw. 1880);
Klasen, Die Blitzableiter (Leipz. 1879);
Carus Sterne, Die Urgeschichte des Blitzableiters (sieben Abhandlungen in den Sonntagsbeilagen der »Vossischen Zeitung« von 1877).