Blinde
,
s. Blindheit. – In Rechtsverhältnissen sind an sich handlungsfähig. Nach einzelnen Gesetzgebungen kann ihnen wie andern Gebrechlichen, wenn sie wegen ihres Zustandes eines Vormundes bedürfen, ein solcher bestellt werden; so nach einem Sächs. Gesetz vom auf ihr Verlangen oder wenn es das Vormundsschaftsgericht nach gerichtsärztlicher Untersuchung für nötig hält, im allgemeinen oder für einen bestimmten Kreis [* 2] von Angelegenheiten. Die Anordnung der ¶
mehr
Vormundschaft hat eine Beschränkung des Blinden
für dessen Geschäftsfähigkeit zur Folge; derselbe ist jedoch zur Anfechtung
der ohne sein Verlangen erfolgten Bestellung berechtigt. Auch nach der Preuß. Vormundschaftsordnung vom erhalten
großjährige Blinde
, welche durch ihr Gebrechen an Besorgung ihrer Rechtsangelegenheiten verhindert sind, einen Vormund,
welchem die denen eines Altersvormunds entsprechenden Befugnisse zugeteilt sind. Nach Preuß. Allg. Landr.
Ⅱ, 18, §. 18 und Allg. Gerichtsordn. Ⅱ, 3, §§. 7, 8 ist den (nicht bevormundeten) Blinde
bei gerichtlichen
Verhandlungen ein Beistand zu geben. Das franz. Recht und das Österr. Bürgerl. Gesetzbuch haben keine Bestimmung getroffen.
Der Deutsche
[* 4] Entwurf §§. 1726 u. 1727 hat eine ähnliche Bestimmung wie die Preuß. Vormundschaftsordnung,
doch soll der Blinde
einen Vormund nur mit seiner Einwilligung erhalten.
Ganz abgesehen von einer Bevormundung bedürfen die Verträge der Blinde
nach Preuß. Allg. Landr. Ⅰ, 5, §. 171 der gerichtlichen
Aufnahme zu ihrer Gültigkeit; demgemäß ist der außergerichtlich von einem Blinden
im Gebiet des Preuß.
Allg. Landrechts gezeichnete Wechsel ungültig («Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts», Bd. 17, S. 283). Eine ähnliche
Bestimmung vorzuschlagen haben die Verfasser des Deutschen Entwurfs abgelehnt.
Das gemeine Recht kennt eine Erschwerung der Testamentsform des Blinden
(Zuziehung eines achten Zeugen, Vorlesung der übergebenen,
den Letzten Willen enthaltenden Urkunde). Will der blinde
Erblasser ein Kodizill errichten, so muß das
Gleiche beobachtet werden wie bei dem Testamente. Der Blinde
ist nicht fähig, bei dem Testamente als Zeuge zugezogen zu werden.
– Nach dem Preuß. Allg. Landr. Ⅰ, 12, 113 fg. kann der Blinde
eine versiegelte letztwillige Verfügung nicht
überreichen; dagegen kann er einen Aufsatz offen übergeben; alsdann aber und sonst bei der Errichtung einer letztwilligen
Verfügung sind zwei Unterschriftszeugen zuzuziehen, nicht aber ein Beistand (vgl. «Entscheidungen des Reichsgerichts», Bd.
18, S. 308). Daß Blinde
, welche zugleich taubstumm sind, letztwillig nicht verfügen können, wird für Preußen
[* 5] in einem Reskript
vom («Justizministerialblatt», S. 151) angenommen.
Nach dem Sächs. Bürgerl. Gesetzb. §. 2071 können Blinde
nur gerichtlich einen Letzten Willen errichten; besondere Formerschwerung
findet sonst nicht statt. – Der Code civil beschränkt sich im Art. 977 darauf, die Zuziehung eines weitern Zeugen vorzuschreiben.
Das Österr. Bürgerl. Gesetzb. §. 580 enthält nur die Vorschrift, daß der Erblasser, welcher nicht
schreiben kann, sein Handzeichen beizusetzen habe. Auch das Bayrische Landr. Ⅲ, 3, §. 7, das Mainzer Landr. Ⅷ, §. 5 und
das Trierer Landr. Ⅰ, §. 15 bestimmen eine erschwerte Form für die letztwillige Verfügung. Dagegen sehen von jeder Formerschwerung
ab die Nürnberger Reformation, die Frankfurter Reformation und die Hamburger Statuten.