Blicher
,
Steen Steensen, dän. Lyriker und Novellist, geb. zu Vium bei Viborg, war als Kind und Jüngling höchst schwächlich, so daß er sein aus der Universität zu Kopenhagen [* 2] begonnenes Studium der Theologie unterbrechen mußte und erst 1809 im stande war, das theologische Amtsexamen zu absolvieren. Als Lehrer am Gymnasium in Randers angestellt, verheiratete er sich, sah sich aber bei der starken Zunahme seiner Familie nach einigen Jahren genötigt, zu seinem Vater zurückzukehren, dessen Pfarrgut er pachtete.
Hier lebte er als praktischer Landmann bis 1819, ohne dabei seine bisher gepflogenen litterarischen Beschäftigungen aufzugeben.
Sein erstes Werk war eine Übersetzung
Ossians (1807-1809, 2 Bde.), dann erschienen zwei Gedichtsammlungen 1814 und
1817, deren erste trotz der originalen Dichterpersönlichkeit, die sich darin kundgab, wenig Beachtung
fand, während die zweite, unter dem
Titel: »Jütlandsreise in sechs
Tagen« erschienen, bereits das
Interesse für den Dichter
weckte. Im J. 1819 erhielt Blicher
eine eigne Pfarrei in Thorning, welche er nach wenigen
Jahren (1826) mit einer einträglichen
in Spendrup vertauschte.
Hier in einer der ödesten Gegenden Jütlands lebend und gezwungen, durch den Ertrag seiner Feder seinen dürftigen Verhältnissen zu Hilfe zu kommen, ward er auf das Gebiet geführt, das ihn zu einem der Lieblingsschriftsteller des dänischen Volkes machen sollte: die Darstellung der Natur und des Volkslebens in Jütland. Den Anfang dazu machte die Novelle »En Landsbydegns Dagbog« (»Tagebuch eines Dorfküsters«, 1824), und in kurzer Frist folgte darauf eine stattliche Reihe von Erzählungen, die alle dieselbe Richtung verfolgen.
Mit seiner Beobachtungsgabe ausgerüstet, weiß Blicher
darin die Eigentümlichkeiten des bei aller Einförmigkeit
interessanten Landstrichs und seiner Bewohner in meisterhafter
Weise zur
Anschauung zu bringen und selbst den unscheinbarsten
Kleinigkeiten anziehende Seiten abzugewinnen. Weniger
Glück hatte er, sobald
er den
Stoff zu seinen
Novellen andern Verhältnissen
entnahm. Im J. 1836 besuchte Blicher
Schweden
[* 3] und legte die empfangenen
Eindrücke zum Teil in der Gedichtsammlung »Svithiod« (1837)
nieder.
Die Frucht einer zwei Jahre später unternommenen Reise durch die Halbinsel war die Schrift »Vestlig Profil af den Cimbriske Halvö« (1839). Nachdem 1838 ein neuer Band [* 4] Gedichte: »Träkfuglene« (»Zugvögel«),
u. die Novellensammlung »Kornmodn« erschienen waren, folgte 1842 »E Bindstouw« (»Eine Bindestube«, d. h. ein Lokal, wo sich die Dorfbewohner versammeln, um Strümpfe zu stricken und sich dabei Geschichten zu erzählen), eine Sammlung von kleinern ¶
mehr
Erzählungen in jütischer Mundart und unstreitig des Dichters Meisterwerk. Blicher
, der sich in den letzten Jahren seines Lebens
mit voller Seele der Nationalitätsbewegung angeschlossen hatte, starb nachdem er ein Jahr vorher sein Amt niedergelegt
hatte. Im J. 1866 wurde durch Nationalsubskription seine Bronzebüste auf dem Ständeplatz in Viborg errichtet.
Eine humoristische Autobiographie Blichers
ist der Sammlung seiner »Gamle og nye Noveller«
(3. Aufl., Kopenh. 1861-62, 8 Bde.)
vorangestellt. Eine neuere Auswahl der »Noveller« erschien in 3 Teilen
(Kopenh. 1871); seine »Digte« in 2 Bänden (das. 1870). Deutsch wurden Blichers
»Novellen« von Zeise (Altenb. 1846, 2 Bde.)
und von Diezmann (Leipz. 1849, 6 Bde.)
bearbeitet.