Bleistift.
[* 1] Der Gebrauch des Bleistift
oder eines dem Bleistift ähnlichen
Instruments fällt schon in das 14. Jahrh. und beginnt
mit der
Entwicklung der modernen Malerei in
Italien.
[* 3] 1664 erst wurde der Graphit in
Cumberland entdeckt
und dadurch die Anfertigung eines ganz neuen Schreib- und Zeichenmaterials, des heutigen Bleistift
, veranlaßt. In
Deutschland
[* 4] tauchten Mitte des 17. Jahrh. die ersten Bleistift
auf, mehr als Gegenstand
der
Kuriosität als des gewöhnlichen Gebrauchs, bis zu Anfang des 18. Jahrh.,
und zwar in
Bayern,
[* 5] mit der Fabrikation begonnen wurde.
Die bayr. Regierung, welche diesen neuen Industriezweig unter ihren besondern Schutz nahm, errichtete 1816 eine
Staatsfabrik in Obernzell (Hafnerzell) bei Passau;
[* 6] später ging dieselbe an die Gebrüder Rehbach in
Regensburg
[* 7] über, welche
heute noch die Fabrikation betreiben. Auch in
Wien
[* 8] faßte damals die Bleistift
fabrikation
Wurzel.
[* 9] Der Mittelpunkt
derselben wurde jedoch
Nürnberg
[* 10] und Umgebung, indem
Freiherr Lothar von Faber, der gegenwärtige
Besitzer der bekannten A.
W. Faberschen Bleistift
fabrik, die von seinen
Vätern 1761 zu
Stein in den kleinsten Verhältnissen begonnene Bleistift
fabrikation
derart in Aufschwung und zur
Entwicklung brachte, daß sich dessen Fabrikate in allen civilisierten
Ländern
der Erde, besonders auch in
Amerika,
[* 11] Eingang verschafften und sich die Bleistift
industrie zu großer
Blüte
[* 12] erhob. Seit
1880 hat
sich die Fabrik von
Johann Faber in
Nürnberg mit wachsendem Erfolg an der Massenerzeugung guter Bleistift
beteiligt.
Die Herstellung der eigentlichen Bleistift
masse erfolgt nach drei verschiedenen Methoden.
Die erste umfaßte
die Herstellung der in Form von ausgeschnittenen und ausgesägten Stängelchen, die mittels Sägen
[* 13] aus dem zu
Borrowdale in
Cumberland gefundenen Graphit hergestellt und ohne weitere Zuthat in Holz
[* 14] gefaßt wurden. Die zweite Methode umfaßte
die Versuche, die beim Schneiden der Graphitblöcke abgefallenen Graphitstücke und den gepulverten Graphit
mit
Bindemitteln, wie Schwefelantimon, Leim u. s. w., in Formen zu pressen und in
Stifte zu schneiden.
Die dritte Methode endlich nach der 1795 gleichzeitig von dem
Franzosen Conté und dem
Wiener Hardtmuth gemachten Erfindung,
welche der Bleistift
fabrikation in kurzer Zeit eine neue Gestaltung geben sollte, bestand darin, dem
Graphitpulver wasserhaltigen
Thon zuzusetzen und aus dieser
Masse durch Auspressen beliebig starke oder schwache Bleistängelchen
herzustellen, wodurch eine Mannigfaltigkeit der Sorten nach Härte, Färbung und Schwärzung erzielt wurde. Diese letzte
Methode bürgerte sich allgemein ein. Durch Anwendung des 1856 aufgefundenen sibir. Graphits
(Graphite
Alibert), dessen
Ausbeute in den Alleinbesitz der Firma A. W. Faber in
Stein überging, ist es
gelungen, in
Bezug auf Reinheit und Gleichmäßigkeit einen Ersatz für das vorher unübertroffene Cumberlandblei zu finden.
Das Verfahren der jetzt allgemein üblichen dritten Methode ist folgendes. Die beiden genannten Rohmaterialien werden erst für sich zerkleinert, geschlämmt und getrocknet, worauf die aus beiden durch Mischen gebildete Masse (Blei [* 15] genannt) auf Mühlen, [* 16] die Tag und Nacht im Gang [* 17] erhalten bleiben, in nassem Zustande fein gemahlen und nach dem Mahlen in eigens dazu bestimmten Ofen getrocknet wird. Aus dieser getrockneten Masse wird durch Anfeuchten mit Wasser ein plastischer Teig gebildet, der in den Cylinder einer hydraulischen Presse [* 18] gebracht wird. Am Boden dieses Cylinders befindet sich ein Kupferplättchen, das in der Mitte eine Öffnung von der Form des gewünschten Stäbchenquerschnitts besitzt.
Wird nun die
Masse im Cylinder zusammengepreßt, so tritt sie aus der Bodenöffnung stäbchenförmig hervor und legt sich
auf dem Tisch unter der
Presse in
Ringen wie ein
Tau zusammen. Sie wird dann auf Brettern mit entsprechenden
Rillen in gerade
Richtung gebracht und an einem mäßig warmen Orte getrocknet. Noch ehe das
Blei vollkommen ausgetrocknet
ist, wird es in Stäbchen von der reichlichen Länge der zu verfertigenden Bleistift
geschnitten. Nach dem
Trocknen erfolgt das
Ausglühen der Bleistäbchen in eigens dazu konstruierten Öfen,
[* 19] wozu sie in luftdicht verschlossene Kästchen
von
Thon oder
Eisen
[* 20] wagerecht eingelegt werden.
Die Holzeinfassungen, für die bei den bessern Bleistift
sorten Cedernholz, bei den geringern Sorten jedoch einheimische Holzarten
zur Verwendung kommen, bestehen immer aus zwei
Teilen. Für vierkantige Bleistäbchen
(a, s. vorstehende
[* 1]
Figuren) wählt man zwei ungleiche
Teile, von denen der genutete kurz «Nut», der glatte «Deckel»
genannt wird; bei runder und sechskantiger Einlage (b resp. c) kommen
¶
mehr
zwei gleiche Teile, die beide genutet sind, zur Anwendung. Die Zubereitung des Holzes geschieht in der Weise, daß die Blöcke
zunächst in Stücke von der Länge der Bleistift
quer zerteilt, die einzelnen Stücke vermittelst kleiner Kreissägen zu Brettchen
geschnitten und diese an den spätern Leimflächen glatt gehobelt werden. Diese Brettchen bekommen dann
auf Nutenmaschinen die zum Einlegen der Bleistäbchen bestimmten Nuten und werden gleichzeitig in die einer Bleistift
stärke
entsprechenden Streifen zerteilt.
Hierauf beginnt das Einleimen der Bleistäbe in das Holz; die geleimten Bleistift
werden sodann in eine Presse gebracht und dicht
nebeneinander durch Schrauben
[* 22] fest eingepreßt. Die so weit fertigen Bleistift
sind alle viereckig
und werden, nachdem sie durch Schleifrollen auf genau die gleiche Länge gebracht sind, vermittelst Hobelmaschinen
[* 23] rund,
sechseckig, viereckig, dreieckig oder oval gehobelt. Schließlich werden die gehobelten in beliebigen Farben poliert und darauf
mittels Hebelpressen mit dem Fabrikstempel in Gold,
[* 24] Silber oder Scharfdruck versehen.
Unter den neuern Erzeugnissen der Bleistift
industrie sind hervorzuheben die von A. W. Faber erfundenen
mechanischen Bleistift;
dieselben bestehen aus einer Holzhülse, in die das Bleistäbchen lose eingefügt ist und durch eine an ersterer angebrachte Metallspitze festgeschraubt, bei andern festgeklemmt wird;
sie haben vor den geleimten den Vorteil, daß sie sich bei längerm Gebrauch billiger stellen;
auch sind sie bequemer, weil die ganze Länge der Stifte unverändert bleibt und zum Spitzen eine Feile [* 25] genügt.
Ferner sind neben den nach analoger Methode wie die Bleistift
hergestellten
Farbstiften, Pastell- oder Ölkreidestiften, welche zum Zeichnen und Schreiben verwendet werden, als neues Produkt zu erwähnen
die in jüngster Zeit von A. W. Faber in 42 Nuancen erzeugten Deckfarbstifte, die sich von den eben genannten
Farbstiften dadurch unterscheiden, daß auf einen damit gezogenen Strich, welcher nicht, wie bei den bisherigen Farbstiften,
glatt ist, eine zweite Farbe aufgetragen werden kann, welche die erste fast ganz deckt. Infolge dieser Eigenschaft
ist man im stande, auf einer Zeichnung die aufgetragenen Töne nach Belieben abzuändern. Diese neuen Farbstifte eignen sich
zu Zeichnungen aller Art, zu Porträt- und Landschaftsmalereien sowie zu Ornament- und Bauzeichnungen. - Eine andere ebenfalls
von A. W. Faber verfertigte Art von Farbstiften eignet sich zum Schreiben und Zeichnen auf Glas,
[* 26] Porzellan,
Metall, poliertes Holz, Wachstuch u. s. w., worauf kein anderer Stift schreibt.
Die gleichen Farbstifte finden auch für dermatographische Zwecke Verwendung, indem sie den Medizinern zum Zeichnen und Markieren auf menschliche Fleischteile dienen. Ein weiter dem Bleistift verwandter Stift ist der von der Firma A. W. Faber erfundene Kopierstift, dessen Masse neben Graphit einen Zusatz von Anilinviolett enthält; er kann als Ersatz für und Kopiertinte dienen. Auf trocknem Papier giebt er eine Bleistiftschrift, die sich nicht durch Reibegummi entfernen läßt und von welcher durch stark gefeuchtetes Kopierpapier mittels der Kopierpresse Kopien erzeugt werden können. - Ferner sind hier noch zu erwähnen neue unverwischliche Schwarzstifte zum Schreiben auf Webstoffe, Holz, Stein, Leder u. s. w., schwarze und weiße Zeichenkreide in und ohne Holzfassung und endlich künstlich präparierte Schieferstifte, die nach gleicher Methode hergestellt werden wie die Bleistift.
Auf dem Weltmärkte erfreuen sich deutsche Bleistift fortgesetzt der besten Aufnahme. Die Ausfuhr von Graphit-, Farben- und Pastellstiften belief sich 1892 auf 9477 Doppelcentner im Werte von 2,98 Mill. M., davon 2375 Doppelcentner nach England, 1105 nach Frankreich, 637 nach den Vereinigten Staaten [* 27] von Amerika, 331 nach Rußland. Die Einfuhr betrug 1151 Doppelcentner im Werte von 311000 M., umfaßt daher geringerwertige Sorten. Für letztere sind in Bezug auf deren Herstellung außer Deutschland vorzugsweise Österreich, [* 28] Frankreich, England, neuerdings die Vereinigten Staaten von Amerika zu nennen. -
Vgl. R. Raab, [* 29] Die Schreibmaterialien (Hamb. u. Lpz. 1888).