Bleichsucht
(Chlorose), eine Art der allgemeinen chronischen
Blutarmut (s. d.), welche vorzugsweise bei heranwachsenden
Mädchen, aber auch bei jungen Männern vorkommt und weniger aus einer Verminderung der Blutmenge als
aus einer mangelhaften
Ernährung der
Gewebe
[* 2] und
Organe beruht. Als
Ursache liegt der Bleichsucht
stets eine dürftige
Anlage des Gefäßapparats,
besonders des
Herzens, zu
Grunde
(Virchow), und daher kommt es, daß gerade in der
Periode der schnellen
Entwickelung des
Körpers
in den Pubertätsjahren sowie zuzeiten der
Schwangerschaft bei
Frauen und bei Beginn härterer körperlicher
Arbeit bei jungen Männern die
Störungen der Bleichsucht
zu
Tage treten.
Sind also
Personen mit dieser fehlerhaften
Anlage schon unter ganz normalen Verhältnissen des
Lebens zu Bleichsucht
disponiert, so steigert
sich die
Erscheinung noch erheblich, wenn starke Blutverlust
(Menorrhagien), Säfteverluste, Aufenthalt
in ungesunden
Räumen oder irgend einer derjenigen Umstände hinzukommt, welche unter den
Ursachen der
Blutarmut aufgeführt
sind. Das augenfälligste Zeichen der Bleichsucht
besteht in der bleichen
Beschaffenheit der äußern
Haut,
[* 3] der
Lippen, des
Zahnfleisches,
der
Bindehaut der
Augen.
Die wachsartig durchscheinende
Haut hat manchmal ein gelbliches bis blaßgrünliches
Kolorit. Vorübergehend
kann auch Rötung einzelner Hautstellen vorkommen. Bei manchen
Fällen von Bleichsucht
werden leichte wassersüchtige Anschwellungen
um die
Knöchel herum, im
Gesicht,
[* 4] an den Augenlidern beobachtet, welche aber meist ebenso schnell vergehen, wie sie entstanden
sind. Die Kranken kommen beim schnellen
Gehen, beim Treppensteigen etc. sehr leicht außer
Atem; sie ermüden
leicht, klagen über
Schwere in den
Füßen und über
Schmerzen in den
Muskeln.
[* 5]
Häufig leiden Bleichsüchtige auch an
Nervenschmerzen im
Gesicht und namentlich an
Magenschmerz. Gewöhnlich besteht eine abnorm
gesteigerte allgemeine
Empfindsamkeit des
Körpers und
Geistes, eine trübe, gereizte
Stimmung,
Neigung zum
Weinen, oft auch eigentümliche
Gelüste nach sauren oder pikanten
Speisen, selbst nach ganz ungenießbaren
Dingen, wie
Kohle,
Kreide
[* 6] etc.
Fast alle an Bleichsucht.
Leidende klagen über
Herzklopfen. Der
Arzt vernimmt bei der Untersuchung des
Herzens und der großen Halsvenen
eigentümliche, für die Bleichsucht
charakteristische
Geräusche.
Abgesehen von den gewöhnlich vorhandenen
Magenschmerzen pflegt auch der
Appetit vermindert zu sein. Es
besteht
Verdauungsschwäche, nach dem
Essen
[* 7] entsteht
Druck und Vollsein in der
Magengrube, saures
Aufstoßen etc. Übrigens kommt
bei Bleichsucht
sehr häufig das gefährliche runde
Magengeschwür vor. Die
Menstruation fehlt entweder vollständig, oder sie ist spärlich
und unregelmäßig oder mit heftigen
Schmerzen verbunden. Selten ist die
Menstruation eine übermäßig
reichliche.
Neben der Menstruationsstörung besteht häufig noch ein
Katarrh der
Gebärmutter
[* 8] und
Scheide mit Abfluß eines weißen
Sekrets
(weißer Fluß). Die allgemeine
Ernährung scheint dem
Laien zuweilen besonders gut, da Bleichsüchtige zu Fettbildung neigen.
Der Verlauf richtet sich ganz danach, ob durch übermäßige Anstrengungen, durch
Krankheiten, durch ungesunde
Lebensverhältnisse die angeborne
Anlage der Bleichsucht
noch gesteigert wird, oder ob sich bei geregelter Lebensweise im weitern Wachstum
der Fehler durch Vergrößerung des
Herzens wieder ausgleicht.
Das
Ziel der ärztlichen Behandlung ist in allen
Fällen von Bleichsucht
auf gute, kräftige
Ernährung gerichtet; der
Gebrauch der eisenhaltigen
Brunnen
[* 9] von
Pyrmont,
Driburg,
Spaa, eisenhaltige
Pillen oder
Pulver leisten oftmals ausgezeichnete
Dienste,
[* 10] allein es bleiben nicht so ganz wenige
Fälle übrig, bei welchen die gewünschte Zunahme der
Herzthätigkeit ausbleibt, bei
denen trotz aller
Mittel die Bleichsucht
unheilbar ist.
Andre
Fälle erreichen nur eine Art von labilem
Gleichgewicht,
[* 11] da ihr Gefäßapparat
bei geringen Ansprüchen zwar ausreichende Thätigkeit entfaltet, bei jeder größern Zumutung dagegen,
sei es an
Arbeit oder durch fieberhafte
Krankheiten oder heftige Seeleneindrücke, leichter erlahmt und so eine fortdauernde
Gefahr für Rückfälle des
Leidens
in sich schließt.
Vgl. Virchow, Allgemeine Störungen der Ernährung und des Bluts (Erlang 1854);
Richter,
Blutarmut und Bleichsucht
(2. Aufl., Leipz.
1854);
Pfaff,
Blutarmut und Bleichsucht
(das. 1870).
Bleichsucht
bei
Schafen und andern
Wiederkäuern ist eine chronische
Störung des Allgemeinbefindens, bei welcher das
Blut sehr
dünnflüssig, nur wenig klebend, fleischwasserähnlich erscheint, nicht leicht
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mehr
gerinnt und sich durch großen Reichtum an Blutwasser bei vermindertem Gehalt an Faserstoff, Eiweiß und Blutkörperchen [* 13] auszeichnet. Man unterscheidet vielfach eine symptomatische und eine essentielle Bleichsucht. Erstere ist eine Folge andrer Leiden, [* 14] namentlich der Wurmkrankheiten: der Leberegelseuche, der Lungenwurm-, Magen- und Bandwurmseuche. Die essentielle Bleichsucht entsteht aus Einflüssen, welche die Ernährung und Blutbildung beeinträchtigen: ungenügende, nicht zusagende Nahrung, ungünstige Witterung, besonders anhaltende Nässe, wobei sowohl diese selbst als nicht minder deren Einwirkung auf die Futterpflanze in Betracht kommt.
Die Krankheit entwickelt sich allmählich, meist wird sie erst bei einiger Ausbildung an dem trägen, matten Gang, [* 15] der leichten Ermüdung der Schafe [* 16] erkannt. Die Wolle zeigt sich glanzlos, weniger elastisch, fettarm; die Haut ist bleich, in höhern Graden wassersüchtig gedunsen (ödematös); die sichtbaren Schleimhäute, besonders erkennbar die Bindehaut des Auges, sind bleich, deren Gefäße nicht mit rotem Blut gefüllt. Abmagerung, Bauchwassersucht, verminderte Freßlust, fühlbarer Herzschlag vollenden das Krankheitsbild.
Wassersüchtige Anschwellungen unter der Haut, besonders am Kopf und Hals (der sogen. Kropf), treten dazu, und unter Zunahme der Abmagerung und Hinfälligkeit erliegen die Tiere, nachdem endlich noch übelriechende Durchfälle sich eingestellt haben, an Erschöpfung nach einer oft monatelangen Krankheitsdauer. Eine Heilung der Krankheit ist nur im Beginn und bei der Möglichkeit, die schädlichen Außeneinflüsse abzuhalten und kräftig nährendes Futter: Körner, gutes Heu, Hülsenfrüchte etc., in genügender Menge zu verabreichen, zu erwarten. Arzneilich werden unzählige Mittel empfohlen; die bitter-aromatischen und die zusammenziehenden (Gerbstoff enthaltenden): Enzian, Wermut, Wacholderbeeren, Eichenrinde etc., Eisenvitriol, bewähren sich am meisten.
Bleichsucht der Pflanzen ist eine Krankheitserscheinung, bei welcher Pflanzen, die für gewöhnlich grün gefärbte Teile haben, bleich erscheinen. Sie beruht aus einem Nichtausgebildetsein der die grüne Färbung der Gewächse veranlassenden Chlorophyllkörner in den Zellen der betreffenden Teile. Die Bleichsucht ist von dem Gelbwerden bei Lichtmangel, dem sogen. Etiolement (s. d.), durchaus verschieden, da dieses von einer Gestaltsveränderung der Pflanze begleitet ist.
Die Ursache der Bleichsucht kann in ungeeigneter Temperatur, wie beim Austreiben mancher Zwiebelpflanzen in kalten Frühjahren, oder auch im Eisenmangel des Bodens bestehen. In andern Fällen tritt die Bleichsucht trotz günstiger Temperatur und Anwesenheit von Eisen, [* 17] z. B. bei einzelnen Sämlingen in sonst gesunden Aussaatskulturen oder an Sprossen normal gefärbter Pflanzen, auf. Endlich existieren von vielen Pflanzen Varietäten, deren Blätter nur teilweise grün und mit Streifen oder Flecken von bleicher Farbe gezeichnet (panaschiert) sind. Merkwürdigerweise läßt sich die Panaschierung durch Samen [* 18] vererben und kann durch Pfropfung auf nicht panaschierte Individuen übertragen werden.