Blattläuse.
Das im laufenden Alphabet nicht Verzeichnete ist im Register des Schlußbandes aufzusuchen.
Blattläuse
3 Seiten, 3'066 Wörter, 22'796 Zeichen
Blattläuse.
Das im laufenden Alphabet nicht Verzeichnete ist im Register des Schlußbandes aufzusuchen.
Blattläuse
(Pflanzenläuse, Aphidina Burm.), Insektenfamilie aus der Ordnung der Halbflügler, kleine Tiere mit hervorgestreckten, fünf- bis siebengliederigen Fühlern, die häufig länger als der Körper sind, zusammengesetzten Augen, dreigliederigem Schnabel bei beiden Geschlechtern, langen und dünnen Beinen mit zweigliederigen Tarsen und vier dünnhäutigen, aber häufig auch fehlenden Flügeln. Bei den zahlreichen Arten der Gattung Aphis stehen zwei längere oder kürzere Saftröhren (Honigtrompeten) zur Seite des Rückens auf dem sechsten Glied, [* 3] welche eine süßliche Flüssigkeit absondern; auch ragt nicht selten noch ein »Schwänzchen« über die Leibesspitze hinaus, erscheint aber erst vollkommen entwickelt, wenn die Häutungen zu Ende sind, und wird daher zu dem wichtigsten Unterscheidungsmerkmal zwischen Larve und ungeflügeltem Imago.
Die meisten Blattläuse
sind grün, häufig bereift, bisweilen durch
Ausschwitzungen mit förmlichem Wollpelz bedeckt
(Wollläuse).
Die Blattläuse
nähren sich vom Safte der
Blätter,
Stengel
[* 4] und zuweilen auch der
Wurzeln bestimmter
Pflanzen, welche sie mit ihrem
Schnabel
anstechen, und finden sich auf diesen oft den ganzen
Sommer hindurch in großer Anzahl beisammen; manche
leben in der
Höhle großer, gallenartiger Anschwellungen
(Gallenläuse), welche das Mutterweibchen durch Anstechen an Blättern
erzeugt, und deren Wachstum durch ein gleiches
Verfahren der Nachkommen fortschreitet.
Die Blattläuse
zeigen eine höchst merkwürdige
Entwickelungsgeschichte.
[* 5] Aus den im
Herbst gelegten, zwischen Rindenschuppen oder unter
Laub verborgenen oder frei einem
Stengel angeklebten
Eiern der Blattläuse
aus der
Gattung
Aphis
(Neffen) schlüpfen
im Frühjahr ausschließlich Weibchen (und zwar meist flügellose) aus, welche sich sofort auf einer
Pflanze anfangen, sich
mehrmals häuten, ohne ihre Gestalt wesentlich zu verändern, und dann ohne vorherige
Begattung lebendige
Junge gebären. Diese
gleichen vollkommen der
Mutter, saugen sich an, häuten sich und gebären wieder lebendige
Junge.
Bouché
sah eine Rosenblattlaus 4
Tage lang täglich 15-20
Junge gebären, welche nach 4
Tagen wieder fortpflanzungsfähig waren. In
solcher
Weise vermehren sich diese
Ammen viele
Generationen hindurch und
¶
bleiben, dicht zusammengedrängt, um einen jungen Trieb oder anderswo sitzen. Einigen dieser Ammen wachsen aber Flügel, so daß sie auf andre Pflanzen übergehen und eine neue Kolonie gründen können, indem sie fortfahren, lebendige Junge zu gebären. Erst von der letzten Generation im Herbst werden geschichtliche geflügelte oder ungeflügelte Männchen und meist flügellose Weibchen geboren, welche sich begatten und Eier [* 7] legen. In Gewächshäusern und auf Zimmerpflanzen, [* 8] bisweilen aber auch im Freien, überwintern einzelne Ammen und reife und unter geeigneten Verhältnissen kann man Blattlauskolonien jahrelang nur durch Ammen erhalten, die geschlechtliche Fortpflanzung völlig ausfallen lassen.
Wesentlich verschieden ist die Fortpflanzungsweise der Tannenlaus (Chermes abietis), von welcher man keine
Männchen, sondern nur zwei Formen geschlechtlicher Weibchen kennt, welche ohne Befruchtung
[* 9] Eier legen. Über die Fortpflanzung
der Reblaus
[* 10] s. d. Unter noch nicht aufgeklärten Verhältnissen erscheinen plötzlich
ungeheure Schwärme geflügelter Blattläuse
, welche die Luft wie mit einer Wolke erfüllen und durch Luftströmungen fortgeführt werden.
In solchen Schwämmen, welche das Atmen erschwerten und das Tageslicht verdunkelten, beobachtete man Aphis fabae, rumicis,
bursariae, persicae. Die von vielen Blattläusen
aus ihrem Hinterleib in hellen Tropfen abgesonderte zuckerhaltige Flüssigkeit
wird in weitem Bogen
[* 11] fortgespült und bildet den Honigtau; sie lockt besonders Ameisen und verschiedene Zweiflügler
[* 12] in Menge
an, welche aber nur selten die Blattläuse
selbst vertilgen. Die von den Larven abgeworfenen Häute, welche auf
den vom Honigtau klebrigen Pflanzenteilen haften bleiben, bilden eine Form des Meltaues.
Die Blattläuse
haben viele Feinde; abgesehen von insektenfressenden Vögeln, legen die kleinen Ichneumoniden aus der Gattung Aphidius
ihnen ihre Eier in den Leib; die Larven von Schwebfliegen (Syrphiden) und Käfern (Hemerobien und Koccionellen)
sind ausschließlich in ihrer Nahrung auf sie angewiesen. Auch Milben, die Larven des Blattlauslöwen und der kleine Tausendfuß
stellen Blattläusen
nach. In eigentümlichem Verhältnis stehen die Blattläuse
zu den Ameisen, welche den von jenen ausgeschiedenen
süßen Saft lecken.
Die Blattläuse
schaden den Pflanzen, indem sie die jungen Triebe durch Saftentziehung schwächen, mit ihren Ausscheidungen
die Spaltöffnungen der Blätter verkleben und dadurch die Atmung der Pflanzen stören; auch sammeln diese klebrigen Ausscheidungen
die in der Luft schwebenden Pilzsporen und geben dadurch Veranlassung zu Brand und andern Krankheiten. Durch das gestörte
Wachstum entstehen Mißbildungen von Gallen, Kräuselungen etc., Blätter und Früchte fallen ab, und wenn Rinde und Wurzel
[* 13] angegriffen
werden, sterben die ganzen Pflanzen ab (s. Reblaus).
Zur Gattung Aphis L. gehören Blattläuse
mit siebengliederigen Fühlern, welche länger als der Körper sind, und an denen die beiden
ersten Glieder
[* 14] kurz und dick sind, während das siebente Glied am längsten ist; der Hinterleib trägt am
drittletzten Ring zwei Honigröhren, die Beine sind sehr lang und dünn; man kennt allein in Europa
[* 15] 350 Arten, von denen viele
an Kulturpflanzen, an Rosen, Pelargonien, Nelken, Obstbäumen etc. oft empfindlichen Schaden thun. Als wirksamstes Gegenmittel
gegen an Zierpflanzen gilt Räucherung mit Tabak,
[* 16] wobei man auf jeden Kubikfuß des geschlossenen Raums,
in welchem die Pflanzen sich befinden, 22 g schlechtesten Tabak rechnet.
Man räuchert abends, kehrt
am Morgen die abgefallenen Blattläuse
zusammen und wiederholt die Räucherung. Oder man sprengt stark mit
Gas-, Teerwasser oder erdölhaltigem Wasser; auch eine Abkochung von 60 g Tabaksblättern, 60 g Pfeffer,
einer Handvoll Wermut und 250 g schwarzer Seife soll ein sehr wirksames Sprengmittel sein. Das Einsammeln von Koccionellen und
Goldaugen, um sie in Gewächshäusern anzusiedeln, ist ebenfalls sehr wirksam. Als sichere Vorbeugungsmittel gelten für Gewächshäuser
gehörige Feuchtigkeit der Luft, Vermeidung zu großer Wärme
[* 17] und eines häufigen Wechsels von warm und kalt,
feucht und trocken, hell und dunkel.
Licht
[* 18] und Luft verhindern die Ansammlung der Blattläuse.
Zu der verwandten Gattung Schizoneura Hart., mit sechsgliederigen Fühlern und
kurzen, warzenartigen Honigröhren, gehört die Blutlaus (S. lanigera Hausm.),
1,5 mm lang, honiggelb bis braunrötlich, auf dem Rücken weißwollig, mit kleinen Augen und blaßgelben,
kurzen Fühlern, im geflügelten Zustand schwarz, am Hinterleib schokoladenfarben, mit großen Augen, noch kürzern Fühlern
und dunklern Schenkeln und Schienenspitzen, ebenfalls mit Wollhaar überzogen, gibt beim Zerdrücken einen blutroten Fleck.
Sie saugt an Rinde und Splint des Apfelbaums und erzeugt dadurch krankhafte Stellen, sitzt auch an älterm beschädigten Holz [* 19] und hindert die Vernarbung der Wunde. Überwinterte Muttertiere gebären lebendige Junge, die sich den Sommer über parthenogenetisch in acht Bruten fortpflanzen. Im Herbst erscheinen auch geflügelte Läuse, die eine Weile saugen, dann schwärmen, neue Kolonien gründen und zweierlei große, zarte Läuse mit verkümmerten Mundteilen, wahrscheinlich Männchen und Weibchen, gebären.
Letztere legen Eier oder ein Winterei. Als bestes Mittel zur Vertilgung empfiehlt sich Ausschneiden der krankhaften Stellen,
Bepinseln oder Betropfen mit einer Mischung aus 50 Teilen grüner Seife, 100 Teilen Fuselöl (Amylalkohol), 200 Teilen Weingeist, 650 Teilen
Wasser. (Vgl. Goethe, Die Blutlaus, 2. Aufl., Straßb. 1885.) Die
Rüsterhaargallenlaus (Schizoneura lanuginosa Hrs.)
erzeugt auf Rüsterblättern behaarte, blasige Auftreibungen, aus welchen später geflügelte und ungeflügelte, schwarze,
weißwollige Blattläuse
ausschlüpfen. Zu der Gattung Rinden- oder Tannenlaus (Chermes L.), mit sehr kurzen, fünfgliederigen Fühlern,
ziemlich kurzen Beinen und ohne Saftröhren, gehört C. abietis L. (s. Tafel »Halbflügler«).
Diese überwintert unter einem weißlichen Wollkleid an der Wurzel der Fichtenknospe (Pinus picea) und bohrt im April die Knospe an, worauf alsbald deren Wucherung beginnt; die Blattlaus legt an 200 Eier, die im Mai ausschlüpfenden Larven setzen sich zwischen die Nadeln [* 20] des Triebes und erzeugen durch ihr Saugen zwischen den geschwollenen und dicht gedrängten Nadeln gleichfalls Wucherungen, so daß allmählich ein ananasartiger Zapfen [* 21] entsteht, in dessen zellenartigen Räumen die Larven sitzen, welche endlich ausschlüpfen, sich häuten und als geflügelte Insekten [* 22] ca. 20 Eier legen. Die aus letztern ausscheidenden Jungen bleiben flügellos und überwintern. Man kennt nur Weibchen.
Vgl. Kaltenbach, Monographie der Familie der Pflanzenläuse (Aachen [* 23] 1843);
Koch, Die Pflanzenläuse (Nürnb. 1857).