[* 2]
(Folium), in der botan.
Morphologie eine der Grundformen, auf welche die verschiedenen
Glieder
[* 3] des Pflanzenkörpers
sich zurückführen lassen, und zwar versteht man darunter alle diejenigen Ausgliederungen eines Stengelorgans, welche aus
dem Wachstumsscheitel desselben als primäre, wesentlich von jenem verschiedene
Bildungen hervorgehen.
Hiernach unterscheiden sich die Blätter oder
Phyllome sowohl von den Haargebilden oder
Trichomen, welche erst nach der
Anlage
der primären Ausgliederungen sekundär an ihrer Oberfläche entstehen, als auch von allen Stammorganen oder
Kaulomen, welche
an ihrer
SpitzeGlieder gegensätzlicher
Bildung erzeugen.
Aus dem fortwachsenden
Scheitel eines Stammorgans können daher sowohl neue
Stamm- als Blattanlagen hervorgehen, aus einem
jungen Blattscheitel nur die
Anlagen von neuen Blattabschnitten. Wenn in einigen
Fällen an
Wurzeln oder Blättern
Knospen,
[* 4] also
blattartige
Sprosse, auftreten, so geschieht dies nicht an dem primären Wachstumsscheitel dieser
Organe, sondern an beliebigen,
durch sekundäre Vorgänge bedingten
Stellen. In der
Regel erscheinen die Blätter in seitlicher
Stellung zum
Stamm, und viele
Morphologen legen hierauf besonderes
Gewicht, doch ohne rechten
Grund, da
es auch echte, das Ende eines
Sprosses abschließende,
d. h. terminale, Blätter gibt.
Das Blatt ist nur an
Pflanzen mit echten
Stengeln zu finden; diesen kommt es aber auch allgemein zu und ist
somit von den
Moosen an aufwärts, einschließlich dieser, vertreten. Dagegen fehlt es den mit einem
Thallus versehenen
Kryptogamen,
nämlich den
Pilzen,
Flechten
[* 5] und
Algen,
[* 6] obgleich unter den letztern bereits Gebilde auftreten, die als Analoga der Blätter,
nicht aber als diesen gleichwertige
Bildungen angesehen werden können.
Das Hervortreten der ersten
Anlage eines Blattes am
Umfang der noch blattlosen, in der Fortbildung begriffenen Stengelspitze
besteht darin, daß eine oder mehrere nebeneinander liegende
Zellen, die bis dahin der Oberfläche der Stengelspitze angehörten,
sich nach außen vorwölben und dadurch eine schwache
Erhebung auf derselben hervorbringen. Indem nun
diese
Zellen und meist auch die zunächst unter ihnen liegenden sich stärker als die übrigen
Zellen des Stengelumfanges in der
Richtung des
Radius des
Stengels durch Zellenteilung vermehren, wird aus jener
Erhebung der Oberfläche allmählich ein kleiner,
meist stumpf konischer Zellgewebshöcker am
Umfang der Stengelspitze.
Anfänglich vermehren sich alle
Zellen desselben gleichmäßig, das Wachstum an der
Spitze aber hört sehr
bald auf, und indem nur die übrigen
Zellen fortfahren, sich zu teilen, wächst die junge Blattanlage in allen ihren Teilen
mit Ausnahme der
Spitze. Die
Richtungen, in denen diese Zellenteilungen erfolgen, und der
Grad, in dem dies
geschieht, bestimmen die zukünftige Gestalt des Blattes. Vielfach erlischt das Wachstum zuletzt an der
Basis; zumal bei einfachen,
langen Blättern ist dieser Teil, wenn das Blatt schon eine ansehnliche
Größe erreicht hat, allein noch im Wachstum begriffen.
Die gegenseitige
Anordnung, welche die Blätter am
Stengel
[* 7] einnehmen, ist keineswegs eine
regellose; vielmehr geben sich hierin überraschende, feste
Gesetze kund, welche
man in eine eigne
Disziplin, die
Lehre
[* 8] von der
Blattstellung
[* 9]
(Phyllotaxis), zusammenzufassen pflegt, deren Begründer
Schimper und A.
Braun(1835) undL. und A. Bravais (1838)
sind. Zunächst gibt es zwei Hauptverschiedenheiten der
Blattstellung, indem entweder die Blätter einzeln stehen,
d. h. keins mit einem ändern auf gleicher
Höhe, oder indem immer zwei oder mehr Blätter in gleicher
Höhe entspringen. Im
erstern
Fall spricht man von abwechselnden oder wechselständigen (folia alterna), im letztern von wirtel- oder quirlständigen
Blättern (folia verticillata) und insbesondere von paarigen oder gegenständigen (folia opposita) da, wo zwei
Blätter auf gleicher
Höhe und dann stets einander gerade gegenüberstehen.
Wenn man an einem
Stengel mit wechselständigen Blättern in der Art von unten nach
oben fortschreitet, daß man alle Blätter,
wie sie nach aufwärts aufeinander folgen, berührt, so beschreibt man eine den
Stengel umwindende Spirallinie, die sogen.
Grundspirale. Hierbei ergibt sich nun erstens die Eigentümlichkeit, daß das
Stück der Stengelperipherie,
welches man mit der
Spirale umlaufen muß, um von einem Blatt zum nächsten zu gelangen, bei sämtlichen Blättern des
Stengels
gleich
groß ist. Dieses Bogenstück heißt die
Divergenz der Blätter; sie läßt sich in Bruchteilen der Stengelperipherie
ausdrücken. Dabei besteht aber eine zweite Eigentümlichkeit darin, daß diese
Brüche rationale Teile
der
Peripherie sind, woraus folgt, daß jedesmal nach einer bestimmten Anzahl von Blättern ein
¶
mehr
Blatt wieder gerade über dem Ausgangsblatt steht.
[* 2]
Fig. 1 versinnlicht an einer durchsichtig
gedachten Achse eine Blattstellung mit einer Divergenz von ⅖. Wenn man in der Spirale vom Blatt 1 aufsteigt, so ist Blatt 6 das erste,
welches wieder senkrecht über dem Ausgangsblatt steht; ebenso steht Blatt 7 über Blatt 2,
Blatt 8 über Blatt 3 u. s. f. Es lassen sich mithin auch die Blätter eines
Stengels durch eine Anzahl gerader Linien verbinden, welche man Blattzeilen (Orthostichen) nennt, und man kann daher die Blattstellung
auch als zweizeilige, dreizeilige, fünfzeilige etc. bezeichnen.
Derjenige Teil der Grundspirale, welchen man zurücklegen muß, um von einem Ausgangsblatt bis zum nächsten
senkrecht darüberstehenden Blatt zu gelangen, heißt ein Cyklus. Man pflegt nun die Blattstellung durch ihre Divergenz zu bezeichnen,
nämlich in Gestalt des Bruches, den die letztere beträgt. In dem hier veranschaulichten Fall würde also die Blattstellung
⅖ gegeben sein. In allen Fällen gibt der Zähler dieser Brüche an, wieviel ganze Umläufe um den Stengel
der Cyklus macht, und der Nenner drückt die Anzahl der Blätter aus, welche ein Cyklus umfaßt. Es finden sich in der Natur
zahlreiche verschiedene Divergenzen, aber im allgemeinen sind dieselben für jede Pflanzenart konstant und charakteristisch.
Die allermeisten der existierenden Blattstellungen gehören folgender Reihe an: ½, ⅓, ⅖, ⅜, 5/13,
8/21, 13/34 u. s. f. Diese Reihe hat die Eigentümlichkeit, daß jeder Bruch durch Addition der Zähler und der Nenner der beiden
vorausgehenden Brüche zu finden ist;
sämtliche so erhaltene Brüche liegen ihrer Größe nach zwischen dem größten und dem
kleinsten, ½ und ⅓, mitten inne.
Die weitaus häufigsten Blattstellungen gehören den niedern Divergenzen
an, mit denen die Reihe beginnt. Man hat auch Fälle von Blattstellungen beobachtet, welche andern, aber analogen Reihen von
Brüchen angehören. - Die die Blätter verbindende Grundspirale läßt sich selbstverständlich nach zwei entgegengesetzten
Richtungen um den Stengel legen, indem man entweder auf
dem längern oder auf dem kürzern Weg von einer
Stellung zur andern fortschreitet. Es ist üblich, immer den kürzern Weg in Betracht zu ziehen, und unter dieser Voraussetzung
läßt sich dann angeben, ob die Richtung der Grundspirale rechts- oder linkswendig aufsteigt.
Beiderlei Richtungen kommen vor und sind selbst an einer und derselben Art nicht konstant. Bei verzweigten
Stengeln ist die Grundspirale der Zweige entweder von der gleichen Richtung wie an der Hauptachse oder von entgegengesetzter,
was man als homodrom oder antidrom bezeichnet. Bei vielen Achsen, die eine zweizeilige Verzweigung haben, und zwar sowohl
bei laubtragenden Achsen als bei gewissen Blütenständen, z. B. den sogen.
Wickeln, sind die Zweige, im letztern Fall die Blüten, der einen Zeile mit der Hauptachse homodrom, die der andern antidrom,
also beide Zeilen einander entgegengesetzt.
Bei den quirlständigen Blättern gruppieren sich die einzelnen Glieder des Quirls in gleichen Abständen voneinander um den
Stengel. Die Blätter divergieren also bei gegenständiger Stellung um ½, bei dreigliederigen Quirlen um
⅓ der Stengelperipherie u. s. f. Man bezeichnet die Quirlstellungen durch diese Brüche, indem man dieselben in Klammern
[* 11] einschließt. Wenn Quirle aufeinander folgen, so ist es Regel, daß die Blätter des nächsten über der Mitte der Zwischenräume
zwischen den Blättern des vorhergehenden stehen, so daß also der erste und dritte Quirl untereinander
gleichgestellt sind.
Die gegenständigen Blätter sind daher gekreuzt (dekussiert, vgl. Fig. 2). Neuerdings wurde
von Schwendener versucht, die Anordnung der Blätter in Schrägzeilen und die regelmäßige Divergenz als Folge des gegenseitigen
Druckes der jungen Blattorgane zu erklären. Über Blattstellung vgl. Schimper, Beschreibung des Symphytum
Zeyheri (Heidelb. 1835); Braun, Untersuchungen über die Ordnung der Schuppen an den Tannenzapfen (Academ. Leopold.-Carol. Acta,
Bd. 14);
Man unterscheidet folgende Teile des Blattes, die jedoch nicht bei allen Blättern in gleichem Grad ausgebildet
sind und in ihren besondern Formen große Mannigfaltigkeit zeigen.
1) Die Blattbasis oder der Blattgrund, d. h. der unterste Teil, mit welchem das Blatt dem
Stengel angefügt ist, nimmt entweder nur einen Teil oder den ganzen Umfang des Stengels ein. Im letztern Fall spricht man von
einem stengelumfassenden Blatt. Bei gegenständiger Stellung sind bisweilen die Basen der beiden Blätter vereinigt
(caules perfoliati), wie beim Geißblatt
[* 12]
(Fig. 3). Bisweilen zieht sich die Blattbasis beiderseits als ein flügelartiger
Streifen weit am Stengel herab; solche Stengel heißen geflügelte (caules alati).
2) Die Blattscheide (vagina) ist ein mehr oder weniger breiter und scheidenartig den Stengel umschließender
Teil, welcher sich oft über der Basis des Blattes findet, wie bei den Gräsern und vielen Umbelliferen.
[* 13] Hier ist aber meistens
die Scheide gespalten, d. h. die Ränder sind frei, nur übereinander gelegt, wie z. B.
bei Angelica
[* 12]
(Fig. 4). Dagegen haben die Blätter der Halbgräser (z. B. Eriophorum,
[* 12]
Fig. 5) geschlossene
Scheiden, d. h. solche, an denen keine freien Ränder vorhanden sind. Bei vielen Blättern
ist der Scheidenteil nur angedeutet oder fehlt ganz.
3) Der Blattstiel (petiolus)
ist das auf die Scheide folgende, durch seine zusammengezogene und verschmälerte Gestalt von
dem folgenden Teil des Blattes mehr oder minder scharf geschiedene Stück. Er kann in sehr verschiedenem
Grad entwickelt sein (vgl. Fig. 6) oder auch ganz fehlen. Im letztern Fall hat man ein sitzendes Blatt (folium sessile), im andern
ein gestieltes (f. petiolatum). Es gibt sogar Blätter, die nur aus dem Stiel bestehen,
der dann flach und breit ist, und an welchem die eigentliche Blattfläche ganz fehlt. Dies ist das sogen.
Blattstielblatt (phyllodium), wie es bei manchen Arten von Acacia vorkommt.
4) Die Blattfläche oder Blattspreite (lamina) bildet in den meisten Fällen den Hauptteil des Blattes, den man oft schlechthin
als Blatt bezeichnet. Wenn die Spreite eine einzige zusammenhängende Ausbreitung darstellt, so
heißt das Blatt einfach (folium simplex). Die sehr mannigfaltigen Blattformen werden in der Botanik durch übermäßig zahlreiche
terminologische Ausdrücke nur unvollkommen bezeichnet; die Figuren 7-20 stellen die wichtigsten Formen dar.
In der Regel wird die Spreite von den sogen. Blattrippen oder Nerven
[* 14] durchzogen. Diese zeigen bei den verschiedenen Pflanzen
bestimmte Anordnung, welche man die Nervatur (nervatio) nennt. In den meisten Fällen tritt ein die Mitte des Blattes durchlaufender,
die Fortsetzung des Stiels bildender Nerv stärker hervor, der als Mittelrippe
[* 2] nennt man im gewöhnlichen Leben jedes flächenförmige grün gefärbte Pflanzenorgan. In der wissenschaftlichen
Botanik genügt jedoch eine derartige oberflächliche Definition nicht; denn weder die Flächenförmige Ausbildung, noch auch
die grüne Farbe können entscheidende Merkmale für die Zurechnung eines Organs zu dem Begriffe Blatt sein. Da zwischen und Stamm
sowohl anatomisch wie physiologisch alle nur denkbaren Übergänge vorkommen, so muß man die charakteristischen Merkmale,
die es ermöglichen sollen, beide Begriffe auseinander zu halten, auf einem andern Gebiete suchen.
Die rein wissenschaftliche Definition des Begriffes Blatt bietet deshalb manche Schwierigkeiten dar. Es ist nur möglich, eine
befriedigende Definition zu geben, wenn man gänzlich von anatom. und physiol.
Eigenschaften der betreffenden Organe absieht und nur Rücksicht auf die Stellungsverhältnisse nimmt. Es sind dann nur solche
Organe als Blatt zu bezeichnen, die stets seitlich an den zugehörigen Achsen stehen und nicht im stande
sind, wiederum Auszweigungen, außer Haargebilden (s. Haare),
[* 17] zu erzeugen.
Zu den in diesem Sinne gehören nun viele Organe, die man im gewöhnlichen Leben nicht als Blatt bezeichnet, so u. a.
die Staubgefäße,
[* 18] die Stempel. Blatt besitzen die Moose,
[* 19] Gefäßkryptogamen und sämtliche Phanerogamen. Auch
unter den höhern Algen, z. B. unter den Rhodophyceen und Charaeeen finden sich in einzelnen Gattungen
Gebilde, die man nach der obigen Definition als Blatt betrachten muß.
Je nach der Stellung der Blatt unterscheidet man zunächst Niederblätter, Laubblätter und Hochblätter. Unter Nieder blättern
versteht man solche, die an unterirdischen, wurzelähnlichen Achsen oder auch am Grunde eines neuen Zweiges
auftreten und gewöhnlich mehr schuppenförmig ausgebildet sind; als Laubblätter bezeichnet man diejenigen Blattorgane,
die an oberirdischen Achsen stehen und eine vorzugsweise flächenförmige Gestalt besitzen, mit Ausnahme jener, die an der
Zusammensetzung der Blüten und Blütenstände teilnehmen; die letztern faßt man unter dem Namen Hochblätter
zusammen.
Demgemäß spricht man bei einer blättertragenden Pflanze auch oft von einer Niederblatt-, Laubblatt- und Hochblattregion.
(Das Nähere über Hochblätter s. Blüte
[* 20] und Blütenstand.)
[* 21] Für die Ernährung und somit für das ganze Leben der Pflanze haben
die Laubblätter die größte Wichtigkeit, zu ihnen sind auch fast alle diejenigen Bildungen zu rechnen,
die man im gewöhnlichen Leben als Blatt bezeichnet. Die Laubblätter sind in den meisten Fällen grün gefärbt,
sie führen also Chlorophyll (s. d.) und sind infolgedessen befähigt, zu assimilieren, d. h.
aus Kohlensäure und Wasser die für die Pflanze notwendigen Kohlenstoffvorbindungen zu bilden. (S. Assimilation,
physiologisch.)
Die Blatt werden stets an den jüngsten Partien der Stammachsen, an den sog. Vegetationskegeln, angelegt, und zwar stets so,
daß die jüngsten Blattanlagen dem Scheitel des Vegetationskegels am nächsten liegen. Man bezeichnet diese Reihenfolge
der Entstehung seitlicher Organe als akropetale; es ist gerade für die Blattorgane charakteristisch, daß sie
stets streng akropetal an den Stammachsen hervortreten. Das weitere Wachstum der Blatt findet in der Weise statt, daß durch lebhafte
Zellteilungen allmählich die künftige Form des Blatt erzeugt wird, worauf dann, wenigstens bei den Phanerogamen, das Wachstum
zunächst an der Spitze erlischt, während die der Anheftungsstelle zugekehrten Teile noch lange Zeit wachstumsfähig
bleiben. Anders ist es bei den höhern Kryptogamen; hier erlischt das Wachstum zuerst an der Basis und dauert an der Spitze so
lange noch fort, bis das Blatt vollständig ausgebildet ist.
Die Stellung der an den Stammachsen ist eine sehr mannigfaltige, aber in den meisten Fällen eine regelmäßige.
Man unterscheidet dabei verschiedene Typen;
wenn zwei Blatt auf derselben Höhe des Stengels gegenüberstehen, so heißen sie
gegenständig (folia opposita);
wenn zwei solcher gegenständiger Blattpaare, die direkt aufeinander folgen, sich kreuzen,
so bezeichnet man diese Mattstellung als dekussiert (folia decussata);
wenn mehrere Blatt auf derselben Höhe des Stengels stehen,
so spricht man von einer Quirl- oder Wirtelstellung (folia verticillata).
Zwei aufeinander folgende Blatt, welche einander gegenüberstehen,
aber nicht in derselben Höhe des Stengels angefügt sind, heißen wechselständig (folia alterna); ist keine dieser eben
aufgezählten Beziehungen zwischen den einzelnen Blatt vorhanden, so spricht man von zerstreuter (folia sparsa) oder auch
spiraliger Anordnung, mit der letztern hat sich hauptsächlich die Lehre von Blattstellung oder die Phyllotaxie beschäftigt.
(Näheres s. Blattstellung.)
An jedem Blatt unterscheidet man einen flächenförmig ausgebreiteten Teil als Blattspreite und einen stielartig zusammengezogenen
Teil, mit dem das an der Stammachse festsitzt, als Blattstiel. Fehlt der Blattstiel gänzlich, so wird das
Blatt sitzend (sessile), ist er dagegen vorhanden, gestielt (petiolatum) genannt. Fehlt die Blattspreite, so ist der Blattstiel
gewöhnlich flächenartig ausgebreitet, wie z. B. bei manchen Akazien-Arten. Solche blattspreitenartig
ausgebildete Blattstiele bezeichnet man als Phyllodien.
Ist das ein sitzendes, so kann es entweder einfach angewachsen sein, oder mit den Lappen des eingeschnittenen
Blattrandes den Stengel umschließen und wird dann umfassend (amplexicaule) genannt, oder den Stengel völlig umgeben, und
heißt dann durchwachsen (perfoliatum), oder endlich flügelartig eine Strecke am Stengel herablaufen, in welchem Falle es
als herablaufend (decurrens) bezeichnet wird. Die Form der und die Art und Weise, wie sie am Stengel ansitzen,
sind für die systematische Unterscheidung der einzelnen Pflanzenarten von großer Wichtigkeit und es hat sich infolgedessen
in der Botanik betreffs der Blattformen eine sehr umfangreiche Terminologie eingebürgert, von deren zahlreichen Benennungen
hier nur die wichtigsten Platz finden können. Die Blattspreite wird einfach (simples) genannt, wenn alle
Teile derselben zusammenhängen und etwaige Einschnitte nicht ganz bis zum Mittelnerven oder an den Blattgrund gehen;
es heißt dagegen zusammengesetzt (Kompositum), wenn die gesamte Blattspreite in einzelne Teile zerfällt, die nur durch stielartige
Partien zusammengehalten werden; die einzelnen Teile nennt man in diesem Falle Blättchen (foliola).
Die einfachen Blatt werden nun wiederum nach der Ausbildung des Blattrandes in zahlreiche Formen
eingeteilt. Sie sind entweder ganzrandig (integerrimum, s. Tafel: Blatt, Fig. 1), gesägt (serratum),
[* 22]
Fig. 2), gezähnt
(dentatum,
[* 22]
Fig. 3),
¶
mehr
gekerbt (crenatum,
[* 23]
Fig. 4), ausgeschweift (repandum,
[* 23]
Fig. 5), buchtig (sinuatum,
[* 23]
Fig. 6), ausgefressen (erosum,
[* 23]
Fig. 7), oder es können Kombinationen zwischen zweien dieser Formen auftreten, wie z. B. gesägt-gezähnt
(dentato-serratum), wo jeder Zacken des Blatt wiederum auf irgend eine Weise seicht eingeschnitten ist, oder es kann ferner auch
jeder einzelne Zacken wiederum auf dieselbe Weise wie der ganze Blattrand eingeschnitten sein, man spricht
dann z. B. von doppelt gezähnt (duplicato-dentatum), doppelt gesägt (duplicato-serratum,
[* 23]
Fig. 8) u. s. w. Abgesehen von dieser äußerst mannigfaltigen
Ausbildung des Blattrandes werden die einfachen Blatt noch nach den äußern Umrissen ihrer Blattspreite charakterisiert; man
unterscheidet lineale (lineare,
[* 23]
Fig. 9), lanzettliche (lanceolatum,
[* 23]
Fig.
10), spatelförmige (spathulatum,
[* 23]
Fig. 11), herzförmige (cordatum,
[* 23]
Fig. 12),
nierenförmige (reniforme,
[* 23]
Fig. 13), eiförmige (ovatum,
[* 23]
Fig. 14), umgekehrt
eiförmige (obovatum,
[* 23]
Fig. 15), pfeilförmige (sagittatum,
[* 23]
Fig. 16), spießförmige
(hastatum,
[* 23]
Fig. 17), schildförmige (peltatum,
[* 23]
Fig. 18), schrotsägeförmige
(runcinatum,
[* 23]
Fig. 19). Wenn die Einschnitte nicht sehr weit in die Blattspreite hineingehen, so werden die
Blatt gelappt (lobatum) genannt, und zwar dreilappig
[* 23]
(Fig. 20), vierlappig, fünflappig u. s. w.
Gehen die Einschnitte dagegen tiefer in das Blatt hinein, fast bis an den Mittelnerven oder an den Blattgrund,
so heißt es geteilt (partitum), und man unterscheidet dann fiederförmige (pinnati-partium,
[* 23]
Fig.
21a.), handförmige (palmati-partitum,
[* 23]
Fig. 21b), fußförmige (pedati-partitum,
[* 23]
Fig.
21c), leierförmige (lyrati-partitum,
[* 23]
Fig. 21d) Teilung.
Bei den zusammengesetzten Blatt herrscht ebenfalls eine große Mannigfaltigkeit in den Formen; gehen die Blättchen
strahlig von einem Punkte aus, so nennt man die Blatt je nach der Anzahl und der Anordnung der Blättchen zweizählig (binatum),
dreizählig (ternatum,
[* 23]
Fig. 24), vierzählig (quaternatum), gefingert (digitatum),
handförmig (palmatum,
[* 23]
Fig. 25) oder fußförmig (pedatum,
[* 23]
Fig. 26) geteilt.
Stehen dagegen die Blättchen nicht strahlig, sondern der Länge nach an einer Spindel, und zwar beiderseits, entweder gegenständig
oder wechselständig, so nennt man das Blatt gefiedert (pinnatum) und unterscheidet wieder, je nachdem am Ende der
Spindel ein Blättchen vorhanden ist oder nicht, unpaarig gefiederte (impari-pinnatum,
[* 23]
Fig.
23) und paarig gefiederte (pari-pinnatum,
[* 23]
Fig. 22) Blatt; oft ist das endständige Blättchen
zu einer Ranke ausgebildet und man spricht dann von einem rankig gefiederten (cirrhose-pinnatum,
[* 23]
Fig.
22) Blatt.
Zwischen den verschiedenen Arten der einfach zusammengesetzten Blatt kommen nun die mannigfaltigsten Kombinationen vor; denn
wenn mehrere einfach zusammengesetzte an einem Blattstiele stehen, so sind sie als einziges und zwar als ein doppelt zusammengesetztes
Blatt anzusehen; in demselben Sinne kann man ferner von einer dreifachen u. s. w. Zusammensetzung sprechen.
[* 23]
Fig.
27-29 stellen einige Formen doppelt zusammengesetzter Blatt dar. Es ist aus diesen wenigen Angaben schon
ersichtlich, welche außerordentliche Mannigfaltigkeit in der Ausbildung der Blatt herrschen kann und in der Natur
auch wirklich vorhanden ist.
Außerdem giebt es nun noch eine ganze Reihe Blattformen von ganz eigenartiger Ausbildung, zunächst die stielrunden, pfriemförmigen
u. a., an denen eine Grenze zwischen Blattspreite
und Blattstiel nicht zu ziehen ist, sodann Blatt mit gitterartiger
Durchlöcherung, wie z. B. bei Philodendron
[* 24] pertusumKth., Ouvirandra
[* 25] fenestralis Pers. Ferner die Blatt mancher sog. fleischfressender
Pflanzen, die kannenförmig ausgebildet sind, so diejenigen der Gattungen Sarracenia, Darlingtonia, Nepenthes, die schlauchförmigen
untergetauchten Blatt von Utricularia (s. Insektenfressende Pflanzen und die zugehörige Tafel).
An der Stelle, wo die am Stengel ansitzen, kommen oft noch Gebilde vor, die ebenfalls für die systematische
Unterscheidung der Arten von großer Wichtigkeit sind. Es sind dies sog. Scheiden (vagina) oder auch Tuten (ochrea) und die
Nebenblätter (stipulae). In den meisten Fällen geht der Blattstiel von dem Punkte seiner Anfügung aus frei von dem
Stamme ab, oft aber schließt er auch erst den Stengel auf längere oder kürzere Strecken vollständig cylindrisch ein und
bildet erst dann die eigentliche Blattspreite. So ist es bei sehr vielen Monokotylen, z. B. bei den Gräsern, wo in jugendlichen
Zuständen der Stengel vollkommen von jenen cylindrisch ausgebildeten Blattstielen, die man als Scheiden
[* 23]
(Fig. 32) bezeichnet, eingehüllt ist. Bei einigen Pflanzen, z. B. bei den Arten der Gattung Polygonum, erhebt sich ein ähnliches
Gebilde über der Insertionsstelle des Blatt, ebenfalls auf eine kürzere Strecke den Stengel umschließend (Fig. 33); ein solches
scheidenartiges Gebilde nennt man Blatt-Tute.
Unter Nebenblättern versteht man kleine blattartige Anhängsel, die an der Insertionsstelle der am Stengel
bei manchen Pflanzen auftreten, sie stehen gewöhnlich paarig zu der Mittellinie des betreffenden und sind von sehr verschiedenartiger
Form. In
[* 23]
Fig. 30 u. 31 sind zwei Arten von Nebenblättern dargestellt.
Hinsichtlich ihrer Lebensdauer sind die Blatt entweder einjährig, wenn sie nach der alljährlichen Wachstumsperiode
abfallen, wie dies bei den meisten in den kältern Teilen der Erde einheimischen Pflanzen geschieht, oder sie sind ausdauernd
und immergrün, wie z. B. diejenigen des Epheu, der meisten Nadelhölzer
[* 26] und sehr vieler, den wärmern Gegenden angehörigen
Pflanzen.
Der anatomische Bau der Blatt ist je nach den Pflanzenfamilien ein sehr verschiedener. Bei denMoosen, wo die
Differenzierung von und Stamm überhaupt erst beginnt, ist die Ausbildung der Blatt eine sehr einfache, sie bestehen meist aus
einer einzigen Zellschicht, deren Zellen Chlorophyll enthalten, ähnlich ist es auch noch bei einigen Gefäßkryptoqamen,
z. B. bei vielen Hymenophyllaceen (s. d.); bei den höhern Gefäßkryptogamen dagegen bestehen die Blatt stets
aus mehrern Zellschichten, sie besitzen auf beiden Seiten eine wohl ausgeprägte Epidermis
[* 27] (s. d.) und in der Mitte mehrere
Schichten grüner, also assimilationsfähiger Zellen.
Ebenso sind die Blatt der Phanerogamen aus mehrern Zellschichten zusammengesetzt, von denen die am weitesten nach außen liegenden
als Epidermis ausgebildet sind und in den allermeisten Fällen kein Chlorophyll enthalten. Im Innern der
Blatt liegen die assimilierenden Zellen, die gewöhnlich nach ihrer Gestalt in zwei Gruppen zerfallen, die einen bilden
das sog. Palissadenparenchym, die andern das Schwammparenchym. Kann man an einem Blatt Ober- und Unterseite unterscheiden, d. h.
ist die eine dem Licht
[* 28] zugekehrte Seite anders
¶
mehr
ausgebildet als die andere dem Lichte abgewendete, so liegt stets das Palissadenparenchym direkt unter der Epidermis der Oberseite.
In
[* 29]
Fig. 34 ist als Beispiel des anatom. Baues das Blatt der Buche im Querschnitt dargestellt; die Schicht p ist das Palissadenparenchym,
s das Schwammparenchym, o und u die obere und untere Epidermis, a eine in der letztern befindliche Spaltöffnung.
(S. Spaltöffnungen.)
Außer diesen beiden grünen Geweben durchziehen nun die Blattfläche noch sog. Gefäß- oder Leitbündel. Das ganze System
dieser Bündel bezeichnet man als die Nervatur des V., ihre verschiedenartige Ausbildung bei den einzelnen Pflanzenfamilien
ist oft von großer Wichtigkeit bei systematischen Unterscheidungen, die sich auf Blattabdrücke in den
Gesteinen beziehen, da an derartigen Abdrücken die Nervatur meist sehr deutlich erhalten ist. (S. Blattnervatur.)
In der Ornamentik bilden neben den Bandverschlingungen die Nachbildungen von und Blüte den hervorragendsten Teil der Verzierungskunst
aller Völker, ja die Wahl und Ausgestaltung der Blatt ist eins der eigenartigsten Merkmale der verschiedenen
Baustile. (S. Blätterkapitäl
[* 30] und Blätterwerk.) In jeder Frühkunst erscheint das Blatt nicht in völliger Nachbildung seiner
natürlichen, sondern in einer mehr verallgemeinernden Form, die nur die auffallendsten Merkmale wiedergiebt.
Dies Fortlassen des dem Ornamentisten als nebensächlich Erscheinenden nennt man Stilisieren. Die alten Ägypter stilisierten
vorzugsweise die Lotosblume, Griechen und Römer
[* 31] den Acanthus
[* 32] (s. d.), die mittelalterlichen Stile entnahmen ihre Motive der
ganzen Flora der betreffenden Länder. Wiederholt versuchte man die stilisierten Blatt durch getreu der Natur nachgeahmte (naturalistische)
zu verdrängen. Namentlich im Fach des Musterzeichners hat und Blume einen vielfach angefochtenen Naturalismus angenommen. (S.
Ornament und Muster.)
[* 2] in der Technik im allgemeinen ein dünner, parallelflächiger Körper von mäßiger Länge und Breite
[* 33] und in
den verschiedenen Industrien von sehr mannigfacher Bedeutung. In der Tischlerei bezeichnet Blatt soviel wie
Platte oder Tafel, auch den langen, dünnen Schenkel des Winkelmaßes;
im Maschinenbau eine eiserne Flachschiene, die in einem
hölzernen Maschinenteil, wie eine Welle, zur stärkern Befestigung äußerer Teile, wie des Zapfens, eingelassen wird;
im Zimmerhandwerk
an zwei der Länge nach oder auch kreuzweise zu verbindenden Hölzern das zugerichtete Ende des einen der zu verbindenden
Stücke, bez. die sich ergänzenden Einschnitte, mittels deren eins in das andere gelegt wird;
bei messer- oder scherenartigen Werkzeugen, Sägen
[* 35] u. s. w. soviel wie
Klinge. V. ist auch ein Teil des Webstuhls (s. Weberei
[* 36] und Blattbinder).