Björnson
,
Björnstjerne, namhafter norweg. Dichter, geb. zu Kvikne in Österdalen, in öder, großartiger Gebirgsgegend, als der Sohn eines Pfarrers, der später nach Romsdal versetzt wurde, erhielt seine Schulbildung auf der Schule zu Molde und bezog 1852 die Universität Christiania, [* 2] wo er bereits seine litterarische Thätigkeit mit Rezensionen, Theaterkritiken und feuilletonistischen Skizzen begann. Nachdem er 1857-59 als Direktor des Theaters in Bergen [* 3] gewirkt hatte, ward er Mitredakteur des »Aftenblad« in Christiania, sah sich aber bald in endlose Polemiken verwickelt und wandte sich infolgedessen 1860 nach Kopenhagen [* 4] und noch in demselben Jahr von da nach Rom. [* 5] Zu den bereits veröffentlichten Dorfgeschichten: »Arne« und »Synnöve Solbakken« kam jetzt eine neue: »En glad Gut« (»Ein fröhlicher Bursche«),
nebst mehreren kleinern
Erzählungen, die alle als etwas von der
konventionellen dänisch-norwegischen Litteratur völlig Abweichendes
Epoche machten und seinen
Ruf als Schriftsteller begründeten.
Auch im
Drama hatte er sich bereits mit der
Tragödie »Halte
Hulda« und dem effektvollen Einakter »Mellem Slagene« (»Zwischen
den
Schlachten«,
[* 6] 1858) mit
Glück versucht. In
Italien
[* 7] verblieb Björnson
bis zum Frühjahr 1862 und verfaßte
daselbst außer lyrischen Gedichten das
Drama
»Kong Sverre« (1861) und die
Trilogie
»Sigurd Slembe« (1862), bereiste dann
Deutschland
[* 8] und
Frankreich und kehrte im
Herbst 1863 nach
Norwegen
[* 9] zurück, wo ihm bald darauf vom
Storthing als
Anerkennung seiner Leistungen
eine jährliche Dichterpension zuerkannt wurde. Er führte einige Jahre (1865 bis 1867) die Leitung des
Theaters zu
Christiania sowie die Redaktion des »Norsk Folkeblad«, lebte dann 1872-76
wieder im
Ausland und ließ sich nach seiner Heimkehr auf dem
Gut Aulestad in der
Nähe von
Lillehammer nieder.
Seit 1883 lebt er in
Paris,
[* 10] was ihn indessen nicht hindert, an der
Entwickelung der heimischen Verhältnisse
den regsten thätigen
Anteil zu nehmen.
Seinen politischen
Ansichten nach gehört Björnson
zu der sogen. Bauernpartei und war einer
der
Führer der
Bewegung, welche mit der parlamentarischen
Regierung
Norwegens endete. Er ist ein gewaltiger Volksredner, welcher
auf den in
Norwegen üblichen politischen Massenversammlungen das
Publikum mit sich fortreißt wie kein
zweiter. Auch in der religiösen Freiheitsbewegung des
Nordens steht er mit an der
Spitze. Von spätern Werken sind anzuführen
die
Dramen: »Maria
Stuart i Skotland« (1864; deutsch von Lobedanz, Berl. 1876),
»De Nygifte« (»Die Neuvermählten«, 1865; deutsch von Busch, Brem. 1871) und »Sigurd Jorsalfar« (1872);
die Erzählungen: »Jernbanen og Kirkegaarden« (1866),
»Fiskerjenten« (»Das Fischermädchen«, 1868) und »Brude-Slaatten« (»Der Brautmarsch«, 1872);
der Romanzencyklus »Arnljot Gelline« (1870);
die Novellen: »Magnhild« (1877; deutsch von Lobedanz, Berl. 1878) und »Kaptejn Mansana« (1879);
endlich die neuern Dramen, in welchen der Konflikt dem Leben der Gegenwart entnommen ist: »En Fallit« (1875; deutsch: »Ein Fallissement«, Münch. 1875),
»Redaktoren« (1875),
»Kongen« (1877),
»Leonarda« (1879),
»Det ny System« (»Das neue System«, 1879),
»En Handske« (»Ein Handschuh«, 1882),
»Over Œvne« (1882),
und die Erzählung »Det flager i Byen og paa Havnen« (1884).
Eine Anzahl der Björnson
schen
Dramen ist auch
auf den meisten
Bühnen
Deutschlands
[* 11] zur Aufführung gekommen. Björnson
gehört zu den größten Dichtern der Gegenwart nicht nur
in
Norwegen, sondern im gesamten
Norden.
[* 12] Seine Bauernnovellen, namentlich die frühern, zeichnen sich nicht minder durch ein
klares Verständnis des
Lebens aus, wie es in der Landbevölkerung
Norwegens zu
Tage tritt, als durch die ergreifende
Darstellung
desselben in poetischen und charakteristischen
Zügen; dabei ist der
Stil, der in seiner Wortkargheit an
die alten
Sagas erinnert, in höchstem
Grad prägnant und bezeichnend. Die
Dramen Björnsons
kennzeichnet vortreffliche
Charakteristik
und glänzende Behandlung der
Diktion, während es an der erforderlichen
Festigkeit
[* 13] in der
Komposition hier und da mangelt.
Auch die lyrischen Gedichte von Björnson
(»Digte og
Sange«, neueste Ausg., Kopenh. 1880) sind durchweg von hoher
Schönheit.
Erwähnung verdienen schließlich noch seine zahlreichen
Broschüren und
Flugschriften über politische und religiöse
Fragen.
Deutsche
[* 14] Übersetzungen der Dorfgeschichten (in Auswahl) besorgten
Helms (»Aus
Norwegens
Hochlanden«, Berl. 1861-62) und Lobedanz
(»Björnsons
Bauernnovellen«, Hildburgh.
1865); letzterer lieferte auch eine Übersetzung ausgewählter
Dramen (»Dramatische Werke«, enthaltend
»Hulda«, »Zwischen den
Schlachten« und die
Trilogie »König
Sigurd«, das. 1866, 3 Bde.).
Einzelne
Erzählungen und
Dramen erschienen deutsch auch in
Reclams »Universalbibliothek«.