GrafenFriedrich von Bismarck (geb. in den württemb. Grafenstand erhoben,
Besitzer des Familienfideikommisses Schierstein [daher
Bismarck-Schierstein], preuß. Legationsrat, bis 1866 Direktor der Badeanstalten
zu Ems,
[* 3] gest. in Schierstein) sowie drei andere
Kinder, auf die der württemb. Grafenstand ausgedehnt
wurde. Ebenfalls der Linie Schönhausen gehören an: Fürst
Otto Eduard
Leopold von Bismarck (s. d.), und der
preuß.
General der Infanterie
a. D.
GrafTheodor vonBismarck-Bohlen (geb. gest. der auf
den Wunsch seines Schwiegervaters, des
Grafen Friedr. Ludw.
von
Bohlen, in den preuß. Grafenstand erhoben ward, mit der Erlaubnis,
neben dem seinigen
Namen und Wappen
[* 4] des gräfl. Bohlenschen Geschlechts zu führen. Sein Sohn ist der
General der
Kavallerie
Friedr.
AlexanderGraf von
Bismarck-Bohlen (s. d.). –
Vgl. Geschichte des schloßgesessenen adeligen Geschlechts von Bismarck bis
zur Erwerbung von Crevese und Schönhausen (Berl. 1866).
oder
Bismark, Ludolf Aug. von, russ.
General, geb. in
Preußisch-Holland, aus der Schönhausener
Linie des Geschlechts Bismarck (s. d.) stammend, diente erst in der preuß.
Armee und erstach als Oberst in
Magdeburg
[* 5] im Jähzorn seinen
Diener. Diese That und seine Flucht aus der Garnison wurden ihm
zwar verziehen, doch wurde er dreimal beim
Avancement übergangen, was ihn veranlaßte, den
Abschied zu nehmen, sein Gut Skotik
in Ostpreußen
[* 6] zu verkaufen und 1732 nach
Rußland zu gehen.
Hier fand
Biron an dem ritterlichen Wesen, B.s Gefallen, machte ihn sofort zum Generalmajor und gab ihm die Schwester seiner
eigenen Gemahlin, Trotta von Treiden, zur Frau. Am Hochzeitstag, 26. Mai schenkte ihm die Kaiserin
Anna ein großes Haus in
Petersburg
[* 7] und verlieh ihm den Rang eines Generallieutenants. 1734 ward in einer diplomat. Mission
nach England geschickt, dann nahm er an den
Kriegen gegen die
Türkei
[* 8] und in
Polen teil, wurde Vicepräsident
des Kriegsrats im Kriegsministerium und Gouverneur von
Riga.
[* 9] Bei der Herzogswahl 1737 in
Kurland
[* 10] begab sich Bismarck mit 2 Regimentern
nach Mitau,
[* 11] besetzte das Wahllokal und erzwang so die
WahlBirons. Dafür wurde er zum
General-en-Chef und zum
Generalgouverneur
von Livland ernannt.
BeimSturzeBirons 1740 wurde auch in Haft genommen, sein Vermögen konfisciert, er
selbst vor ein Gericht in
Iwangorod gestellt, zur
Verbannung nach
Sibirien verurteilt und 1. (12.) Jan. 1741 über
Moskau
[* 12] nach
Tobolsk abgeführt.
Später wurde ihm Jaroslaw zum Wohnsitz angewiesen. Seine Zurückberufung erfolgte 1747, wobei er zugleich zum Oberbefehlshaber
der
Süd- (ukrainischen)
Armee ernannt wurde. Diese
Stellung bekleidete er bis zu seinem im Okt. 1750 in
Poltawa erfolgten
Tode. Die
Ehe mit Trotta von Treiden war seine
zweite Ehe und blieb kinderlos. In erster
Ehe war Bismarck seit 1704 mit
Johanna Margareta von Assenburg vermählt, die 1719 starb; sie hinterließ eine Tochter Albertine Luise
von Bismarck, welche sich 1738 mit einem preuß. Offizier, Friedr.
Wilh. von der
Alben, verheiratete. –
Vgl. Gatzuk,Bismark – ein russ. Oberbefehlshaber der Südarmee im J. 1747 (russ.,
in «Cetenija» der Gesellschaft für russ. Geschichte
und
Altertümer, Jahrg. 1871, 3. Bd.).
Otto Eduard
Leopold, Fürst von,
Herzog von
Lauenburg,
[* 13] Generaloberst der
Kavallerie, erster
Reichskanzler des
DeutschenReichs, wurde auf dem Familiengute Schönhausen im Regierungsbezirk
Magdeburg geboren
und gehört der Linie Schönhausen des Geschlechts Bismarck (s. d.) an. Sein
Vater,
Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck (geb. gest.
war Rittmeister
a. D.,
Besitzer von Schönhausen und mehrern andern
Gütern und seit vermählt mit Luise Wilhelmine
Menken (geb. 1790, gest. 1839), einer Tochter des 1801 verstorbenen
Geh.
Kabinettsrats
Menken.
Otto von Bismarck kam 1821 nach
Berlin
[* 14] in die Plamannsche Erziehungsanstalt und besuchte seit 1827 dasFriedrich-Wilhelms-Gymnasium,
seit 1830 das Graue
Kloster, bezog
Ostern 1832 die
Universität Göttingen,
[* 15] um die Rechtswissenschaft zu studieren, war hier
Mitglied des Corps «Hannovera» und studierte vom Herbst 1833 an drei Semester
in
Berlin. Nach absolviertem
Examen wurde er im Juni 1835
Auskultator an dem
Berliner
[* 16] Stadtgericht, 1836
Referendar bei der
Regierung zu
Aachen
[* 17] und 1837 bei der zu
Potsdam,
[* 18] um hier gleichzeitig seiner Militärpflicht zu genügen. Im Herbste 1838 ließ
er sich nach Greifswald
[* 19] versetzen, um neben dem Waffendienste landwirtschaftliche
Studien an der
Akademie Eldena zu betreiben,
wozu ihn die Verhältnisse der väterlichen
Güter in
Pommern
[* 20] veranlaßten, an deren Bewirtschaftung er
sich seit 1839 beteiligte. Als 1841 B.s
Bruder
(Bernhard von Bismarck, geb. 1810, gest. 1893)
Landrat des Kreises Naugard geworden
war, erfolgte bereits eine vorläufige Verteilung der Familiengüter, die dann nach des
VatersTode (1845) vollständig zur
Verteilung unter die beiden
Söhne gelangten, wobei
Otto das Stammgut Schönhausen und das pommersche Gut
Kniephof erhielt.
Von nun an in Schönhausen wohnend, wurde Bismarck dort Deichhauptmann und 1846 zum
Abgeordneten der Ritterschaft des Kreises
Jerichow
für den sächs. Provinziallandtag in Merseburg
[* 21] gewählt. In dieser Eigenschaft beteiligte
er sich 1847 an den Verhandlungen des ersten
Vereinigten
[* 22] Landtags zu
Berlin als einer der entschiedensten
Vorkämpfer für die streng konservativ-monarchische Sache, insbesondere den Bestrebungen nach einer sofortigen konstitutionellen
Gestaltung des preuß. Staatswesens mit aller
Energie entgegenwirkend.
Auf dem zweiten
Vereinigten Landtage, welcher 2. bis tagte, sprach er bei der Adreßdebatte seine Mißstimmung
über die Märzerrungenschaften offen aus. Den revolutionären
Vereinen und ihrer
Presse
[* 23] stellte er konservative
Vereine und
Presse entgegen, half die
«NeuePreußischeZeitung» («Kreuzzeitung») und andere
Blätter gründen,
Vereine organisieren
und entwickelte, wenn auch ohne Abgeordnetenmandat, die größte Thätigkeit für Wiederherstellung eines starken Königtums.
Bismarck hatte schon 1847 die
Aufmerksamkeit des Königs erregt und war Okt. 1848 in dessen
Auftrage bei der
Ernennung des
GrafenBrandenburg
[* 24] zum Ministerpräsidenten vermittelnd thätig. Nach
Auflösung der preuß. Nationalversammlung
im Jan. 1849 ins Abgeordnetenhaus und nach dessen im April erfolgter
Auflösung im Juni 1849 aufs neue für den
Kreis
[* 25] Westhavelland
gewählt, kämpfte er als einer der Führer der
Rechten für ein machtvolles Königtum und für ein Zusammenwirken
Preußens
[* 26] und
Österreichs bei Regelung der deutschen Verhältnisse; in diesem
Sinne¶
mehr
opponierte er auch 1850 im Erfurter Parlament gegen die Unionsbestrebungen der preuß. Regierung und verteidigte in
den Kammerverhandlungen die Manteuffelsche Politik.
Als der energischste und begabteste Vertreter der Politik des Königs wurde er im Mai 1851 zum ersten Legationssekretär bei
der preuß. Bundesgesandtschaft in Frankfurt
[* 28] a. M. ernannt; bereits drei Monate darauf wurde er Gesandter
am DeutschenBunde. Als solcher war sein Streben allerdings zunächst auf eine Verständigung der beiden Großmächte über
die Leitung der deutschen Angelegenheiten gerichtet; aber gegenüber den Bestrebungen der aufeinander folgenden Gesandten
Österreichs (GrafThun, Freih. von Prokesch-Osten, GrafRechberg), gegen den preuß. Gesandten ein Übergewicht geltend
zu machen, wahrte er von vornherein mit Energie und Geschick das preuß. Interesse.
Seit 1853 und bis 1856 bestand wiederholt vorübergehend die Absicht, Bismarck das Ministerium des Auswärtigen
zu übertragen. Wegen seiner antiösterr. Haltung wurde er von dem Ministerium Hohenzollern
[* 33] im Jan. 1859 von Frankfurt abberufen
und zum Botschafter in Petersburg ernannt, wo sein Wirken vornehmlich der Kräftigung der freundlichen Beziehungen zwischen
Rußland und Preußen
[* 34] galt, deren Wert er für die künftige Abrechnung mit Österreich schon während des
Krimkrieges erkannt hatte. Im Frühjahr 1862 vertauschte er den Petersburger Posten mit dem eines Gesandten in Paris, blieb
aber nur kurze Zeit dort; denn die von dem damaligen Prinz-Regenten beschlossene Reorganisation der preuß.
Armee hatte inzwischen eine Krisis im innern preuß. Staatsleben hervorgerufen,
zu deren Beseitigung es einer starken Hand
[* 35] und eines gewandten Geistes bedurfte. Da das Ministerium, in dem 18. März Prinz Hohenlohe
den Vorsitz übernommen hatte, sich nicht mehr zu halten vermochte, so erfolgte die Ernennung B.s zum interimistischen
Vorsitzenden des Staatsministeriums und 8. Okt., nach dem definitiven Ausscheiden des Prinzen Hohenlohe, zum
Ministerpräsidenten und Minister der auswärtigen Angelegenheiten. (S. Preußen.)
B.s Stellung war eine höchst schwierige, da sich an seinen Namen der Gedanke an Reaktion und Junkertum knüpfte und er den
Liberalen schon von früher her verhaßt war. Gleichwohl machte er zunächst den Versuch, sich der altliberalen
Partei zu nähern, was aber erfolglos blieb. Viel böses Blut erregte seine in einer Kommissionsberatung vom 30. Sept. hingeworfene
Bemerkung, daß große Fragen nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse, sondern durch «Eisen
[* 36] und Blut» gelöst würden.
Nachdem ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom die Mehrforderungen für die Armee und damit
den Budgetentwurf der Regierung verworfen, das Herrenhaus 11. Okt. die Regierungsvorlage wiederhergestellt hatte,
erfolgte 13. Okt. der
Schluß des Landtags und die Erklärung der Regierung, nachdem jede Aussicht auf eine Einigung in der Budgetfrage vorläufig
geschwunden sei, den Staatshaushalt ohne die in der Verfassung festgesetzte Unterlage fortzuführen. Nicht minder
energisch, aber hierin vom Beifall der liberalen Parteien begleitet, war B.s Haltung in der kurhess.
Verfassungsfrage.
Dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm Ⅰ. (s. d.) ließ er durch einen Feldjäger die Mahnung
zukommen, begründeten Ansprüchen der Landstände gerecht zu werden. Der neue Handelsvertrag mit Frankreich, wesentlich B.s
Schöpfung, hatte eine tiefgreifende Zollvereinsfrage angeregt. Die Opposition der österr. Regierung
gegen diesen Vertrag, sowie deren Antrag beim Bunde auf eine durch Delegation der Einzellandtage zu organisierende Gesamtvertretung
des deutschen Volks gab Bismarck Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem österr. Gesandten Karolyi, in dem er rundheraus dem
WienerKabinett Feindseligkeit wider Preußen vorwarf und offen die Auflösung des Bundes in Aussicht stellte,
wofern die Regierungen Österreichs und der Mittelstaaten in dieser Politik verharren sollten.
Nach dem Ausbruch der poln. Erhebung (s. Polen) schloß Bismarck eine Konvention mit Rußland zur gemeinsamen Niederhaltung des Aufstandes,
unbekümmert um die Mißstimmung, die er dadurch im eigenen Lande und an den Höfen von London
[* 37] und Paris
erregte. Das am neu zusammengetretene Abgeordnetenhaus, das gegen und das gesamte Ministerium den Vorwurf der
Verfassungsverletzung erhob, ermahnte er zur gütlichen Ausgleichung im Interesse des Staates und gab zu bedenken, daß, falls
keine Beilegung erreicht werde, Konflikte eintreten könnten, die zu Machtfragen sich gestalteten.
Seine Verständigungsversuche mißlangen, und 22. Mai wurde eine Adresse an den König beschlossen, in welcher jedes weitere
Mitwirken an der jetzigen Regierungspolitik seitens des Abgeordnetenhauses abgelehnt wurde, falls nicht das Ministerium durch
ein anderes ersetzt würde. Mit der abweisenden Antwort des Königs erfolgte 27. Mai die Schließung des
Landtags, ohne daß das Budget erledigt war. Unmittelbar darauf erließ das Ministerium die Preßverordnung vom 1. Juli, die, um
die heftige Agitation gegen die B.sche Politik im Lande einzudämmen, die Zeitungspresse dem franz. Verwarnungssystem unterwarf
und die liberalen Blätter mit der Unterdrückung auf dem Verwaltungswege bedrohte.
Neben diesen innern Verwicklungen nahmen die auf Behauptung der Vorherrschaft in Deutschland
[* 38] gerichteten
Bestrebungen Österreichs B.s Aufmerksamkeit und diplomat. Gewandtheit immer mehr in Anspruch. Gegen das Bundesreformprojekt
des KaisersFranzJoseph, der die deutschen Fürsten auf den zu gemeinsamer Beratung über dasselbe nach Frankfurt
a. M. einlud, verhielt sich Bismarck ablehnend und erklärte als Bedingungen, unter denen allein Preußen auf
eine Bundesreform eingehen könne: vollständige Gleichstellung der beiden Großmächte im Bunde, das Vetorecht gegen jeden
Bundeskrieg, der zur Verteidigung nichtdeutschen Gebietes unternommen werden sollte, und eine aus allgemeinen, direkten Wahlen
hervorgegangene Vertretung des deutschen Volks. Der König von Preußen erschien auf B.s dringenden Rat
nicht auf dem Fürstenkongreß. Indessen nahm die
¶
mehr
Schleswig-Holsteinische Frage infolge des TodesFriedrichs Ⅶ. (s. d.) von Dänemark
[* 40] wieder eine lebhafte Bewegung an, welche
die beiden Großmächte von den innern Streitigkeiten ablenkte. Als Friedrichs Nachfolger, Christian Ⅸ. (s. d.), die
Gesamtstaatsverfassung für Dänemark-Schleswig unterzeichnete, rückten hannov. und sächs. Truppen in Holstein ein, um die
Exekution zu vollstrecken. Darauf bewog Bismarck Österreich, in Gemeinschaft mit Preußen gegen Dänemark kriegerisch
vorzugehen, falls Dänemark der Aufforderung, die Gesamtstaatsverfassung wieder aufzuheben, nicht entspreche, und als dies
eintrat, überschritten preuß. und österr. Streitkräfte die Eider. (S. Deutsch-Dänischer Krieg von 1864.) Durch
formelles Festhalten an dem LondonerProtokoll gelang es Bismarck, sowohl den europ. Mächten jeden
Anlaß zur Einmischung zu nehmen, als auch jedes Übergreifen des Bundes, der seine Mitwirkung zum Kriege verweigert hatte,
fern zu halten, um so die Früchte des gemeinschaftlichen Vorgehens nur den beiden Großmächten und in letzter Reihe Preußen
und Deutschland zufallen zu lassen.
Der preuß. Verfassungskonflikt hatte inzwischen einen heftigern Charakter
angenommen (s. Preußen). Nachdem die Forderungen der Regierung vom Abgeordnetenhause abgelehnt, aber das Budget durch das
Herrenhaus abermals gutgeheißen worden war, wurde der Landtag geschlossen. Ohne Unterstützung seitens der Volksvertretung
begann nun Bismarck im Verein mit Österreich seine Aktion gegen Dänemark.
Was für Bismarck seit seinem Wirken als Bundestagsgesandter das Ziel seiner Politik bildete: die Lösung der Deutschen Frage durch
eine Einigung der deutschen Staaten unter Preußens Führerschaft und unter AusschlußÖsterreichs, das trat durch die sofort
nach Beendigung des Krieges und nach Abschluß des Wiener Friedens sich ergebenden Zerwürfnisse zwischen
den beiden deutschen Vormächten seiner Verwirklichung näher. Die Begünstigung, deren sich das mittelstaatliche Projekt
einer Einsetzung des ErbprinzenFriedrich von Augustenburg in die Regierung von Schleswig-Holstein
[* 41] seitens des WienerKabinetts
zu erfreuen hatte, und das ungeschickte Verhalten des Prinzen in einer Unterredung mit Bismarck bestimmte diesen,
den Prätendenten gänzlich fallen zu lassen, und befestigte in ihm den Plan, die Herzogtümer als preuß.
Landesteile zu erwerben.
Bereits im Dez. 1864 war es ihm gelungen, durch einen Beschluß der Bundesversammlung die Entfernung der sächs.
und hannov. Exekutionstruppen aus Holstein zu erwirken. Österreichs fortgesetzte Duldung des vom augustenburgischen Hofe in
Kiel
[* 42] geleiteten preußenfeindlichen Treibens in den Herzogtümern (s. Schleswig-Holstein) steigerte die
Mißhelligkeiten zwischen den beiden deutschen Großmächten fast bis zum offenen Bruche. Doch wurde der Bruch durch die Gasteiner
Konvention (s. Gastein) noch vermieden. Die großen Erfolge der Politik B.s in der Herzogtümerfrage wie in der Zollvereinsfrage
fanden seitens des Königs Wilhelm die vollste Anerkennung. Nachdem der Ministerpräsident schon früher
den SchwarzenAdlerorden erhalten, wurde er für sich und seine Nachkommen in den Grafenstand erhoben. Einen Badeaufenthalt
in Biarritz im Oktober benutzte Bismarck dazu, Napoleons Absichten betreffs Deutschlands
[* 43] zu erforschen.
Auch in der neuen Landtagssession (vom 15. Jan. bis kam
kein Budget zu stande; die Forderungen
für Reorganisation des Heers und für Erweiterung der Flotte sowie die nachträgliche Genehmigung der Kriegskosten wurden
verweigert; die Zollvereinspolitik B.s dagegen fand bereitwillige Zustimmung. Trotz der Gasteiner Konvention begannen die
Zerwürfnisse zwischen beiden deutschen Vormächten bald von neuem. Als der österr. Statthalter eine
Massenversammlung zu Altona
[* 44] zu Gunsten des Augustenburgers duldete, sprach in einer Depesche nach Wien vom es offen
aus, daß diese Politik zur Lösung der österr.-preuß. Allianz führe.
Die österr. Antwort vom 7. Febr. lautete abweisend. Für aber war jetzt die Zeit gekommen, auch sein deutsches
Programm wieder aufzunehmen, zumal als Österreich16. März die Absicht kundgab, die Entscheidung der Herzogtümerfrage dem Bunde
anheimzugeben. Am gelangte während der beiderseitigen Kriegsrüstungen der preuß.
Antrag an den Bund, ein aus allgemeinen Wahlen hervorgehendes Parlament zu berufen zu Vereinbarungen über die Reform der
Bundesverfassung.
Das von Napoleon im Mai angetragene Bündnis wurde von Bismarck, wie alle frühern seit 1862 gemachten Anträge, abgelehnt. Die antipreuß.
Majorität am Bunde beschloß 14. Juni auf AntragÖsterreichs eine kriegerische Aufstellung gegen Preußen, dessen Gesandter auf
B.s Unterweisung diesen Beschluß für einen das Bundesverhältnis auflösenden Rechtsbruch erklärte. Gleichzeitig
überreichte er die unter dem Namen «Grundzüge vom 10. Juni 1866» bekannten preuß.
Reformvorschläge, die später bei der Begründung des Norddeutschen Bundes maßgebend waren.
Trotzdem die Dinge immer offener zum Bruche drängten, war am BerlinerHofe eine entschiedene Friedensstimmung vorhanden, welche
die Aktionen B.s zu lähmen drohte. Dennoch gelang es ihm schließlich, den König Wilhelm (s. d.)
zur Entscheidung durch das Schwert zu bestimmen. Jetzt endlich bahnte sich auch in der öffentlichen Meinung der Umschwung
an. Denn wenn es auch nur teilweise gelungen war, das preuß. Volk in betreff der Schleswig-Holsteinischen Frage von der Notwendigkeit
seiner Maßregeln zu überzeugen, so hob doch die geschickte Verknüpfung jener Frage mit der der Bundesreform
und das rückhaltlose Vorgehen gegen den Bundestag über die noch bestehenden Bedenken hinweg. Ebenso hatte Bismarck, der selbst
an eine friedliche Lösung der verwickelten Bundesverhältnisse wohl nie geglaubt, jetzt auch dem preuß.
Volke bewiesen, daß nach Erschöpfung aller Künste der Verhandlungen eine friedliche Durchführung
selbst der bescheidensten, von ganz Deutschland längst als notwendig erkannten Forderungen in der That unmöglich war. (S.
Deutscher Krieg von 1866.)
Am30. Juni reiste in der Begleitung des Königs zur Armee ab. Nach dem entscheidenden SiegePreußens bei Königgrätz
[* 45]
rief Österreich die Vermittelung Frankreichs an, mit dem es schon 12. Juni einen geheimen Vertrag wegen Venetiens
abgeschlossen hatte. Bismarck verstand es jedoch, die fremde Einmischung abzuwehren, bis die kriegerische Entscheidung erfolgt war,
und sie auch bei den Nikolsburger Friedenspräliminarien auf einen äußerst bescheidenen Einfluß zu beschränken.
Ein nicht geringeres Verdienst als diese Durchkreuzung der franz. Interventionsgelüste
war B.s entschiedenes Beharren auf der Beschränkung des preuß. Siegeszugs nur bis vor die ThoreWiens¶