Birmingham
[* 1] (spr. börmingämm), die viertgrößte Stadt Englands, im nordwestl.
Teile der
Grafschaft Warwick,liegt unter
^[Abb.: Wappen
[* 2] von Birmingham;
Bevölkerung.
[* 3] Birmingham
hatte (1700) 15000 E., (1801) 73670, (1831) 146986, (1841) 182922, (1851)
232814, (1861) 296076, (1871) 343787 und (1881) 400757
E. 1891 ergab die Zählung des eigentlichen Birmingham
245508 E. und 49281 Häuser, die des County
Borough 429171 E. und 85624 Häuser.
Rechnet man aber
Aston-Manor (s. d., 68639 E.) und die schon in Worcestershire und Staffordshire
gelegenen
Vororte
Balsall Heath (30581), Handsworth (32756) und Saltley (9813 E.) dazu, die wirtschaftlich
zu Birmingham
gehören, so steigt
die Bevölkerung auf 570460 E.
Anlage, Bauten und
Denkmäler. Birmingham
macht als echte Fabrikstadt keinen angenehmen Eindruck; doch sind in letzter Zeit im Innern
der Stadt die engen krummen Gassen größtenteils verschwunden und an
Stelle älterer
Wohnhäuser
[* 4] großartige Geschäftsgebäude
aufgeführt worden, die das Straßenbild wesentlich verändert haben. Die schönsten
Teile der Stadt sind
New-Street,
Corporation-Street und Colmore-Row. In
Edgbaston
, dem Westend von Birmingham
, liegen die Villen der Fabrikherren;
die Arbeiterbevölkerung wohnt in den alten ungesunden Vierteln im Innern, größtenteils aber in eigenen, mit Gärten versehenen
Häuschen der Peripherie, woraus sich die gewaltige
Ausdehnung
[* 5] der bebauten
Fläche (etwa 8500
Acres) und
die geringe Durchschnittsziffer (5) der Bewohner auf ein Haus erklärt.
In den Vorstädten Deritend und Digbeth stehen noch Fachwerkhäuser aus dem 16. und 17. Jahrh.; aber alle öffentlichen Gebäude sind neuern Ursprungs. Das schönste unter ihnen ist das Stadthaus (Town-Hall), 1832‒50 nach dem Muster des röm. Tempels des Jupiter Stator erbaut, mit 8 korinth. Säulen [* 6] in der Front und 13 auf jeder Seite; der große Saal mit schöner Orgel ist 42,7 m lang, 20,5 m breit, und 20,5 m hoch. Hier finden alle 3 Jahre die großen Musikfeste statt.
Außerdem sind zu nennen: das großartige 1878 für beinabe 200000 Pfd. St. erbaute Council House mit Gemälde- und Waffensammlung, die Markthalle (1838), Börse, Freimaurerhalle, das Zellengefängnis, Irrenhaus, der Riesenbau der Bingley Hall [* 7] für Ausstellungen und Versammlungen, sowie die großen Hospitäler und die Gebäude der Politischen Klubs. hat 42 Kirchen der Church of England und zahlreiche Kirchen und Kapellen der Katholiken, Methodisten, Independenten, Unitarier, Baptisten und Presbyterianer, darunter die 1873 für 30000 Pfd. St. neu hergerichtete St. Martinskirche, die kath. Kathedrale, beide im got. Stil, die hochgelegene St. Philippuskirche und die Synagoge. Zahlreich sind die Denkmäler: von Nelson auf dem Bull-Ring, dem Prinz-Gemahl (1868), der Königin Victoria [* 8] (1884), Sir Rowland Hill vor der Hauptpost, von Priestley, James Watt, Sir J. Mason und Sturge, dem Vater der Fabrikgesetzgebung, sowie der Chamberlainbrunnen und der Burnaby-Obelisk. Der Centralbahnhof inmitten der Stadt bedeckt über 4 ha und hat eine Halle [* 9] von 330 m Länge.
Unter den Unterrichtsanstalten nimmt
die erste
Stelle ein das von dem jüngern
Barry (1855‒65) gebaute
Birmingham
and Midland
Institute, in ital.
Stil, mit einer korinth. Säulenhalle; es enthält, außer einer freien
Bibliothek,
Lesezimmern und Sälen zu öffentlichen Vorlesungen, ein naturgeschichtliches und industrielles Museum und eine Kunstschule.
Die 1552 von Eduard Ⅵ. gestiftete, 1831 für 50000 Pfd. St. im got.
Stile aufgeführte Lateinschule umfaßt seit 1878 eine höhere Lehranstalt (3‒400
Schüler), eine höhere
Töchterschule (200
Schülerinnen); ferner 3 Lateinschulen mit zusammen 800 und 4 Mädchenschulen mit 700
Zöglingen.
Daneben bestehen eine Queen's Faculty (für Mediziner) in Verbindung mit dem von J. Mason gestifteten Science College mit 14 Professoren (6‒700 Studierende) mit einem Fonds von 209938 Pfd. St., ein Seminar für kath. Priester, zwei öffentliche Bibliotheken mit zusammen 50000 Bänden (mit Shakespeare-Sammlung), ein Litterarisches Institut (Athenäum), ein Polytechnisches Institut und ein Kunstverein mit Akademie und halbjährlichen Gemäldeausstellungen. Die Stadt besitzt 4 große Theater, [* 10] darunter das Prince of Wales-Theater im NW. der Stadt, und 5 tägliche Zeitungen. Auch für die Volksbildung ist durch eine große Menge Frei- und andere Schulen unter Oberleitung des ¶
mehr
städtischen School Board in ausgezeichneter Weise gesorgt. 1888 besuchten 70527 Kinder (82 Proz. der Schulpflichtigen) die Volksschulen (1871 nur 72 Proz.). Noch unter diesen stehen die Handwerksschulen (Day industrial schools). Die Gesamtkosten beliefen sich 1888/89 auf 47500 Pfd. St., sind aber seit 1892 infolge der neuen Schulgesetze bedeutend gestiegen. Zahlreich sind die Wohlthätigkeitsanstalten und Krankenhäuser, die aus Privatstiftungen hervorgegangen, ein jährliches Einkommen von insgesamt 30000 Pfd. St. besitzen; darunter das 1799 begründete General-Hospital, das Queen's Hospital, ein Kinderkrankenhaus, mehrere Kliniken, Irrenhaus, Taubstummenanstalt, ein Besserungs-, Armen- und Waisenhaus. Sieben Parks, wie der Aston-Park im Nordosten, sowie ein Botanischer Garten [* 12] tragen zur Verschönerung und zur Hebung [* 13] des Gesundheitszustandes bei, der aber, obgleich besser als in den andern Fabrikstädten Englands, auch hier noch zu wünschen übrig läßt. Die Wasserleitung [* 14] (jetzt städtisch) wurde 1854 für 300000 Pfd. St. gebaut; eine Neuanlage ist geplant.
Verwaltung. Birmingham
wird von einem Mayor, 16 Aldermen, 48 Stadträten und einem Recorder verwaltet, ist Sitz
eines kath. Bischofs und zerfällt in 16 Wards. Im Parlament wird es durch 7 Abgeordnete vertreten.
Verkehrswesen. Dem Verkehr im Innern und nach den Vororten dienen zahlreiche Omnibuslinien, Pferdebahnen und Dampfstraßenbahnen.
Der Worcester- und der Birmingham
-Kanal stellen die Verbindung mit dem umfassenden Kanalnetz Englands her.
In den Centralbahnhof münden unterirdisch die Linien der London-North-Western (nach London
[* 15] 180 km in 2½ ‒ 3½ Stunden), Stafford-Liverpool,
Wolverhampton, Lichfield-Derby und der Midland-Railway (nach London, Derby-Sheffield und Gloucester-Bristol). Die Snow-Hill-Station
der Great-Western dient den Zügen nach London, Liverpool
[* 16] und Worcester-Malvern-Cardiff.
Industrie. Birmingham
ist der Hauptplatz der engl. Metallindustrie und
eine der wichtigsten Manufakturstädte der Welt. Es zählt über 1400 Fabriken und 6200 Werkstätten; der Wert der jährlich
fabrizierten Waren übersteigt 90 Mill. M. Hervorragend ist die Fabrikation aller Waren aus Gold,
[* 17] Silber und Legierungen, der
feinern und gröbern Sorten von Stahl- und plattierten Waren, von Knöpfen, Sporen, Fingerhüten, Stecknadeln,
Messern, Nägeln, Schrauben,
[* 18] Bolzen, Stahlfedern, (z. B. Fabrik von Perry, jährlich über 1000 Mill.), Lampen,
[* 19] Leuchtern, von
Bronze- und Messingwaren, von gußeisernen und Papiermachéwaren, von Möbeln, Regenschirmen sowie von Bijouterie- und Quincailleriewaren
aller Art, sodaß man Birmingham
als den Kramladen Europas (toy-shop of Europe) bezeichnet hat.
Die großartigen Gewehrfabriken (10000 Arbeiter) liefern jährlich über 600000 Gewehrläufe; und während
des amerik. Bürgerkrieges gingen von hier aus 773403 Flinten ab. Daneben besteht Fabrikation von Chemikalien, von Linsen und
Glasplatten (auch für Leuchttürme), Krystallwaren, von eisernen Trägern und Dächern, ferner Maschinenbau und Prägeanstalten
für Bronze- und Kupfermünzen. Das industrielle Birmingham
greift weit über die Grenzen
[* 20] des städtischen
Gemeinwesens hinaus.
Ganz in der Nähe liegt Handsworth (1764 noch Heideland), wo, seit J. Watt hier mit Boulton die (1850 abgerissenen) Soho Works
errichtete, große Vasen-, Kandelaberfabriken,
Eisen- und Messinggießereien u. s. w. erstanden sind. Ja der ganze Süden von
Staffordshire und der Osten von Shropshire mit Dudley, Wolverhampton, Bilston, Walsall, Wednesbury und Stourbridge
sind mit Birmingham
industriell innig verwachsen. (S. Karte: Industriegebiet von Süd-Stafford beim Artikel Staffordshire.) – In
Birmingham
sind fast alle Staaten durch Konsuln oder Vicekonsuln vertreten.
Birmingham
, schon im Domesday-book als Bermingeha erwähnt, wurde 1643 vom Prinzen Rupert zum Teil verbrannt, weil es dem Parlamentsheere
Waffen
[* 21] geliefert, hob sich aber unter Karl Ⅱ. schnell. Bei einem Aufruhr 1791 wurde das Haus des Chemikers Priestley, damals
unitarischer Geistlicher in Birmingham
, zerstört. Seine heutige Bedeutung verdankt die Stadt der von hier ausgegangenen
Vervollkommnung der Dampfmaschine
[* 22] durch J. Watt und Boulton und der Nutzbarmachung des nahen Kohlen- und
Eisendistrikts. –
Vgl. Langford, Modern and its institutions (2 Bde., Birmingh. 1873 u. 1877);
and its vicinity (Lond. 1881);
Dent, Old and new Birmingham
(1888);
Kelly, Directory for Birmingham.