Titel
Birma
(Burma, Barma oder Reich der Mranma, wie sich die Bewohner selbst nennen, früher auch Reich von Ava genannt),
großes asiatisches Reich (s. Karte »Hinterindien«), [* 2]
das einst den ganzen
Westen
Hinterindiens umfaßte, gegenwärtig
aber, seit den Engländern 1826 die Küstenländer
Arakan und
Tenasserim und neuerdings (1852) auch
Pegu abgetreten worden (s.
Britisch-Birma), nur noch einen Teil desselben enthält und, vom
Meer zurückgedrängt, gänzlich zum Binnenstaat
geworden ist. Unter 19½-28¼° nördl.
Br. und 93-100⅔° östl. L. v. Gr. gelegen, umfaßt
so Birma
im allgemeinen das vom obern und mittlern
Irawadi sowie vom obern
Salwen und dem zwischen beiden strömenden
Sitang durchflossene
Land und stößt im N. an unabhängige Gemeinwesen, im O. an
China
[* 3] und
Siam, im W. und
S. an
Britisch-Indien.
Die Längenausdehnung beträgt 870 km, die
Breite
[* 4] 675 km, der Flächeninhalt 457,000 qkm (8300 QM.). Das Land zerfällt seiner
natürlichen
Beschaffenheit nach in drei Teile: das eigentliche Birma
, zwischen 19½ und 23½° nördl.
Br., mit
Mandalai, der jetzigen Reichshauptstadt; das nördliche Birma
, mit der Stadt
Bhamo, und die tributären
Schanstaaten im O., meist jenseit des
Salwen, mit den
Orten Kianghung und Kiangtung. Der nördlichste Teil, wo das Patkoigebirge
und
Zweige des noch nördlicher gelegenen Langtangebirges bis zu 4500 m
Höhe sich erheben, ist wildes Gebirgsland, von
wo nach S. verschiedene noch nicht erforschte Bergzüge abzweigen und das Land durchziehen, das allmählich zum Hügelland
sich verflacht; von nun an treten längs der
Flüsse
[* 5] breite Alluvialebenen auf, reich an fruchtbarstem
Boden.
Das
Klima
[* 6] wie die
Produkte aus dem
Mineral-,
Pflanzen- und
Tierreich scheinen keine besondere Eigentümlichkeit vor denen
des übrigen
Hinterindien aufzuweisen. Die
Wälder sind reich an den schönsten
Bäumen, namentlich an Teakholz, das einen wichtigen
Handelsartikel bildet; Hauptplatz dafür ist die
Provinz und Stadt Niengyen am rechten
Ufer des
Sitang,
ca. 20° nördl.
Br. Die
Gesamtzahl der
Bevölkerung
[* 7] des jetzigen Birma
wird auf 4 Mill. geschätzt; sie muß aber früher, den
Erzählungen
der Chronisten und den zahlreichen Städteruinen nach zu schließen, viel größer gewesen sein.
Dicht bevölkert ist das Irawadithal, wo
Orte mit über 100
Häusern keine Seltenheit sind. Den Hauptbestandteil der
Bevölkerung
bilden die eigentlichen Birmanen
oder Mranma, welche das
Thal
[* 8] des
Irawadi mit dem
Hügel- und Alluvialland
zu beiden Seiten des
Flusses bewohnen und sich zum
Buddhismus bekennen.
Andre Hauptstämme, die zwar alle die Kennzeichen des
indochinesischen Menschenschlags darbieten, aber teilweise aus dem
Norden
[* 9] kamen, sind: die
Karen, in den Wäldern Unterbirmas;
die Kakhyen, zu beiden Seiten des obern Irawadi bis nach Tibet und Akam hin, ihrem Glauben nach Dämonendiener;
die
Schan und
Lao, ein volkreicher
Stamm, der die Birmanen
im O. von N. bis
SW. umgibt, allein nur im östlichen Teil von Birma
, zwischen 20 und
24° nördl.
Br., diesem
Reich tributpflichtig ist.
Die Birmanen
sind klein, gut proportioniert, von brauner
Farbe, aber nie
dunkel, mit schwarzem, straffem, reichlichem
Haar
[* 10] und etwas mehr
Bart,
als die
Siamesen haben. Sie zeichnen sich vor den benachbarten
Völkern durch Lebhaftigkeit und durch geschäftliche Rührigkeit aus, sind dem
Fremden gegenüber höflich und gastfrei,
dabei aber infolge des despotischen
Druckes, unter dem sie leben, unzuverlässig und voller Verstellung.
Geistige Getränke
vertritt Opiumrauchen.
In der Kleidung ist für beide Geschlechter das unentbehrlichste Stück ein 2-2,5 m langes, 1 m breites baumwollenes Tuch, das um die Hüften geschlungen wird; bei feierlichen Gelegenheiten wird noch ein weißer musselinener Rock (Indschi) mit engen Ärmeln übergezogen. Das Haar wird von den Männern auf dem Scheitel in einen Knoten geschürzt, von den Frauen lang herunterhängend getragen. Das Tättowieren ist noch immer allgemeine Landessitte. Hauptspeise ist Reis und Gemüse aller Art. Vielweiberei ist gesetzlich erlaubt, kommt aber nur selten vor.
Einen großen Einfluß üben die
Geistlichen aus. Die
Priester des Buddhaglaubens tragen gelbe
Kleider, gehen barfuß
und mit
Tonsur, stehen unter dem
Gelübde der
Ehelosigkeit, Mäßigkeit und
Keuschheit und wohnen, mit dem
Unterricht der
Jugend
beschäftigt und vom Bettel und dem
Ertrag ihrer Ländereien lebend, nicht unter der
Bevölkerung, sondern in ausgedehnten,
meist am
Rande der
Städte erbauten und mit großen Obstgärten umgebenen
Klöstern. Der Oberpriester, einer
der hohen Reichswürdenträger, hat in
Mandalai seinen Sitz. Die
Tempel
[* 11] (Phra) der Birmanen
sind Prachtwerke; sie gleichen
in der Bauart ganz den Bauten dieser Art in
Britisch-Birma (s. d.). Christlichen
Missionären ist die Religionsverkündung
noch nicht gestattet. - Die birma
nische
Sprache
[* 12] ist eine einsilbige Wurzelsprache wie die chinesische, die grammatischen
Beziehungen werden in der
Regel nur durch die Wortstellung ausgedrückt; doch finden sich
Ansätze zu grammatischen
Elementen,
welche meistens dem
Worte, das sie näher bestimmen, vorangestellt werden, z. B. tsā, »essen«;
atsā,
»Speise«.
Vgl. Judson, Grammar of the Burmese language (Rangun [* 13] 1866), English and Burmese dictionary (3. Ausg., das. 1877);
Sloan, Practical method with the Burmese language (Lond. 1877);
Steinthal, Charakteristik der hauptsächlichsten Typen des Sprachbaues (Berl. 1860);
Harmand, Birmanie.
Résumé ethnographique et linguistique (Par. 1884).
Die
Schrift ist eine abgerundete Form der ältern indischen
Alphabete, die ihrerseits von dem phönikischen
Alphabet abstammen.
Wissenschaft und Litteratur beschränken sich auf
Darstellung der Religionslehre, außerdem auf
Astrologie,
[* 14] Landeskunde nebst verworrenen Nachrichten vom
Ausland, Geschichte, Rechtskunde und etwas
Medizin, worin die Birmanen
manche
Kenntnisse, jedoch nur aus
Empirie, besitzen. Das gewöhnliche Schreibmaterial sind Palmblätter, auf die man mit eisernem
Griffel schreibt.
Die Bücher sind lang und schmal und bestehen aus Palmblättern, Papierfolien oder dünnen Elfenbeintafeln, die an der schmalen Seite vermittelst eines durchgezogenen Bindfadens zusammengehalten werden. Die Birmanen rechnen nach Mondjahren und lassen, um mit dem Jahreszeitenwechsel im Gang [* 15] zu bleiben, alle 13 Jahre 5 Schaltjahre, jedes um einen ganzen Monat verlängert, eintreten. Ihr Jahr nimmt im April seinen Anfang. Jedes Kloster hält Schule; die Knaben, auch der Unbemittelten, besuchen sie regelmäßig; die gesamte männliche Bevölkerung ist hierdurch des Lesens und Schreibens kundig. Die Kunst ist nicht ohne eine gewisse Ausbildung geblieben. Anders die Musik; hier spielen hohe ¶
mehr
metallene Becken und Trommeln neben Guitarre und dreisaitiger Geige die Hauptrolle. Sehr beliebt sind Schauspiele; die Schauspieler treten in fratzenhaften Masken [* 17] und glänzender Kleidung auf. Die Leichname der Wohlhabenden werden verbrannt, die der Armen beerdigt.
Die Regierung ist völlig despotisch, wie in allen Reichen Hinterindiens; das Reichsoberhaupt gebietet als Herr über Leben u. Eigentum seiner Unterthanen. Wie in Siam, so herrscht auch hier Leibeigenschaft, der ein großer Teil der Ackerbau und Gewerbe treibenden Bevölkerung unterworfen ist; die sozialen Klassenunterschiede zwischen Freien und Adligen sind ein weiteres Hemmnis für den wirtschaftlichen Fortschritt. Für die Verwaltung ist das Reich neuerdings eingeteilt in 15 Provinzen unter Gouverneuren, welche Todesstrafe verhängen, in Distrikte, Städte und Dorfschaften mit untergeordneten Richtern.
Die Beamten empfangen unter dem gegenwärtigen Fürsten einen festen Gehalt, daneben herrscht aber die schamloseste Erpressung. Das Recht ist öffentlich käuflich, Willkür und Gewaltherrschaft zeigen sich überall. Die Leibesstrafen sind grausam; täglich kann man in den Straßen Männer, Knaben und Greise zu Tod gepeitscht oder mit einer unter raffinierter Grausamkeit vollzogenen Hinrichtungsweise gemartert sehen. Die Geldbußen werden nach dem Leibeswert berechnet, der für Mensch und Tier festgesetzt ist; für den Beamten wird, je nach dem Rang, in rascher Zunahme das Mehrfache gezahlt.
Die Tortur wird zum Erpressen von Geld namentlich bei Gefangenen angewandt. Die Polizei ist begreiflicherweise grundschlecht und daher Räuberei, Schlaffheit und Korruption in der ganzen innern Verwaltung allgemein herrschend. Die Einkünfte des Königs erwachsen aus Kopf- und Familiensteuer, die noch immer nach einem Grundbuch von 1783 erhoben werden, aus Grundabgaben und dem ihm vorbehaltenen Alleinhandel mit bestimmten Gegenständen (Baumwolle, [* 18] Bauholz, Blei, [* 19] Erdöl, [* 20] Rubinen etc.), endlich aus den Zöllen, die von allen ein- und ausgehenden Waren erhoben werden (zu 5-10 Proz.). Der Ertrag ist schwer zu schätzen, die Einnahme des Schatzes beträgt aber wohl an 6 Mill. Mk. jährlich. In sehr fruchtbaren, dem Verkehr leicht zugänglichen Strichen gelingt es dem Landmann, mehr als den eignen Familienbedarf zu behalten (so macht z. B. die Bevölkerung im Irawadithal den Eindruck einiger Wohlhabenheit), im ganzen ist das Volk aber arm. Das Heerwesen ist ungenügend organisiert, obschon der Birmane im Krieg Tapferkeit entwickelt. In der Hauptstadt soll eine Mannschaft von 10,000 Köpfen stehen, doch ist von einer Übung im Gebrauch der Waffen [* 21] und von Mannszucht keine Rede. Dazu gibt es keine Reiterei, und auch nur wenig grobes Geschütz ist vorhanden. Alle Männer zwischen dem 17. und 60. Lebensjahr sind zum Kriegsdienst verpflichtet.
Die gewerbliche Thätigkeit der Birmanen hat sich nach manchen Seiten hin erfreulich entwickelt, steht aber im ganzen jener der Hindu und Chinesen nach. Die Fabrikation von Glocken, von Waffen (aus eingeführtem Stahl), von Papier aus Bambusfasern zu ökonomischen Zwecken wie zum Schreiben, die Anfertigung von Holzschnitzereien und die Baumwoll- und Leinweberei (in der Gegend von Ava) sind am meisten entwickelt. Die Ausbeutung der reichen Mineralschätze ist verhältnismäßig gering; nur auf Gewinnung von Edelmetallen und Edelsteinen wird einiger Fleiß verwendet.
Gold [* 22] wird aus den Flüssen ausgewaschen, die im obern Lauf sämtlich goldführend sind; auf Silber wird im Gebiet der Schan gebaut. Ebenso bauen die Schan auf Blei und brechen schönen, durchsichtigen Serpentinstein und ausgezeichneten, schneeweißen Marmor, der meist zu Buddhabildern verwendet wird. Im Hukongthal sind reiche Bernsteingruben in Angriff genommen, und fünf Tagereisen südöstlich von Ava werden in den Betten kleiner Bäche Lager [* 23] von Rubinen, Saphiren, purpurroten Amethysten, Topasen etc. ausgebeutet, die in außerordentlicher Größe bis zum Gewicht von 4000 Gran [* 24] sich finden.
Alle Steine, die mehr als 210 Mk. Wert haben, wandern in den königlichen Schatz. Beträchtlich ist der Ertrag des Erdöls (bei den Birmanen Rjenan genannt), das unter 20° 15' nördl. Br. am linken Ufer des Irawadi in 65-100 m tiefen Gruben geschöpft wird und jährlich an 14 Mill. kg liefert. Verwendung findet es als Leuchtstoff und zur Bestreichung der Schiffe, [* 25] die dadurch gegen den Wurm [* 26] gesichert werden. Der Ackerbau steht im ganzen ebenfalls auf niederer Stufe. Unter den Produkten desselben nimmt selbstverständlich der Reis den ersten Rang ein, der im Thal wie auf den Höhen in verschiedenen Arten gebaut und nur im Oberland von Weizen (mit 20-25fältigem Ertrag), Mais und Hülsenfrüchten ersetzt wird.
Baumwolle wird im Gebiet des mittlern Irawadi in bedeutendem Umfang gezogen. Zuckerrohr baut man nur für den häuslichen Gebrauch, ebenso Tabak [* 27] von ausgezeichneter Güte nur für den Bedarf des Inlandes. Thee ist im Oberland heimisch und wird in größerer Menge zur Ausfuhr nach dem Unterland gebaut. Indigokultur ist nicht bedeutend, Obst und Gemüse aller Art aber wird in Menge gezogen. Viehzucht [* 28] zur Erzielung von Nahrung ist, da die Religion den Genuß von Fleischspeisen untersagt, nicht vorhanden; man hält nur Zug- und Lastvieh und andre Haustiere.
Der Handel ist lebhaft nur in den Hauptorten. Nach außen gehen Baumwolle, Indigo, [* 29] Häute, Petroleum, Pferde, [* 30] Tabak, Sesam, Öl und Lackwaren; in der Einfuhr stehen obenan Betel, Reis, Salz, [* 31] Baumwollgarne und -Gewebe, getrocknete Fische. [* 32] Die Engländer haben Zulassung der Fremden im Handel erwirkt und eine regelmäßige Dampferverbindung zwischen Rangun und Bhamo hergestellt; zweimal im Monat laufen Dampfer mit flachen Schleppschiffen bis Bhamo oder nahezu bis zur Grenze der Schan. Der König unterhält auf dem Fluß 4 Dampfer, an Booten der Eingebornen laufen 20,161 mit einem Gehalt von (1880) 201,986 Tonnen. Nach N. und O. können Europäer von hier auch nicht mehr verkehren; dafür bringen Chinesen aus Jünnan Kupfer, [* 33] Blei, Eisen, [* 34] Früchte etc. und entnehmen hauptsächlich Baumwollwaren. Der Verkehr mit Britisch-Birma zeigt durchschnittlich einen Wert von 1,25 Mill. Pfd. Sterl. an Ausfuhr nach Britisch-Birma und von 1 Mill. Einfuhr nach Birma. - Hauptort des Reichs ist seit 1860 Mandalai (s. d.), während die frühern Hauptstädte Ava und Amarapura verfallen sind. S. auch Tafel »Flaggen«. [* 35]
[Geschichte.]
Die älteste Geschichte Birmas ist dunkel, die jetzigen Bewohner sind teils von Norden, teils von Süden von der Küste her längs der Flüsse ins Land eingedrungen. Die einheimischen Geschichtsquellen beginnen mit 79 v. Chr.; im 3. Jahrh. n. Chr. wurde der Buddhismus durch indische Missionäre verbreitet. Kämpfe im Innern, gegen Pegu, Arakan, Siam und China füllten die Zeit bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts aus. Um 1740 wurde Birma von Pegu erobert; 1750 erhob ein birmanischer ¶
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Bauer aus dem Ort Mozzobo die Fahne des Aufstandes, vertrieb die Peguer aus dem Land, schwang sich auf den Thron [* 37] und begann unter dem Namen Alompra (Alaung-Phra) jene glänzende Siegeslaufbahn, welche seinen Namen zu den beliebtesten in den Erinnerungen des Volkes gemacht hat. Er vereinigte Pegu, Martaban, Tavoy und Tenasserim mit seinem Gebiet und starb 1761. Schembuam, der sich 1762 des Throns bemächtigte, eroberte Siam, das aber 1771 seine Unabhängigkeit wiedererhielt. Im J. 1769 wurden die Chinesen trotz ihres ungeheuern Heers in einer glänzenden Schlacht besiegt; aber schon 1790 finden wir die beiden Reiche wieder in freundschaftlichen Beziehungen zu einander.
Unter dem thatkräftigen König Mentaragyi erreichte Birma gerade zu der Zeit, die seinem Fall vorhergehen sollte, eine hohe Stufe der Macht; 1822 wurde unter seinem Sohn Phagyidan Ava wieder Residenz, und man dachte gemeinsam mit Kochinchina nicht bloß an die Eroberung Siams, sondern auch an die Vertreibung der Engländer aus Indien. Der erste Engländer, der Birma besuchte, war R. Fytsche, 1586; ein venezianischer Kaufmann, Casar Friedrich, war 1569 in Pegu und will dort 90 portugiesische Schiffe getroffen haben.
Arakan und Nordassam wurden von Birma 1808 annektiert, auf Südassam Anspruch erhoben und von Britisch-Indien Genugthuung verlangt für die Plünderungen, welche von dessen Gebiet aus in Birma verübt worden sein sollten. Der Übermut Birmas führte zum Krieg. 11,000 Mann Europäer und indische Soldaten segelten unter General A. Campbell den Irawadi aufwärts und nahmen die Hafenstadt Rangun und bald darauf eine Reihe andrer Orte; die Landarmee, die von Assam aus vordringen sollte, erlitt jedoch wiederholte Niederlagen durch Maha Bandala, den tapfern Anführer der Birmanen. 1825 wollten die Siamesen die Bedrängnis der Birmanen zu einem Rachezug gegen sie benutzen; dies bewog den Hof [* 38] von Birma zu Unterhandlungen, die zu dem Frieden von Yandabo führten.
Die Birmanen traten die Provinzen Arakan, Ye und Tenasserim ab, zahlten 20 Mill. Mk., räumten wichtige Handelsfreiheiten ein und empfingen in Ava einen englischen Gesandten; schon 1829 sah sich dieser jedoch infolge einer Palastrevolution genötigt, Ava zu verlassen. Unruhen im Innern füllten die nächsten Jahrzehnte aus; das Land verfiel dadurch immer mehr, die Anmaßung des Königs und seiner Beamten nahm dagegen zu. Die englische Nachbarschaft wurde mit steigendem Grimm betrachtet.
Im Juli 1851 brach der birmanische Statthalter von Rangun plötzlich den Vertrag, verlangte von den Kauffahrern und Handelsleuten die Entrichtung willkürlicher Zölle und Abgaben und behandelte britische Kaufleute, die sich dessen weigerten, wie gemeine Verbrecher. Im November 1851 erschien darauf ein britisches Geschwader vor Rangun und forderte Genugthuung wie eine angemessene Entschädigung für die Verluste der Kaufleute. Der König fügte sich scheinbar; dies geschah aber nur, um Zeit zu gewinnen und die Engländer sicher zu machen, damit sie keine Vorkehrungen zum Widerstand treffen möchten.
Man rüstete auf birmanischer Seite eifrig zum Krieg und zog an beiden Ufern des Irawadi ein Heer von angeblich 150,000 Mann zusammen. Als ein englisches Dampfboot den Irawadi nach Rangun hinauffuhr, wurde auf dasselbe gefeuert und damit der Krieg eröffnet. Die englische Flotte führte 10,000 Mann Landungstruppen über unter General Godwin. Am 5. April wurde Martaban, 14. d. M. Rangun, 3. Okt. Prome und 21. Nov. Pegu von den englischen Truppen erobert und die Provinz Pegu durch Proklamation vom dem indobritischen Reich einverleibt.
Trotz der Gefahren, welche über die Birmanen hereinzubrechen drohten, da von Südwest die siegreichen Engländer heranzogen, im Osten 20,000 Siamesen bereit standen, den Salwen zu überschreiten, und von Nordost die Lao an ihren Unterdrückern Rache zu nehmen drohten, fanden die englischen Friedensverträge anfangs kein Gehör; [* 39] nachdem jedoch durch eine Empörung innerhalb der königlichen Familie Menlung-Men (Munglong) zum König erhoben worden, willigte dieser endlich ein, den Widerstand fallen zu lassen, und eröffnete Ende 1854 freundliche Beziehungen zu Britisch-Indien. 1862 kam ein britisch-birmanischer Handelsvertrag zu stande und wurde die Beschiffung des Irawadiflusses durch Dampfer zugestanden; 1867 wurde dem in der Hauptstadt Mandalai residierenden diplomatischen Agenten Jurisdiktion über die englisch-indischen Unterthanen eingeräumt und ein andrer solcher Agent im Innern des Landes, in Bhamo, gestattet. 1871 schloß Italien, [* 40] 1873 Frankreich einen Handelsvertrag mit ab; der König entsandte Gesandtschaften nach Europa [* 41] 1872, 1874 und 1877, verlangte aber von Abgeordneten europäischer Staaten erniedrigende Zeremonien, wie Niederwerfen auf Kniee und Hände.
England fügte sich diesem Verlangen auf die Dauer nicht, sondern drang auf Verkehr mit seinem Minister stehenden Fußes. Ernstere Verwickelungen entstanden Ende 1873 wegen der Grenzen [* 42] des von Karen bewohnten Waldgebiets, eines die britische Oberhoheit anerkennenden rohen Volkes; der König gab schließlich nach und unterzeichnete einen Vertrag im Sinn der englischen Forderungen. Nicht ohne Einfluß auf diese Nachgiebigkeit waren die Dienste [* 43] Englands in Beseitigung eines gefährlichen Thronprätendenten; sein Sohn Nyung-yan wurde Haupt der Unzufriedenen und führte sie zu offener Empörung an; von den Gegnern gedrängt, trat er auf englisches Gebiet über, wurde gefangen gesetzt und in ein Fort im Innern Vorderindiens gebracht.
Am starb Menlung-Men; als Nachfolger hatte er seinen jüngern Sohn, Thibau, bestimmt und demselben eine Erziehung nach englisch-indischem Muster geben lassen. Als König fiel der jugendliche, damals 21 Jahre alte Monarch in die schlimmsten Laster seiner Rasse zurück und begann seine Laufbahn damit, alle gefährlich scheinenden Glieder [* 44] der königlichen Familie und des Hofstaats ermorden zu lassen. An 100 Personen wurden hingeschlachtet. England machte Vorstellungen, sein Vertreter wurde aber verhöhnt und dann im September 1879 abberufen, und der italienische Konsul übernahm die Vertretung der englischen Staatsangehörigen.
In der Landeshauptstadt blieb der französische Bischof für Birma, Bourbon. Die Lage ward sehr gespannt, Birma stellte Truppen an der englischen Grenze auf, England verstärkte die Grenzgarnisonen, es kam aber nicht zum Bruch. Später suchte Birma vergeblich Annäherung an Britisch-Indien. Erst im April 1882 ließ sich England bereit finden, in Indien eine Gesandtschaft zu empfangen. Verhandlungen über Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrags zogen sich monatelang fort, mußten aber schließlich abgebrochen werden, da der König hartnäckig darauf bestand, den Handel in den lohnendsten Produkten als königliches Monopol anerkannt zu erhalten; ebensowenig stimmte er dem Waffeneinfuhrverbot ¶
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Birma
(Gschichte). In anbetracht der Bemühungen Frankreichs und Chinas, unter ihren Einfluß zu bringen, beschloß England 1885 einzuschreiten. Der König Thibau hatte England schon lange durch Beeinträchtigung des britischen Handels Grund zu Beschwerden gegeben, die aber nicht beachtet wurden. Die indische Regierung verlangte nun Aufhebung eiliger Anordnungen des Königs, bis ein britischer Regierungskommissar die Beschwerden untersucht und über sie entschieden habe, und drohte im Fall der Ablehnung mit Krieg.
Gleichzeitig sammelte General Prendergast ein meist aus indischen Truppen bestehendes Korps von 11,000 Mann mit fünf Batterien und einem Belagerunqspark bei Rangun. Thibau lehnte auf Antrieb seiner jungen, ehrgeizigen Gemahlin das britische Ultimatum ab, und sofort nach dem Eintreffen dieser Antwort in Kalkutta, [* 46] erbielt General Prendergast Befehl, seine Truppen auf der bereit gehaltenen Flottille einzuschiffen und den Irawadi aufwärts zu fahren. Bereits 14. Nov. erreichte Prendergast Thayetmyo an der birmanischen Grenze, durchbrach 16. Nov. die Stromsperre bei Tsenbungwas und nahm die Stadt ein, eroberte nach kurzer Beschießung 17. Nov. die Forts bei Minhla und besetzte 24. Nov. ohne Widerstand Myengyan. In Ava 26. Nov. angekommen, rüstete er sich zum Angriff auf die Hauptstadt Mandalai, als ihm eine Barke Thibaus entgegenfuhr, welche die Bitte des Königs um einen Waffenstillstand zur Einleitung von Friedensverhandlungen überbrachte.
Aber Prendergast verlangte Unterwerfung auf Gnade und Ungnade, Übergabe des Heers, der Flotte und der Festungswerke. Thibau fügte sich, Prendergast rückte 28. Nov in Mandalai ein, und 1. Dez. ergab sich der König in seinem Palast; er wurde mit semer Gemahlin und seiner Mutter nach Indien gebracht und dort interniert. Darauf wurde auf Befehl der Königin Viktoria, Kaiserin von Indien, Birma dem britischen Reich einverleibt. 1886 brachen an verschiedenen Stellen des Landes Aufstände aus, um das fremde Joch abzuschütteln; mehrere Prätendenten erhoben sich.
Doch behaupteten sich die britischen Truppen im Besitz der Hauptplätze (Mandalai ging allerdings 29. April in Flammen auf), und nachdem sie Verstärkungen erhalten hatten, unterdrückten sie unter Führung des Generals Roberts die Aufrührer, unter denen die Daloits sich am tapfersten und unternehmungslustigsten zeigten. Mit China wurde über die Festsetzung der Grenze ein Vertrag geschlossen, welcher den Besitz Birmas den Engländern sicherte.
Vgl. Geary, Burma after the conquest (Lond. 1886).