Titel
Bingen.
[* 1]
1)
Kreis
[* 2] in der hess.
Provinz Rheinhessen, hat (1890) 37131 (17978 männl., 19153 weibl.) E., 2
Städte und 24 Landgemeinden.
- 2) Kreisstadt im
Kreis in reizender Umgebung links am Rhein, an der Mündung der Nahe, über die die alte sog.
Drususbrücke und eine Eisenbahngitterbrücke nach
Bingerbrück (s. d.) führt, an den Linien
Frankfurt-Mainz-Bingerbrück
(68,7 km) und Bingen
-Worms (63,4 km) der
Hess.
Ludwigsbahn, ist
Station der Rheindampfschiffahrt (Mannheim-Köln-Rotterdam) und
hat (1890) 7664 (3527 männl., 4137 weibl.) E., darunter etwa 800
Evangelische und 700 Israeliten, Post erster
Klasse,
Telegraph,
[* 3] Kreisamt,
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Kreisgesundheitsamt, Kreisbauamt, Amtsgericht (Landgericht Mainz), [* 5] Zoll-, Hauptsteueramt, Steuerkommissariat; eine spätgotische evang. Pfarrkirche (15. Jahrh.) mit erneuter roman. Krypta aus dem 11. Jahrh., eine kath. (Kapuziner-) Kirche, eine Synagoge, eine Realschule (Direktor Dr. Walter, 13 Lehrer, 239 Schüler), ein 1863 in mittelalterlichem Stil restauriertes Rathaus, Reichsbanknebenstelle, Handelskammer, Gas- und Wasserwerke. Außer bedeutendem Weinbau (besonders berühmt der Scharlachberger) bestehen Tabaksfabriken, ausgedehnte Gerbereien, Schaumweinfabrikation, lebhafter Kleinhandel und bedeutende Rheinschifffahrt.
Über der Stadt erhebt sich die 1689 von den Franzosen zerstörte, seit 1854 von ihrem jetzigen Eigentümer, Rosenbaum in Berlin,
[* 6] wieder aufgebaute Burg Klopp, im Mittelalter ein berühmtes Kastell, von dem aus Kaiser Heinrich Ⅴ. seinen
Vater Weihnachten 1105 gefangen nach Böckelheim bringen ließ. Die Burg ist röm. Ursprungs und wahrscheinlich von Drusus zum
Schutze des Ortes Bingium oder Vincum angelegt. Östlich von der Stadt, 104 m über dem Rhein, der Rochusberg mit dem auf dem
sog. Scharlachkopfe 1887 erbauten Aussichtsturme (21 m hoch) und der zum
Andenken an die Pest 1666 erbauten, 1814 erneuerten, durch Blitzschlag gänzlich zerstörten Rochuskirche. 1814 war
Goethe zur Zeit des Rochusfestes in Bingen
anwesend und hinterließ der Kirche als Andenken ein Bild des heil. Rochus (von Luise
Seidler), welches aus dem Brande gerettet wurde.
Unterhalb B.s, am Fuße des Rüdesheimer Berges, das bekannte Bingerloch im Rhein, eine Stromenge, die Jahrhunderte hindurch die Schifffahrt erschwerte, seit 1834 aber durch Sprengungen von der preuß. Regierung auf 66 m verbreitert ist. Hier steht mitten im Strome auf einem Felsen der sog. Mäuseturm, wahrscheinlich um das J. 1000 vom Mainzer Erzbischof Willigis zum Zwecke der Landesverteidigung erbaut, berühmt jedoch durch die Sage, daß in demselben Erzbischof Hatto von Mainz von den Mäusen gefressen worden sei.
Seit 1856 restauriert, dient der Turm
[* 7] zum Geben von Warnungssignalen, wenn wegen eines herankommenden Schiffs das Bingerloch
nicht zu passieren ist. Bingen
gegenüber das Nationaldenkmal zum Andenken an den Krieg von 1870 und 1871. (S.
Niederwald.) – Im J. 70 n. Chr. fand bei Bingium eine Schlacht zwischen den Römern und aufständigen Galliern statt. Im
Mittelalter war Bingen.
Freie Reichsstadt und eins der ersten Mitglieder des rhein. Städtebundes. Im Dreißigjährigen Kriege wurde
es wiederholt erobert und 1689 von den Franzosen zerstört.