Stadt (Stadtkreis) im preuß. Regierungsbezirk Minden, 118 m ü. M., an der Lutter und
der Köln-Mindener Eisenbahn; am Fuß des Teutoburger Waldes, hat 4 evangelische und 1 kath. Kirche, 1 Synagoge, 1 Gymnasium mit
Realgymnasium, 2 höhere Töchterschulen, 2 Krankenhäuser, 1 Augenklinik. In der Vorstadt Gadderbaum liegen die westfälische
Diakonissenanstalt und die Anstalt Bethel für Epileptische (750 Kranke) mit eigner Kirche. Die Bevölkerung
beträgt (1880) einschließlich der Garnison (1 Inf.-Bat.
Nr. 55) 30,679 Einwohner (darunter 3561 Katholiken und 653 Juden). Bielefeld ist eine der gewerblichsten Städte Westfalens und der
Hauptsitz der westfälischen Leinen- und Damastfabrikation;
die Ravensberger Spinnerei (mit 27,000 Spindeln) und die Spinnerei
Vorwärts (mit 10,500 Spindeln) produzieren zusammen jährlich für etwa 8¾ Mill. Mk.;
die Bielefelder
mechanische Weberei vermag auf etwa 1000 mechanischen Webstühlen 200,000 Stück Leinen fertig zu stellen;
wichtig ist auch die
Fabrikation der fertigen Wäsche (160 Firmen mit 3500 Personen meist weiblichen Geschlechts und 3000 Nähmaschinen), ferner die
Seiden- und Plüschweberei mit 3000 Webstühlen und die Fabrikation von Nähmaschinen.
Sonst sind noch zu
erwähnen: 1 Gasanstalt, 1 Schlachthof, 1 Tafelglashütte, 6 Zementmühlen, Eisengießereien, Maschinenfabriken, Feilenhauerei,
Tabaks-, Zigarren- und Likörfabrikation. Die Fabrikate von Bielefeld finden Absatz nach ganz Deutschland, Rußland, Nord- und Südamerika,
Westindien, Spanien etc. In der Nähe der Stadt befinden sich bedeutende Garn- und Stückbleichen. Bielefeld ist
Sitz einer Handelskammer, einer Reichsbankstelle (Umsatz 1883: 195 Mill. Mk.), eines Landwirtschaftlichen Vereins, ferner des
Bielefelder Landkreises und eines Land- und Schwurgerichts (für die 14 Amtsgerichte Bielefeld, Bünde, Gütersloh, Halle, Herford, Lübbecke,
Minden, Öynhausen, Petershagen, Rahden, Rheda, Rietberg, Vlotho und Wiedenbrück). Der Magistrat zählt 8, die Stadtverordnetenversammlung 36 Mitglieder.
Bei der Stadt steht der hohe, runde Turm der alten Feste Sparrenburg, früher Gefängnis, mit weiter Aussicht,
jetzt mit Parkanlagen
umgeben. - Der Ort Bielefeld ist zuerst 1015 (Bilivelde) nachzuweisen. Die Feste Sparrenburg stammt aus der Zeit Heinrichs des Löwen
und diente in der Folge den Grafen von Ravensberg oft als Residenz. Doch stand Bielefeld, welches im 13. Jahrh. Stadtrechte erhielt,
bis zur Reformation unter der Herrschaft der Abtei Herford, von welcher dann die meisten weltlichen Hoheitsrechte
auf die Herzöge von Jülich übergingen. Im Mittelalter gehörte Bielefeld zur Hansa. Die Reformation fand um 1545 in der Stadt Eingang,
gleichzeitig wurden auch die Festungswerke erweitert. 1625 wurde Bielefeld vom Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg in Besitz genommen, 1626 aber
wieder von den Kaiserlichen besetzt und erst 1646 dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm zuerkannt. Nachdem 1671 der
Versuch des Bischofs von Münster auf einem Kreistag zu Bielefeld, den Kurfürsten von Brandenburg für ein Bündnis mit Frankreich zu gewinnen,
gescheitert war, wurde 1673 die Stadt von dem Bischof belagert, widerstand aber vermöge ihrer starken
Befestigung. In der Nähe liegen der Johannisberg mit schönen Gartenanlagen und die Hünenburg.
Vgl. Fricke, Die Stadt Bielefeld (Bielef.
1884);
Michael, Chronik der Stadt Bielefeld (das. 1884 ff.).
1) Landkreis, ohne die Stadt Bielefeld, im preuß. Reg.-Bez.
Minden, hat 261,47 qkm, (1890) 48 130 (23 825 männl., 24 305 weibl.) E. und 34 Landgemeinden.
- 2) Stadtkreis (12,21 qkm) und Kreisstadt im Landkreis Bielefeld im preuß. Reg.-Bez.
Minden, in anmutiger Gegend am Nordfuße des Teutoburger Waldes, in 120 m Höhe, an der Linie Löhne-Hamm
der Preuß. Staatsbahnen, durch den Bach Lutter in die Altstadt und Neustadt geteilt, hat (1890) 39 950 (19 070 männl., 20 874 weibl.)
E., darunter 4599 Katholiken und 681 Israeliten, in Garnison das 2. Bataillon des Infanterieregiments Graf Bülow von Dennewitz
Nr. 55; einen Oberbürgermeister, Bürgermeister, 8 Magistratsmitglieder und 36 Stadtverordnete.
Unter den 5 (4 evang., 1 kath.) in Bielefeld vorhandenen
Kirchen besitzt die Neustädter Marienkirche ein schönes Altarbild (14. Jahrh.) und das
Grabmal des Grafen Otto III. von Ravensberg und seiner Gemahlin Hedwig, die Altstädter Kirche einen geschnitzten Altar (1508).
Bielefeld ist Sitz des Landratsamtes für den Landkreis, eines Landgerichts (Oberlandesgericht
Hamm) mit 14 Amtsgerichten (Bielefeld, Bünde, Gütersloh, Halle, Herford, Lübbecke, Minden, Oeynhausen, Petershagen, Rahden, Rheda, Rietberg,
Vlotho, Wiedenbrück) und einer Kammer für Handelssachen, eines Amtsgerichts, Zoll- und Steueramtes, einer Handelskammer,
Reichsbankstelle und der Westfälischen Bank.
Ferner bestehen ein königl. und städtisches evang. Gymnasium
mit einem Realgymnasium, 1558 gegründet, 2 höhere Mädchenschulen, 7 Bürgerschulen, ein städtisches
Krankenhaus, Franciscushospital, Augenheilanstalt, Gasanstalt, Schlachthof sowie in der nahen Vorstadt Gadderbaum (s. d.) das
Diakonissen-Mutterhaus für die Provinz Westfalen, die Diakonenanstalt Nazareth und die Anstalt Bethel für Epileptische der
Provinzen Westfalen und Rheinland (1500 Kranke) mit Kirche, beide umgeben von zahlreichen Häusern und Gehöften
für fast sämtliche Zweige der Innern Mission, alle durch freiwillige Gaben erbaut und unterhalten (Leiter: Pastor von Bodelschwingh).
Ferner ist Bielefeld Sitz des deutschen Vereins «Arbeiterheim» zur Beschaffung eigener Häuser für Fabrikarbeiter.
Bielefeld ist einer der wichtigsten Plätze Deutschlands für Leinweberei und Flachsspinnerei. Die Leinenindustrie ward
im 16. Jahrh. durch Einwanderer aus den
Niederlanden begründet, die in und um Bielefeld die Fabrikation der Schleier, der sog.
klaren Leinwand, und die Flachsspinnerei einführten. Der neue Erwerbszweig blühte besonders seit den Zeiten des Großen Kurfürsten
rasch auf.
Die Batist- und Damastweberei, worin Bielefeld ebenfalls einen vorzüglichen Ruf genießt, kam
seit dem Siebenjährigen Kriege in Aufnahme. Gegenwärtig liefert Bielefeld besonders feinere Sorten Leinen. Außerdem ist die Fabrikation
fertiger Wäsche, in der 160 Firmen arbeiten (zum Teil mit Dampf getriebene Nähmaschinen) und 3500 Personen beschäftigt sind,
in schwunghaftem Betrieb. Von hervorragender Bedeutung sind die Ravensberger Spinnerei mit der Filiale in
Wolfenbüttel (30 200 Spindeln), die Spinnerei Vorwärts (10850 Spindeln), die beide zusammen für 9 Mill. M. jährlich fertig
stellen, und die 1863 begründete mechan. Weberei (950 Stühle und 200 009 Stück Jahresproduktion). Die großartigen Bleichen
um Bielefeld sind meist nach irländ. und belg. Systeme eingerichtet. In neuerer Zeit wird auch mit bestem Erfolge
Seiden-, Sammet-und Plüschweberei betrieben.
Auch die Eisenindustrie (34 Anlagen, über 3000 Arbeiter) ist sehr bedeutend, darunter namentlich die Nähmaschinenfabrikation;
endlich noch Fabrikation von Cigarren, Glas, Asphalt, Filzpappe, Cement, Leder und Ziegeln. Bielefeld ist Sitz der Leinen-Berufsgenossenschaft
und deren 3. Sektion sowie der 8. Sektion der Berufsgenossenschaft der Schornsteinfegermeister des Deutschen
Reichs. Ganz nahe bei der Stadt der Sparrenberg mit der nach dem Brande von 1877 wieder aufgebauten alten Feste Sparrenburg,
die, 1177 vom Grafen Bernhard von der Lippe erbaut, jetzt der Stadt Bielefeld gehört. In derselben befinden sich Festsäle und ein
histor. Museum der Grafschaft Ravensberg. Von ihr sowie von dem gegenüberliegenden, mit schönen Anlagen
versehenen Johannisberge genießt man eine weite Aussicht. In der Nähe der zur Erinnerung an das Dreikaiserjahr 1888 errichtete
Dreikaiserturm. - Bielefeld kam um die Mitte des 9. Jahrh. an das Kloster Corvei, erhielt 1250 die ersten Stadtgesetze und trat 1270 der
Hansa bei. Die Reformation fand 1541 Eingang; 1609 kam die Stadt mit der Grafschaft Ravensberg an Preußen.
-
Vgl. Fricke, und Umgegend (Bielef. 1891);
ders., Geschichte der Stadt und der Grafschaft Ravensberg (ebd. 1887);
ders.,
B.s Sparrenburg (2. Aufl., ebd. i893).