Bibliothek
Bezeichnung sowohl des Ortes
(Saal,
Gebäude), in dem
Bücher aufbewahrt werden, als auch der Büchersammlung selbst. Die Nachrichten
über die Bibliothek
der Alten sind sehr spärlich. Für die älteste Bibliothek galt die
des ägypt. Königs
Osymandias (s. d.), deren
Gebäude nach einigen das
Memnonium, nach andern das Ramesium in Memphis war.
Eine andere Bibliothek
soll im
Tempel
[* 2] des Ptha in Memphis gewesen sein.
Bei den
Hebräern bildeten die heiligen
Bücher
die ersten in den
Tempeln; daneben gab es schon früh öffentliche
Archive. In
Persien
[* 3] wird eine Bibliothek
der Könige in
Susa erwähnt.
Für
Assyrien betrachtet man die in den Ruinen in Ninive gefundenen Thonplatten mit
Keilschrift, von denen mehr als 30000 allein
im
Britischen Museum aufbewahrt werden, als eine Art in
Thon, deren Gründung dem König Sardanapal (650
v. Chr.) zugeschrieben wird.
Bei den Griechen bestanden, wie auch bei andern Nationen, die ersten Bibliothek
aus den in den
Tempeln
aufbewahrten
Archiven.
Pisistratus soll
die erste öffentliche in
Athen
[* 4] gegründet haben, die
Terres nach
Persien und Seleucus
Nikator wieder zurückbrachte.
Außer den Schulbibliotheken
gab es noch zahlreiche in der Regel unter den Schutz einer Gottheit gestellte, deren wichtigste
die zu
Alexandria war. Später bestanden die größten Bibliothek
zu
Alexandria (s.
Alexandrinische Bibliothek) und zu Pergamon
[* 5] (deren
bauliche Überreste aufgefunden sind); letztere schenkte
Antonius der Kleopatra zur
Begründung einer neuen
Bibliothek.
In
Rom
[* 6] scheint
die erste Bibliothek
diejenige des
Ämilius
Paulus (168
v. Chr.) gewesen zu sein, die als Kriegsbeute mitgebracht und
später von
Sulla bereichert wurde.
Auch Lucullus führte als Siegesbeute eine Bibliothek
nach
Rom, die er dem Besuche offen gehalten haben soll.
Augustus brachte
Cäsars
Plan einer öffentlichen Bibliothek
durch
Asinius Pollio zur Ausführung und stiftete zwei Bibliothek
, die Octavianische
in dem Portikus der Octavia, seiner Schwester, und die Palatinische auf dem Palatinischen Hügel; diese bestand bis auf Papst
Gregor d. Gr., der die
Schriften der Alten zerstören ließ. Auch einzelne Nachfolger des
Augustus bereicherten die Bibliothek
Roms,
so
Tiberius und Vespasian, selbst Domitian. Die größte römische Bibliothek
war die des
Kaisers
Trajanus auf dem
Forum
[* 7] des
Trajan.
Außer den kaiserlichen in
Rom gab es auch in den größern
Städten des
Reichs. Seit
Augustus gehörte eine Privatbibliothek
zu den Bedürfnissen eines vornehmen
Römers.
Nach dem
Untergange des Weströmischen
Reichs gründete
Constantius eine in
Byzanz, die durch Julian und
Theodosius den
Jüngern vermehrt wurde. Viele Bücherschätze gingen während der
Völkerwanderung zu
Grunde. Später erwarben
sich hauptsächlich mohammed. Fürsten um die Sammlung von Bibliothek
Verdienste.
Im Mittelalter schufen die Mönchsorden, insbesondere die
Benediktiner, durch massenhaftes Abschreiben von Handschriften Bibliothek.
Durch
sie entstand die Bibliothek
von Monte-Cassino, von Flaury an der Loire, von
Clugny, Corbie, in England die Bibliothek
von
Cambridge,
Canterbury,
York, Durham, Peterborough u. a. Auch weltliche Fürsten ließen Bücherschätze sammeln.
Karl d. Gr. gründete Klosterschulen mit Bibliothek. So entstanden reiche Stifte mit Büchersammlungen zu Hersfeld, [* 8] Regensburg, [* 9] Reichenau, Corvei, Fulda. [* 10] Alkuin legte in Tours [* 11] eine Sammlung an, in Paris [* 12] entstand eine solche zu St. Germain-des-Prés, die bedeutendste jener Zeit in St. Gallen. Vom 14. Jahrh. an entstanden die Universitätsbibliotheken, wie in Prag, [* 13] Heidelberg [* 14] (s. Palatina), Leipzig. [* 15] In Italien [* 16] sammelten besondere die Mediceer und schufen die Laurentiana; in Rom entstand durch Nikolaus V. und Sixtus V. die Vaticana (s. Vatikanische Bibliothek), in Ungarn [* 17] durch Matthias Corvinus die berühmte ¶
mehr
Corvina (s. d.); in Mailand [* 19] die Ambrosianische Bibliothek (s. d.). Die Aufhebung von Klöstern infolge der Reformation gab Veranlassung zur Gründung von fürstlichen und städtischen Bibliothek später haben der Dreißigjährige Krieg wie die Napoleonischen Beraubungen deutschen und italienischen Bibliothek empfindlich geschadet. Doch entstanden noch im 18. wie im 19. Jahrh. bedeutende Bibliothek, so zu Göttingen [* 20] (1737), Bonn [* 21] (1818), Straßburg [* 22] (1872), letztere an Stelle der während der Belagerung eingeäscherten. Jetzt giebt es in Deutschland, [* 23] Frankreich, England, Holland, Belgien, [* 24] in der Schweiz [* 25] sowie in Amerika [* 26] kaum eine Stadt von Bedeutung, die nicht eine oder mehrere Bibliothek hätte. Eine Übersicht der Bibliothek mit nähern Angaben über ihre Einrichtungen giebt Edwards, «Memoirs of libraries» (2 Bde., Lond. 1859),
eine genauere der deutschen Bibliothek Petzholdts «Adreßbuch der Bibliothek Deutschlands» [* 27] (Lpz. 1874-75; neue Auflage von P. Schwenke, ebd. 1893) und Dziatzko, «Entwicklung und gegenwärtiger Stand der wissenschaftlichen Bibliothek Deutschlands» (ebd. 1893),
der österreichischen Grassauers «Handbuch für österr. Universitäts- und Studienbibliotheken» (Wien [* 28] 1883),
der nordamerikanischen «Public Libraries in the United States of America» (2 Bde., Washington [* 29] 1876). Ein Verzeichnis der Bibliothek vom Mittelalter bis zur Neuzeit bietet Vogels «Litteratur öffentlicher und Korporationsbibliotheken» (Lpz. 1840),
für die Gegenwart P. E. Richter, «Verzeichnis der Bibliothek mit gegen 50000 und mehr Bänden», I. und II. (ebd. 1890 u. 1892); für das Mittelalter ist am ausführlichsten Gottlieb, «Über mittelalterliche Bibliothek» (ebd. 1890). Die wirkliche Bändezahl sind nur wenige Bibliothek genau anzugeben im stande, so daß man die Angaben über die Stärke [* 30] der Bibliothek nur als eine ungefähre (meist viel zu hoch gegriffene) ansehen darf. Das Deutsche Reich [* 31] besitzt eine außerordentliche Menge von größern oder kleinern Bibliothek. Die größten sind die zu München [* 32] (Hof- und Staatsbibliothek 1000000 Bände Druckwerke, 24000 Handschriften), Berlin [* 33] (Königliche [* 34] Bibliothek 800000 Bände, 24000 Handschriften; 1890 genau gezählt), Heidelberg (563 600 Druckwerke [davon 173 600 Broschüren], 8000 Handschriften), Straßburg (500000 Bände), Dresden [* 35] (500000 Bände, 4000 Handschriften), Göttingen (440000 Bände, 5000 Handschriften; 1890 genau gezählt), Darmstadt [* 36] (400000 Bände, 75000 Abhandlungen, 3200 Handschriften), Stuttgart [* 37] (400000 Bände, 3800 Handschriften; 1891 gezählt), Hamburg [* 38] (Stadtbibliothek 300000 Bände, 4000 Handschriften), Leipzig (Universitätsbibliothek 350000 Bände, 4000 Handschriften), Tübingen [* 39] (300000 Bände), Breslau [* 40] (Universitätsbibliothek 260000 Bände, 7000 Handschriften; 1890 genau gezählt; Stadtbibliothek nach dem großen Dublettenverkauf 1890/91 150000 Bände, 2900 Handschriften), Freiburg [* 41] i. Br. (250000 Bände), Bonn (220000 Bände, 1000 Handschriften; 1890 genau gezählt), Königsberg [* 42] (200000 Bände; 1890 genau gezählt).
Österreich-Ungarn [* 43] hat seine größten in Wien (Hofbibliothek 500000 Bände, 20000 Handschriften; Universitätsbibliothek 400000 Bände) und in Pest (180000 Bände);
die Schweiz in Basel [* 44] (200000 Bände, 5000 Handschriften), Genf [* 45] (100000 Bände, 200 Handschriften);
Holland in Leiden [* 46] (300000 Bände, 5600 Handschriften), Haag [* 47] (200000 Bände, 2000 Handschriften);
Belgien in Brüssel [* 48] (300000 Bände, 12000 Handschriften), Gent [* 49] (100000 Bände);
England in London [* 50] (Britisches Museum [s. d.] 1 600000 Bände), Oxford [* 51] (Bodleiana [s. Bodley] 460000 Bände, 25000 Handschriften), Cambridge (450000 Bände, 6500 Handschriften);
Skandinavien in Kopenhagen [* 52] (600000 Bände, 20000 Handschriften), Stockholm [* 53] (100000 Bände, 4000 Handschriften), Kristiania [* 54] (115000 Bände, 600 Handschriften);
Frankreich in Paris (Bibliothèque nationale 2 500000 Bände, 90000 Handschriften; Bibliothèque Mazarine 140000 Bände, 3000 Handschriften; Bibliothèque St. Geneviève 180000 Bände, 3500 Handschriften), Lyon [* 55] (120000 Bände, 1500 Handschriften), Bordeaux [* 56] (130000 Bände, 320 Handschriften);
Italien in Rom (Vaticana 200000 Bände, 26000 Handschriften), Mailand (Ambrosianische Bibliothek 160000 Bände, 8000 Handschriften), Neapel [* 57] (Biblioteca Borbonica 200000 Bände, 4000 Handschriften), Bologna (Universitätsbibliothek 170000 Bände, 6000 Handschriften), Florenz [* 58] (Biblioteca Mediceo-Laurentiana ungefähr 10000 Handschriften; Nationalbibliothek 300000 Bände), Venedig [* 59] (San-Marco 104000 Bände, 10000 Handschriften);
Spanien [* 60] in Madrid [* 61] (200000 Bände, 3000 Handschriften);
Rußland in Petersburg [* 62] (Kaiserliche Bibliothek etwa 1000000 Bände, 38000 Handschriften);
Nordamerika [* 63] in Washington (National Library 565000 Bände), Boston [* 64] (300000 Bände), Cambridge (Harvard-Universitätsbibliothek 360000 Bände), Neuyork [* 65] (Astor[s. d.]-Bibliothek etwa 250000 Bände; Mercantile Libary 170000 Bände);
Japan [* 66] in Tokio [* 67] 253000 Bände. - Über die Anlage der Bibliotheksräume s. Bibliothekswissenschaft.