Bewegung
,
der Zustand der stetigen Ortsveränderung eines Körpers im Raume. Ob ein Körper in Ruhe
oder ob er in Bewegung
ist, darüber können wir nur dann urteilen, wenn wir seine
Lage mit derjenigen anderer Körper vergleichen,
die wir als ruhend betrachten; unser
Urteil über die Bewegung
eines Körpers ist deshalb auch stets ein relatives. Das
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Haus steht fest, es ist in Ruhe im Vergleich zu dem umgebenden Boden, zu den benachbarten Bäumen, Felsen, Bergen
[* 3] u. s. w. Aber
das Haus ist nicht in absoluter Ruhe, denn es teilt mit der ganzen Erdoberfläche die tägliche Umdrehung um die Erdachse
und durchläuft mit der Erde die Bahn, die dieselbe um die Sonne
[* 4] beschreibt; und auch diese steht nicht
still, wie überhaupt im ganzen Weltall kein Körper zu finden ist, von dem man behaupten könnte, daß er in absoluter Ruhe
wäre. (Vgl. L. Lange, Die geschichtliche Entwicklung des Bewegung
sbegriffes, Lpz. 1887.) - Es ist nun die Aufgabe der Mechanik
(s. d.), die mannigfaltigen Bewegung
der Körper zu
untersuchen und die Beziehungen festzustellen, die zwischen diesen Bewegung
selbst und ihren Ursachen, den wirkenden Kräften, bestehen.
Die Bewegung
der Körper ist aber im allgemeinen eine sehr verwickelte, da gewöhnlich jeder Punkt eines bewegten
Körpers eine besondere und besonders gestaltete Bahn beschreibt, wie dies schon der einfache Fall einer
rollenden Kugel zeigt. Die Mechanik geht daher, um sich ihre Aufgabe zu erleichtern, von dem Studium der Bewegung
eines einzigen Punktes
aus. Denselben denkt man sich, um ihn der Wirkung von Kräften zugänglich zu machen, mit Körpermaterie oder Masse begabt
und findet als Grundbeziehung zwischen einer auf die Masse in dieses sog. materiellen Punktes wirkenden
Kraft
[* 5] P und der erzeugten Beschleunigung (s. d.), deren Größe φ sei, das einfache Gesetz: P = m·φ; in Worten: Kraft gleich
Masse mal Beschleunigung. Dieses Gesetz, welches auch das Gesetz vom Beharrungsvermögen (s. d.) enthält, ist der Ausgangspunkt
für alle weitern rechnerischen Untersuchungen. - Die Bewegung
des materiellen Punktes ist geradlinig,
wenn die wirkende Kraft ihre Richtung beibehält, krummlinig, wenn sich dieselbe ändert, z. B. wenn weitere anders
gerichtete Kräfte auf ihn zu wirken beginnen.
Eine geradlinige Bewegung
wird gleichförmig, sobald die Kraft aufhört zu wirken, denn alsdann hört nach obiger
Gleichung auch die Beschleunigung auf, die Geschwindigkeit (s. d.) wird konstant. Wirkt eine konstante Kraft
(wie z. B. die Schwerkraft), so ist auch die Beschleunigung konstant, die Bewegung
heißt dann gleichmäßig beschleunigt, wie bei
einem freifallenden Körper; wirkt eine solche konstante Kraft der ursprünglichen Bewegung
srichtung entgegen, wie z. B.
die Schwerkraft bei einem senkrecht nach oben geworfenen Körper, so heißt die Bewegung
gleichmäßig
verzögert. Im allgemeinen ist die Bewegung
eines Punktes bekannt, wenn man erstens die Gestalt seiner Bahn kennt und zweitens weiß,
welche Geschwindigkeit er in jedem Punkte dieser Bahn besitzt. Wird der materielle Punkt durch nichts gehindert, der Wirkung
der Kräfte zu folgen, so heißt seine Bewegung.
Eine freie, schreibt man ihm jedoch eine bestimmte
Bahn vor, so ist seine Bewegung
eine unfreie oder gezwungene. Frei bewegen sich alle Himmelskörper, unfrei ein Eisenbahnzug, die
Teile einer Maschine
[* 6] u. s. w.
Geht man nun zur freien Bewegung
eines festen Körpers, d. h. eines ganzen Systems von starr miteinander verbundenen
materiellen Punkten über, so erkennt man, daß sich die einzelnen Massenteilchen, da sie fest miteinander verknüpft sind,
in ihrer Bewegung Gegenseitig beeinflussen; ferner beobachtet man an freibewegten Körpern sowohl fortschreitende
als drehende Bewegung oder Rotation (s. d.), wie bei fast allen Himmelskörpern.
Diese verwickelten Verhältnisse werden mit Hilfe des D'Alembertschen Princips
(s. d.)
in höchst eleganter Weise geklärt, indem man zu folgendem wichtigen Satze gelangt: Die freie Bewegung. Eines starren Körpers geschieht
so, als ob seine ganze Masse in dem Schwerpunkt
[* 7] (s. d.) vereinigt sei und dieser sich als materieller
Punkt unter dem Einfluß der wirkenden Kräfte frei bewege. Jede dabei vorkommende drehende Bewegung des
Körpers geht so vor sich, daß in jedem Augenblick die Drehachse, mag sie fest oder veränderlich sein, durch den Schwerpunkt
geht. - Bei der gezwungenen Bewegung, bei der dem Körper die Bahn vorgeschrieben wird, ist zu bemerken, daß er auf diese Bahn einen
Druck, Bahndruck, ausübt, der um so größer ist, je mehr die vorgeschriebene Bahn von derjenigen abweicht,
die der Körper einschlagen würde, wenn er ungehindert der Wirkung der Kräfte Folge leisten könnte. - Über die Bewegung bei
flüssigen und gasförmigen Körpern, bei denen die einzelnen Teilchen nicht fest miteinander verbunden sind, s.
Hydraulik und Aerodynamik. - Besonders zu betrachtende Bewegung sind die Kreiselbewegung
[* 8] (s. d.),
Pendelbewegung (s. Pendel),
[* 9] Wellenbewegung
[* 10] (s. d.),
Centralbewegung
[* 11] (s. d.).
Die Gesetze der in der Natur vorkommenden Bewegung waren den Alten unbekannt, deren mechan. Kenntnisse sich auf die wenigen von Archimedes erkannten und bewiesenen Sätze der Statik (Hebel, [* 12] Schwerpunkt und Gewichtsverlust von in Flüssigkeiten untergetauchten Körpern) beschränkten. Eine wissenschaftliche Übersicht der Bewegungsgesetze giebt Maxwell, Substanz und Bewegung (2. Aufl., Braunschw. 1881). Weitere Litteratur s. Mechanik.
Die Bewegung lebender Organismen ist ein Akt der das Wesen des Lebens ausmachenden Selbstthätigkeit (oder Selbstregierung) und als solche eine Haupteigenschaft des Lebens, und zwar insbesondere des tierischen. Bei den Tieren gilt sie zugleich als das wesentliche Kriterium des Lebens, indem man alle Körper, bei welcher sie nicht konstatiert werden kann, als tot ansieht. An und für sich ist freilich keine bestimmte Grenze zwischen der Molekularbewegung infolge der Zersetzung des toten Körpers und der Molekularbewegung der Ernährung zu ziehen, sowie diese wieder, bei Beteiligung größerer Gruppen von Elementarteilen, in sichtbare Bewegung übergeht.
Übrigens ist diese letztere eine Eigenschaft der organischen Substanz selbst, des Zelleninhalts, und existiert als solche auch bei den niedrigsten Organismen, wo, soweit wir wissen, keine Spur von Scheidung von Organen vorhanden ist. Die formlose Substanz der niedersten Organismen (Protisten) und der Zelleninhalt der höhern, Pflanzen wie Tiere, ist ursprünglich kontraktil. Aber bei den höhern Tieren, wo die Arbeitsteilung der Organteile weiter vorgeschritten ist, erfolgt die organische Bewegung, sowohl die ortsverändernde des ganzen Körpers und einzelner Glieder, [* 13] als die innere, den Umlauf der Ernährungs- und Bildungssäfte u. s.w. bedingende Bewegung, z. B. des Herzens und der Gedärme, größtenteils durch Zusammenziehungen gewisser kontraktiler Fasern, welche Muskelfasern (s. Muskeln) [* 14] genannt werden. Nur die weißen Blutkörperchen [* 15] und die Samentierchen zeigen bei den höhern Tieren nebst den Flimmerepithelien selbständige Bewegung. Bei niedern Tieren (namentlich bei Seeschwämmen) ist dieselbe häufiger und treten sog. Wanderzellen oder amöboide Zellen im Körpergewebe auf.
Den Anstoß zu der Bewegung giebt in dem lebenden höhern tierischen Organismus das Nervensystem, ¶
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welches zu diesem Behufe nach allen der Zusammenziehung fähigen Gebilden (Muskeln) des Körpers hin feine Fasern, die Bewegungs- oder motorischen Nerven, [* 17] von dem centralen Nervensysteme aussendet und vermittelst der sog. Nervenerregungen, welche wahrscheinlich im Wesen mit der elektrischen Reizung zusammenfallen, die Verkürzung der Muskelzellen auslöst. Durch diese Auslösung wird auch die Bewegung für den Physiologen das Maß der Empfindung. Sogar in dem frisch getöteten Tiere erfolgt durch Reizung dieser Nervenfäden (z. B. mittels Stoß, Quetschung, Hitze, chem. Substanzen, Elektricität) eine Zusammenziehung der Muskeln, in welche jene Fäden endigen.
Man unterscheidet gewöhnlich zwischen willkürlichen Bewegung, welche durch einen vom Centralorgan ausgehenden, direkten Reiz, eine Willensäußerung, ausgelöst werden, und Reflexbewegungen (s. d.), welche auch ohne Bewußtsein, infolge von Reizungen der sensiblen Nerven ausgeführt werden, also eine direkte Übertragung des Reizes auf die Bewegungsnerven darstellen. Diese Übertragung geschieht in den Centralorganen, und am leichtesten, wenn das Sensorium in seiner Thätigkeit gehemmt oder entfernt ist, also z. B. bei schlafenden oder geköpften Tieren.
Eine wesentliche Rolle spielen weiter diejenigen Bewegung, welche, wie die Herz- und Darmbewegungen, gänzlich dem direkten Einflusse des Willens entzogen sind und wo die Quelle [* 18] der Reizung, welche die Bewegung veranlaßt, nur teilweise in dem Centralorgan, teilweise aber auch in den zerstreuten Nervencentren (Ganglien) des sympathischen Nervs liegen. Bei den niedern Tieren, besonders bei den Infusorien, teilweise bei Polypen, Quallen, Würmern, sowie bei den Eiern und Embryonen vieler, auch höherer Tiere, wird die Ortsbewegung [* 19] und vielleicht auch gleichzeitig der mechan. Stoffwechsel durch die Zusammenziehung des die weiche Leibesmasse dieser Organismen bildenden sog. tierischen Protoplasma bedingt, sowie durch feine haarförmige Fortsätze aus Protoplasmasubstanz (die sog. Wimpern oder Cilien), welche sich auf der äußern Leibesoberfläche befinden und entweder stets oder zeitweise in schwingender, teilweise sichtlich unter dem Einflusse des Willens stehender Bewegung begriffen sind.
Über Bewegung im Pflanzenreich s. Pflanzenbewegung.