Beuteltiere
[* 2] (Marsupialia), eine Reihe niederer Säugetiere, die sich durch drei wesentliche Kennzeichen von allen übrigen Säugetieren unterscheiden: durch regelmäßige Frühgeburten, infolge deren die Jungen höchst unausgebildet zur Welt kommen und erst, wenn sie noch lange an den Zitzen der Mutter gehangen haben, ihre Entwicklung vollenden;
durch zwei Knochen, [* 3] die sog. Beutelknochen, welche, auf der vordern Fuge des Beckens aufstehend, in den Muskeldecken des Bauchs verborgen sind;
endlich durch den Mangel des Balkens oder Schwielenkörpers im Gehirn. [* 4]
Die Organisation der
Zähne
[* 5] und Füße ist bei den Beuteltiere
sehr verschieden, aber sie stimmen in dem einen Charakter überein, daß ihre Füße
mit Krallen, aber niemals mit Hufen versehen sind. Meist sieht man jetzt dieselben als eine Unterklasse der Säugetiere an,
die, mit dem Schnabeltier
[* 6] und
Ameisenigel zusammengefaßt, als Didelphen bezeichnet werden und den übrigen
Säugetieren, den Monodelphen, parallele, ähnlich gebaute Ordnungen besitzen. Die Zitzen befinden sich bei allen Beuteltiere
unten
am
Bauche, meist von einem
Beutel
[* 7] umgeben, zuweilen aber ganz frei oder nur von einer vorspringenden Hautfalte umsäumt.
Sie sind meist sehr lang und passen in das röhrenförmige Maul der Jungen. Diese werden von den Müttern unmittelbar nach ihrer Geburt mit dem Maule gefaßt und an die Zitzen befestigt, wo sie erst monatelang unbeweglich hängen und saugen; später aber, wenn sie größer geworden, verlassen sie den Beutel zeitweilig, betrachten ihn aber noch als Zufluchtsstätte, in den sie bei drohender oder vermeintlicher Gefahr mit großer Behendigkeit hüpfen. Dies ist auch häufig bei Kängurus in zoolog. Gärten zu beobachten. Wie unausgebildet die Jungen geboren werden, geht daraus hervor, daß das nach einer Tragzeit von
39 Tagen geborene Junge des bis zu 100 kg schwer werdenden Riesenkängurus nur 60 g wiegt.
Man unterscheidet bei den Beuteltiere:
echte
Fleischfresser (Creatophaga) mit großen Eckzähnen, wohin der einem Metzgerbunde ähnliche
Beutelwolf, die
Beutelmarder und
Beutelbilche gehören, die mehr marderartig an
Bäumen klettern;
Insektenfresser [* 8] (Entomophaga), zu denen die amerik.
Beutelratten gehören, während sie in Australien [* 9] durch die Beuteldachse und die Ameisenbeutler vertreten sind;
Fruchtfresser (Carpophaga), nächtliche Klettertiere mit Daumen an den Hinterfüßen, die von Baumfrüchten leben, darunter die Flugbeutler, die Koalas oder Beutelbären und die Fingerbeutler oder Kusu auf den Sunda-Inseln;
Grasfresser (Poephaga), denen die Kängurus und Kängururatten angehören, die mit ihren gewaltigen Hinterfüßen und dem langen Balancierschwanze in gewaltigen Sprüngen die Grasebenen Australiens durchfliegen;
endlich Beutelnager (Rhizophaga) mit nagerähnlichem Gebiß, wozu der in der Weise eines Murmeltiers lebende Wombat gehört.
Neun Zehntel der bekannten
Arten leben in
Australien
und den benachbarten
Inseln, die übrigen in
Amerika
[* 10] und auf den asiat.
Inseln.
In den Tertiärschichten einiger europ.
Länder
hat man ebenfalls ausgestorbene
Arten entdeckt, und vielleicht gehören alle in neuester Zeit in den
Trias,
dem Jura und der Kreide
[* 11] entdeckten ältesten Säugetierreste Formen dieser Unterklasse an, welche offenbar die Stammgruppe
sämtlicher höhern Säugetiere darstellt. Dieses ist um so wahrscheinlicher, als man in
Australien Reste von fossilen Beuteltiere
entdeckt
hat, die den Dickhäutern ähnliche Charaktere aufweisen. (S. die einzelnen
Artikel und
Tafel: Beuteltiere
I, II.)