Betrug
,
im weitern
Sinn jede absichtliche
Verletzung oder Unterdrückung der
Wahrheit. In der
Rechtswissenschaft
unterscheidet man den zivilrechtlichen und den strafrechtlichen Betrug.
Unter dem zivilrechtlichen Betrug (dolus,
malus, fraus) versteht man die absichtliche Erregung oder Benutzung von falschen
Vorstellungen eines andern, um demselben
einen Nachteil und in der
Regel sich selbst oder einem andern einen Vorteil zu verschaffen (vgl.
Dolus).
Das letztere
Moment, die eigennützige Absicht, ist indessen nicht ein wesentliches, es liegt vielmehr das
Charakteristische
des
Dolus überhaupt in der verwerflichen
Gesinnung, mit welcher man wissentlich schadet, abgesehen von dem
Zweck, den man außerdem
erreichen will.
Der Betrug
hebt im allgemeinen die Gültigkeit der Willensbestimmung und des darauf beruhenden
Rechtsgeschäfts nicht auf, sondern gibt dem Beschädigten nur einen Anspruch gegen den Betrüger, wobei sich von selbst
versteht, das der
Dolus von demjenigen, der daraus einen Anspruch herleitet, bewiesen werden muß.
Kann eine solche absichtliche
rechtswidrige
Beschädigung nicht durch eine andre
Klage, z. B. durch die
Klage aus einem
Vertrag, geltend
gemacht werden, so gibt sie dem Beschädigten die
Actio doli, die also eine subsidiäre
Klage ist.
Sie geht auf den Ersatz des vollen Interesses, nach zwei Jahren aber nur noch auf den Gewinn, den der Beklagte von seinem Dolus hatte. In Vertragsverhältnissen gilt als Regel, daß jeder Kontrahent dem andern für seine unerlaubte Handlung, mag solche in einer Fahrlässigkeit (culpa) oder in einer rechtswidrigen Absicht (dolus) ihren Grund haben, einzustehen hat. Jeder Schuldner haftet also für die Verletzung seiner Verbindlichkeit durch Dolus unbedingt, so daß er von dieser Haftung nicht einmal durch Vertrag, als welcher gegen die gute Sitte wäre, befreit werden kann.
Die
Folgen des Betrugs
werden aber hier nicht mit einer eignen
Klage, sondern mit der
Klage aus dieser
Obligation, z. B. dem
Kauf-,
Miet-, Darlehnsvertrag etc., geltend gemacht. Ist der
Vertrag noch nicht erfüllt, so hat der Betrogene die
Wahl, die
Erfüllung bis zur Beseitigung der aus dem
Dolus entstehenden Nachteile zu verweigern oder auch den
Vertrag,
der ja durch den
an sich noch nicht nichtig geworden ist, bestehen zu lassen; ist aber der
Vertrag bereits erfüllt, so hängt
es von ihm ab, entweder unter Bestehenlassen desselben mit der Vertragsklage
Entschädigung oder die
Auflösung des
Vertrags
zu fordern.
Die
Gesetzgebung kann jedoch nicht dabei stehen bleiben, dem durch eine betrügerische Handlungsweise eines andern Verletzten
bloß mit
Rechtsmitteln des bürgerlichen
Rechts zu
Hilfe zu kommen.
Wahrhaftigkeit und Redlichkeit, Halten von
Treue und
Glauben
in dem äußern Verkehrsleben mit andern sind so wichtige Rechtspflichten, daß durch ihre
Verletzung nicht
bloß die
Rechte des Einzelnen, sondern auch die staatliche Rechtsordnung an und für sich und damit der
Staat selbst gefährdet
und verletzt werden können. In diesem letztern Umstand liegt der Unterschied zwischen dem zivilrechtlichen und dem strafrechtlichen
Betrug
(falsum, stellionatus).
Nicht jeder Betrug
nämlich, der zivilrechtlich verantwortlich macht, zieht auch eine
Kriminalstrafe nach
sich, sondern nur solche Betrügereien fallen unter den
Begriff des strafbaren Betrugs
, durch welche dem
Staat selbst direkt
oder indirekt eine gewisse
Gefahr droht, welcher durch die privatrechtliche Verpflichtung des Betrügers zum
Schadenersatz
nicht genügend begegnet werden kann. Bei der Beantwortung der
Frage aber, welchen Betrügereien ein solcher
gemeingefährlicher
Charakter
¶
mehr
innewohne, kommt es auf die Zeitverhältnisse, auf den jeweiligen Kulturzustand eines Volkes und auf das Rechtsbewußtsein
desselben überhaupt an. So bedrohte das römische Recht nur einzelne bestimmte Fälle des Betrugs
, wie z. B. die Testamentsfälschung
,
die Verfälschung von Gold- und Silbermünzen, mit öffentlicher Strafe. Während dasselbe aber im übrigen keine Bestimmungen
über die Bestrafung des Betrugs
enthielt, und während die gemeinrechtliche Praxis das Gebiet des strafbaren Betrugs
ebenfalls
nicht als ein bestimmt und scharf begrenztes Gebiet auffaßte und dem richterlichen Ermessen folgeweise einen allzu großen
Spielraum ließ, hat die moderne Gesetzgebung einen andern Weg eingeschlagen. Es werden nämlich einmal diejenigen betrügerischen
Handlungen, welche sich zwar im allgemeinen als widerrechtliche, absichtliche Entstellungen der Wahrheit durch Mitteilung falscher
oder Unterdrückung wahrer Thatsachen charakterisieren, im einzelnen aber den Thatbestand besonderer Verbrechen bilden, als
solche behandelt und mit besondern Strafen belegt.
Hierher gehört insbesondere der Meineid, ferner die falsche Anschuldigung, Münzfälschung, falsches Zeugnis, bezüglicher Bankrott und insbesondere die Urkundenfälschung (s. d.). Aber auch der an und für sich wird in der modernen Gesetzgebung, insbesondere auch nach englischem und französischem Strafrecht, mit Strafe bedroht, in der Regel jedoch nur dann, wenn dadurch einerseits ein Vermögensnachteil des Betrogenen oder eines Dritten und anderseits ein Vermögensvorteil des Betrügers oder eines Dritten beabsichtigt wurde.
Das österreichische Strafgesetzbuch (§ 197-205) beschränkt den Begriff des Betrugs
allerdings nicht auf Vermögensverletzungen,
sondern straft den Betrüger auch dann, wenn seine Absicht auf etwas andres hinzielte. Das Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs
(§ 263) dagegen bestimmt hierüber folgendes: »Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen
Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines andern dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder
Unterdrückung wahrer Thatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird wegen Betrugs
mit Gefängnis (bis zu 5 Jahren) bestraft,
neben welchem auf Geldstrafe bis zu 3000 Mk. sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden
kann«. Es ist dann noch weiter bestimmt, daß auch der Versuch des Betrugs
strafbar sei, und daß, wenn ein Betrug gegen Angehörige,
Vormünder oder Erzieher begangen wird, die strafrechtliche Verfolgung nur auf Antrag des Verletzten eintreten soll.
Der Begriff eines sogen. ausgezeichneten Betrugs
, welcher nach den frühern Strafgesetzbüchern
insbesondere von einem öffentlichen Beamten unter Mißbrauch seiner Amtsgewalt begangen wurde, findet sich in dem deutschen
Strafgesetzbuch nicht. Dagegen bestimmt dasselbe § 264, daß derjenige, welcher bereits zweimal wegen Betrugs
im Inland
bestraft worden, wegen eines dritten Betrugs
mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren und zugleich mit Geldstrafe von 150 bis
zu 6000 Mk., falls aber mildernde Umstände vorhanden, mit Gefängnisstrafe nicht unter 3 Monaten bestraft werden soll. Im § 265 endlich
ist noch verordnet, daß, wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuersgefahr versicherte Sache in Brand setzt oder ein
Schiff,
[* 3] welches als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder
stranden macht, mit einer Zuchthausstrafe bis zu 10 Jahren und zugleich mit Geldstrafe von 150 bis zu 6000 Mk. und, falls mildernde Umstände
vorhanden, mit Gefängnisstrafe (bis
zu 5 Jahren) nicht unter 6 Monaten belegt werden soll.
Vgl. Ortloff, Lüge, Fälschung und
Betrug
(Jena
[* 4] 1862);
Merkel, Kriminalistische Abhandlungen, Bd. 2: »Lehre
[* 5] vom strafbaren Betrug«
(Leipz. 1867);
Gryziecky, Studien über den strafbaren Betrug (Lemberg [* 6] 1870);
Merkel in Holtzendorffs »Handbuch des deutschen Strafrechts«, Bd. 3, S. 750 ff.; Bd. 4, S. 432 ff. (Berl. 1874 ff.).