Besitz
stand,
im
Völkerrecht die thatsächlich ungestörte Ausübung der
Staatshoheit auf einem bestimmten Gebiete,
ebenso die thatsächlich geduldete
Beschränkung ihrer Ausübung. Wo es an urkundlichen Festsetzungen und allgemeinen Völkerrechtssätzen
(wie bei den Wassergrenzen, s. Grenze) fehlt, ist der Besitz
stand die
rechtliche Grundlage für die
Begrenzung der
Staatsgebiete und die Benutzung fremden
Staatsgebietes, z. B. durch Ausübung der
Schiffahrt und Fischerei
[* 2] in
Territorialgewässern. In letzterer
Beziehung wird indes, zumal wenn es sich um Ausübung von
Staatshoheitsrechten
auf fremdem Gebiete, z. B. der Konsulargewalt, handelt, mehr der verwandte
Begriff des Herkommens verwendet.
Nicht nur der unvordenkliche, sondern jeder nicht erweislich auf unrechtmäßigem Wege erworbene Besitz
stand steht
dem urkundlich nachweisbaren
Rechte gleich, nicht in Anwendung des dem
Völkerrechte unbekannten
Begriffs der Ersitzung oder
Verjährung, sondern auf
Grund der bei der Offenkundigkeit aller staatlichen Besitz
verhältnisse anzunehmenden thatsächlichen
Anerkennung. Aus diesem
Grunde ist aber das
Gleiche auch von dem ursprünglich unrechtmäßigen Besitz
stand anzunehmen,
wenn er so lange Zeit ruhig fortgedauert hat, daß darin eine
Anerkennung zu finden ist. (Vgl.
Bluntschli, Das moderne
Völkerrecht,
§. 290.) So geht auch nach eingetretenen Besitz
störungen, wenn nicht durch überlegene Macht eine
Abtretung erzwungen werden
kann, jeder Versuch der Verständigung notwendig von dem Statusquo (sc. ante bellum, ect., nämlich
vor dem
Kriege u. s. w.), von dem frühern Besitz
stand aus, selbst wenn dieser als unrechtmäßig
angegriffen worden war.