Besitzklagen,
Besitzrechtsmittel, Klagen, die zum Teil zur Erhaltung eines gegenwärtigen, zum Teil auch zur Wiedererlangung eines verlorenen Besitzes dienen. Die erstere Art, bei den Römern das interdictum uti possidetis (bei Grundstücken) und utrubi (bei beweglichen Sachen), heutzutage die ordentliche Besitzklage (possessorium ordinarium), wird veranlaßt durch wörtliche oder thätliche Störung des Besitzes, geht auf Anerkennung des Besitzes, Verbot fernerer Störungen, Schadenersatz und ist nur innerhalb eines Jahres zulässig. Wenn Besitzhandlungen beider Teile vorliegen, wird der geschützt, welcher die ältesten Besitzhandlungen nachweisen kann, unter der Voraussetzung, daß er seitdem den Besitz nicht verloren hat. Hatte der Kläger den Besitz von dem Beklagten fehlerhaft erlangt, d. h. mit Gewalt (vi), heimlich (clam) oder auf Widerruf (precario), so wird er abgewiesen. Der Schutz im jüngsten Besitz, das Summariissimum, ist durch die Deutsche Civilprozeßordnung beseitigt.
Zur Wiedererlangung verlorenen Besitzes diente bei den Römern das interdictum unde vi, seit dem Mittelalter die Spolienklage, für welche der Grundsatz gilt: spoliatus ante omnia est restituendus, d. h. wer gewaltsam aus dem Besitz gesetzt ist, darf vor allem die Wiedereinsetzung in den Besitz fordern. Sie steht auch dem Pächter oder Mieter und dem Entsetzten auch gegen den Dritten zu, welcher den Besitz von dem, der ihn gewaltsamerweise weggenommen, mit dem Bewußtsein jener
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Wegnahme erlangt hat. Der Verklagte wird mit Einreden, er sei der Eigentümer oder der Kläger habe selbst erst fehlerhaft von dem Beklagten den Besitz erlangt, nicht gehört. - Zum Schutz des Besitzes an Rechten dienen teils die vorstehenden Besitzklagen, teils sind besondere Klagen eingeführt. - Vgl. Bruns, Die Besitzklagen des röm. und heutigen Rechts (Weim. 1874); Pflüger, Die sog. Besitzklagen des röm. Rechts (Lpz. 1890).